Prof. Dr. Peter Bofinger: Generationengerechtigkeit statt Schuldenbremse

Datum/Zeit
Date(s) - 24/10/2024
18:00 - 20:00

Veranstaltungsort
Salemer Pfleghof

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Generationengerechtigkeit statt Schuldenbremse

Der ehemalige Wirtschaftsweise bei der Bundesregierung, Prof. Dr. Peter Bofinger, setzt sich kritisch mit der Haushaltspolitik der Ampelkoalition auseinander. Nach Bofingers Ansicht ist Deutschland – ökonomisch betrachtet – „ein kranker Mann“. Das Brutto-Inlandsprodukt (BIP) sank 2023. Die deutsche Wirtschaft stagniert seit vier Jahren. Nötig wären nach Bofingers Auffassung eine umfassende Transformation.

Diese erfordert vor allem ein neues Wirtschaftsparadigma. Staatliche Schulden müssten gezielt als Wachstumsmotor eingesetzt werden. Gefragt sind mehr staatliche Investitionen, um die Binnennachfrage zu beleben und so die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien zu stimulieren. Die notwendige Neuausrichtung der deutschen Industrie auf neue Technologien und Dienstleistungen müsste im großen Stil durch Forschungsaktivitäten unterstützt werden.

Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse schreibt faktisch ausgeglichene Haushalte vor. Dies bedeutet, dass weder die Bundesregierung noch die Regierungen der Bundesländer produktive staatliche Investitionen mit Schulden finanzieren dürfen. Damit wird die Vermeidung von Staatsschulden implizit zum wichtigsten Anliegen und ordnet ihm alle anderen wirtschaftspolitischen Anliegen unter. Unter diesen Umständen wird der Umbau seiner Wirtschaft für Deutschland besonders schwierig.

Prof. Dr. Peter Bofinger ist seit 1992 Professor Volkswirtschaftslehre, Geld und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Würzburg. Von März 2004 bis Ende Februar 2019 war Peter Bofinger Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Donnerstag, 24. Oktober 18.00 Uhr – 20.00 Uhr – Esslingen, Salemer Pfleghof, Untere Beutau 8 – 10 – Eintritt frei

Informationen und Kontakt: keb Landkreis Esslingen

Veranstalter: Arbeitskreis Ökonomie Esslingen (keb – Kath. Erwachsenenbildung zusammen mit Evang. Bildungswerk, EBI, Caritas Fils-Neckar-Alb, DGB Kreis Esslingen-Göppingen, Heimstatt Esslingen, Kreisdiakonieverband Esslingen, Kulturzentrum Dieselstrasse, attac Esslingen, Volkshochschule Esslingen) zusammen mit der Evang. Gesamtkirchengemeinde Esslingen und EVA Stuttgart

Vertiefte Information:

Nach Bofingers Ansicht ist Deutschland – ökonomisch betrachtet – „ein kranker Mann“. Die gesamte Wirtschaftsleistung – gemessen durch das Brutto-Inlandsprodukt (BIP –  sank 2023 um 0,3 Prozent. Die deutsche Wirtschaft stagniert seit vier Jahren. Deutschland ist nach Argentinien das Land, dem die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem ökonomischen Ausblick Ende 2023 das geringste Wachstum für 2024 prognostiziert hatte.

Nötig wäre eine umfassende Transformation. Diese erfordert aber vor allem ein neues Wirtschaftsparadigma. Staatliche Schulden müssten gezielt als Wachstumsmotor eingesetzt werden. Gefragt sind nicht Steuersenkungen und damit einhergehende Transfers an die ohnehin wirtschaftlich Starken, sondern mehr staatliche Investitionen, um die Binnennachfrage zu beleben und so die Entwicklung und den Einsatz neuer Technologien zu stimulieren. Die notwendige Neuausrichtung der deutschen Industrie auf neue Technologien und Dienstleistungen müsste im großen Stil durch Forschungsaktivitäten unterstützt werden. Leider befinden sich die Staatsausgaben auch in diesem Bereich im freien Fall. Aus sie sind ein Opfer der Schuldenbremse geworden.

Die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse schreibt faktisch ausgeglichene Haushalte vor. Dies bedeutet, dass weder die Bundesregierung noch die Regierungen der Bundesländer produktive staatliche Investitionen mit Schulden finanzieren dürfen. Diese Regel, die es in keinem anderen größeren Land gibt, erhebt die Staatsverschuldung implizit zum wichtigsten Anliegen und ordnet ihm alle anderen wirtschaftspolitischen Anliegen unter. Dabei hat Deutschland von allen G7-Staaten mit Abstand die niedrigste Schuldenquote (Verhältnis der Staatsverschuldung zum BIP). Unter diesen Umständen wird der Umbau seiner Wirtschaft für Deutschland ein sehr schwieriges Unterfangen.

Für eine Reform der Schuldenbremse werben vor allem SPD und Grüne. Die FDP und große Teile der CDU/CSU lehnen sie (noch) ab. Einige prominente CDU-Politiker zeigen sich bereits offen für eine Änderung. Auch in der beratenden Wirtschaftswissenschaft vollzieht sich gerade ein Umdenken. Selbst die Deutsche Bundesbank forderte schon vor geraumer Zeit, den Neuverschuldungsspielraum moderat auszuweiten. Ende Januar 2024 folgte dem der „Sachverständigenrat zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ – und danach schlossen sich führende deutsche Wirtschaftsinstitute an. Im Zentrum der Debatte steht ein „Sondervermögen“, das ins Grundgesetz aufgenommen werden soll. Dafür ist zwar ebenfalls eine qualifizierte Mehrheit im Bundestag erforderlich, allerdings ohne die Schuldenbremse ganz zu streichen. Es gibt bereits konkrete Vorschläge. In einem im Januar 2024 in der FAZ publizierten Appell forderten Clemens Fuest (ifo), Michael Hüther (DIW) und Jens Südekum (Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft) eine Ausnahme von der Schuldenbremse in Form eines „Sondervermögens für Investitionen“. Michael Hüther schlug für diesen „Transformations- und Infrastrukturfonds“ ein Gesamtvolumen von 400 bis 500 Mrd. Euro über zehn Jahre vor.

 Wer noch mehr Information möchte, findet sie immer in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“

Peter Bofinger Kranker Mann _ dummer Mann. Wie uns die Ampelkoalititon in die Krise spart Blätter für deutsche und internationale Politik. Ausgabe 3_2024