Wie Chinas Immobilienkrise Käufer und Mieter erschüttert.


Quelle: ORF 24.6.2023

China sucht Wege aus Immobilienkrise

Einst ein Symbol für Chinas Wachstum, nun ein Zeichen für die Wohnungskrise der Volksrepublik: Die Wolkenkratzer von Nanchang stehen für städtischen Wandel, aber die Stadt hat schneller Wohnungen gebaut, als die Bevölkerung wachsen konnte. Das Ergebnis: Leerstand so weit das Auge reicht. Ein zumindest kurzzeitiger Ausweg ist allerdings nicht ausgeschlossen, wie Chinas berühmteste „Geisterstadt“ Kangbashi zeigt.

Auf die Strategie war lange Verlass: Bei Konjunkturabschwüngen einfach in Bauwirtschaft und Infrastruktur investieren, um die Wirtschaft anzukurbeln. Immobilieninvestitionen wirken sich positiv auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus und kurbeln die Nachfrage in verwandten Branchen wie Stahl- und Zementproduktion an.

In den letzten zwei Jahrzehnten wurden etwa in Nanchang, Hauptstadt der Provinz Jiangxi, weitläufige Wohnkomplexe und Dutzende Bürotürme errichtet. Man wollte Industrien und somit Menschen in die Stadt locken und mit der regen Bautätigkeit die erwartete hohe Nachfrage an Wohnungen und Arbeitsplätzen decken. Doch die Rechnung ging nicht ganz auf: Die anhaltende Immobilienkrise des Landes hat in Städten wie Nanchang, wo jahrelang ununterbrochen gebaut wurde, zu einem Überangebot geführt.

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Wie der Staat den Markt lenken kann

EU: ein rechtlich verbindliches und kontrolliertes EU-Lobbyregister muss her

EU: ein rechtlich verbindliches und kontrolliertes EU-Lobbyregister muss her

Quelle: LobbyControl e.V. – Newsletter vom 9. Juni 2023

Heute vor genau sechs Monaten gingen die Bilder durch die Presse: Geldkoffer, Verhaftungen und das Gesicht der damaligen Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili. Sie und weitere Verdächtige wurden in Brüssel festgenommen, als der wohl größte Korruptionsskandal in der Geschichte des EU-Parlaments öffentlich wurde. Der ungeheuerliche Verdacht: Ein Ex-Abgeordneter schleuste über einen als Menschenrechts-Organisation getarnten Verein Gelder an aktive Abgeordnete, um die Interessen der Regierungen Katars und Marokkos zu befördern.

Und jetzt? Nur ein halbes Jahr später sind die verhafteten Abgeordneten nun wieder auf freiem Fuß. Kaili kündigte am Wochenende sogar an, wieder ins Parlament zurückkehren zu wollen. Sie hat dort zwar alle Funktionen und Posten verloren, wurde von ihrer griechischen Partei rausgeworfen und ebenso von der Fraktion der Sozialdemokraten. Doch ihr Mandat und die damit verbundenen Rechte als einfache Abgeordnete können ihr nicht genommen werden, solange ihre Schuld nicht bewiesen ist. Um weiteren Schaden vom Herzen der europäischen Demokratie, dem Parlament, abzuwenden, sollten Kaili und die anderen Verdächtigen bald vor einem ordentlichen Gericht stehen. Doch dafür steht leider noch kein Termin fest. Kaili behauptet weiterhin ihre Unschuld. Von den Geldtaschen und -koffern, die in ihrer Wohnung und bei ihrem Vater gefunden wurden, hatte sie nach eigener Aussage keine Kenntnis.

Doch welche Schritte wurden in der EU unternommen, damit sich ein Skandal wie dieser nicht wiederholen kann? Nicht genug, so viel ist klar. Das denken nicht nur wir, sondern auch andere Organisationen, die sich für Transparenz und gegen Korruption einsetzen.

Gemeinsam mit unseren Brüsseler Partnerorganisationen Transparency International EU und Corporate Europe Observatory haben wir am Donnerstag (7.6.23) in einer Pressekonferenz die ernüchternde Bilanz gezogen – und der EU die Leviten gelesen. Denn von den großen Ankündigungen von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, das Parlament künftig besser gegen Korruption und illegitime Einflussnahme zu wappnen, wurde bisher fast nichts umgesetzt.

