Hätte der Krieg in der Ukraine verhindert werden können?

Prof. Dr. Werner Ruf

Hätte der Krieg in der Ukraine verhindert werden können?

33.534 Aufrufe – 04.03.2022 Kasseler Friedensforum – 

Der kriegerische Einmarsch Russlands in die Ukraine ist ein Völkerrechtsbruch, ein Verbrechen. Er ist nicht zu rechtfertigen. Er wird eine große Hypothek für die notwendige Wiederherstellung einer Friedensordnung in Europa sein.

Dieser Krieg hätte verhindert werden können. Dazu müssen wir zurückblicken auf die Jahre 1989 und 1990, den 2 + 4 – Vertrag, die Charta von Paris, die geschlossenen Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge, aber auch auf den systematischen Vormarsch der NATO nach Osten, ihren völkerrechtswidrigen Krieg zur Zerstörung (Rest-)Jugoslawiens und den Beginn des Aufbaus einer neuen staatlichen Ordnung in Europa, basierend auf dem Ordnungsanspruch der NATO. Welche Interessen die Großmächte wirklich verfolgen, sollte Gegenstand unserer Diskussion sein.

Russland und die AfD – Einflussreich gegen Europa

Quelle: Tagesschau online

Stand: 24.03.2022

Russland und die AfD – Einflussreich gegen Europa

Die Kontakte von AfD-Politikern zu einem kremltreuen Oligarchen sind noch enger als bekannt. Dokumente, die WDR, NDR und SZ vorliegen, zeigen zudem eine enge Verzahnung der europäischen Rechten mit der Propagandamaschine des Oligarchen.

Von Petra Blum, Sebastian Pittelkow, Katja Riedel und Sarah Wippermann (WDR/NDR)

Als sich Anfang 2016 in Mailand erstmals das „Who is Who“ der europäischen Rechten traf, gab es offenbar einen offiziellen und einen inoffiziellen Teil. Man feierte den ersten Kongress der neuen Rechtsaußenfraktion „Europa der Nationen und Freiheiten“ des EU-Parlaments. Darin vereint waren Vertreter der Lega Nord, des Front National, der FPÖ, der Wilders Partei, der AfD und vieler anderer rechtsnationaler Parteien. Eigentlich, so legen es nun Dokumente nahe, sollten auf der Bühne auch Stargäste aus Russland stehen. Doch kurz davor wurden die Treffen offenbar in Hinterzimmer verlegt.

So ist es zumindest in einer E-Mail zu lesen, die die langjährige rechte Hand Salvinis, ein Mann namens Gianluca Savoini, geschrieben haben soll – von einer russischen E-Mail-Adresse. Den Dokumenten zufolge hatte er offenbar jahrelang als Mittelsmann zwischen Vertretern europäischer Rechtsparteien und der russischen Seite agiert. Savoini schrieb zum Beispiel an Alexander Dugin, der als putintreuer rechtsextremer Ideologe gilt.

Russlands Kurs gegen die Ukraine Verständnis bei der AfD  – Putins Kurs gegen die Ukraine stößt international und in Deutschland auf harsche Kritik.

Vor wenigen Tagen erst schockierte Dugin mit der Aussage, dass entweder Russland im Krieg gegen die Ukraine siege oder dies „das Ende der Welt“ werde. Im Mailwechsel zwischen Savoini und Dugin ging es um besondere Diskretion: Angesichts von Spekulationen, die Lega Nord habe aus Russland illegale Wahlkampfhilfen erhalten, solle man sich lieber heimlich treffen. „Konstantin hat mit Marine telefoniert?“, wollte Savoini wissen – und meinte damit anscheinend Konstantin Malofejew, einen russischen Oligarchen und Marine Le Pen, die Chefin des französischen Front National. „Können wir also organisieren, sie im Hotel zu treffen und nicht in der Öffentlichkeit?“

Was bei diesem Geheim-Meeting besprochen wurde, ob es wirklich stattfand, lässt sich nicht verifizieren. Savoini ließ Anfragen unbeantwortet. Doch die E-Mails sind sehr detailliert und im Ton sehr vertraut, einige dort genannten Ereignisse lassen sich unabhängig überprüfen. Die Dokumente wurden dem Londoner „Dossier-Center“ zugespielt, das der ehemalige Oligarch Mikhail Chodorkowsky finanziert. Internationale Medien, darunter NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“ konnten sie auswerten.

