Ringvorlesung „Bildung für Klimaschutz“ | Prof. Dr. Dietmar Höttecke

Walter Jens – der Prototyp des bundesdeutschen Intellektuellen – zum 100. Geburtstag (am 8.3.2023)

„Walter Jens – der Prototyp des bundesdeutschen Intellektuellen“: so ist der Aufsatz des Journalisten und Literaturkritikers Ulrich Rüdenauer in der März-Ausgabe (2023) der „Blätter für deutsche und internationale Politik“ überschrieben.

Wir erfahren, dass es der Intellektuelle in Deutschland – im Gegensatz zu Frankreich – nicht leicht hatte. Der Historiker Bering wählte – so berichtet Rüdenauer – für seine 1978 erschienene Monographie „Die Intellektuellen“ den Untertitel „Geschichte eines Schimpfwortes“. Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg: „Der Intellektuelle wurde langsam als produktive Kraft in kulturellen und politischen Debatten wahrgenommen…“ (Rüdenauer, S. 31). Als Prototyp des bundesdeutschen Intellektuellen, der in den 1950er Jahren nach und nach Gestalt annahm, beschreibt Rüdenauer Walter Jens.

Die Lektüre des Aufsatzes von Ulrich Rüdenauer lohnt sich  Außerdem abgedruckt in der März-Ausgabe der „Blätter“ ist ein Aufsatz von Walter Jens aus dem Jahr 1988: „Über demokratische Beredsamkeit in unmenschlichen Zeiten“.


US-Thinktank Rand Corporation rät zu Verhandlungen

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170722.ukraine-russland-konflikt-deeskalation-im-ukraine-krieg-us-thinktank-raet-zu-verhandlungen.html

06.02.2023 René Heilig

Deeskalation im Ukraine-Krieg: US-Thinktank rät zu Verhandlungen

Rand Corporation zeigt US-Handlungsoptionen im Ukraine-Russland-Konflikt auf

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und der ukrainische Staatschef Wolodomir Selenskij trafen sich vergangene Woche in Kiew. Zeit und Ort waren bewusst gewählt – als Geste der europäischen Solidarität. Wer aber gehofft hatte, wenigstens die Konturen eines Friedensplans zu entdecken, ist ernüchtert.

Wie kann man das Morden stoppen? Die Rand-Corporation, eine nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA gegründete Denkfabrik, die neben dem Pentagon auch das Weiße Haus berät, hat sich darüber im Gegensatz zur EU Gedanken gemacht. Die Autoren Samuel Charap und Miranda Priebe stellen dabei die Interessen der USA – die »nicht gleichbedeutend sind mit den ukrainischen« – in den Mittelpunkt. Ihr Fazit: »Die Kosten und Risiken eines langen Krieges… sind erheblich und überwiegen die möglichen Vorteile eines solchen Kurses für die Vereinigten Staaten.«

Eine Kernfrage der Studie lautet: Wie wahrscheinlich ist der Einsatz nicht-strategischer Kernwaffen durch Russland? Eine zunehmende Anzahl westlicher Entscheider sieht diese Möglichkeit als gering an, unter anderem deshalb, weil Russland wisse, dass der Einsatz von Atomwaffen einer Selbstzerstörung gleichkomme. Ein solcher Einsatz könnte die Nato dazu veranlassen, in den Krieg einzutreten und Russland internationale Unterstützung kosten. Rand folgt dieser These nicht, schon weil es Anzeichen dafür gibt, »dass der Kreml diesen Krieg als nahezu existenziell ansieht«. Hinzu kommt, dass Moskaus konventionelle Fähigkeiten in der Ukraine dezimiert wurden. »Wenn Russland weitere Verluste auf dem Schlachtfeld erleidet, könnte bei hochrangigen Kreml-Entscheidungsträgern Verzweiflung eintreten.«

Die Autoren erinnern daran, dass die USA auch im direkten Kontakt mit dem Kreml deutlich gemacht haben, dass man in einem solchen Fall »Vergeltung« üben würde – was zu »einem Krieg zwischen der Nato und Russland« und einem »direkten Konflikt zwischen den USA und Russland« führen könnte. Das könnte letztlich »in einen strategischen nuklearen Schlagabtausch« münden. Die Rand-Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Regierung von Joe Biden reichlich Grund habe, »die Verhinderung eines russischen Einsatzes von Atomwaffen zu einer obersten Priorität für die Vereinigten Staaten zu erheben«.

Bereits im Oktober 2021 soll US-Generalstabschef Mark Milley den Präsidenten über Moskaus Kriegspläne informiert haben. Dabei habe der General als strategische Ziele der USA formuliert: »kein kinetischer Konflikt zwischen dem US-Militär und der Nato mit Russland«. Zudem gelte es, die Kämpfe »innerhalb der geografischen Grenzen der Ukraine« zu halten. Eine Gratwanderung, denn, so unterstreicht Rand: »Das Ausmaß der indirekten Beteiligung der Nato-Verbündeten an diesem Krieg ist atemberaubend groß.« Folglich bestehe eine erhebliche Gefahr einer Ausweitung des Konfliktes.

Wie könnte der Krieg sich nun weiter entwickeln? Im Dezember 2022, so die Studie, hatte Russland fast 20 Prozent der Ukraine besetzt. Kiews oberste Priorität ist die Wiedererlangung der Kontrolle über seine Gebiete. Eine Beendigung des Krieges, bei der die Ukraine die volle Kontrolle über das ihr völkerrechtlich zustehende Territorium erhält, würde die Rechtsnormen zwar wiederherstellen, doch das betrachten die Rand-Analytiker als »höchst unwahrscheinliches Ergebnis«. Sie halten eine Rückkehr zu den Grenzen vor dem russischen Angriff am 24. Februar 2022 derzeit auch »für nicht erstrebenswert«, weil die Ukraine dann immer noch Gebiete – beispielsweise die Krim – verloren hätte, ohne Stabilität zu gewinnen. Die Studie plädiert zwischen den Zeilen für eine Beibehaltung der »Kontrolllinie«, die seit Dezember 2022 besteht. Die beraube Kiew nicht seiner wirtschaftlich lebenswichtigen Gebiete und würde sich – anders als ein denkbarer Verlust der Schwarzmeerküste – nicht auf die Lebensfähigkeit des Landes auswirken.

