Von moralischem Totalitarismus – die Philosophin Svenja Flaßpöhler im Gespräch mit Harald Welzer

Quelle: taz, März 2021

Von moralischem Totalitarismus: Hören Sie auf, Sie beleidigen uns!

Svenja Flaßpöhler spricht mit taz FUTURZWEI über militante Intoleranz von dauerbeleidigten Identitätslinken.

SVENJA FLAßPÖHLER: Zunächst einmal: Klar sollen und dürfen benachteiligte Gruppen um Anerkennung kämpfen. Und dafür müssen sie sich nun mal als Gruppe benennen. Aber es gibt einen Punkt, an dem dieser Kampf zu gesamtgesellschaftlicher Zersplitterung führt. Dieser Punkt ist eindeutig erreicht. Und zweitens vermisse ich bei denen, die diesen Kampf führen, ein gesundes Maß an Selbstdistanz. Und Reflexion darüber, dass »Identität« gerade in der linken Theoriebildung ein hoch problematisches Konzept ist.

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Svenja Flaßpöhler ist Philosophin, Chefredakteurin des Philosophie Magazins und Co-Leiterin der phil.cologne. Feministin. Geboren 1975 in Münster, verheiratet, zwei Kinder. Lebt in Berlin. Geschrieben hat sie u.a. folgende Bücher: Die potente Frau. Für eine neue Weiblichkeit. Ullstein 2018, zuletzt (mit Florian Werner): Zur Welt kommen. Elternschaft als philosophisches Abenteuer. Blessing 2019

taz Talk #57 – Cancel Culture: Konservative Angstprojektion oder antifaschistischer Segen?

taz Talk #57 – Cancel Culture: Konservative Angstprojektion oder antifaschistischer Segen? 551 Aufrufe –Live übertragen am 15.10.2020

Die Debatte um „Cancel Culture“ bewegt das gesamte politische Spektrum und schlägt in den sozialen Netzwerken hohe Wellen. Während manche noch wissen wollen, was das eigentlich ist, stellen andere zur Debatte, ob es Cancel Culture überhaupt gibt:

Werden Auftritte, ja ganze Karrieren wirklich durch übereifrige Online-Aktivist*innen gesprengt? Oder handelt es sich nicht eher um eine Projektion konservativer Kräfte, die mit modernen, digitalen Formen von Kritik und politischer Selbstorganisation nicht zurande kommen?

Andererseits muss man auch nicht naiv die Augen davor zu verschließen, dass Deplatforming wirklich funktioniert: Wenn etwa die Social-Media-Accounts der Identitären Bewegung gelöscht werden – dann ist das doch auch ein Erfolg für alle, denen die tägliche Hetze im Netz schon längst nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt erscheint.

Gleichzeitig wird Cancel Culture auch als innerlinkes Phänomen problematisiert. In vielen Debatten hat die identitätspolitische Frage, wer da spricht, wer eingeladen wird und eine Plattform erhält, längst die Frage nach dem Gesagten abgelöst.

Beklagt wird auch von Linken eine Kultur ideologischer Reinheit, der reale Personen unmöglich entsprechen können. Wurde der Podiumsgast schon einmal mit BDS-Anhänger*innen gesehen? Oder mit Antideutschen? Hat die Person fragwürdige Beiträge auf Twitter geliked? Hat sie die falschen Freunde? Und sind diese Fragen alle einfach nur absurd – oder nicht doch die Debatte selbst?

Zwei der drei Herausgeber*innen des SammelbandsTrigger Warnung. Identitätspolitik zwischen Abwehr, Abschottung und Allianzen, Eva Berendsen und Meron Mendel von der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, im taz-talk mit Jan Feddersen und Manuel Schubert anlässlich der (gecancelten) Frankfurter Buchmesse.

Stöbern in der Literaturbeilage zur Frankfurter Buchmesse jetzt unter https://taz.de/literataz

Dr. Meron Mendel – Direktor der Anne-Frank-Bildungsstätte in Frankfurt am Main

Quelle: Veto Tom Waurig – 16. April 2021

Eine Name, der verpflichtet — Meron Mendel

Meron Mendel und seine Mitarbeitenden der Bildungsstätte Anne Frank gehören zu den viel gehörten Stimmen im Umgang mit Antisemitismus, beraten die Opfer des Anschlags von Hanau oder einen Nebenkläger im Prozess um den Mordfall Walter Lübcke.

