Materiallage der Bundeswehr: ganz leichte Verbesserung

Materiallage der Bundeswehr: ganz leichte Verbesserung

Der jüngste Bericht zur Materiallage der Bundeswehr ist nicht sehr viel optimistischer als die Berichte in den Vorjahren: Zwar meldet Generalinspekteur Eberhard Zorn darin eine leicht verbesserte Einsatzbereitschaft der 71 Hauptwaffensysteme der Bundeswehr – allerdings von durchschnittlich 77 Prozent im Vergleich zu 76 Prozent im vergangenen Jahr. Unverändert schwankt diese Einsatzbereitschaft und damit die Verfügbarkeit je nach System extrem stark: Neue, handelsübliche Lkw sind zu 96 Prozent, die neuen SeaLion-Hubschrauber der Marine dagegen nur zu 19 Prozent einsatzklar.

Den neuen Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr mit Stand von Mitte Dezember 2021 veröffentlichte das Verteidigungsministerium am (heutigen) Donnerstag. Der Trend der vergangenen Jahre scheint darin noch nicht gebrochen: Nach wie vor schwankt die jeweilige Einsatzbereitschaft vor allem zwischen den ganz alten und ganz neuen Systemen auf der einen Seite und den Gerätemustern, die ihre Kinderkrankheiten überwunden haben oder an zivile Systeme angelehnt sind, auf der anderen Seite.

Zwar sind seit März 2019 die Details der einzelnen Systeme als Geheim eingestuft, in der Darstellung im öffentlichen Teil des Berichts lassen sich jedoch teilweise genauere Informationen finden. Ein Grundproblem bleibt: Ein großer Teil der Waffensysteme, vom Panzer bis zum Hubschrauber, taucht in den Klarstandsmeldungen gar nicht erst auf – weil das Gerät zur Instandsetzung oder Grundüberholung bei der Industrie steht und deshalb zwar im Buch-, nicht aber im so genannten Verfügungsbestand enthalten ist. Die Zahlen der Einsatzbereitschaft beziehen sich aber nur auf den Verfügungsbestand.

Wie im vergangenen Jahr nannte Zorn in seinem einführenden Gesamtüberblick einige Einzelheiten:

Die materielle Einsatzbereitschaft aller 71 Hauptwaffensysteme hat sich im Berichtszeitraum insgesamt verstetigt und in einigen Bereichen leicht verbessert. Sie liegt mit durchschnittlich 77% geringfügig über den 76% aus dem letzten Bericht. Unsere Zielgröße von 70% durchschnittlicher materieller Einsatzbereitschaft übertrafen hierbei 38 Hauptwaffensysteme, 11 lagen unter 50% (davon 6 Altsysteme). Die durchschnittliche materielle Einsatzbereitschaft von Kampffahrzeugen lag bei 71%, für Kampfeinheiten der
Marine bei 72%, für die Kampf- und Transportflugzeuge bei 65%, für alle Unterstützungsfahrzeuge (Logistik, Sanität und CIR) bei 82% und bei den Hubschraubern weiterhin bei 40%.

Als positives Beispiel nannte der Generalinspekteur den Schützenpanzer Puma, für den das Heer im März vergangenen Jahres die taktische Gefechtstauglichkeit erklärt hatte. Die materielle Einsatzbereitschaft des Gefechtsfahrzeugs sei im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um elf Prozent (gemeint vermutlich: Prozentpunkte) auf 65 Prozent gestiegen, in der Spitze sogar um 15 Prozent (auch hier vermutlich Prozentpunkte) auf 75 Prozent. Grund dafür sei vor allem eine bessere Zusammenarbeit mit der Industrie.

Sorgenkind bleiben dagegen, wie schon seit Jahren, die Hubschrauber der Streitkräfte. Deren materielle Einsatzbereitschaft liege nach wie vor auf einem zu niedrigen, unbefriedigenden Niveau, beklagte Zorn. Dennoch zeigen sich positive Entwicklungen. Vor allem ist es uns gelungen, die Einsatzbereitschaft im Berichtszeitraum auf im Durchschnitt aller Hubschrauber 40% zu stabilisieren.

In dieser Durchschnittsrechnung sind allerdings sowohl die Spezialkräfte-Hubschrauber Airbus H145M enthalten, die aufgrund der engen Verwandtschaft mit der weit verbreiteten zivilen Version relativ wenig Probleme machen, als auch die neu zulaufenden SeaLion der Marine und die betagten CH-53-Helikopter der Luftwaffe. Die Modelle NH90, SeaLion und der Kampfhubschrauber Tiger würden weiterhin von sehr zeitwaufwändigen Wartungs- und Inspektionssystemen beeinträchtigt. Bei alten Hubschraubern wie dem CH-53 oder den SeaKing und SeaLynx der Marine sei der operative Flugbetrieb auf Grund der altersbedingten Störanfälligkeit und einer stellenweise schwierigen Ersatzteillage nur noch mit hohem Aufwand und unter großen Anstrengungen aufrecht zu erhalten.

Das Problem der überalterten Technik betrifft auch andere Systeme, wie den Kampfjet Tornado, den Seefernaufklärer P-3C Orion oder die Tanker, im Marinejargon Betriebsstoffversorger, und die Flottendienstboote der Marine. Bei diesen Systemen habe der Rückgang der Einsatzbereitschaft von 69 auf 65 Prozent aufgefangen und stabilisiert werden können – allerdings hätten sieben Systeme nur einen Klarstand von unter 50 Prozent, erläuterte der Generalinspekteur, ohne diese Systeme im Einzelnen zu benennen.

Zwar setzt die Bundeswehr bei etlichen Hubschraubern, Schiffen und Flugzeugen auf einen Ersatz durch Nachfolger. Der ist allerdings nur zum Teil bereits entschieden und gebilligt: Sowohl für die Flottendienstboote als auch für die Seefernaufklärer sind die neuen Systeme bestellt. Für den Nachfolger des Hubschraubers CH-53 gibt es bislang ebensowenig eine Entscheidung wie für den Nachfolger des Tornado. Und die neuen Tanker für die Marine wurden zwar im vergangenen Jahr vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligt, allerdings wurde bislang aus formalen Gründen dafür noch kein Beschaffungsvertrag abgeschlossen.

Wie im Vorjahr bereits absehbar, stehen etliche Fahrzeuge, Hubschrauber oder Schiffe der Truppe gar nicht zur Verfügung, weil sie zu Instandsetzung oder Nachrüstung bei der Industrie sind. Als Beispiel dafür nannte Zorn vor allem den Kampfpanzer Leopard2: Die sechs unterschiedlichen Typen dieses Gefechtsfahrzeugs sollen auf vier Varianten reduziert werden, möglichst einheitlich soll der Typ A7V zur Verfügung stehen. Allerdings führen die damit verbundenen Umrüstungen dazu, dass nur 183 von 289 Systemen verfügbar sind – ein Fehl, Bundeswehr-Sprech: ein Delta von 37 Prozent. Diese Verfügbarkeitsdelle werde voraussichtlich bis 2025 spürbar bleiben.

(wird ggf. ergänzt)

Zum Nachlesen die Berichte als Sicherungskopie (neben dem Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der aktuelle Rüstungsbericht):
20220113_Bericht_MatEB_2021-2
20220113_BMVg_Ruestungsbericht_14

und die Berichte der vergangenen Jahre auf Augen geradeaus!:

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