Die Studie betont, ein langanhaltender Krieg liege nicht im Interesse Washingtons. Schon, weil er weitere russische Gewinne ermöglichen könnte. Die Kosten für die USA wie für die EU würden enorm wachsen und die globalen wirtschaftlichen Verwerfungen könnten sich vervielfachen. Das behindere die USA beim Verfolgen ihrer strategischen Ziele. Über allem stehe der Wettstreit mit China. Auch wenn Russland als Verbündeter Chinas durch einen langen Ukraine-Krieg militärisch gebunden wäre, sei es nicht im US-Interesse, dass Russland zu einem reinen Vasallen Chinas werde.

Die Rand-Autoren nennen Waffenstillstandsverträge im Ersten Weltkrieg oder im Korea-Krieg als Vorbilder für eine Vereinbarung den Ukraine-Konflikt. Ein Waffenstillstand würde »die Frontlinien einfrieren und ein langfristiges Ende der aktiven Kampfhandlungen bringen«. In dem Zusammenhang wird auch Präsident Biden kritisiert. Er habe zwar gesagt, dieser Krieg werde am Verhandlungstisch enden. Seine Regierung habe aber »noch keine Schritte unternommen, um die Parteien zu Gesprächen zu drängen«.

Dazu müssten die USA erst einmal selbst ihre Pläne konkretisieren. Mehr Klarheit über westliche Militärhilfe beispielsweise würde Russland klarmachen, dass es keine Siegeschance hat. Zugleich könnten die USA künftige Militärhilfen für die Ukraine von einer Verhandlungsbereitschaft Kiews abhängig machen. Denkbar ist, dass die USA und ihre Verbündeten erwägen, langfristige Verpflichtungen für die Sicherheit der Ukraine einzugehen. Dazu könnte – entgegen bisherigen Nato-Beitrittsofferten – die Zusicherung einer dauerhaften Neutralität der Ukraine sowie eine strikte Begrenzung der ausländischen Militärpräsenz ein Entgegenkommen gegenüber Moskau signalisieren. Wichtig finden die Autoren des Rand-Papiers zudem, dass der Westen Moskau eine Beendigung der Sanktionspolitik in Aussicht stellt.

Charap und Priebe wissen, dass eine solche Änderung der US-Politik über Nacht auch gegenüber den Verbündeten »politisch unmöglich«, zumindest aber »unklug« wäre. Dennoch sei die Zeit reif für eine Debatte über ein mögliches Ende des Krieges, mahnen sie.

Unter dem Titel „Gibt es eine Verhandlungslösung?“ findet man eine weitere Besprechung der Studie aif der Website Globalbridge

Hier der Originaltext der Autoren der Rand Corporation: Avoiding a long war 

Manifest für den Frieden: So manipulieren die Medien!

https://www.emma.de/artikel/reaktionen-erstunterzeichnerinnen-auf-fakt-340181

Manifest für Frieden: So manipulieren die Medien!

Diesen Brief schickte die öffentlich-rechtliche ARD-Sendung „Fakt“ an alle ErstunterzeichnerInnen des Manifestes für Frieden. Vorwurf: Die „Abgrenzung nach rechts“ sei den „Initiatorinnen nicht gelungen“. Beleg: Eine „Recherche“, die namentlich neun (!) Männer aus dem rechten Spektrum nennt, die an der Kundgebung am Samstag teilgenommen haben. Neun von 50.000! Hier die Reaktionen der ErstunterzeichnerInnen auf die ARD-Anfrage. Wir dürfen gespannt sein, ob die Antworten im Beitrag auftauchen. Sendetermin: Heute (28.2.), 21.45 Uhr, ARD.

  1. Februar 2023

Betreff: Presseanfrage „Aufstand für Frieden“ + im Anhang dieses PDF:

Für die nächste Ausgabe unseres ARD-Politmagazins FAKT (Sendeplatz: Dienstag, den 28.2.2023, von 21.45 Uhr bis 22.15 Uhr) produzieren wir einen Beitrag, der sich unter anderem mit der Kundgebung „Aufstand für Frieden“ des vergangenen Samstags in Berlin befasst. Sie sind nicht die Einzige/der Einzige, der diese Mail erhält. Wir machen hiermit eine Umfrage unter allen Erstunterzeichnern des „Manifest für Frieden“ von den Initiatorinnen Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht.

Bei unseren Dreharbeiten am Samstag und durch weitergehende Recherchen kommen wir zu dem Schluss, dass die von den Initiatorinnen angekündigte Abgrenzung gegen rechts in der Realität bei der Veranstaltung nicht funktioniert hat. Im Gegenteil: Rechtsextreme, Neonazis, Reichsbürger, Querdenker, das rechte Magazin Compact und auch die AfD nutzten die Demonstration für ihre Propaganda. Die Hintergründe und handelnden Personen haben wir Ihnen im Anhang zusammengefasst, damit Sie sich ein eigenes Bild davon machen können. Wegen der Kürze der Zeit haben wir versucht, uns auf das Wesentliche zu begrenzen. Es gibt Spuren, denen wir nicht mehr folgen konnten.

Natürlich kann eine angemeldete Demonstration nicht verhindern, dass fragwürdige Personen versuchen für sich Kapital daraus zu schlagen. Doch wer jeden einlädt, der „ehrlichen Herzens“ (Wortwahl von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine) für Frieden und Verhandlungen ist, muss sich nicht wundern, wenn rechte bis rechtsextreme Kräfte dies faktisch als Einladung betrachten. Wir würden Ihnen gerne folgende Fragen stellen:

  1. Auf dem Hintergrund unserer Recherche und mit der Kenntnis, was über die Veranstaltung jetzt bekannt wird, würden Sie das „Manifest für Frieden“ erneut unterzeichnen? Wenn ja, warum? Wenn Sie sich anders entscheiden würden, können Sie uns die Gründe dafür nennen?
  2. Können Sie uns die Details der Unterzeichnung kurz schildern: Wer hat Sie in welcher Form angesprochen, welche Kenntnisse hatten Sie von den Initiatorinnen, welchen Zeitrahmen gab es usw.?
  3. Ähnlich wie in dem Manifest hörte man bei der Kundgebung von Putin oder der russischen Armee als Aggressor nicht viel, bei den meisten Reden gar nichts. Das ähnelt rechtsextremen Narrativen, die Putin und Russland teils sogar glorifizieren. Sehen Sie darin einen Punkt, den Sie neu überdenken würden?

Wir bitten um eine Antwort bis morgen, Dienstag, 28.02.2023, um 12.00 Uhr mittags. Schon im Voraus herzlichen Dank für Ihre Mühe.