Meron Mendel liebt die Diskussion, den Diskurs mit anderen, das Streiten ums bessere Argument. Typisch demokratisch eben, typisch Pädagoge. Mendel sieht es als seine Mission, mit anderen zu debattieren, ob bei Twitter, als taz-Kolumnist oder in seiner täglichen Arbeit. Seit inzwischen zehn Jahren leitet der Mittvierziger die Anne Frank Bildungsstätte in Europas Bankenstadt Frankfurt am Main. Mendel wurde in Israel geboren, promovierte in Erziehungswissenschaften.

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Homophobie – weltweit

Quelle: Quarks

Inhalt

Was ist die Definition von Homophobie?

Das Wort Homophobie ist in der Literatur zum ersten Mal Ende der 60er Jahre aufgekommen. Damals veröffentlichte der jüdisch-amerikanische Psychologe George Weinberg einen Artikel, in dem er den Begriff zum ersten Mal verwendete und somit prägte. Er definierte Homophobie als eine Art Störung im Gehirn, dem der Empfindende mehr oder weniger ausgeliefert sei – eben wie bei einer Phobie.

Genau aus diesem Grund ist der Begriff “Homophobie” allerdings auch umstritten. Eine Phobie ist per Definition nämlich eine Angststörung, die man in der Regel nicht kontrollieren kann – was ein wenig in die ursprüngliche Richtung von Weinbergs Definition geht. Viele Menschen mit homophoben Neigungen empfinden allerdings keine Angst, sondern Ablehnung, Unsicherheit, Feindseligkeit oder sogar Ekel, wenn sie mit Homosexualität konfrontiert werden. Daher werden für Homophobie auch manchmal andere Begriffe verwendet, wie zum Beispiel Homo-Negativität. Dieser ist im englischsprachigen Raum als homo negativity allerdings weiter verbreitet als bei uns.

Homophobie lässt sich im sozialpsychologischen Kontext in drei Komponenten einteilen: affektive, kognitive und verhaltensbezogene Homophobie.

Bei der affektiven Komponente geht es beispielsweise um unangenehme Gefühle, wenn sich zwei Männer auf der Straße küssen, die kognitive Ausprägung bezieht sich darauf, dass beispielsweise die gleichgeschlechtliche Ehe oder andere Rechte für homosexuelle Menschen abgelehnt werden und die verhaltensbezogene Komponente kommt zum Vorschein, wenn jemand beispielsweise aktiv den Kontakt zu homosexuellen Personen vermeidet. Die Ausprägungen können also unterschiedlich sein und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Menschen mit homophoben Neigungen automatisch ein höheres Aggressionslevel haben als nicht-homophobe Menschen.

Quelle: BR extra

(Gleichgeschlechtliche) Liebe ist in manchen Ländern lebensbedrohlich

  • Gleichgeschlechtliche Liebe ist in 72 Ländern illegal. Dort riskieren Menschen Haftstrafen, wenn sie ihre Homosexualität leben. Zum Beispiel in Indien, Bangladesch, Äthiopien, Sambia.
  • In acht Ländern droht sogar die Todesstrafe, darunter: Saudi-Arabien, Iran, Irak, Jemen, Sudan.
  • In Deutschland stand Homosexualität auch lange unter Strafe. Im Nationalsozialismus wurden tausende Homosexuelle inhaftiert und in Konzentrationslager gebracht.
  • Die „Ehe für alle“ gibt es in Deutschland seit 2017 – so wie in 24 weiteren Ländern weltweit.

Quelle: Welt

In 15 Ländern droht Homosexuellen die Todesstrafe

Der neue Gay Travel Index vergleicht über 200 Staaten. Ergebnis: Einige Urlaubsziele sind nicht so paradiesisch, wie sie anmuten. Vielerorts werden Gesetze gegen Homosexuelle verschärft. In einem Land droht Steinigung.

Aktuelles und Gesellschaft  – Reportagen und Recherchen

Achtung Lebensgefahr! LGBT in Tschetschenien

103 Min. Verfügbar vom 11/05/2021 bis 16/07/2021

Nächste Ausstrahlung am Dienstag, 18. Mai um 21:50

Der investigative Dokumentarfilm begleitet unerschrockene AktivistInnen, die im Kampf gegen die andauernde Anti-LGBTQ-Verfolgungswelle in der russischen Teilrepublik Tschetschenien ihr Leben riskieren. Durch uneingeschränkte Einblicke und unter Wahrung der Anonymität der Beteiligten berichtet der Film von Grausamkeiten, die medial kaum Beachtung finden.