Exklusiv 12.06.2020 – AfD-Abgeordneter Oehme Auf Kreml-Kosten auf die Krim – Neu aufgetauchte Dokumente belegen die Finanzierung aus dem russischen Staatshaushalt.

Aus den E-Mails geht hervor, dass Malofejew offenbar eine zentrale Rolle in einem Netzwerk spielt, das europäische Rechtsparteien für russische Interessen nutzen wollte. Malofejew ist ein Medienmogul, ein russischer Oligarch, schwerreich, fundamental-christlich, der das Zarenreich wieder errichten will. Der Ukraine spricht er schon lange ein Existenzrecht ab. Die Krim-Annexion durch Russland 2014 soll er aktiv unterstützt haben. Er wurde deshalb von der EU sanktioniert.

„Wir warten auf Sie in Moskau!“

Auf eine Anfrage von WDR, NDR, SZ und internationalen Partnern ließ er ausrichten, dass er sich zum Inhalt nur persönlich in einem Interview in Moskau äußern werde. Er warf den Medien vor, als Mitglieder westlicher Geheimdienste zu agieren. „Deshalb ist Ihre Anfrage so als würde die Nazizeitung ‚Völkischer Beobachter‘ 1941 die UdSSR um einen Kommentar zu den Ereignissen an der Ostfront anfragen.“ Er schließt: „Wir warten auf Sie in Moskau!“

Folgt man den Unterlagen weiter, hatte Malofejew offenbar häufig nach Moskau eingeladen: Und zwar Vertreter der europäischen rechtspopulistischen Parteien. Auch AfD-Mitglieder waren Recherchen von NDR, WDR und SZ zufolge wiederholt zu Gast. In der AfD erzählt man sich, dass es dabei auch immer mal wieder Geldangebote an Politiker gegeben haben soll, in dicken Briefumschlägen – angeblich auch zur Wahlkampfunterstützung. Allerdings beteuern die, die solche Offerten erlebt haben wollen, sie hätten diese niemals angenommen.

19.09.2021 – AfD-Politiker in Russland „Wahlbeobachtung auf Bestellung“ – AfD-Abgeordnete waren zur Duma-Wahl in Russland. Kritiker sprechen von willfähriger Instrumentalisierung.

Bindeglied Savoini

Die Zusammenschau aller Dokumente des Dossier-Centers zeigt die besondere Rolle des Italieners Savoini, der offenbar auch als Bindeglied der Russen zu den anderen rechtsnationalen Parteien fungierte. Mal unterhielt er sich mit Mitarbeitern des Oligarchen über die Bezahlung einer Person, wie mit „K“ besprochen. Viel öfter aber lud er ein: zu Reisen, zu sehr privaten Treffen vor allem mit Malofejew.

Eine solche E-Mail schickte er offenbar Anfang Januar 2019 an den damals mächtigsten Mann des rechten Flügels der AfD, Andreas Kalbitz. „Dear Andreas“, schrieb Savoini, „Mr. K wartet auf Dich und Herrn Björn Höcke in seinem Büro in Moskau Ende Januar, wenn Ihr könnt.“ Er werde sie auch noch mit dem Chef der auswärtigen Beziehungen von Putins Partei zusammenbringen: „Das Meeting mit Mr. K wird selbstverständlich privat sein.“

Höcke ist offenbar dann nicht mitgereist. Eine Anfrage ließ er unbeantwortet. Andreas Kalbitz schließt nicht aus, nach Moskau geflogen zu sein, möglicherweise tat er das mit den früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann und Steffen Kotré. Letzterer bestätigte die Reise. Kalbitz und Kotré betonen, dass es nie Geldangebote der russischen Seite gegeben habe. Pasemann ließ schriftliche Fragen bislang unbeantwortet, auch telefonisch war er nicht zu erreichen.

