Datum/Zeit
Date(s) - 10/11/2024
11:30 - 11:45
Veranstaltungsort
Martinskirche Kirchheim
Kategorien
Ökumenische FriedensDekade legt in diesem Jahr den Fokus auf gewaltfreie Beispiele der Konfliktbearbeitung
Seit über 40 Jahren engagiert sich die Ökumenische FriedensDekade für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Jedes Jahr bestimmt ein konfessionell multilateral besetztes Gesprächsforum unter Beteiligung unterschiedlicher Friedensinitiativen in Deutschland ein Motto und bereitet vielfältige Materialien vor, die auf lokaler Ebene von Kirchengemeinden, Friedensinitiativen und ökumenische Gruppen genutzt werden können. Alleine im vergangenen Jahr fanden im Rahmen der Ökumenischen FriedensDekade bundesweit rund 5.000 Einzelveranstaltungen statt. Damit liefern ökumenische Gruppen und Friedensinitiativen an den zehn Tagen vor dem Buß– und Bettag (in diesem Jahr vom 10. – 20. November) einen wichtigen Beitrag zur Vertiefung des christlichen Friedenszeugnisses und zur friedenspolitischen Willensbildung in Kirchen, Schulen und Gesellschaft.
„Ich kann es bald nicht mehr hören!“. So reagieren viele Menschen auf scheinbar nicht enden wollende Berichte über Kriege und Krisen. Fast täglich führen uns Medien vor Augen, dass Gewalt für viele Staatenlenker*innen immer noch das erste Mittel der Wahl zu sein scheint, um ihre Macht zu sichern und ihre Ziele durchzusetzen. Hinzu kommt die Gewalt von Terrorist*innen, von Warlords, Drogenbanden und sonstigen kriminellen Gruppen. An Waffen mangelt es nicht: Mit Rüstungsexporten lässt sich sehr viel Geld verdienen, da werden gerne restriktive Regelungen ausgehöhlt oder umgangen, auch von der aktuellen Bundesregierung.
Dass es Menschen und Regionen auf der Welt gibt, die friedlich zusammenleben, immun sind gegen Feindbilder, die einfaches Gut/Böse-Denken ablehnen und einen konstruktiven Umgang mit Konflikten praktizieren, geht oftmals in der allgemeinen Berichterstattung unter, ist keine Nachricht wert oder wird kaum wahrgenommen.
Auch wenn an vielen Orten der Welt ein Leben in Frieden und Freiheit nicht möglich ist, so setzen sich doch überall Menschen mit zivilen und gewaltfreien Mitteln für Schwächere, für Demokratie, für Gerechtigkeit und Freiheitsrechte oder für den Erhalt unserer Erde ein. Viele tun dies, auch wenn sie dafür angefeindet, bedroht, verfolgt oder sogar bestraft werden. In den Schlagzeilen landen dennoch zumeist Berichte über Gewalt und Unfrieden, nur allzu selten wird über das durchaus wirksame Engagement für eine bessere Welt berichtet.
Das diesjährige Motto der Ökumenischen FriedensDekade „ERZÄHL MIR VOM FRIEDEN“ will den Fokus auf solche positive Engagements richten, ohne den vorhandenen Unfrieden, ohne das vorherrschende Unrecht oder die grassierende Angst vor einer ungewissen Zukunft auszublenden. Der Fokus soll darauf gerichtet werden, was bereits gelingt und wo sich Menschen erfolgreich mit zivilen und gewaltfreien Mitteln für den Frieden engagiert haben und aktuell engagieren. Wie ist es gelungen, dass Deutschland und Frankreich nach dem II. Weltkrieg heute nicht mehr Erzfeinde sind? Was hat zum Erfolg der „friedlichen Revolution“ in der ehemaligen DDR geführt? Warum sind in Norwegen die Menschen glücklicher als anderswo? Wie gelingt es Staaten, Millionen Geflüchtete aufzunehmen oder Zugewanderte zu integrieren, ohne dass es zu massiven, gewalttätigen Protesten kommt?
Das Versprechen auf eine schnelle, gewaltsame Bekämpfung von Unrecht oder terroristischer Gewalt ist attraktiv, aber unsere Erfahrungen und auch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass sich mit Waffengewalt kein Frieden herstellen lässt. Gewalt führt vielmehr zu unvorstellbarem Leid und immenser Zerstörung. Umso wichtiger ist das Wissen über Alternativen, die existieren und täglich praktiziert werden. Denn es gibt sie, diese gewaltfreien Alternativen, im sozialen Miteinander genauso wie bei inner- und zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen.
Im Geschichtsunterricht lernen wir bis heute viel über römische Feldherren, Kolonialmächte oder die Gräuel zweier Weltkriege und der NS-Herrschaft. Dabei droht das Friedensengagement aus dem Blick zu geraten: Von Jesus wird berichtet, wie er zum Widerstand gegen die römische Besatzungsmacht geraten hat („Gebt des Kaisers, was des Kaisers ist …“). Der von Mahatma Ghandi angeführte indische Widerstand gegen die britische Kolonialmacht, der Widerstand gegen die rassistische Vorherrschaft Weißer in den USA (Martin Luther King) und in Südafrika (Nelson Mandela), alles Beispiele für ein gewaltfreies Engagement, das überaus erfolgreich war. Die Sklaverei wurde letztlich nicht freiwillig von den Staaten geächtet, sondern dank des breiten, vorrangig gewaltfreien Widerstehens von vielen Menschen an vielen Orten. Wer kennt schon die Entstehungsgeschichte des Internationalen Versöhnungsbundes, das mutige Handreichen und Friedensversprechen von Franzosen und Deutschen 1914, direkt vor Beginn des Ersten Weltkrieges? Oder wer hält die Erinnerung an den vielfachen Widerstand gegen die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft in Deutschland, aber auch in den besetzten Ländern wach?
Wir sind auf Geschichten jenseits von Gewalt, Kriegen und Krisen angewiesen, die uns Mut machen. Viele solcher Hoffnungsgeschichten finden sich auch in der Bibel, aus denen Christ*innen weltweit Kraft schöpfen für ihr gewaltfreies Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Frieden auf Erden und Schwerter zu Pflugscharen sind die biblischen Verheißungen. Und dann noch die schöne Zusage „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“ aus den sogenannten Seligpreisungen. Die Botschaft ist klar: Gemeinsam können wir Berge versetzen – mit Gottes Hilfe. Um dies nicht zu vergessen, hat die Ökumenische FriedensDekade dieses Motto gewählt: „ERZÄHL MIR VOM FRIEDEN!“