Mit freundlichen Grüßen, Jakob Kluck, im Auftrag für: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK, Anstalt des öffentlichen Rechts, Kantstraße 71-73, 04275 Leipzig

Hier die Antworten der ErstunterzeichnerInnen, die auf die Anfrage von „Fakt“ reagiert haben:

Sehr geehrter Herr Kluck, wenn man Ihre Zeilen liest, muss man den Eindruck haben, dass sich nicht ein Redakteur einer von uns Steuerzahlern finanzierten Landesrundfunkanstalt in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts an mich wendet, sondern Joseph McCarthy oder der selige Papst Innozenz III. (1161–1216), der den Grundstein für die Entwicklung des Inquisitionsverfahrens legte. Ich gehe einmal davon aus, dass es sich bei Ihrem Schreiben entweder um eine böswillige Täuschung oder eine Frechheit handelt, von der – so kann man nur hoffen – Ihr  Verwaltungsrat nichts weiß. Ich würde mich nur schämen, wenn ich mich für das, was Sie tun, hergeben müsste.
Ohne Grüße, Detlef Malchow, Kaufmann und Veranstaltungsleiter der Kundgebung

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Sehr geehrter Herr Kluck, das Manifest für Frieden ist kein Demonstrationsaufruf und es gibt auch keinen Grund, sich wegen des massiven Drucks, der – etwa durch Medienanfragen und Aufrufe zur Rechtfertigung – auf die Erstunterzeichner/innen ausgeübt wird, davon zu distanzieren. Ich habe die ähnlich geartete Kölner Kundgebung bevorzugt, allerdings nicht, wie mir die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in ihrer letzten Ausgabe unterstellt, wegen inhaltlicher Differenzen mit der Berliner Veranstaltung, sondern weil ich zwei kleine Kinder habe und Berlin weit weg ist – von Köln aus muss man für eine Fahrt dorthin anderthalb Tage opfern, die ich leider nicht habe.

Ihre 2. Frage halte ich für ausgesprochen inquisitorisch. Glücklicherweise muss ich mich nicht einem Verhör unterziehen lassen und bin weder Ihnen noch sonst jemand Rechenschaft darüber schuldig, wann ich worüber mit wem telefoniert habe. Wenn Sie das für seriösen Journalismus halten, tut es mir für Sie leid.

Befremdlich, aber nicht untypisch finde ich, dass sich Journalisten wie Sie – statt die Inhalte des Manifests für Frieden, das die russische Aggression deutlich benennt, auch nur zur Kenntnis zu nehmen – schon zwei Wochen lang fast ausschließlich mit der Frage beschäftigen, ob irgendwelche Rechtsextremisten an der Berliner Demonstration teilnehmen bzw. teilgenommen haben oder nicht. Niemand wird mich als Rechtsextremismusforscher irgendwelcher Sympathien für Tino Chrupalla verdächtigen, und ich sehe, anders als in der Weimarer Republik, heute auch keine ernsthafte Gefahr, dass es zu einer ,Querfront‘ zwischen Linken und Rechten kommt. Nur weil einzelne AfD-Politiker und Neonazis, die militaristische Grundüberzeugungen haben und Krieg als Mittel der politischen Auseinandersetzung bejahen, auf von Prominenten ergriffene Friedensinitiativen aufspringen, um ihrerseits davon zu profitieren, darf man diese schließlich nicht unterlassen. Allenfalls hätten Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer in ihrem Manifest deutlicher zum Ausdruck bringen sollen, dass es keine inhaltliche Übereinstimmung zwischen ihnen und rechtsextremen Politikern gibt.
Freundliche Grüße, Christoph Butterwegge, Sozialwissenschaftler

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Sehr geehrter Herr Kluck, haben Sie vielen Dank für Ihre ausführliche Email. Als Erstunterzeichnerin des Manifests habe ich mich für die Beförderung des Friedens in Europa ausgesprochen, so wie es das Grundgesetz von allen Deutschen verlangt. Das würde ich immer wieder tun.
Beste Grüße, Dr. Petra Erler, Geschäftsführerin (SPD)

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Ja, ich würde das Manifest nochmal unterzeichnen. Warum?

– Weil es bisher keinerlei Anzeichen der Politik gibt, diesen Krieg mit diplomatischen Anstrengungen zu beenden. Wer mit den Taliban verhandelt, um Menschen zu retten, der kann auch mit Putin verhandeln. Weil es kein erklärtes Ziel für diesen Krieg gibt, sondern lediglich den „Plan“ eines unbegrenzten Abnutzungskrieges, in dem vor allem die Ukraine mit Leid, Tod und Zerstörung bezahlt. Weil wir in eine Eskalationsspirale geraten sind, die irgendwann nicht mehr zu stoppen sein wird. Und die Wahrscheinlichkeit eines Atomkrieges von Tag zu Tag steigt.

Ich war selber mehrere Stunden vor Ort, habe die Reden gehört und konnte mir ein sehr genaues Bild der Lage machen. Ich habe, Gegensatz zu Ihnen, in den Reden keine Hinweise auf Putinverklärung oder rechtsextremes Gedankengut gehört.

Bitte senden Sie mir die Belege für Ihre Behauptung, Rechtsextreme seien mit Bussen angereist. Ich bin viele Stunden vor und nach der Demonstration zwischen den Menschen herumgelaufen und habe mit sehr, sehr vielen Menschen gesprochen. Ich habe, im Gegensatz zu Ihnen, keine Rechtsextremen angetroffen. Auch meine anschließende Befragung der Polizei hat ergeben, dass es lediglich zu einem einzigen kurzen Handgemenge zwischen den aufmerksamen Ordnern und Jürgen Elsässer gegeben habe. Ansonsten gab es keinen weiteren Zwischenfall.

Wie Sie sagen, kann man es nicht verhindern, dass Rechtsradikale zu so einer Veranstaltung kommen und versuchen, diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Dies ist aber hier keinesfalls gelungen. Ihre Liste umfasst ein knappes Dutzend Rechtsextremer auf der Demo, die musste man in den vielen Tausenden Menschen schon eifrig suchen. Es ist schlicht verzerrend, wenn Sie die vielen tausend Bürgerinnen und Bürger aus der Mitte der Gesellschaft, die friedlich mit Friedensfahnen und Regenbogenflaggen gekommen waren, einfach ausblenden, nicht wahrnehmen zugunsten einer verschwindend kleinen Gruppe von rechts.