Seit 2016 findet unter dem tschetschenischen Staatschef Ramsan Kadyrow eine brutale Kampagne zur „Blutsäuberung“ von tschetschenischen LGBT-Personen statt. Es kommt zu staatlich bewilligten Einsätzen, in denen Menschen inhaftiert, gefoltert und hingerichtet werden. Da dieses Vorgehen international kaum verurteilt wird und der Kreml untätig bleibt, ergriff ein breites Untergrundnetzwerk von AktivistInnen die Initiative. Zahlreiche Menschen wurden bereits getötet, noch mehr Personen werden vermisst.

Schlecht ausgerüstete und unterfinanzierte LGBT-AktivistInnen kämpfen für die Einhaltung der Menschenrechte. Sie bieten eine Notruf-Hotline und ein großes UnterstützerInnennetzwerk, Notunterkünfte, Safe Houses und sicheres Geleit. Sie riskieren ihr Leben, indem sie sich mit Überlebenden treffen und sie über die Grenzposten aus dem Land schleusen.

Mittels eines offenen Austauschs mit den AktivistInnen – vom Russian LGBT Network bis zum Moscow Community Center for LGBT+ Initiatives – berichtet dieser Dokumentarfilm von Grausamkeiten, die kaum Beachtung finden, und von den Gefahren, darüber zu sprechen.
In dem Dokumentarfilm kommen hilfesuchende homosexuelle Männer und Frauen zu Wort, die offen ihre Geschichten erzählen. Zur Wahrung der Anonymität derer, die um ihr Leben fürchten und fliehen müssen, verändert France die Stimmen und nutzt Pseudonyme. Außerdem setzt er die neue digitale „Face Double“-Technik ein. So können die Überlebenden ohne Angst vor Repressalien ihre bewegenden und schmerzhaften Geschichten erzählen.

Beim Abschluss des Films konnte das LGBT-Netzwerk 151 Menschen helfen, rund 40.000 Menschen leben weiterhin versteckt.

Quelle: Bundeszentrale für Politische Bildung

Grafiken

Wie viele gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften gibt es in Deutschland? Wo auf der Welt genießen Schwule und Lesben besonders viele Rechte? Und wo müssen sie immer noch mit Diskriminierung und Verfolgung rechnen?

https://www.unesco.de/sites/default/files/2018-05/Bek%C3%A4mpfung_von_Homophobie_und_Transphobie.pdf

Appell von abgeordnetenwatch.de: Käufliche Forschung ist schlecht fürs Klima!

Quelle: abgeordnetenwatch.de  25. März 2021

Käufliche Forschung ist schlecht fürs Klima!

Die bundeseigene Deutsche Energieagentur (DENA) legt diese Woche erste Ergebnisse ihrer Leitstudie “Aufbruch in die Klimaneutralität” vor. Die Ergebnisse spielen eine wichtige Rolle für die Positionierung der Parteien zur Bundestagswahl und für die künftige Klimapolitik der Bundesregierung.

Doch die Studie ist nicht wissenschaftlich neutral, da sie weitestgehend von Unternehmen finanziert wird. Diese sogenannten “Partner”, darunter Fossil-Konzerne wie RWE und Thyssengas, bestimmen auch die Inhalte mit. Sie haben sich ihren Einfluss mit jeweils bis zu 35.000 Euro erkauft.

Wir fordern: Forschung im öffentlichen Interesse muss öffentlich finanziert sein, um Interessenskonflikte zu vermeiden.

Sie haben bis 12. Mai 2021 die Möglichkeit, den Appell an den federführenden Minister Peter Altmaier, seinen Staatssekretär Thomas Bareiß und an DENA-Chef Kuhlmann zu unterzeichnen. Die Übergabe findet statt Mittwoch, 12. Mai 2021  von 17.30 bis 18.00 Uhr. LINK https://zoom.us/j/87836746333  Kenncode: 605809

 

Sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Bareiß,
sehr geehrter Herr Kuhlmann,

es ist richtig, dass die Bundesregierung den Weg in die Co2-Neutralität untersuchen lässt. Falsch ist es aber, die Mitsprache für Geld an Sponsoren zu verkaufen. Solche Studien müssen ausschließlich an wissenschaftliche Kompetenz gebunden sein.

Das Sponsor-Modell der DENA-Leitstudie untergräbt die wissenschaftliche Neutralität, die Glaubwürdigkeit und den gesellschaftlichen Nutzen der Ergebnisse. Forschung einer Bundesagentur, die im öffentlichen Interesse und Auftrag erfolgt, muss aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden. Das gilt gerade für eine Leitstudie, die als zentraler Orientierungspunkt der Klimapolitik gelten soll.