Beziehung auf „Top-Level“

Von dem früheren AfD-Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann findet sich in den Unterlagen allerdings ein überschwängliches Dankesschreiben auf offiziellem Bundestags-Briefpapier, adressiert an einen Top-Manager Malofejews. Er dankte diesem für das Dinner, und lud zum Gegenbesuch in den Bundestag. Man sei im Gespräch mit einem der Parteichefs, die Beziehung auf „Top-Level“ fortzusetzen.

Savoini, so zeigen zahlreiche E-Mails, ging es bei seinen Anbahnungen offenbar auch darum, Informationen zu besorgen. Er suchte laut einer Mail direkt nach dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017 offenbar den Kontakt ins Umfeld von Markus Frohnmaier, dem russlandnahen ehemaligen Chef der AfD-Jugendorganisation. Savoini kontaktierte einen engen politischen Weggefährten Frohnmaiers, Manuel Ochsenreiter, Chefredakteur extrem rechter Zeitschriften, der 2021 überraschend in Moskau verstorben ist.

Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten Auftrag zum Brandanschlag? Ein Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten wird beschuldigt, in der Ukraine einen Brandanschlag beauftragt zu haben.

Die Unterlagen zeigen, dass offenbar auch Ochsenreiter in Russland zum engen Umfeld Malofejews zählte. Im fraglichen Mail-Wechsel ging es um „unsere russischen Freunde“ und ein seltsames Vorhaben: ein Rückkehrmanagement syrischer Flüchtlinge. Ochsenreiter sollte laut der Mails offenbar Frohnmaier für das Projekt gewinnen und eruieren, wie viel Geld die deutsche Regierung zugunsten syrischer Flüchtlinge ausgebe.

„Nachdem wir diese Dinge wissen, können wir ein operatives Meeting in Moskau organisieren.“ Schnell meldete Ochsenreiter laut der Dokumente zurück: „Gerade mit Markus gesprochen, er ist happy an dem Projekt teilzunehmen.“ Die angefragten Informationen liefert Ochsenreiter gleich mit. Frohnmaier bestreitet, einer Teilnahme an dem Projekt zugestimmt zu haben. Er habe überhaupt keine Kenntnis „von irgendeiner Involvierung Russlands in dieses nebulöse Projekt“.

AfD in Bayern Zum Teil auf Moskaus Linie? Die AfD-Bundesspitze stellt sich aufseiten der Ukraine, bayerische Funktionäre zeigen sich russlandnah.

Ochsenreiter hatte auch sonst offenbar enge Russland-Kontakte. Ein deutscher Abgeordneter, der Ochsenreiter gut kannte und sich mit ihm vor seinem Tod in Moskau getroffen haben will, berichtet: „Ochsenreiter hat mir irgendwann zu verstehen gegeben, dass er für russische Dienste gearbeitet hat und zuletzt vor seinem Tod an das russische Außenministerium angebunden war, zumindest hat er mir das so erzählt.“

In den Dokumenten des Dossier-Centers finden sich auch Pläne für angebliche Neugründungen paneuropäischer rechts-nationaler Organisationen. Auch lässt sich zumindest der Verdacht erkennen, Abgeordnete in verschiedenen europäischen Ländern sollten mit einer Art Antritts- und Erfolgsprämie dazu bewegt werden, in diversen Landesparlamenten Resolutionen für die Anerkennung der russischen Ukraine-Politik im Zuge der Krim-Annexion zu befördern.

Die AfD erklärte auf Anfrage, sie habe von sämtlichen Vorgängen nichts gewusst, weder von Reisen noch von Verbindungen einzelner AfD-Abgeordneter zu Malefejew – und sie habe auch keinerlei Reisen finanziert.