Sie sind es, die damit den Rechten ein Forum bieten, nicht die Veranstalter.
Mit besten Grüßen, Bettina Flitner, Fotografin

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Sehr geehrter Herr Kluck, jämmerliche Fragen, jämmerliche Recherche. Acht AFD-Mitglieder und Rechtsextreme dokumentiert, mit Namen und Adresse. Das ist doch was! Klasse! Das ist doch eine Ausbeute. Sie gehören scheinbar zu den journalistischen Kammerjägern, statt sich mit den Themen zu beschäftigen, die 50.000 Kundgebungsteilnehmer und 700.000 Unterzeichner umtreibt. Und dann kommen Sie mir noch mit kriminalistischen Verhörfragen wie aus einem TV-Krimi. „Können Sie uns die Details der Unterzeichnung kurz schildern?, wer hat Sie in welcher Form angesprochen?, welche Kenntnisse hatten Sie von den Initiatorinnen? welchen Zeitrahmen gab es ?“ Das alles macht mich nicht mal mehr wütend, sondern nur noch sprachlos.
Henry Hübchen, Schauspieler

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Ich stimme 1 zu 1 mit Frau Filtner überein und habe nahezu identische Beobachtungen gemacht. Ich habe diese Frage der „Fakt“-Redaktion als unanständig ignoriert. Das ist Kampagnenjournalismus; der betroffene Journalist hat vorgegeben, mich am Anfang bzw. dann am Ende der Demonstration treffen zu wollen, um meinen Eindruck zu erfahren. Er war, nachdem ich meine Teilnahme ihm gegenüber einige Tage zuvor noch einmal begründet habe, offenkundig nicht mehr daran interessiert. Mein Eindruck ist ohnehin, dass er einseitig und manipulativ in beträchtlichen Teilen der Medien mit dieser Veranstaltung umgegangen worden ist. Ich habe dazu am gestrigen Tag in meinem Blog das Folgende geschrieben: Die Demonstration zum Manifest für Frieden war ein Erfolg!
Hajo Funke, Politikwissenschaftler

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Sehr geehrter Herr Kluck, herzlichen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.  (…)

Ganz grundsätzlich empfinde ich jede deutsch-nationale, revisionistische oder wissenschaftliche Fakten ignorierende Position als nicht korrekt. Welche Begriffe auch immer dafür genutzt werden, bin ich im Gegenzug ein großer Freund internationaler, friedlicher Zusammenarbeit und diverser Lebens- als auch Arbeitsstrukturen. Zudem bin ich der tiefen Überzeugung, dass jeder Austausch von Positionen und Interessen nach festen, gewaltfreien Regeln erfolgen sollte und ein Gewaltmonopol beim jeweiligen Staat oder einer internationalen Organisation wie bspw. der UNO angesiedelt sein sollte. Damit verbietet sich jede Parteinahme mit der AfD, rechten, rechtspopulistischen oder gar rechtsextremen Personen, Organisationen oder Medien. Auch verbietet sich eine Parteinahme mit jedem imperialistischen Aggressor.

zu Frage 1: Ja, da sich an der Grundmotivation einer möglichst zeitnahen friedlichen Lösung des Konflikts nichts geändert hat. Zu versuchen Leben zu retten  kann nicht falsch sein und nach klügeren Lösungen als stumpfer brutaler Gewaltanwendung zu suchen, ist eine ehrenwerte Aufgabe.

Zu Frage 2: Antwort: Ich bin von Alice Schwarzer gefragt worden. Ich schätze sie als äußerst kluge, unabhängige Frau, die zudem eine der wenigen wirtschaftlich erfolgreichen Verlegerinnen in Deutschland ist. Sie hat mich gefragt und ich habe gerne zugestimmt. Frau Wagenknecht schätze ich als brillante Analytikerin, die ihr Umfeld oftmals intellektuell überfordert, was nicht ihr vorzuwerfen ist.

Zu Frage 3: Der Überfall und damit der seit mittlerweile mehr als einem Jahr andauernde Krieg der Russischen Föderation auf bzw. gegen die Ukrainische Republik ist – siehe oben – grundsätzlich zu verurteilen. Gewaltanwendung zur Durchsetzung von politischen Interessen ist nicht legitim. Daher ist jede direkte oder indirekte Parteinahme mit einem Aggressor falsch. Frau Schwarzer und Frau Wagenknecht kennend, kann ich aus der Vergangenheit und aktuell eine diesbezügliche Parteinahme ausschließen. Das gilt auch für mich.

Ergänzend möchte ich sie auf Video-Aufnahmen aufmerksam (ab 2:25) machen, die zeigen, dass die Organisatoren aktiv versucht haben, rechtsextreme Teilnehmer abzuwehren. Dies ist nach meiner Kenntnis auch von der Tagesschau (ARD) aufgegriffen worden. Das versucht wird, von der Wagenknecht/Schwarzer-Initiative zu partizipieren, ist selbstredend inakzeptabel. Ich kann aus Gesprächen mit den Initiatoren versichern, dass dies weder gewollt noch toleriert werden sollte.

Ich hoffe, meine Antworten helfen Ihnen in Ihrer Recherche. Da ich weiß, wie schwer dies mitunter ist, zögern Sie bitte nicht bei Rückfragen auf mich zuzukommen. Ich bin beruflich unterwegs und durch die Zeitverschiebung etwas limitiert. Aber per Mail bin ich gut erreichbar.

Mit freundlichen Grüßen, Holger Friedrich, Verleger Berliner Zeitung

PS: Als kollegialer Hinweis – Sie verwenden in Ihren Hintergrund-Recherchen Verweise auf Wikipedia. In der wissenschaftlichen Szene ist es mittlerweile verboten Wikipedia zu referenzieren. In den persönlichen Erfahrungen kann ich bestätigen, dass die Korrektheit von Wikipedia-Artikeln mindestens als dürftig bis hin zu grob falsch einzuschätzen ist. Allein in „meinem“ Wikipedia-Artikel sind eine Vielzahl von Informationen falsch. Ich lasse sie nicht korrigieren, da dies die mangelnden Qualitätsstandards dokumentiert und sicherlich eine notwendige Diskussion hilft zu stimulieren, wie weit Aktivismus an Propaganda und somit an gezielte Falschinformation heranreicht. Sie sollten daher, um die Qualität Ihrer Arbeit nicht zu korrumpieren, mit diesen Quellen mindestens sparsam, besser gar nicht interagieren. Und das schreibe ich als langjähriges Vereinsmitglied der Wikimedia.

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Sehr geehrter Herr Kluck, um Ihre Frage zu beantworten, möchte ich gerne folgendes vorausschicken: Ich habe mich schon sehr früh in meiner Jugend mit der Shoah und den Nationalsozialistischen Verbrechen meiner Elterngeneration kritisch auseinandergesetzt, und das Thema Gewalt gegen Wehrlose vor allem auch in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus sind zu zentralen Anliegen meiner künstlerischen Arbeit geworden.

