—- maischberger in der ARD-Mediathek: https://www.ardmediathek.de/sendung/m… Mit Sandra Maischberger spricht der frühere Bundesminister Klaus von Dohnanyi (SPD) über die Rolle Europas und Deutschland im Ukraine-Krieg, Bundeskanzler Friedrich Merz und die USA unter der Präsidentschaft Donald Trumps. Seit seiner ersten Wahl 1949 wähle er die SPD, erklärt von Dohnanyi – wegen ihrer Sozial- und vor allem Friedenspolitik. Es gehe ihm nicht nur darum, „Frieden zu haben, sondern Frieden zu machen“. Besonders beeindruckt habe ihn Willy Brandt, mit dem er eng zusammenarbeitete. Brandt habe „die tiefste Furche gezogen“ für die langfristige Entwicklung der SPD. Über Friedrich Merz sagt Dohnanyi, man werde sehen müssen, ob er ein großer Kanzler werde – er wünsche es ihm. Mit Blick auf den Ukraine-Krieg zeigt sich von Dohnanyi skeptisch gegenüber bisherigen Lösungsversuchen. Die Lage sei „fast unlösbar“.
Putin verlange eine schwache, bündnisfreie Ukraine, während die Ukraine stark und westlich eingebunden sein wolle. Frieden könne nur durch beiderseitiges Nachgeben entstehen. „Putin muss lernen, dass die Ukraine vom Westen eingebunden sein wird. Und die Ukraine muss einsehen, dass Putin nichts zurückgeben wird“, erklärt von Dohnanyi. Als mögliches Modell nennt der SPD-Politiker eine Anerkennung des Status quo, ähnlich wie im geteilten Deutschland: Man akzeptiere den Ist-Zustand, ohne ihn dauerhaft zu legitimieren. Der frühere Bundesminister betont, Europa müsse seine Interessen selbst vertreten, ohne sich auf die USA zu verlassen: „Nicht Amerika kann über Europa entscheiden – Europa muss über Europa entscheiden.“ Bundeskanzler Friedrich Merz solle selbst nach Moskau fahren. Die Ukraine sei Teil Europas – „und über diese Entwicklung müssen wir entscheiden“. In einem Gespräch mit Russland müsse das Ziel ein Waffenstillstand sein. Sanktionen und Waffenlieferungen könnten folgen, aber nur „nachdem man mit Putin geredet hat“. Die Führungsrolle Europas sieht von Dohnanyi klar bei Deutschland.
Eine geeinte EU brauche Führung – und die müsse Deutschland leisten. Dass sich Merz klar zur militärischen Unterstützung der Ukraine bekenne, sei nachvollziehbar. Von Dohnanyi hält Abschreckung ebenfalls für notwendig. Aber: „Wir müssen friedenstüchtig sein.“ Das Wort „kriegstüchtig“, das Bundesverteidigungsminister Pistorius verwendete, sei „unzureichend“. Man müsse immer auch die Interessen der Gegenseite mitdenken. Der Annahme, Russland wolle NATO-Gebiet angreifen, widerspricht von Dohnanyi – Putin habe daran kein Interesse. Das seien Spekulationen, wie sie schon im Kalten Krieg geäußert wurden. Der Sicherheitsverlust durch den NATO-Beitritt ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten sei aus russischer Sicht nachvollziehbar. „Wenn man sich nicht in die Rolle des Gegners versetzen kann […] wird man nicht erfolgreich mit ihm umgehen können.“ Mit Blick auf die USA stellt von Dohnanyi fest, Trump sei mächtig geworden, diese Entwicklung sei „gefährlich“. Amerika habe keine Interessen, die mit den europäischen Interessen identisch seien. Der Atlantik sei für die USA ein Schutz, deshalb könnten sie leicht sagen: „Ihr müsst selber damit fertig werden.“ Für Dohnanyi steht fest: „In Amerika klirrt keine Fensterscheibe, wenn hier alles kaputt geht.“
Autoritäre Tendenzen weltweit beobachtet er mit Sorge. Er erkennt ein Zusammenwirken nationalistischer Kräfte wie Trump, Musk und der AfD. Die Antwort darauf sei „bessere Politik“, betont von Dohnanyi. Ein AfD-Verbot hält er für falsch – entscheidend sei, dass demokratische Parteien Lösungen anbieten, die überzeugen. Die bisherige Ampelregierung sei zerstritten gewesen, jetzt sei er froh über eine neue Regierung mit klarerer Führung. Angst vor einem neuen Faschismus hat der frühere Hamburger Bürgermeister nicht, wohl aber vor politischer Untätigkeit. „Angst ist sowieso ein schlechter Ratgeber.“ Die einzige große Bedrohung derzeit sieht er im Klimawandel. Er warnt vor dramatischen Folgen, gerade für Europa, und fordert, sich stärker mit diesen Folgen zu befassen. Mit fast 97 Jahren blickt von Dohnanyi auf ein langes Leben zurück und bleibt dabei demütig: „Es ist kein Verdienst von mir.“ Die Vorstellung, dass nur noch wenige Jahre bleiben, erschrecke ihn, dennoch zeigt er sich optimistisch: „Es hätt‘ noch immer jut gegangen.“