Exklusiv 10.03.2022 „Keine Demokratie in Deutschland“ Putins Propagandist im Bundestag

Der AfD-Abgeordnete Schmidt stellt Deutschland als Land dar, in dem Andersdenkende unterdrückt werden. Link Investigative Recherchen des WDR wdr   AfD in Bayern Zum Teil auf Moskaus Linie? Exklusiv 10.03.2022 – 11:13 Uhr „Keine Demokratie in Deutschland“ Putins Propagandist im Bundestag  Russlands Kurs gegen die Ukraine Verständnis bei der AfD  Hintergrund  Pro-russische Netzwerke Moskautreue Rechte  AfD-Politiker beim Jalta-Forum Propagandareise ans Schwarze Meer

Breites Bündnis kritisiert Sondervermögen für Aufrüstung der Bundeswehr

Breites Bündnis kritisiert Sondervermögen für Aufrüstung der Bundeswehr veröffentlicht am 2. März 2022

Gemeinsame Erklärung von Forum DL21, Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken, Institut Solidarische Moderne, Jusos Rheinland-Pfalz, Attac Deutschland, NaturFreunde Deutschlands, Naturfreundejugend Deutschlands, Hashomer Hatzair Deutschland e.V., European Alternatives Berlin, Klaus Barthel, Bundesvorsitzender Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerfragen (AfA),  Friedhelm Hilgers, Mitglied im Bundesvorstand AG60plus.

Das Forum Demokratische Linke 21 e.V., Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken, Institut Solidarische Moderne, Jusos Rheinland-Pfalz, Attac Deutschland, NaturFreunde Deutschlands, Naturfreundejugend Deutschlands, Hashomer Hatzair Deutschland e.V., European Alternatives Berlin, Klaus Barthel, Bundesvorsitzender Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerfragen (AfA),  Friedhelm Hilgers, Mitglied im Bundesvorstand AG60plus verurteilen Putins Angriffskrieg auf das Schärfste. Die russische Regierung muss sofort alle Angriffe stoppen, sich vollständig aus der Ukraine zurückzuziehen und die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine achten. Unsere größte Sorge gilt derzeit den Menschen in der Ukraine. Gerade jetzt bekennen wir uns, mehr denn je, zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Deshalb haben wir am vergangenen Sonntag in Berlin gemeinsam mit Hundertausenden Anderen für den Frieden demonstriert. Den Aufruf der am Bündnis beteiligten Organisationen und Gewerkschaften für ein Europa der Abrüstung, der Entspannung und der Verständigung teilen wir ganz ausdrücklich.

Wir lehnen das von Bundeskanzler Scholz am Sonntag vorgeschlagene Sondervermögen für Aufrüstung in Höhe von 100 Milliarden Euro und dauerhafte Rüstungsausgaben von über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab. Das ist ein beispielloser Paradigmenwechsel, dem wir uns vehement entgegenstellen. Stattdessen sollte darüber diskutiert werden, wie wir den Menschen in der Ukraine schnellstmöglich helfen können.

Für eine gut ausgestattete Bundeswehr braucht es weder Sondervermögen noch weitere Milliarden. Die Bundeswehr ist nicht von einer Unterfinanzierung geplagt, sondern von strukturellen Problemen beim Management und der Beschaffung von Materialien. Die Bundeswehr muss reformiert, nicht aufgerüstet werden.

Darüber hinaus sollten jegliche Ausgaben für die Bundeswehr über den Weg des Verteidigungshaushalts gehen, inklusive eines Parlamentsvorbehalts, nicht über einen Sonderfonds – und erst recht nicht über einen  im Grundgesetz verankerten Sonderstatus für militärische Aufrüstung.

Was die Ankündigung eines Sonderfonds auch klar macht: Statt hektisch angekündigter Grundgesetzänderungen, sollte die Schuldenbremse abgeschafft werden. Sie ist nicht zeitgemäß und führt zu immer absurderen Finanzposten-Konstruktionen.

Es darf zudem keine militärische Aufrüstung auf Kosten von sozialen Leistungen geben. Wir stehen vor großen Herausforderungen, deren Bewältigung all unsere Kraft braucht.