Bei meiner ersten Ausstellung 1971 im Künstlerhaus in Wien wurden meine Bilder von unbekannten mit Aufklebern mit der Aufschrift “Entartete Kunst” verunstaltet.

1988 habe ich zur Erinnerung an die sogenannte “Reichskristallnacht”, eine 100 Meter lange Installation zwischen dem Kölner Dom und dem Museum Ludwig errichtet. Eine Bilderstrasse mit überlebensgroßen blassen Kindergesichtern, wie zur Selektion aufgereiht. Ich hatte damit offenbar eine wunde Stelle berührt, denn eines nachts wurden die Bilder mit Messern attackiert und jedem der abgebildeten Kinder buchstäblich die Kehle durchgeschnitten. Dadurch hat die Aussage des Werkes aber erst wirklich Gestalt angenommen. Ich habe dann diese Installation mit den Verletzungen weltweit in vielen Ländern gezeigt, zuletzt 2010 in Tel Aviv. Mein Freund Simon Wiesenthal hat diese Kunstaktion mit einem eindringlichen Text unterstützt und begleitet.

Ihre Sorge um die Abgrenzung gegen Rechts teile ich durchaus. Ich frage mich zum Beispiel, warum die Aktivist*innen, die so vehement für die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine eintreten, sich in keiner Weise vom Nazi-Regiment Asow distanzieren. Das Asow Regiment ist einer der wichtigsten militärischen Verbände der Ukraine, dessen Mitglieder ganz offen Hakenkreuzfahnen, SS-Totenköpfe und Nazi-Runen zur Schau tragen, und gerne mit dem Hitlergruß salutieren. Die Kämpfer dieser Einheit posieren immer wieder stolz mit ihren Tätowierungen von Hakenkreuzen, Nazi-Symbolen und Hitlerportraits. Hier sind einige Bilder des Ukrainischen Avow Regiments:

Macht Ihnen das keine Sorgen, Herr Kluck? Sehen Sie darin einen Punkt, den Sie neu überdenken würden?

In Bezug auf Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer mache ich mir keine Sorgen. Diese beiden Frauen sind die Heldinnen unserer Tage, die sich, trotz aller Angriffe und Widerstände, unermüdlich für eine friedliche Lösung dieses schrecklichen Konflikts einsetzen. Sie stehen damit in der stolzen Tradition Bertha von Suttners, der ersten Friedensnobelpreisträgerin, die schon im 19.Jahrhundert mit ihrem Aufruf “Die Waffen Nieder!”, eindringlich vor den Gefahren der kommenden Weltkriege gewarnt hatte.
Ganz herzliche Grüße, Gottfried Helnwein, Künstler 

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Sehr geehrter Herr Kluck, was sind das für merkwürdig inquisitorische Fragen! In der Anlage übersende ich Ihnen meine Rede bei den parallelen Kundgebungen in Bonn und Köln am vergangenen Samstag. Vielleicht finden Sie da Antworten.
Mit freundlichem Gruß, Dr. Margot Käßmann, Theologin

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Sehr geehrter Herr Kluck, die Absage an alle Rechtsextremisten ist von der Bühne und im Vorfeld u.a. von Sahra Wagenknecht, aber auch von vielen anderen aktiv Beteiligten deutlich formuliert worden. Keiner der Herren, die sie zitieren war eingeladen, erst recht nicht willkommen, aber die Teilnahme an einer öffentlichen Kundgebung können wir ihnen nach Berliner Demonstrationsrecht nicht verbieten. Keiner der Organisatoren hat politisch und strategisch auch nur irgendetwas mit Rechtsradikalen gemein.

Wenn ich mir ihre „Stimmen“ genauer ansehe, war es doch eine eindeutig friedensbewegte Kundgebung: 50.000 minus 20 ist doch eine eindeutige Aussage. Bleibt die Frage, ob die von ihnen Angeführten vielleicht auch nur benutzt werden, um den Friedensgedanken, den Wunsch nach Waffenstillstand und Verhandlungen zu diskreditieren.

Selbstverständlich bleibe ich wie 700.000 andere UnterzeichnerInnen bei meiner Unterschrift.

Grüße, Reiner Braun, Internationales Friedensbüro (IPB)

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Sehr geehrter Herr Kluck, es war eine zentrale Entscheidung der Nachkriegszeit, in wichtigen Bereichen für den demokratischen Zusammenhalt der bundesdeutschen Gesellschaft öffentlich-rechtliche Strukturen zu schaffen. Der Rundfunk gehörte dazu. Das setzt voraus, die Meinungsvielfalt im Rahmen des Grundgesetzes widerzuspiegeln. Unbestritten gehört die Debatte über Frieden dazu. Aber da sind heute die Gewichte doch sehr ungleich verteilt.

Ich bedauere sehr, dass die Frage, wie es zu einem Waffenstillstand in dem schrecklichen Angriffskrieg in der Ukraine kommen kann, zu kurz kommt. Natürlich ist das Schwerste im Krieg, Frieden zu schaffen.

Ich beantworte Ihre Fragen nicht, weil ich sie für inquisitorisch ansehe, auf keinen Fall diskursiv, was für eine ernsthafte Debatte unverzichtbar ist. Und mit Rechten, Nationalisten und völkischen Ideologien habe ich und haben auch die NaturFreunde nichts, aber auch gar nichts zu tun, wohl aber mit dem Streben nach Frieden. Dafür hat unser Verband auch einen hohen Blutzoll im Nationalsozialismus gezahlt.

Ich muss nicht alles teilen, was die Initiatoren oder Mitunterzeichner sagen und machen. Warum auch? Aber das die Eskalation des Krieges gestoppt werden muss, das steht für mich außer Frage. Russland verfügt über 6.255 Atomwaffen und hat über drei Millionen mobilisierbare Soldaten.

