Ukraine-Krise Die Stunde der Bellizisten

Quelle: https://www.rosalux.de/news/id/46167/die-stunde-der-bellizisten

Führt die Ukraine-Solidarität zu einer Identifikation mit NATO-Politik oder einer neuen Friedensbewegung? Von Thomas Klein

Thomas Klein, Jahrgang 1948, Ostberlin, Mathematiker und Zeithistoriker, Linksoppositioneller in der DDR und in der Bundesrepublik. Er ist Mitglied der Historischen Kommission der Partei DIE LINKE und der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Der verbrecherische Überfall von Putins Russland auf die Ukraine scheint das historische Gedächtnis und die friedenspolitische Vernunft abgeschaltet zu haben. Eine kritische Reflexion der Kriegsziele Russlands und der Interessenpolitik der NATO ist ausgesetzt. Übriggeblieben ist, immerhin, die weltweite Ächtung von Russlands Angriffskrieg.

Mit dem Angriffskrieg hat Russland nicht «nur» das Völkerrecht, sondern auch die Sicherheitsgarantien gebrochen, die Moskau der Ukraine im Budapester Memorandum 1994 – im Gegenzug zur Übergabe der auf ukrainischem Territorium stationierten Atomwaffen – gegeben hatte. Was aber hat Putins Russland bis jetzt erreicht? Die «hirntote» NATO (Emmanuel Macron) scheint wiedererwacht, die zerstrittene EU steht vermeintlich wiedervereinigt mit den USA «wie ein Mann» hinter der zunehmend zerbombten Ukraine, und in der UN-Vollversammlung verurteilen die allermeisten Staaten den russischen Angriffskrieg. Dabei verweist gerade der Charakter jener vier Despotien, die dort offen Russlands Überfall billigten – nämlich Nordkorea, Eritrea (oft auch als «Nordkorea Afrikas» bezeichnet), Syrien und Belarus –, auf die Natur dieser unsäglichen Allianz. Selbst China und Serbien wollten Russland nicht über ihre Stimmenthaltung hinaus unterstützen.

Inzwischen erwägen Schweden und Finnland offen den NATO-Beitritt, der Drang hinein in die EU an Russlands Peripherie wächst, und die Russische Föderation würde, falls es ihr gelänge, in der Ukraine ein russlandfreundliches Regime zu installieren, von sich aus westwärts an die NATO heranrobben. Was die eskalierenden Sanktionen des Westens in der schwachen Wirtschaft Russlands anrichten werden, ist noch unklar – fest steht hingegen, dass die russische Bevölkerung die Hauptlast tragen wird.

Das alles dürfte Russland wenig gefallen. Der Westen fürchtet seinerseits eine mögliche Allianz der gewaltigen Atommacht Russland und des wirtschaftlichen Riesens China. Allerdings sollte man nicht übersehen, dass die jährlichen Militärbudgets der USA und ihrer NATO-Partner die Militärausgaben Russlands fast um das Zwanzigfache übersteigen.

Die monströsen Geschichtslügen des russischen Präsidenten lassen sich ohne großen Aufwand widerlegen;[1] ihre Funktion zur Legitimation der russischen Militärintervention ist offenkundig. Putins Einlassungen, so bizarr sie auch die Geschichte verzerren, entlarven jedoch seine Konstruktion der Rolle Russlands auch außerhalb der Grenzen der Föderation – vor allem seine Verurteilung der Leninschen Nationalitätenpolitik (Selbstbestimmungsrecht der Nationen, Sezessionsrecht der Völker Russlands) als Ursache des 70 Jahre später erfolgten – und von Putin als verhängnisvoll beklagten – Untergangs der Sowjetunion sowie seine Rüge an die Adresse Stalins, dessen Revision der Leninschen Nationalitätenpolitik sei politisch inkonsequent gewesen.