Unser Gesundheitssystem steht weiterhin unter immenser Belastung und muss auskömmlich finanziert werden. Eine Reform der Renten- und Sozialleistungen benötigt viel Geld. Die Umgestaltung unserer Wirtschaft bringt enorme Kosten mit sich. Das Überleben der Menschheit hängt davon ab, ob es uns gemeinsam gelingt, die Klimakrise und die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu bekämpfen.

Für die Lösung dieser Menschheitsaufgaben müssen wir alle unsere Kraft aufwenden. Wir können es uns nicht leisten, die dafür dringend benötigten Ressourcen für Kriegsgerät auszugeben. Dies muss unsere gemeinsame Verantwortung sein, das sind wir nachfolgenden Generationen schuldig.

Klaus Barthel, Bundesvorsitzender Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerfragen (AfA)

Friedhelm Hilgers, Mitglied im Bundesvorstand AG60plus

Generaldebatte im Bundestag am 23. März 2022 – auch Diskussion des Einzeletats des Verteidigungministeriums

#Bundestag #Generaldebatte #Livestream  GENERALDEBATTE im BUNDESTAG: Ampel-Koalition auf dem Prüfstand | LIVE DABEI –119.694 Aufrufe – Live übertragen am 23.03.2022 – WELT Nachrichtensender – 

In der ersten Generaldebatte des Bundestags seit dem Regierungswechsel steht am Mittwoch die Politik der Ampel-Koalition auf dem Prüfstand (ab 09.00 Uhr). Die auf vier Stunden angesetzte Debatte über den Etat des Kanzleramts hat traditionell den Charakter einer Generalaussprache über die Politik der Regierung. Als Chef der größten Oppositionsfraktion wird der CDU-Politiker Friedrich Merz die Debatte eröffnen. Nach ihm spricht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Auch alle anderen Fraktionsvorsitzenden wollen das Wort ergreifen.

Der Etat des Kanzleramtes sieht in diesem Jahr Ausgaben von 3,7 Milliarden Euro vor, das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 14,3 Prozent.

Ebenfalls diskutiert werden am 23. März 2022 die Einzeletats für das Auswärtige Amt (13.00 Uhr), das Verteidigungsministerium (14.45 Uhr, ab 5:58:04) und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (16.30 Uhr). 

Bundeshaushaushalt 2022 Protokoll Erste Lesung 23.3.22, Aussprache über den Etat des Verteidungsministeriums von Seite 1986 bis Seite 2006

Sondervermögen Bundeswehr: Panikpolitik

Quelle: IPG-Journal

Außen- und Sicherheitspolitik 15.03.2022 | Herbert Wulf

Panikpolitik

Die Modernisierung der Bundeswehr ist überfällig. Wir dürfen das Pferd jedoch nicht von hinten aufzäumen. Es braucht eine nüchterne Bedarfsanalyse.

Zuerst Finanzen bereit zu stellen und dann zu fragen, was damit geschehen soll, ist die falsche Reihenfolge. Als Reaktion auf Russlands Aggression kündigte Bundeskanzler Scholz ein „Sondervermögen Bundeswehr“ von 100 Milliarden Euro an. So verständlich der Wunsch zur raschen Modernisierung der Bundeswehr sein mag, so wenig ist er Ergebnis einer nüchternen Analyse. Es ist Panikpolitik, die der Bundeswehr kaum nützt.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ist durch den Krieg Russlands eine dringende Notwendigkeit. Auch die Bundeswehr, als Rückgrat unserer Verteidigung, bedarf der Reform und neuer strategischer Ausrichtung. Doch dies vor allem durch mehr Geld in Angriff zu nehmen, führt zur Verschwendung knapper Ressourcen. Vorrangig ist eine strategische Debatte über die künftigen Aufgaben der Bundeswehr nötig, nicht aber eine riesige Geldspritze.