Bei Willy Brandt hieß es: „Es gilt sich gegen den Strom zu stellen, wenn dieser wieder einmal ein falsches Bett zu graben versucht.“
Mit freundlichen Grüßen, Michael Müller, Vorsitzender Naturfreunde

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Zu Frage 1: Ja, ich bleibe bei meiner Unterstützung für das Manifest. Alleine die Gefahr eines nuklearen Infernos durch einen kriegsbedingten GAU in einer der Atomanlagen im Kriegsgebiet bedeutet, dass beide Seiten hier Risiken eingehen, die niemand je eingehen darf. Der Vorwurf geht an Russland und die NATO, da die im April weit fortgeschrittenen Verhandlungen beider Seiten, als ein fast schon unterschriftsreifes Dokument vorlag, im Zuge – wie es die IPPNW sagt – „massiver“ westlicher Intervention abgebrochen wurden. Diese Stelle im Manifest hat mich direkt angesprochen: „Verhandeln heißt nicht kapitulieren. Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten. Mit dem Ziel, weitere Hunderttausende Tote und Schlimmeres zu verhindern.“ Dass rechte Kräfte versuchen, auch Friedensfragen zu kapern, kann man Linken nicht vorwerfen. Wenn die AfD z.B. gegen Waffenlieferungen ist, dann, weil sie gegen eine „Ausplünderung der Bundewehr“ ist. Das ist keine Friedensposition. Wenn Frau Wagenknecht Menschen, die ‚ehrlichen Herzens‘ für Frieden sind, einlädt, dann sind Faschisten ausgeschlossen. Rechtsextremismus verbindet Nationalismus, autoritäres Politikverständnis und Militarismus.

In ihrer Rede betonte Frau Wagenknecht entsprechend: „Selbstverständlich haben Neonazis und Reichsbürger, die in der Tradition von Regimen stehen, die für die schlimmsten Weltkriege in der Menschheitsgeschichte Verantwortung tragen, auf unserer Kundgebung nichts zu suchen.“ Frau Schwarzer äußerte sich ähnlich und erklärte sich und Frau Wagenknecht für links, wegen des Ziels der sozialen Gerechtigkeit und der Ablehnung von Gewalt. Eine Gruppe von Friedensaktiven hatte versucht, den rechten Publizisten Elsässer aus der Kundgebung zu drängen. Das verhinderte die Polizei, da sie nach eigener Auskunft dafür keine Handhabe hätte.

Zu Frage 2: Frau Schwarzer hat mich per Mail gefragt. Ich bin seit über vier Jahrzehnten in der Friedensbewegung. Ich kenne Frau Schwarzer mindestens genauso lange, da sie Frauen seit damals ermutigt, sich einzumischen. Frau Wagenknecht kenne ich, seit sie den Fraktionsvorsitz ihrer Partei innehatte. Ich teile nicht alle ihre Äußerungen, etwa die von vor einigen Jahren zur Flüchtlingspolitik, aber auch andere in ihrer Partei haben nicht immer Positionen vertreten, die einer linken Position entsprachen. Meine Unterstützung für das Manifest für den Frieden ist eine Unterstützung seines Inhalts.

Zu Frage 3: Ich habe nie eine Darstellung rechter Kräfte gelesen oder gehört, die der Analyse des US-Star-Ökonoms Jeffrey Sachs, ehemaliger Berater Russlands, der Ukraine und der UNO, auch nur in Ansätzen ähnlich ist; mit seinem Grußwort wurde die Kundgebung am Samstag eröffnet. Er verwies faktentreu darauf, dass der Krieg bisher mindestens acht Jahre lang dauert, seit die USA einen, wie er es sagte, gewaltsamen Umsturz in Kiew unterstützten, um NATO-freundlichen Kräften zur Macht zu verhelfen. Der Krieg, den Russland eskaliert, sei zerstörerisch und insofern tragisch und falsch. Dies belegt, dass die Kritik auf der Kundgebung am Brandenburger Tor in beide Richtungen ging.
Bernhard Trautvetter, Friedensratschlag

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Sehr geehrter – nein, dieses Adjektiv passt hier nun eigentlich wirklich nicht – Herr Kluck, denn falls Sie – wie ich selbst – eine Ausbildung zum Journalisten absolviert haben, verleugnen Sie mit Ihrer Anfrage bei den 69 ErstunterzeichnerInnen einige elementare Grundsätze des Journalismus: Unvoreingenommenheit, Objektivität und Neutralität in der Fragestellung und in Bericht oder Nachricht. Alles andere gehört in den Kommentar, falls Sie beauftragt sind, einen solchen zu schreiben.

Es ist wirklich allzu durchsichtig, was Sie mit Ihrer Befragung erreichen wollen bzw. sollen.

Ich habe sowohl das Zustandekommen des Manifests für Frieden als auch die Kundgebung der rund 50.000 Menschen am Brandenburger Tor genau so erlebt, wie es Bernhard Trautvetter bereits beschrieben hat und kann es mir deshalb sparen, Ihre drei Fragen zu beantworten. Ich nutze die gesparte Zeit viel lieber, in meinem Umfeld über Verlauf und Inhalt der Kundgebung zu informieren (u.a. durch den Verweis auf die live-Berichterstattung des Senders Phönix (https://www.youtube.com/watch?v=1B2ASUCS2AI).
Es grüßt, Dr. Christof Ostheimer, ver.di-Gewerkschafter

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Das Manifest für den Frieden ist ein starker Aufruf für Waffenstillstand und Frieden.  Für mich, für die IPPNW und für viele Menschen drückt er das Bedürfnis in der Bevölkerung nach Kriegsbeendigung und Frieden aus. Deshalb habe ich den Aufruf unterzeichnet. Deshalb hat die IPPNW seit Juli 2022 eine Sammlung der verschiedenen Stimmen, Pläne und Wege zu Waffenstillstand und Frieden veröffentlicht. Eine Sammlung, die fortlaufend erweitert wird. Schon am 21.02. 2022 hat die IPPNW in einer Erklärung die Versuche von rechtsextremistischen Gruppen scharf verurteilt, die versuchen, das Manifest für ihre Zwecke  zu instrumentalisieren. Die Friedensarbeit der IPPNW  schließt systematisch  die Arbeit für Menschenrechte mit ein, und dabei besonders  die Arbeit für die Rechte von Geflüchteten,  politisch Verfolgten und Kriegsdeserteuren,  unabhängig von ihrer  Staatsangehörigkeit. Frieden ist Menschenrecht. Das Anliegen des Friedens ist bei der AfD, bei sogenannten „Patriot*innen“, die immer wieder die 1.000-jährige deutsche Geschichte beschwören, in den falschen Händen.
http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Manifest_fuer_Frieden_Erkla… und https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Frieden/Waffenstillstand_und_Fried…
MfG, Dr. Angelika Claußen, IPPNW

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Zu Frage 1: Ich habe das Manifest unterzeichnet, weil ich seine inhaltlichen Aussagen für im Ganzen zutreffend halte und glaube, dass im Interesse Deutschlands, Europas, auch der Ukraine, der zunehmenden bellizistischen Stimmung im Lande etwas entgegengesetzt werden sollte, weil diese zu Realitätsverlust, tausenden von weiteren Opfern und zudem unkontrollierbarer Eskalationsgefahr führt.