Sorgen Sie deshalb für ein seriöses, ausgewogenes Studiendesign, bei dem die Unternehmen der betroffenen Branchen Auskünfte geben, aber von Entscheidungen und Finanzierung ausgeschlossen sind.

Mit freundlichen Grüßen,
[Ihr Name wird automatisch angehängt]

 

Hintergrund zur Aktion

Wer ist die DENA und wer bestimmt dort?

Die Deutsche Energieagentur DENA ist ein bundeseigenes deutsches Unternehmen. Anteilseigner sind die Bundesrepublik und die staatliche KfW-Bankengruppe. Die DENA versteht sich als „unabhängiger Treiber und Wegbereiter der Energiewende” und will mit ihrer Arbeit zum „weltweiten Klimaschutz” und „zum Erreichen der energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung“ beitragen.

Die Federführung hat dabei das von Peter Altmaier geführte Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), das auch den Aufsichtsratsvorsitzenden der DENA stellt. Aktuell hat diesen Posten BMWi-Staatssekretär Thomas Bareiß (CDU) inne. Bareiß gilt als unternehmensnah und u. a. der Gaslobby besonders verbunden. Innerhalb der CDU zählt er zu den Abgeordneten, die bei Klimaschutzmaßnahmen tendenziell bremsen.

Was ist das Problem bei der Klima-Studie?

Die DENA-Leitstudie gilt als Schlüsselstudie zum Umbau der Wirtschaft hin zur CO2-Neutralität. Sie wird für die Parteien und Politiker:innen im Bundestagswahlkampf und darüber hinaus ein zentraler Bezugspunkt sein. Insofern sind die darin vorgelegten Ergebnisse von herausragender Bedeutung für Fragen der künftigen Klimapolitik.

Doch die Studie droht gekapert zu werden durch den einseitigen Einfluss von Unternehmen auf die Ergebnisse. Denn diese werden in Zusammenarbeit mit „Partnern“ aus der Wirtschaft erstellt. Diese Partner reden inhaltlich mit und tragen zudem ca. 80 Prozent der Finanzierung. Darunter sind Unternehmen, die großes Interesse daran haben, die Ergebnisse der Studie zu beeinflussen, weil sie ihre Geschäftsfelder betreffen. Es ist hochproblematisch, dass die Forschung einer Bundesbehörde sich von externen Sponsoren abhängig macht – zumal solchen, die ganz unmittelbare Einflussinteressen haben.

Wer sind die „Partner“ und wie viel zahlen sie?

Die Sponsoren der Leitstudie sind ausschließlich Unternehmen. Sie stammen aus unterschiedlichen Branchen, die alle eint, dass der Umbau zu einer Co2-neutralen Wirtschaft ihre Geschäftsmodelle besonders berührt. Darunter sind Energieversorger wie RWE und Eon, Betreiber von Energieinfrastruktur wie Open Grid Europe (OGE) oder Thyssengas, aber auch Öl- und Gasunternehmen, wie WintershallDEA. Weitere Branchen sind u.a. Maschinenbau, Automobilindustrie, Bau-, Gebäude- und Wohnungswirtschaft, energieintensive Unternehmen sowie Startups.

Gegenüber LobbyControl sagte die DENA: Um Partner der Leitstudie zu werden, zahlt ein größeres Unternehmen 35.000 Euro, kleine und mittelständische Unternehmen 20.000 Euro und Startups 5.000 Euro. Der Einstieg in die Partnerschaft mit der DENA ist also teuer und lässt viele Akteure außen vor.

Wie werden Unternehmen „Partner“ und welchen Einfluss haben sie?

Die Partnerschaft wird keineswegs breit beworben. Laut DENA geht sie selbst oftmals „auf die Partner zu“, oder Partner der vergangenen Leitstudie kommen erneut auf die DENA zu. Die Anbahnung der Partnerschaften ist also äußerst undurchsichtig. Sie zeigt, dass die DENA selbst eine große Verantwortung für das problematische Format der Leitstudie trägt.

Gegenüber LobbyControl bestätigte die DENA, dass die Partner über zahlreiche Branchenmodule Einfluss auf Studiendesign und -inhalte haben. Zwar koordiniert die DENA die Forschung und hat externe Forschungsinstitute, wie das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) und das Wuppertal Institut, damit beauftragt sie durchzuführen. Doch die Partner-Unternehmen dürfen bei grundlegenden Entscheidungen innerhalb der Studie mitreden. Damit ist die Forschung eindeutig nicht mehr neutral und nur dem öffentlichen Interesse verpflichtet.