Dass aus Putins Sicht aber Stalins Verträge mit Nazideutschland 1939 Lob verdienen, entlarvt ihn als großrussischen Chauvinisten, der vom Russischen Reich in den Grenzen von 1914 träumt. Putin sieht sich als Garant der Rechte aller Russ*innen auch außerhalb der russischen Föderation, was nicht nur im Baltikum, in Georgien und der Moldau-Republik Angst auslösen dürfte. Er erweist sich damit als russischer Imperial-Nationalist, ganz im Sinne des von ihm verehrten antibolschewistischen Bürgerkriegskommandeurs Anton Iwanowitsch Denikin, den er ehrenhalber nach Moskau umbetten ließ.

Putin reichert seine Propaganda überdies mit Versatzstücken des stalinistischen Sowjetpatriotismus an. Zugleich versteht er es, den Stalinismus mit Hinweisen auf die verhängnisvolle Rolle des Westens in der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs (Münchner Abkommen, gescheiterte Verhandlungen der Sowjetunion mit dem Westen für eine Allianz gegen Nazideutschland)[2] zur Rechtfertigung des deutsch-sowjetischen Vertragswerks von 1939 wie der zeitgenössischen russischen Politik in Dienst zu nehmen.

Neben den jetzt verkündeten Kriegszielen Russlands (Demilitarisierung und »Entnazifizierung« der Ukraine) reagierte Putin zuvor beiläufig auch auf den Abriss der Lenin-Denkmäler in der Ukraine: «Wollen Sie die Entkommunisierung?», fragte Putin. «Nun, uns passt das sehr gut. Aber wir dürfen nicht, wie man so schön sagt, auf halbem Weg stehen bleiben. Wir sind bereit, Ihnen zu zeigen, was eine echte Entkommunisierung für die Ukraine bedeutet. »

Mario Keßler bewertet dies wie folgt: »Lenins erklärter Internationalismus und Putins Großrussischer Chauvinismus sind in der Tat inkompatibel. Putins Interpretation der Geschichte zielt zugleich auf die Auslöschung linken Denkens wie auch jeder Erinnerung an die Tradition ukrainischer Staatlichkeit ab. All dies sollte insbesondere Sozialistinnen und Sozialisten deutlich machen, dass im Moskauer Kreml ihr erbitterter Feind sitzt.«[3] Jutta Ditfurth meint, «das bewusstlose Reden vom ‚verrückten‘ Putin» müsse ein Ende haben. Er verfolgt einen Plan für ein neues großrussisches Reich vom Mittelmeer bis zum Nordmeer, seine Eurasien-Geostrategie […]. Putin ist keine Einzelperson, sondern der Protagonist der reaktionären, nationalistischen und autoritären russischen Fraktion. Auch deshalb ist er der Held deutscher Nazis.»[4]

Die deutsche Linke und der Krieg

Damit kommen wir zu den Linken, den «Linken» und der Partei DIE LINKE. Unter ihnen soll es ja immer noch Leute geben, die in Putin einen Sachwalter antifaschistischen Sowjetpatriotismus sehen oder ihn (Stalin hin oder her) für «einen Linken» halten. Dazu bedarf es allerdings diverser Scheuklappen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Es ist schier unerträglich, wenn «Linke» verschämt zur dortigen Diskriminierung Homosexueller schweigen, die taktische Allianz von Putins Russland mit rechtsnationalistischen Parteien und neofaschistischen Bünden «übersehen», das Ausmaß von Zensur und Repression gegen putinkritische Oppositionelle (so fragwürdig manche dieser Strömungen auch sein mögen) herunterspielen und die Mediengleichschaltung, welche inzwischen Breschnewsche Dimensionen annimmt, verharmlosen.[5]

Die Mehrheit der kommunistischen und linken Parteien in Europa hat mit teilweise scharfen Verurteilungen des russischen Überfalls reagiert[6] – auch die Partei DIE LINKE. Gregor Gysi sagte sogar, dass das, was er zuvor an (womöglich zutreffenden) Beurteilungen zur Mitverantwortung der NATO artikuliert habe, seit Kriegsbeginn als erledigt zu betrachten sei. Doch hier liegt er falsch. Denn es ist ein großer Unterschied, ob man die Verbrechen von NATO-Mitgliedern als Rechtfertigung oder Verharmlosung des russischen Überfalls in Anschlag bringt[7] oder ob man gemäß der Maxime handelt, dass Linke in einem Machtkampf kapitalistischer Antagonisten durch Parteinahme für eine Seite nichts zu gewinnen haben. Das war 1914 so und ist es auch 100 Jahre später.