Zu Frage 2: Nein, solche inquisitorischen Fragen gehören ins Reich Putins, das sollte in einer freiheitlichen Gesellschaft mit Medien, die auf die Verfassungsordnung verpflichtet sind, nicht vorkommen. Bei günstigster Interpretation ist das BILD-Zeitungsstil, aber auch das sollte für die ARD kein Vorbild sein.

Zu Frage 3: Versuchen Sie doch nicht, ein so ernstes Anliegen – den Tod weiterer Unschuldiger zu hunderttausenden in einem Abnutzungskrieg wie bei Verdun im Ersten Weltkrieg zu verhindern – zu denunzieren!

Natürlich ärgere ich mich über jeden rechtsradikalen Trittbrettfahrer, aber das ändert doch nichts daran, dass Krieg kein Mittel der Politik im 21. Jahrhundert sein darf.

Es war auch die Erfahrung der Friedensbewegung in den 1980ern, dass man sich vor Beifall von der falschen Seite (DKP-Aktivisten und UdSSR-Sympathisanten spielten sogar in der Organisation eine große Rolle) und rechten Mitläufern (Mechtersheimer, ein Mitgründer der Grünen Partei) nicht schützen kann. Je größer die Bewegung, desto schwieriger wird das.

Man nennt das, was Sie da offenbar betreiben, im Englischen „Whataboutism“: Statt sich mit den Argumenten und Problemen auseinanderzusetzen, weichen Sie auf einen Nebenkriegsschauplatz aus, der es Ihnen ersparen soll die Argumente selbst zu prüfen: Wo liegt denn der General, der Merkel viele Jahre beraten hat (Vad) falsch, wo Wagenknecht? Und ist das Ziel den Krieg zu einem Zeitpunkt zu beenden, zu dem jede Verlängerung, vor allem für die Ukraine selbst, das Risiko beinhaltet, sich einem Diktatfrieden Putins beugen zu müssen, so falsch? Die Ukraine mit der Ankündigung grenzenloser militärischer und finanzieller Unterstützung in der Illusion zu wiegen, sie könne einen umfassenden Sieg mit Kontrolle der Krim und der Separatistengebiete im Osten erringen, ist nicht nur scheinheilig, sondern kriegstreibend und menschenverachtend. Einen Waffenstillstand und nachfolgende Friedensverhandlungen wird es nur dann geben, wenn beide Seiten nicht mehr mit ihrem Sieg rechnen. Wer einen umfassenden Sieg der Ukraine über die Nuklearmacht Russland anstrebt, riskiert eine Menschheitskatastrophe. Deswegen engagiere ich mich.

Ich habe als Jugendliche damals Angst vor dem Atomkrieg gehabt und bin dankbar, dass es eine Friedensbewegung gegeben hat, die dann am Ende tatsächlich dazu beigetragen hat, dass es zu atomarer Abrüstung kam. Ich kann nur hoffen, dass jetzt eine (vielleicht europäische) Friedensbewegung in Bewegung kommt, die zu einer stabilen europäischen Friedensordnung beitragen wird.
Nathalie Weidenfeld, Schriftstellerin

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Ihre Einschätzung teile ich mitnichten. Die Verurteilung der russischen Aggression geht sowohl aus dem Manifest wie auch aus den Wortbeiträgen der Veranstalterinnen deutlich hervor. Falls Sie noch mehr von meiner Einschätzung lesen wollen: Leider hat der Westen nach der Wende den von Michail Gorbatschow eröffneten Weg für ein gemeinsames Haus Europa nicht mit beschritten (Diese Undankbarkeit und Missachtung spiegelte sich zuletzt in der Nichtteilnahme prominenter PolitikerInnen aus Deutschland und Europa an seiner Bestattung). Der Warschauer Pakt löste sich auf, die Nato suchte sich einerseits neue Betätigungen und breitete sich andererseits absprachewidrig in Richtung Russland aus. Wie der ehemalige Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnany Nato-General Harald Kujat und viele andere betonen, standen und stehen die ökonomischen und machtpolitischen Interessen der USA einer innereuropäischen Verständigung und einem Vertrauensaufbau entgegen. Die Eskalation dieses Konflikte hat mit dem Ukrainekrieg ihren einstweiligen Höhepunkt erreicht, ohne dass ich damit Putin in irgendeiner Weise für sein Verbrechen entschuldige.

Leider haben die USA und GB durch ihre völkerrechtswidrigen Kriege und Regime-Changes die Blaupause für Putin gegeben.

Darüber könnten Sie auch berichten und nicht nur über ein paar rechtsradikale Trittbrettfahrer. Solange Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht sich von denen klar distanzieren und ihnen auch keine Bühne bieten, kann und muss man damit leben, dass diese Leute auch auf rechtschaffene Veranstaltungen gehen – oder sollten Zäune gezogen und Einlasskontrollen mit Gesinnungsprüfungen stattfinden?

Obwohl ich um Unterschied zu den beiden Veranstalterinnen eine konsequent pazifistische Haltung habe und jegliches Militär genauso kategorisch ablehne, wie ich die Folter und die Todesstrafe verurteile, konnte ich das Manifest guten Gewissens unterzeichnen.

Mit freundlichen Grüßen, Theodor Ziegler, Religionspädagoge

Hier geht es zum Manifest für Frieden. Es kann hier unterzeichnet werden.

Russlands Kriegswirtschaft „Der Wohlstand der Russen ist deutlich stärker gesunken, als das BIP-Minus suggeriert“

Quelle: Wirtschaftswoche, 24.2.23

Russlands Kriegswirtschaft „Der Wohlstand der Russen ist deutlich stärker gesunken, als das BIP-Minus suggeriert“

Interview von Bert Losse mit Richard Grieveson

Ein Jahr nach dem Überfall auf die Ukraine hält sich Putins Wirtschaft besser als erwartet. Doch Wachstumspotenzial und Wohlstand dürften immer stärker erodieren, glaubt der britische Ökonom und Osteuropa-Experte Richard Grieveson – auch weil der Fachkräftemangel in Russland eskaliert. Richard Grieveson, 38, ist Vizechef des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) und Experte für Osteuropa.