Natürlich kann die Bundeswehr mehr finanzielle Mittel gebrauchen, um Panzer, Hubschrauber, Schiffe, Kampfflugzeuge oder Drohnen zu beschaffen. Aber für welchen Zweck? Um weiterhin Auslandseinsätze zu ermöglichen oder sie effizienter zu gestalten? Um bei Staatsversagen irgendwo auf der Welt eingreifen zu können? Um den in unserer Verfassung niedergelegten Auftrag zur Landesverteidigung durchführen zu können? Um den baltischen Ländern bei einer Aggression Russlands beizustehen? Um die Ostflanke der NATO zu stärken? Und soll dies im Rahmen einer auch militärisch unterfütterten Rolle der EU passieren, wie dies schon länger vom französischen Präsidenten Macron gefordert wird? Oder geht es sogar – gemeinsam mit den USA – um den Stopp der chinesischen Marineaktivitäten im Südchinesischen Meer? Oder gegen die Iraner in der Straße von Hormus, wenn unsere Ölversorgung bedroht werden sollte? Angesichts der völlig neuen sicherheitspolitischen Lage sind dies ernsthafte Fragen, die zunächst einmal geklärt sein müssen, bevor mit vollen Händen Geld ausgegeben wird.

Es gibt keinen Grund, überstürzt ein so riesiges Sondervermögen für die Bundeswehr anzukündigen. Der Krieg in der Ukraine wird dadurch keinen Tag früher enden und die Neuausrichtung der Bundeswehr geschieht ebenso wenig kurzfristig.

Aber, so heißt es, die Bundeswehr ist unterfinanziert. Sie wurde kaputtgespart. Kampfflugzeuge sind nur bedingt einsatzfähig, U-Boote tauchen nicht, die schon lange avisierten Fregatten werden nicht ausgeliefert, Hubschrauber und Lufttransportkapazitäten sind Mangelware. Ersatzteile fehlen an allen Ecken und Enden. Die Maschinengewehre taugen nicht bei den hohen Temperaturen in Mali. Es fehlt an warmer Kleidung und Zelten. Die Liste ließe sich fortsetzen. Es sei daran erinnert, dass die Ausgaben für Verteidigung (nach NATO-Kriterien) in Deutschland seit 2014 von knapp 34 Milliarden Euro auf über 53 Milliarden im Jahr 2021 erhöht wurden. Es ist ein Mythos, dass die Bundeswehr schlecht ausgerüstet ist, weil sie zu wenig Geld bekommt. Mangelnde Finanzen sind nicht das eigentliche Problem, sondern verkrustete Strukturen bei der Beschaffung, strukturelle Defizite bei Entwicklung, Produktion und Beschaffung und erhebliche zeitliche Verzögerungen bei der Auslieferung der bestellten Waffen.

Belege dieser miserablen Lage gibt es allenthalben. Die Probleme des Lufttransportflugzeugs A 400 sind ein Paradebeispiel für eine verzögerte und überteuerte Lieferung – zudem unterhalb der zugesagten Leistungen. Schon 2018 bemängelte der Wehrbeauftragte, dass nur 50 Prozent der Flotte einsatzbereit seien. Seit der ersten parlamentarischen Befassung mit dem Transportflugzeug hat sich das Vorhaben um mehr als zwölf Jahre verzögert. Noch immer sind die Flugzeuge nicht ausgereift, ein Armutszeugnis für den Hersteller. Dies ist nicht das einzige Gerät, mit dem sich die Luftfahrtindustrie verhoben hat und damit die Bundeswehr in Schwierigkeiten bringt. Deutliche Parallelen zeigen sich auch beim deutsch-französischen Transporthubschrauber NH90. Das Verteidigungsministerium bezifferte 2018 die durchschnittlichen zeitlichen Verzögerungen bei Großprojekten auf fünf Jahre und drei Monate.

Zweifellos bedarf also die Bundeswehrbeschaffung dringend einer gründlichen Reform. Sie ist auch schon mehrfach angekündigt worden. Doch die bisherigen Reformvorhaben wurden nur kümmerlich umgesetzt. Neben den viel zu bürokratischen Beschaffungsabläufen gibt es vor allem zwei Gründe für diese Misere.