In den vergangenen Monaten haben wir viele Gespräche mit EU-Abgeordneten geführt, Vorschläge gemacht und auf Tempo gedrungen. Doch die Verhandlungen über schärfere Regeln, zum Beispiel zur Veröffentlichung aller Lobbytermine, stecken fest. Einige Abgeordnete, insbesondere aus den Reihen der Europäischen Volkspartei, zu der auch CDU und CSU gehören, und der Liberalen, sehen offenbar nur wenig Notwendigkeit, sich selbst strengere Regeln aufzuerlegen. Stattdessen haben die Konservativen eine Untersuchung der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen durchgesetzt. Ein Ablenkungsmanöver, um nicht vor der eigenen Haustür kehren zu müssen.

Die EU-Kommission hat am Donnerstag außerdem ihre Position zu einem neuen unabhängigen Ethikgremium für alle EU-Institutionen vorgestellt. Doch statt eines Aufsichtsgremiums mit Biss sieht es nur nach einem weiteren zahnlosen Tiger aus. Von denen gibt es in Brüssel allerdings schon genug. Wir werden daher auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht locker lassen, damit die EU doch noch ernsthafte und effektive Schlüsse aus dem Skandal zieht.

Welche Maßnahmen helfen, liegt auf dem Tisch: Nötig ist jetzt vor allem ein rechtlich verbindliches und kontrolliertes EU-Lobbyregister, denn das ist die wirksamste Stellschraube gegen illegitime Einflussnahme. Außerdem müssen wir auch auf EU-Ebene die Interessenkonflikte von Abgeordneten besser regeln. Das bedeutet, dass wir auch Angaben zu Vermögen und Unternehmensbeteiligungen brauchen. Und es braucht eine mit ausreichenden Ressourcen und Kompetenzen ausgestattete Stelle, die kontrollieren kann, ob diese Regeln auch eingehalten werden. Wenn das gelingt, hatte der schlimme Skandal vielleicht doch noch etwas Gutes: Eine europäische Demokratie, die gegen Korruption und unzulässige Einflussnahme besser gewappnet ist!

Nina Katzemich und Timo Lange, LobbyControl

PS: Nach den Maskendeal- und Aserbaidschan-Skandalen konnte sich der Bundestag übrigens nach nur fünf Monaten auf schärfere Abgeordneten-Regeln einigen. Damals stand die Bundestagswahl kurz bevor. Auch das EU-Parlament wird in weniger als einem Jahr neu gewählt – die EU-Abgeordneten sollten nicht glauben, dass wir den Skandal und seine Folgen bis dahin vergessen.

Heiner Flassbeck deckt die unbequeme Wahrheit auf – Das ganze Interview.

Die Schock-Strategie: Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus

Der Terror des freien Marktes  09.10.2007

Naomi Klein, bekannt durch ihren Bestseller „No logo“, beschreibt in ihren neuen Buch den kompletten Ausverkauf des Staates an die Privatwirtschaft. Für die Autorin ist Chile nach dem Pinochet-Putsch 1973 das Vorbild, nach dem rund um die Welt Militärputsche, Naturkatastrophen, Wirtschaftszusammenbrüche genutzt werden, um die Märkte völlig zu liberalisieren.

Buchkritik

Dass sich Pinochet 1973 nicht zuletzt dank massiver Hilfe von US-Konzernen und der CIA an die Macht putschen konnte, ist seit langem bekannt. Dass die damit einhergehende Privatisierung des gesamten Staatswesens, der Ausverkauf Chiles an eine Handvoll Unternehmer mindestens genauso viel Leid und Elend für Millionen Chilenen mit sich brachte, diese Tatsache ist nur wenigen Medien eine Meldung wert gewesen.

Schulen, Universitäten, Sozialversicherung, Renten – alles wurde privatisiert. Widerstand war nicht zu erwarten. Wer aufmuckte, verschwand. Die Demokratie war abgeschafft. Millionen Chilenen stürzten in bitterste Armut, während einige wenige Unternehmen extremen Reichtum anhäuften. Die chilenische Wirtschaft boomte, doch auf Kosten des größten Teils der Bevölkerung.

All das beschreibt Naomi Klein jetzt in ihrem Buch ‚Die Schock-Strategie‘, denn Chile wurde damals zum ersten realen Experimentierfeld einer ganzen Wirtschaftsschule, die sich in Chicago unter dem Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman gebildet hatte.