Manche Linke begründen ihre Zurückhaltung gegenüber der russischen Kriegspartei mit der Maxime «Unser Feind steht im eigenen Land». Doch die Konflikte nehmen mehr und mehr globalpolitischen Verflechtungscharakter an; dadurch wird diese Maxime kurzsichtig. Russland führt einen verbrecherischen Angriffskrieg, aber deshalb sind die Interventionen des Westens (zuletzt in Panama 1989, Irak 1991, Somalia 1992, Sudan 1998, Jugoslawien/Serbien 1999, Afghanistan 2001, Irak 2003 und Libyen 2011) mit hunderttausenden Toten und Millionen Geflüchteten nicht im Nachhinein legitimiert. Das NATO-Land Türkei führt im eigenen Land, in Syrien und im Irak Krieg gegen die kurdische Bevölkerung. Das alles gerät jetzt aus dem Blick, ebenso wie die zahlreichen «Aufstandsbekämpfungsprogramme» der Geheimdienste, Regime-Change-Versuche und unterstützte Putsche oder wirtschaftliche Destabilisierungen (etwa in Ländern Süd- und Mittelamerikas vor und nach 1990).

Die NATO-Osterweiterung

Die Osterweiterung der NATO – also die Aufnahme von Ostdeutschland; dann von Polen, Tschechien, Ungarn (1999); Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Slowakei, Lettland, Litauen, Estland (2004); Albanien, Kroatien (2009); Montenegro (2017) und Nordmazedonien (2020) – wird von russischer Seite als wortbrüchig qualifiziert; in jedem Fall berührte sie eindeutig russische Sicherheitsinteressen. Käme nun noch der – inzwischen eher unwahrscheinliche – Beitritt der Ukraine hinzu, wäre die von Russland völkerrechtwidrig annektierte Krim nach westlicher Lesart ebenso NATO-Schutzgebiet wie die ostukrainischen Sezessionsgebiete[8] – ein Pulverfass. Dies hat neben dem Westen nun auch die Ukraine realisiert. Das Fenster zu einer alternativen, nichtprovozierenden, gemeinsamen Lösung für Sicherheit und Zusammenarbeit durch Schaffung einer europäischen Sicherheitsarchitektur unter Einschluss Russlands ist vom Westen als «Sieger der Geschichte» hochmütig geschlossen worden.

Und dennoch: Das alles rechtfertigt in keiner Weise den russischen Überfall. Er ist nicht die «legitime Antwort» auf westliche Machtpolitik, sondern deren Übernahme. In allen Konfliktzonen wird die Opposition gegen diese Gewaltpolitik kompromisslos ausgeschaltet.[9]

Die Wahrheit stirbt zuerst

Im Krieg stirbt die Wahrheit bekanntlich zuerst. Und überall setzt man auf das Vergessen. Es ist die Stunde der Bellizisten und Patrioten. Dagegen haben Linke anzukämpfen, ohne einen der aufeinanderprallenden Antagonisten zu schonen, zu entschuldigen oder zu legitimieren.

So bleibt es wahr, dass in der Ukraine auch rechtsextreme Milizen in der Tradition der antisowjetischen Kampfverbände, die einst an der Seite Nazideutschlands kämpften, agieren, darunter das Regiment Asow, die Miliz «Rechter Sektor» und die Aidar-Brigade, die besonders brutal gegen die prorussischen Rebellen in der Ostukraine vorgegangen sind. Dort kämpften sie gegen nicht weniger zimperliche prorussische Milizen, die nun von regulären russischen Truppen unterstützt werden.

Das Minsker Abkommen haben beide Seiten – gewissermaßen gemeinsam – erledigt. Der russische Einmarsch hat fatalerweise den schon vorher in der Ukraine grassierenden Kult um den Nazikollaborateur Stepan Bandera und die Rehabilitierung der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) sowie der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) verstärkt. Aber die (russische) Rede vom «Genozid» an der ostukrainischen russischen Minderheit ist umso abwegiger, als die russische militärische und logistische Unterstützung der sezessionistischen Volksrepubliken kaum geleugnet werden kann. Ebenso wenig kann allerdings die Diskriminierung der Russ*innen im westlichen Machtbereich der ukrainischen Regierung bestritten werden.[10] Als Kriegslegitimation war die Legende vom Genozid für Putin daher durchaus brauchbar, wobei immer wieder das Pogrom von Odessa gegen prorussische Aktivist*innen vom 2. Mai 2014 angeführt wird.

Und dennoch: Die ukrainische Mehrheitsbevölkerung hat von einer Orientierung auf Russland inzwischen nichts mehr zu erwarten. Obgleich in der ersten Wahl nach der prowestlichen «Orangen Revolution» der prorussische Kandidat Viktor Janukowitsch gewann, war der Majdan-Aufstand alles andere als ein (so die russische Lesart) «faschistischer Putsch», auch wenn hier die erwähnten Rechtsextremisten kräftig mitmischten. Sein Ergebnis war der Austausch einer korrupten prorussischen Elite gegen eine ebenso korrupte prowestliche Elite. Die teilweise agrarischen ukrainischen Westoligarchen sind, anders als die russlandorientierten industriellen Ostoligarchen, schon aus finanziellem Eigeninteresse für eine EU- und Westbindung.

Der diskriminierende Umgang der prowestlichen Administrationen mit der russischen Minderheit trug dazu bei, dass diese Minderheit auf der Krim und in der Ostukraine keine Alternative zu ihrer Orientierung auf Russland mehr sah. Trotzdem markierten sowohl die russische Annexion der Krim 2014 als auch die russische Anerkennung der ostukrainischen Sezession 2022 einen Bruch des Völkerrechts. Dass die Mehrheit der dortigen ukrainisch-russischen Bevölkerungsminderheit diese Schritte dennoch begrüßte, ist evident.

Die «Zeitenwende» in Deutschland

In Deutschland reagiert man auf die Mediengleichschaltung und das Verbot unabhängiger Sender in Russland mit der wenig souveränen Entscheidung einer Empfangsblockade russischer Staatsmedien. Russische Bürger*innen in der Bundesrepublik, die sich nicht eindeutig gegen Putin positionieren, verlieren mitunter ihre Arbeit. Jene publizistische und politische Minderheit nicht-lobbyistischer deutscher Akteure, die sich 30 Jahre lang (vergeblich) um eine Verständigung mit Russland bemühten, werden jetzt nicht nur für ihre Illusionen kritisiert, sondern auch als «nützliche Idioten Moskaus» oder gar «Putins Komplizen» stigmatisiert und zuweilen auch beruflich diskriminiert. Man setzt sie umstandslos gleich mit dem unappetitlichen «Gas-Putin»-Lobbyisten Gerhard Schröder.

Darüber hinaus werden nun 100 Milliarden Euro für die Aus- und Hochrüstung der Bundeswehr zur Verfügung gestellt, damit aus der internationalen Eingreiftruppe wieder eine «schlagkräftige Landesverteidigungsarmee» (Lindner: «eine der schlagkräftigsten in Europa») wird. Die Grünen und die linken Sozialdemokrat*innen werden auch diese Kröte schlucken. Die Kriegsindustrie, schon lange durch deutsche Waffenexporte im guten Geschäft, erwartet nun Spitzengewinne. Allenthalben wird eine modifizierte Wiederbelebung der Wehrpflicht als Dienstpflicht erwogen.

Derzeit nimmt der Einsatz international operierender Söldnerlegionen auf beiden Seiten und an allen Fronten massiv zu. Pazifismus und Antimilitarismus werden mehr und mehr marginalisiert. Die Solidarität und überwältigende Hilfsbereitschaft für die ukrainischen Kriegsopfer und Flüchtlinge werden überwölbt vom Sound der Kriegshysterie und Frontberichterstattung. Der äußere Feind steht wieder im Osten, den inneren Feind argwöhnt man zunehmend wieder links. Die «Abschreckungskultur» des Kalten Krieges erwacht, ein neuer «Eiserner Vorhang» zieht sich zu, und zwei Drittel der deutschen Bevölkerung begrüßen die Wiederaufrüstung – es ist wie ein Zurück in die Zukunft der 50er Jahre. Die Lösung der globalen Menschheitsfragen – des Hungers, des Klimawandels, der soziale Ungleichheit – gerät einmal mehr ins Hintertreffen. Schöne neue Welt.

Eine neue Friedensbewegung?

Die gesellschaftliche Linke muss diesem reaktionären Sog in den Bellizismus widerstehen. Nur, wenn sie nicht ins Kriegsgeheul einstimmt, kann sie politisch bestehen. Denn wir wissen, was geschieht, wenn länderübergreifende Koalitionen emanzipatorischer und sozialistischer Kräfte ihren Internationalismus zugunsten eines aggressiven Patriotismus aufkündigen. Das haben schon vor hundert Jahren Entstehung, Verlauf und Folgen des verheerenden Ersten Weltkriegs gezeigt. Der zeitgenössische europaweite Aufschwung neofaschistischer Strömungen und Parteien droht, die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg zu entwerten. Entgegen der trügerischen Hoffnung, mit dem Ende der Blockkonfrontation sei nach 1990 auch die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen gebannt, scheint die Konjunktur solcher Kriege nun erneut begonnen zu haben. Dabei zeigen die Jugoslawien-Nachfolgekriege, welche entsetzlichen Folgen der Triumph eines chauvinistischen Nationalismus, religiösen Fanatismus und militärischen Interventionismus zeitigen. Es war der bisher blutigste europäische Krieg nach 1990, international nur übertroffen vom Terror islamfaschistischer Regime.

Es stellen sich zwei Fragen: Führt die Solidarität mit den Kriegsopfern in der Ukraine, die Unterstützung der verfolgten Kriegsgegner*innen in Russland und der Kampf gegen den russischen imperial-militärischen Expansionismus in eine bedingungslose Identifikation mit der Politik von NATO und Selenski-Ukraine? Bedeutet der Widerstand gegen kapitalistische Geopolitik und westliche Doppelmoral womöglich auch die Verharmlosung oder gar Rechtfertigung russischer Machtpolitik, im Inneren wie nach außen?

Eine internationalistische Linke, die diesen Namen verdient, muss beide Fragen entschieden mit «Nein» beantworten.[11] Es geht um nicht weniger als die Revitalisierung eines weltweiten Bündnisses der vielschichtigen sozialen Bewegungen, die endlich auch wieder die übergreifenden Zusammenhänge herstellt: Gegen Militarismus, militaristischen Interventionismus und Aufrüstung, gegen die tödlichen Grenzen der Festung Europa sowie für die Geltung globaler sozialer Rechte und der Menschenrechte. Ein erster Schritt wäre die Wiedergeburt einer neuen internationalen Friedensbewegung. Die Frage lautet: Wird es eine solche internationale Friedensbewegung geben?

[1] Zu Putins geschichtsklitterndem Bild der Ukraine, das der Legitimation des Krieges dient, siehe Mario Keßler, Putins imperiale Träumereien, in: „Jacobin“, 27.2.2022, https://jacobin.de/artikel/putins-imperiale-traumereien-konnten-zum-verhangnis-ukraine-krieg-invasion-lenin-sowjetunion-internationalismus. Zu Putins Dekuvrierung als großrussischer Chauvinist siehe Thomas Kuczynski, Vielvölkerstaaten in Europa und ihr Schicksal, in: „Lunapark21“, Heft 57.

[2] Besonders prägnant in Putins Rede zum 75. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg am 19. Juni 2020. Die Webseite der russischen Botschaft, auf der man diese nachlesen konnte, ist derzeit nicht erreichbar.

[3] Mario Keßler, a.a.O.

[4] Vgl. das Interview mit Jutta Ditfurth: Ukraine-Krieg als „willkommene Ausrede für Aufrüstung der Bundeswehr“, in: „Frankfurter Rundschau“, 1.3.2022, www.fr.de/politik/ukraine-krieg-bundeswehr-aufruestung-interview-jutta-ditfurth-news-91380249.html.

[5] Siehe die Erklärung des Sekretariats des Parteivorstands der DKP vom 25.2.2022, https://hamburg.dkp.de/erklaerung-des-sekretariats-des-parteivorstands-der-dkp-vom-25-2-2022, und die Erklärung des Sekretariats des Landesvorstands der DKP Brandenburg vom 26.2.2022, die den „russischen Militäreinsatz“ als friedenspolitische Maßnahme analog der Grenzsicherung am 13. August 1961 bewertet.

[6] Vgl. Stimmen linker und kommunistischer Parteien zum Krieg in der Ukraine, in: „junge welt“ vom 26.2.2022, S. 3.

[7] Hinsichtlich der russischen Anerkennung der „vom Genozid bedrohten“ sezessionistischen ukrainischen Volksrepubliken wird häufig auf die „Blaupause“ der Anerkennung des von Serbien abgespaltenen, „vom Genozid bedrohten“ Kosovo im NATO-Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien verwiesen. Auch dem deutschen Überfall auf Polen 1939 ging die Argumentation voraus, man müsse die „Auslandsdeutschen“, also die deutsche Minderheit in Polen, vor antideutschen Pogromen schützen. Vgl. Ingar Solty, Die geopolitischen Konsequenzen der Eskalation des Ukrainekonflikts, www.rosalux.de/news/id/46023. Auf die Beihilfe der KP der Russischen Föderation – Arm in Arm mit dem Klerus der Russisch-Orthodoxen Kirche – konnte sich Putin immer verlassen. Siehe etwa Sjuganow: „Die Anerkennung der DVR und der LVR sollte Russlands entschlossene Antwort auf die US-Provokationen sein!“ Vgl. https://kprf.ru/party-live/cknews/208562.html.

[8] Michael von der Schulenburg, In der Ukraine könnte das Fundament für einen europäischen Frieden gelegt werden, in: „Berliner Zeitung“, 11.2.2022, www.berliner-zeitung.de/wochenende/in-der-ukraine-koennte-das-fundament-fuer-einen-europaeischen-frieden-gelegt-werden-li.209288.

[9] „Auf dem politischen Trümmerfeld des postsowjetischen Raums kämpfen die Gruppen einer sozialen und demokratischen Opposition um ihre Existenz, nicht um die Macht.“ Sebastian Gerhardt, Putins Stärke, Putins Schwäche, 24.2.2022, https://planwirtschaft.works/2022/02/24/putins-staerke-putins-schwaeche.

[10] Gemäß dem neuen Sprachgesetz von 2019 soll die russische Sprache in Behörden sowie von Dienstleistern und in der Presse nicht mehr verwendet werden. Die Gewalttaten der neofaschistischen Partei Swoboda, die sich in der Tradition der ukrainischen Nazikollaborateure in der SS-Division „Galizien“ sehen, treffen auch die russische Bevölkerungsgruppe in der Ukraine. Vgl. Tomasz Konicz, Nazis mittendrin, www.ag-friedensforschung.de/regionen/Ukraine/faschos5.html.

[11] Instruktiv der Aufruf „Den Krieg in der Ukraine stoppen – eine neue Antikriegsbewegung aufbauen“ der Interventionistischen Linken (IL) vom März 2022, https://interventionistische-linke.org/beitrag/den-krieg-in-der-ukraine-stoppen-eine-neue-antikriegsbewegung-aufbauen. Siehe auch: Manifest gegen den Krieg, https://www.heise.de/tp/features/Manifest-gegen-den-Krieg-6549580.html.