Zwar hat es erstens immer Bekenntnisse zur Auswahl der besten Systeme für die Bundeswehr gegeben. Die Soldatinnen und Soldaten sollen schließlich vorbildlich ausgerüstet und geschützt sein. De facto wurde in der Praxis jedoch immer darauf geachtet, dass bei der Auftragsvergabe möglichst deutsche Firmen berücksichtigt werden. Auch wenn das hieß, dass bei der Leistungsfähigkeit der Systeme, bei den Terminen der Auslieferung und beim Preis Abstriche gemacht werden mussten. Bei der Beschaffung von Waffensystemen fehlt weitgehend der Wettbewerb.

Zweitens gibt es bei der Rüstung einen Hang zur Verwendung von Hochtechnologie – ein Trend, der in den USA und der dortigen Rüstungswirtschaft als „over engineering“ oder als „Rüstungsbarock“ beschrieben wird. Immer mehr Technologie wird in ein Waffensystem gepackt. Die Streitkräfte möchten auf dem neuesten Stand der Technik sein. Und die Rüstungsindustrie neigt nicht nur zur Selbstüberschätzung hinsichtlich der eigenen technologischen Leistungsfähigkeit, sondern „muss“ auch durch immer neue technologische Anforderungen den ursprünglich anvisierten Preis des Waffensystems anheben.

Fehlende Finanzen sind also nur ein Teil des Problems. Deshalb ist es auch falsch, jetzt den Schwur zu leisten, in Zukunft das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nicht nur einzuhalten, sondern zu übertreffen. Das ist Symbolpolitik. Diesem Zwei-Prozent-Ziel unterliegt die absurde Logik, dass es in einer florierenden Wirtschaft – also bei einem hohen BIP – schwer zu erreichen ist, bei wirtschaftlichem Niedergang aber fast automatisch erzielt wird. Es ist grundsätzlich falsch, eine volkswirtschaftliche Größe wie die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts zum zentralen Kriterium verteidigungs- und sicherheitspolitischer Entscheidungen zu machen.

Der richtige Weg wäre, akute wie potenzielle Herausforderungen und Gefährdungen zu benennen und die zur Abwehr erforderlichen Kapazitäten der Bundeswehr, einschließlich der erforderlichen Ausrüstung, zu definieren. Zuerst muss jedoch die Debatte über die strategische Ausrichtung geführt werden. Hieraus ergibt sich der finanzielle Rahmen, der gegebenenfalls unter oder auch über zwei Prozent des BIP liegen kann.

Stattdessen wird das Pferd nun von hinten aufgezäumt. Jetzt werden zuerst Finanzmittel versprochen, um dann zu entscheiden, wozu die Mittel eingesetzt werden. Mit der Steigerung der Ausgaben geht nicht zwingend eine der militärischen Leistungsfähigkeit oder Effizienz einher. Die Höhe des Haushaltes oder der Anteil der Ausgaben am BIP sagen überhaupt nichts über die militärischen Fähigkeiten der Streitkräfte aus. Plakativ ausgedrückt: Mehr Geld ist nicht gleich mehr Sicherheit. Bei aller Dramatik der Ereignisse der letzten Wochen gilt es, nicht in Panik oder Schockstarre Entscheidungen zu treffen, sondern einen kühlen Kopf zu bewahren, eine sorgfältige Analyse durchzuführen, um dann sach- und situationsgerecht zu entscheiden. Man kann nur hoffen, dass die Bundestagsabgeordneten von ihrem Recht Gebrauch machen, über den Haushalt zu entscheiden, und zuerst die strategische Debatte einfordern, um danach über die Finanzen abzustimmen.

Prof. Dr. Herbert Wulf ist ehemaliger Leiter des Bonn International Center for Conflict Studies (BICC). Er ist heute Fellow am BICC und am Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) an der Universität Essen/Duisburg.