Danach kann nur ein wirklich freier Markt ohne jegliche Einmischung des Staates einer Nation wirtschaftlichen Wohlstand garantieren. Ob Mindestlöhne oder Arbeitschutzgesetze, jede Form staatlicher Regulierung, jede Form wirtschaftlicher Aktivität von der Post über das Bildungswesen bis zum Nationalpark, verhindert wirtschaftliche Prosperität. Private können alles viel besser, effizienter, preiswerter erledigen.

Solch ein kompletter Ausverkauf des Staates an die Privatwirtschaft ist unter normalen demokratischen Verhältnissen kaum durchführbar. So bietet nur eine Krise die Chance eines radikalen, raschen und unwiderruflichen Wandels.

Für Naomi Klein ist Chile das Vorbild, nach dem rund um die Welt Militärputsche, Naturkatastrophen, Wirtschaftszusammenbrüche von den Anhängern Milton Friedmans dazu genutzt werden, ihre Version der Liberalisierung der Marktes durchzupeitschen. Naomi Klein nennt das die dreigliedrige Formel von Deregulierung, Privatisierung und Einschnitte bei den Sozialausgaben.

Sie vergleicht die ökonomische Schocktherapie mit den Verhörmethoden der CIA. Mithilfe von Elektroschocks, Medikamenten, Entzug von Licht und Geräuschen kompletter Isolierung wird versucht, die Persönlichkeit der Opfer zu brechen, um den desorientierten, willenlosen Opfern Geständnisse zu entlocken.

Naomi Klein ist der Ansicht, nach demselben Prinzip würde auch der Katastrophen-Kapitalismus funktionieren. Erst kommt der Schock durch die Katastrophe, der die Betroffenen paralysiert, dann kommt die Therapie, die in kürzester Zeit alles Bisherige vernichtet und völlig neue Verhältnisse schafft. Ganz ohne Widerstand, da die Betroffenen noch unter Schock stehen.

Die Autorin führt auf über 600 Seiten detailliert vor, wie die Friedman-Anhänger in der US-Regierung, bei der Weltbank und beim Internationalen Währungsfond Katastrophen jeglicher Art dazu genutzt haben, den jeweiligen Staat an private Interessen zu verfüttern. Als Beispiele dienen ihr die Militärputsche in Indonesien oder Südamerika, der Zusammenbruch des Kommunismus in Polen und Russland, der Krieg im Irak, die Naturkatastrophen des Tsunami in Asien oder des Hurrikan Katrina.

Sie schildert, wie all diese Ereignisse den Friedman-Ideologen jenen reinen Tisch schufen, um den für die meisten Menschen vogelfreien Markt durchzusetzen. In den USA haben die Neokonservativen unter Bush es sogar geschafft, den Staatsapparat so auszuhöhlen, dass heute dutzende Privatfirmen staatliche Kernaufgaben übernehmen.

Naomi Kleins Beispiele sind überzeugend und erschütternd, die Beweise erdrückend. Allerdings gerät ihre engagierte und gut begründete Anklage bisweilen in die Nähe linksradikalen Verschwörungstheorien der 70er Jahre, die den Weltkapitalismus als heimtückischen monolithischen Block ansahen, als eine in den Konzernetagen der Multis geplante Welteroberung.

Auf den letzten 50 Seiten ihres Buches versucht sie diesen Eindruck zu korrigieren und nennt Beispiele dafür, wie sich betroffene Bürger weltweit gegen den Katastrophen-Kapitalismus zu wehren beginnen. Er ist ihrer Ansicht nach kein Naturereignis, dem man machtlos ausgesetzt ist.

Doch dazu muss man erst einmal begriffen haben, wie er funktioniert. Das Buch wird zu einer Bibel der Globalisierungskritiker werden, denn es liefert ihnen alle Argumente, die sie brauchen. Es ist einseitig – keine Frage. Volkstribun Chavez oder die Hisbollah werden nur unter dem Aspekt ihres Widerstands gegen den Katastrophen-Kapitalismus aufgeführt. Doch da diese Seite bislang unterschlagen wurde, eröffnet das Buch eine wichtige Diskussion, zumal es sich liest wie ein hochdramatischer Krimi.

Rezensiert von Johannes Kaiser Naomi Klein: Die Schock-Strategie Übersetzt von Hartmut Schickert Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 763 Seiten, 22,90 Euro

Coverausschnitt: "Schock-Therapie" von Naomi Klein
Coverausschnitt: „Schock-Therapie“ von Naomi Klein© Fischer Verlage