Der Lobby-Einfluss ist auch inhaltlich konkret erkennbar. Das zeigen einseitige, industrienahe Modellierungen, die vorab durchsickerten und LobbyControl vorliegen. Vor allem die Gaslobby hat dabei ihre Spuren hinterlassen.

Ist derart privatwirtschaftlich finanzierte Forschung nicht gang und gäbe?

Dass Unternehmen Studien beauftragen und finanzieren, ist in der Tat an der Tagesordnung. Nicht selten ist damit auch die Absicht verbunden, über die Wissenschaft Einfluss auf gesellschaftliche Debatten und politische Entscheidungen zu nehmen. Damit solche Hintergründe zumindest öffentlich erkennbar sind, haben die großen Wissenschaftsverbände wie der Deutsche Hochschulverband oder auch der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft ethische Leitlinien formuliert, an die seriöse Forschung sich halten sollte. Der Deutsche Hochschulverband etwa ruft alle Wissenschaftler:innen ausdrücklich dazu auf, „alle nicht aus der staatlichen Grundausstattung finanzierten Forschungsprojekte und Drittmittelprojekte einschließlich der Auftraggeber offenzulegen“ und definiert als notwendige Angaben u.a. „den Namen des Geldgebers, die Höhe der Förderung und die Dauer der Zuwendung“.

Die DENA hält sich offenbar nicht an diese Grundsätze. In der Leitstudie von 2018 wurden die damaligen „Partner“ zwar genannt – doch ohne zu sagen, ob und in welchem Maße sie die Studie mitfinanziert haben. Zu erwarten ist, dass die DENA dies bei der jetzigen Leitstudie ebenso handhaben will. Das widerspricht jedoch eklatant den ethischen Leitlinien wissenschaftlicher Forschung. Es wird auch nicht besser dadurch, dass die Initiative zur Leitstudie von der DENA selbst ausging, also letztlich der Bund Auftraggeber ist. Denn 80 Prozent der Finanzierung kommen von Dritten, die obendrein über die Ausrichtung und Inhalte mitbestimmen.

Hat die Zivilgesellschaft eine Rolle?

Akteure aus der Zivilgesellschaft, Politik und Wissenschaft sind laut DENA über einen Beirat eingebunden. Der Beirat trifft jedoch keine Entscheidungen, er “berät” lediglich und “gibt Empfehlungen ab.” Das ist im Vergleich zu einer Partnerschaft, in der Unternehmen laufend in die Erstellung der Studie eingebunden sind, eine randständige Rolle. Von ausgewogener Beteiligung kann also keine Rede sein. Die Einbindung etwa von Umwelt- und Verbraucherverbänden über den Beirat droht vielmehr zum Feigenblatt für einseitige Forschung im Unternehmensinteresse zu werden.

Gab es in der Vergangenheit schon schlechte Erfahrungen mit der DENA?

Nicht nur im Rahmen ihrer Leitstudie greift die DENA auf einseitiges Unternehmenssponsoring zurück. Sie erstellt auch Studien im Auftrag von Unternehmen. So stellte die DENA 2012 im Auftrag von RWE fest, dass es viele neue Kohlekraftwerke brauche, um in Deutschland die Stromversorgung zu garantieren. Klang schon damals einseitig. Doch heute wissen wir: Diese Annahme hat sich nicht annähernd bestätigt. Besonders problematisch hierbei: eine Bundesagentur gibt ihr staatliches Siegel für die Interessen eines Kohlekonzerns her und verleiht den Aussagen damit deutlich mehr Gewicht.

Was fordert LobbyControl?

Die DENA organisiert mit dem Sponsoren-Modell ihrer Leitstudie systematisch einen einseitigen Einfluss interessierter Parteien auf die Forschung. Das ist nicht akzeptabel, denn es untergräbt die wissenschaftliche Neutralität, die Glaubwürdigkeit und den gesellschaftlichen Nutzen der Ergebnisse. Dass Unternehmen und Verbände an der Studie mitwirken, indem sie den Forscher:innen Auskunft geben, ist nicht das Problem. Privilegierter Einfluss über Sponsoring jedoch muss aufhören. Wir fordern, dass das Wirtschaftsministerium und die DENA-Leitung dieses Sponsorenmodell aufgeben. Forschung im öffenlichen Auftrag soll allein dem öffentlichen Interesse verpflichtet sein und deshalb auch vollständig aus öffentlichen Töpfen finanziert werden.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier sollte die unglaubwürdige Bezahlstudie jetzt stoppen. Eine Klimastudie im öffentlichen Interesse kann dann mit einem sauberen, neutralen Forschungsdesign neu ansetzen.