WirtschaftsWoche: Herr Grieveson, in welchem Zustand befindet sich die russische Wirtschaft ein Jahr nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine?
Richard Grieveson: Auf den ersten Blick ist die ökonomische Lage besser als erwartet. Nach Kriegsbeginn hatten wir einen Einbruch der Wirtschaftsleistung von acht Prozent erwartet, manche Ökonomen hielten sogar einen Absturz um 15 Prozent für denkbar. Am Ende dürfte das Minus 2022 bei rund drei Prozent gelegen haben. Allerdings sind rein quantitative Wachstumszahlen in Kriegszeiten mit Vorsicht zu genießen.

Wie meinen Sie das?
Die hochgefahrene Produktion für militärische Güter ist zunächst einmal positiv für das Bruttoinlandsprodukt. Diese Ausgaben haben aber keine produktive Wirkung. Der Wohlstand der Russen ist deutlich stärker gesunken als das moderate BIP-Minus suggeriert. Der Konsum dürfte seit Anfang des Krieges um acht bis zehn Prozent eingebrochen sein. Ein klares Konjunkturbild zu bekommen ist schwierig, da die Russen manche Zahlen nicht mehr veröffentlichen. Bei anderen offiziellen Statistiken weiß man nicht, ob sie stimmen.

Wagen Sie dennoch eine Prognose für 2023? Der Internationale Währungsfonds hält in Russland mittlerweile sogar ein kleines Wachstum von 0,3 Prozent für möglich.
Da sind wir pessimistischer. Die russische Wirtschaft dürfte auch 2023 schrumpfen, womöglich erneut um rund drei Prozent. Der Preisdeckel für russisches Öl funktioniert erstaunlich gut, viele der beschlossenen Sanktionen wirken schleichend und zeitverzögert. Der erschwerte Zugang zu High-Tech-Gütern wird zunehmend auf die russische Industrie durchschlagen. Nicht alles lässt sich über China und die Türkei beschaffen. Es wird immer schwieriger, an verlässliche Wirtschaftsdaten aus Russland zu kommen.

Es fehlt den Betrieben nicht nur Technik, sondern auch Personal. Viele Russen haben nach Kriegsausbruch das Land verlassen, viele sind eingezogen worden. Wie nachhaltig ist der Fachkräftemangel?
Er ist mittlerweile eine der größten Wachstumsbremsen für Russland, auch wenn nicht alle Regionen und Sektoren gleich betroffen sind. Schätzungen zufolge haben mindestens 700.000 Menschen das Land verlassen, vielleicht sogar eine Million. 300.000 Männer sind eingezogen worden. Allein in der IT-Branche sind laut einigen Berichten gut zehn Prozent der Fachkräfte weg. Viele sind nach Georgien, Armenien, Türkei oder Serbien gegangen, wo sie kein Visum brauchen. Manche arbeiten von dort für ihre alten Arbeitgeber weiter, viele haben sich aber neue Jobs besorgt. Eine weitere Teilmobilisierung und neue Rekrutierungswellen in den Betrieben würden das Fachkräfteproblem dramatisch verschärfen.

Lesen Sie auch: Wie der kriegsbedingte Arbeitskräftemangel Russlands Wachstumspotenzial schrumpfen lässt

Was bedeutet der Brain Drain langfristig für die russische Volkswirtschaft?
Das Problem hat lange vor dem Krieg begonnen. Russland leidet bereits seit den Neunzigerjahren unter massiven demografischen Problemen. Verbunden ist dies mit einer schlechten Gesundheitsversorgung und einer im europäischen Vergleich niedrigen Lebenserwartung vor allem bei Männern. Während der Pandemie zählte Russland weltweit zu den Ländern mit der höchsten Übersterblichkeit. Das heißt, hier hat sich die Sterberate im Vergleich zu normalen Jahren durch Corona deutlicher erhöht als anderswo.

Die russische Regierung will jetzt abgewanderte Fachkräfte zurück ins Land locken. Kann das funktionieren?
Nicht solange der Krieg andauert. Dem Versprechen der russischen Führung, bei einer Rückkehr nicht zur Armee eingezogen zu werden, dürfte kaum jemand glauben.

Fachkräftemangel in Russland

Putins zerbröselnde Ökonomie

Die russische Wirtschaft ist ein Jahr nach dem Überfall auf die Ukraine nicht kollabiert. Doch der kriegsbedingte Arbeitskräftemangel lässt das Wachstumspotenzial schrumpfen. Die Reaktion des Regimes: mehr Zwangsarbeit.

Kann Russland sein eskalierendes Fachkräfteproblem durch verstärkte Zuwanderung lindern, etwa aus Kasachstan?
Schwer zu sagen. In den vergangenen Jahren hat es in der Tat eine starke Zuwanderung aus Zentralasien nach Russland gegeben. Davon haben vor allem Bauwirtschaft und Landwirtschaft profitiert. Unter den jetzigen Rahmenbedingen allerdings dürfte Russland weder politisch noch wirtschaftlich ein Traumziel für Arbeitskräfte aus dem Ausland darstellen.

Im Dezember sind aus Deutschland noch immer Waren im Wert von 800 Millionen Euro nach Russland exportiert worden. Ist ein Szenario denkbar, bei dem die Handelsbeziehungen mit Russland komplett gekappt werden – etwa bei einer weiteren Eskalation des Krieges?
Das halte ich für wenig wahrscheinlich. Eine Verschärfung der Sanktionen dürfte kommen, aber kein totaler Handelsstopp. Hier geht es ja nicht zuletzt um Lebensmittel, Düngemittel und Medikamente. Reißt hier der Warenaustausch ab, hätte dies enorme negative Folgen für die Bevölkerung und würde Kollateralschäden auch in vielen Entwicklungsländern verursachen.

Glauben Sie, dass sich Putin vom wirtschaftlichen Niedergang seines Landes beeindrucken lässt?
Nein. Putin wird nicht allzu besorgt sein, dass die Wirtschaft schrumpft. Der einzige ökonomische Hebel, der bei ihm Wirkung zeigt, ist der Staatshaushalt. Die Deckelung des Ölpreises hat sich bereits sehr negativ auf den Haushalt ausgewirkt, und wenn das so weitergeht, ist das definitiv ein Grund zur Sorge für ihn. Putin braucht Einnahmen, zur Aufrechterhaltung staatlicher Leistungen und zur Finanzierung des Krieges. Und er weiß, dass er bei stark steigenden Defiziten und eingeschränkter finanzieller Handlungsfähigkeit auch persönlich unter Druck gerät. Anders ausgedrückt: Innenpolitisch haben nur Haushaltsprobleme einen Effekt auf den Krieg – und selbst dann wahrscheinlich nur mittelfristig.

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