Friedensgutachten 2022 – Auszüge aus dem Kapitel „Rüstungsdynamiken – Abrüsten statt Wettrüsten“

Quelle: 2022 / Friedensfähig in Kriegszeiten / Friedensgutachten

BICC Bonn International Centre for Conflict Studies
HSFK Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
IFSH Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
INEF Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen

Auszüge aus dem KapitelRüstungsdynamiken – Abrüsten statt Wettrüsten“

Einleitung

Die nukleare Ordnung steht vor großen Herausforderungen. Ein Rüstungswettlauf zwischen mehreren Atomwaffenstaaten ist im Gange. Russland nutzt beim Angriff auf die Ukraine sein Kernwaffenpotenzial, um ein Eingreifen weiterer Staaten zu verhindern. Es ist nötiger denn je, die Gefahren einzuhegen, die von Kernwaffen ausgehen. Deutschland muss kurzfristige Maßnahmen zur Verhinderung von Kernwaffeneinsätzen ergreifen und langfristig förderliche Bedingungen für nukleare Abrüstung schaffen – mittelfristig impliziert dies den Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe

 Schlussfolgerungen

2022 bringt unerwartet neue Dynamiken in den Bereich nuklearer Rüstung. Der Ukraine-Krieg führt zu einer massiven Steigerung des nuklearen Eskalationsrisikos. Und das zu einer Zeit, in der der Zustand der nuklearen Abrüstungs- und Rüstungskontrollarchitektur ohnehin kritisch ist. Kernwaffen haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Rüstungskontrollmechanismen wurden aufgegeben.

Gerade auch in dieser Zeit brauchen internationale Bemühungen um nukleare Deeskalation, Abrüstung und Rüstungskontrolle dringend neue Impulse. Die Bundesregierung sollte Maßnahmen in drei Bereichen ergreifen. Kurzfristig gilt es, nukleare Eskalation zu vermeiden. Dazu kann ein öffentlicher Verzicht der NATO auf einen Ersteinsatz dienen. Nukleare Aufrüstung muss vermieden werden, Kernwaffenbestände sollten auf aktuellem Niveau eingefroren werden. Auch wenn es zukünftig Schwierigkeiten gäbe, sollte das P5-Format als Gesprächskreis offenbleiben. Deutschland kann in all diesen Aspekten auf Alliierte einwirken.

Mittelfristig kann nukleare Deeskalation in Europa nur durch ein Ende der nuklearen Teilhabe erreicht werden. Solange Kernwaffen in Deutschland stationiert sind, erhöhen sie das Eskalationsrisiko, sind mögliche Ziele für Angriffe und legitimieren die Stationierung von Kernwaffen in anderen Ländern. Deutschland sollte, gemeinsam mit den anderen NATO-Staaten, konkrete Beschlüsse zum Abzug fassen.

Schließlich darf der Krieg in der Ukraine den Fokus auf langfristige Aufgaben nicht verdecken. Eine dauerhaft friedliche Welt ist nur durch langfristige Abrüstung von Kernwaffen zu erreichen. Deutschland kann und sollte daher auch jetzt zuvor angefangene Schritte weitergehen. Ein Besuch beim ersten Staatentreffen des AVV sollte wie angedacht stattfinden. Der Bundesregierung kommt eine besondere Rolle als Brückenbauerin zu: Zwischen Mitgliedern des AVV und des NVV, zwischen Kernwaffenstaaten und Nichtkernwaffenstaaten sowie innerhalb der EU und der NATO. Durch weitere Vermittlung können Bedingungen geschaffen werden, die langfristig Abrüstung möglich machen. Auch Investitionen in Bildung zu Abrüstung und breite Aufklärung über Kernwaffen sind dafür unerlässlich.

Autor*innen des Kapitels „Rüstungsdynamiken“

Jana Baldus – HSFK – Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Prof. Dr. Michael Brzoska – IFSH – Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
Dr. Caroline Fehl – HSFK – Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Sascha Hach – HSFK – Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Dr. Moritz Kütt (Koordination) – IFSH – Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
Tim Thies – IFSH – Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
Maren Vieluf – IFSH – Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik
an der Universität Hamburg
Dr. Carmen Wunderlich (Koordination) INEF Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen