Vor 30 Jahren begann der Bosnienkrieg

Vor 30 Jahren begann der Bosnienkrieg

Nicht nur die Situation in der Ukraine beunruhigt Be­woh­ne­r*in­nen der Föderation Bosnien und Herzegowina“. Auch die Nachrichten aus der serbischen Teilrepublik Bosniens und Herzegowinas, der Republika Srpska und aus deren Hauptstadt Banja Luka sind beunruhigend. Milorad Dodik, der „starke Mann“ der bosnischen Serben, macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für den russischen Diktator. Dodik will den serbischen Teilstaat von Bosnien und Herzegowina abtrennen, was die Bevölkerungsmehrheit des Landes nicht hinnehmen könnte. Es kommt hinzu, dass auch der kroatische Nationalistenführer Dragan Čović sich mit Dodik verbündet hat und sich ebenfalls als Putin-Unterstützer outet. Die Grenzen zwischen der serbischen Teilrepublik, der sogenannten „Republika Srpska“, und der „Föderation Bosnien und Herzegowina“ wurden im November 1995 im Friedensvertrag von Dayton, Ohio festgelegt. Beide Seiten kontrollieren seither rund 49 Prozent der Fläche des Landes, 2 Prozent macht die Sonderzone Brčko aus.

Ein Blick zurück

Am 2. März 1992 stimmten zwei Drittel der Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas bei der Volksabstimmung für die Unabhängigkeit. Die serbische Führung aber wollte die Unabhängigkeit verhindern. Am 6. April sollte das Land von der EU diplomatisch anerkannt werden. Am 5. April 1992 demonstrierten Hunderttausende in Sarajewo und anderen Städten für den Frieden. Sollte Bosnien und Herzegowina sich für unabhängig erklären, dann werde das Land im Blut versinken, hatte Radovan Karadžić, der politische Führer der bosnischen Serben und Vorsitzende der Serbischen Demokratischen Partei (SDS), gedroht.

Diese Drohung machten die Serben ab dem 5. April wahr. Anfangs gelang es ihnen, die Jugoslawische Volksarmee unter ihre Kontrolle zu bringen. Zunächst gingen sie im Osten des Landes gegen die muslimische Mehrheitsbevölkerung in die Offensive. Ratko Mladić’ Truppen nahmen das Tal der Drina ein. Die westbosnischen Städte Banja Luka und Prijedor fielen ohne Kampf in serbische Hand.  Dort wurden „Krisenstäbe“ tätig, die Nicht­serben zwangen, weiße Binden zu tragen, um sie schließlich in Konzentrationslagern zu internieren. Allein in Prijedor starben im Sommer 1992 über 3.200 Menschen in den Lagern Omarska und Keraterm.

Die serbischen Truppen besetzten im Herbst 1992 über 66 Prozent des Territoriums von Bosnien und Herzegowina. Zehntausende Menschen verloren dabei ihr Leben. 2 Millionen von 4,5 Millionen Einwohnern flohen in die noch von der bosnischen Armee gehaltenen Gebiete oder ins Ausland. Allein Deutschland hat damals mehr als 300.000 Menschen aufgenommen.

Die kroatische Seite fing im Mai 1993 an, das verbliebene Restbosnien anzugreifen und Gebiete für ihren Parastaat Herceg-Bosna zu erobern. Die kroatisch-bosnische Armee HVO schoss mit Artillerie auf die von Muslimen bewohnte historische Altstadt von Mostar. Sie zerstörten die berühmte Alte Brücke, das Wahrzeichen der Stadt, das zudem die Verbindung der Kulturen symbolisiert.

Das von der bosnischen Regierung gehaltene Territorium bestand im Sommer 1993 nur noch aus von Feinden eingekreisten Enklaven. Doch langsam konsolidierte sich der Widerstand. Die bosnische Armee organisierte sich trotz aller Widrigkeiten. Die kroatische HVO wurde Stück für Stück aus Zentralbosnien vertrieben, kroatisch dominierte Städte wie Vitez und Kiseljak wurden von bosnischen Truppen umzingelt.

Den USA gelang es, den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman zu einer Umkehr seiner Strategie zu bewegen. Im März 1994 wurde das Washingtoner Abkommen beschlossen, die Blockade Zentralbosniens wurde beendet. Die bosniakisch und kroatisch kontrollierten Gebiete wurden in diesem Abkommen in der Föderation Bosnien und Herzegowina zusammengefasst, der kroatische Parastaat Herceg-Bosna aufgelöst.

Nach dem Genozid von Srebrenica im Juli 1995 sollte nach dem Willen der USA und auch Europas endlich Frieden geschaffen werden. Die Nato trat auf den Plan. Serbische Artillerie-Stellungen um Sarajevo wurden beschossen. Kroatische und bosnische Truppen rückten vor, die Serben verloren im August 1995 binnen zehn Tagen alle Eroberungen in Kroatien und mussten sich nach Bosnien zurückziehen. Im September 1995 dann gelang es bosnischen und kroatischen Truppen, die Serben auch in Bosnien zu schlagen. Doch sie kontrollierten immer noch 50 Prozent des Landes.

Den im November 1995 in Dayton, Ohio ausgehandelten Friedensvertrag konnten die serbischen Nationalisten durchaus als Sieg ansehen. Ihre Strategie, Bosnien und Herzegowina und damit die gemeinsame multinationale Gesellschaft zu zerschlagen, wurde von der internationalen Gemeinschaft akzeptiert. Er wird von ihren Nachfolgern in der serbischen Führung fortgeführt.

Mehr Informationen:

https://taz.de/Vor-30-Jahren-begann-der-Bosnienkrieg/!5842991/

https://www.blaetter.de/ausgabe/2021/november/brennpunkt-balkan-oder-schoene-neue-imperiale-welt

Spaltung in Bosnien | ARTE Re:

31.235 Aufrufe – 11.02.2022

Seit das Leugnen des Massakers von Srebrenica in Bosnien-Herzegowina unter Strafe steht, droht der Führer der bosnischen Serbinnen und Serben, Milorad Dodik, immer wieder mit Abspaltung der Republika Srpska vom Rest des Landes. In Sarajevo kämpfen Menschen bewusst gegen die ethnische Trennung der Volksgruppen in ihrem Land an. In Banja Luka wehrt sich der Blogger Srdjan Puhalo gegen die nationalistische Propaganda der Politikerinnen und Politiker seines Landesteils Republika Srpska.

Der bosnisch-serbische Nationalismus geht ihm gehörig auf die Nerven, und er schreibt darüber in seinem Blog. Für seine scharfsinnige Kritik am separatistischen Kurs seiner Regierung wird er immer wieder angefeindet. Auch in Mostar, im bosnisch-kroatischen Teil des Landes, machen extreme Nationalistinnen und Nationalisten Stimmung gegen ein Land, das nach dem Krieg in den 90er Jahren als ethnisch geteilter Staat entstand. Zwei mutige Frauen wollen das nicht länger hinnehmen und kämpfen gegen die ethnische Trennung, die wie eine Art Apartheid alle Bereiche durchzieht und schon in der Schule beginnt.

Stefica Galic betreibt ein Online-Portal und leitet eine „Schule für kritisches Denken“ in Mostar, um Brücken zwischen den verfeindeten Volksgruppen zu bauen. Und Irma Baralija ist die erste Politikerin im Stadtparlament, die mit einer explizit nicht ethnischen bürgerlichen Partei energisch gegen Hassparolen vorgeht. In Sarajevo versucht auch Enes Bure Zlatan etwas zu bewegen. Der Filmemacher dokumentiert Umweltverbrechen und prangert die massive Korruption vieler Politikerinnen und Politiker an. Der Abspaltungskurs des bosnisch-serbischen Führers Milorad Dodik vor den anstehenden Wahlen beunruhigt ihn. Er glaubt, dass Dodik aus Selbstschutz einen Krieg anzetteln würde, um an der Macht zu bleiben. Bereits zehntausende Menschen haben Bosnien in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt. Der Film begleitet diejenigen, die bleiben und sich für eine bessere Zukunft einsetzen. Reportage (D 2021, 32 Min)

Bosnien-Herzegowina: Neuer Krieg auf dem Balkan?

731.285 Aufrufe – 22.01.2022

Knapp 30 Jahre nach dem verheerenden Krieg im Land, droht in Bosnien-Herzegowina ein neuer Konflikt – der auf alten Auseinandersetzungen beruht. Der serbische Teil des Landes möchte unabhängig werden, und das mit aller Macht. Aber: Warum? Und warum könnte das zu einem neuen Krieg auf dem Balkan führen? Darum geht es in diesem Video.