Zeitungsanzeige zu den Ostermärschen 2020 unterstützen (bis 31.3.20)

Um die Mobilisierung für die Ostermärsche zu unterstützen, plant as Netzwerk Friedenskooperative am 04. Apri 2020  eine Zeitungsanzeige in der TAZ, im Neuen Deutschland sowie dem Freitag zu veröffentlichen.

Der Anzeigentext soll noch einmal verdeutlichen, warum es wichtig ist zu Ostern für Frieden, Abrüstung und Gerechtigkeit auf die Straße zu gehen und welche zentralen Forderungen die Ostermärsche an die Politik haben.

Gleichzeitig informiert die Anzeige darüber, in welchen Städten Aktionen stattfinden, damit möglichst viele Menschen an den Ostermärschen teilnehmen.Mit der bundesweiten Zeitungsanzeige unterstützt das Netzwerk Friedenskooperative die lokalen Veranstalter*innen der Ostermärsche bei der Mobilisierung.

Die Anzeige kann sowohl von Einzelpersonen, als auch von Organisationen und Gruppen bis zum 31. März unterschrieben werden. Unter der Zeitungsanzeige werden die Unterzeichner*innen mit Vor-, Nachname und Wohnort genannt. Zur Finanzierung der Anzeige bitten wir die Unterzeichner*innen um eine Spende (Formular zur Unterschrift und Spende siehe unten).

Für Fragen zur Anzeige werden FAQs angeboten.

Text der Zeitungsanzeige

Zukunft braucht Frieden – Zu Ostern auf die Straße für Abrüstung, Entspannungspolitik und Klimagerechtigkeit!

Militär und Krieg zerstören weltweit die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Atomwaffen und die Klimakatastrophe bedrohen unser aller Existenz. Für eine friedliche und nachhaltige Zukunft braucht es dringend ein Umdenken – werden wir aktiv bevor es zu spät ist!

Deshalb fordern wir von der Politik:

  • Eine massive Reduktion der Rüstungsausgaben und stattdessen höhere Investitionen in Klimaschutz, Bildung, Gesundheit und Rente.
  • Den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel und die Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbots durch Deutschland.
  • Den sofortigen Stopp von Waffenexporten in menschenrechtsverletzende und kriegsführende Staaten sowie eine umfassende Konversion der Rüstungsindustrie.
  • Entspannungspolitik und gewaltfreie Mittel der Konfliktbearbeitung statt Kriegsmanöver wie Defender 2020 oder Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Dafür demonstrieren wir gemeinsam bei den Ostermärschen.
Mach mit und sei dabei in Deiner Stadt:

[Auflistung der Städte mit Ostermarsch]

Vorwahlen in den USA: Sanders & Socialism

Sanders & Socialism: Debate Between Nobel Laureate Paul Krugman & Socialist Economist Richard Wolff (veröffentlicht: 24.2.20)

„As Bernie Sanders’s runaway win in Nevada cements his position as the front-runner for the Democratic nomination, the Democratic Party establishment and much of the mainstream media are openly expressing concern about a self-described democratic socialist leading the presidential ticket.

His opponents have also attacked his ambitious agenda. Last week during the primary debate in Las Vegas, Bernie Sanders addressed misconceptions about socialism. Invoking the words of Dr. Martin Luther King Jr., Sanders decried what he called “socialism for the very rich, rugged individualism for the poor.”

For more, we host a debate on Bernie Sanders and democratic socialism, featuring two well-known economists. Paul Krugman is a New York Times op-ed columnist and author of many books, including his latest, “Arguing with Zombies: Economics, Politics, and the Fight for a Better Future.” One of his recent columns is headlined “Bernie Sanders Isn’t a Socialist.” Richard Wolff is professor emeritus of economics at the University of Massachusetts, Amherst, and visiting professor at The New School. He is the founder of Democracy at Work and hosts the weekly national television and radio program “Economic Update.” He’s the author of several books, including “Understanding Socialism.”“

Was lernen wir aus dem Anschlag in Hanau?

Bundestag debattiert nach Hanau über Hass und rechten Terror

Einen Tag nach dem zentralen Gedenkakt in Hanau für die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags mit zehn Todesopfern diskutierte der Bundestag über Konsequenzen aus den Morden.


ZEIT online Kommentar von Christian Bangel – 22. Februar 2020 (Auszüge)

„Rassismus: Bedingungsloses Zuhören

Was lernen wir aus dem Anschlag von Hanau? Es wäre gut, würden wir verinnerlichen, dass die Betroffenen den Rassismus besser kennen als wir, die Privilegierten.

Es gibt Menschen in unserer Mitte, die sind nicht nur betroffen und schockiert vom Hanauer TerroranschlagDie haben kalte Angst. Menschen, die sich fragen, wo es für sie noch sichere Orte gibt. … .

Man kann als Weißer ohne Migrationshintergrund, als jemand also, der Rassismus nie erlebt, nicht erfühlen, wie es ist, von solch einem Verbrechen zu erfahren. Wir sind nicht alle die Opfer dieses Anschlages, so wohlmeinend dieser Satz auch ist. Wir sind die, die eine Atmosphäre haben entstehen lassen, in der sich Täter wie der von Hanau ermutigt fühlen konnte. … .

All jene, die jetzt vom Abgrund dieses gewaltbereiten Rassismus überrascht sind, die haben, man muss das so sagen, in den letzten Jahren und Jahrzehnten einfach nicht zugehört. “ …

Wir sind längst mittendrin in einer rechtsextremen Terrorwelle, die viele so lange nicht für möglich gehalten haben und vor der andere, besonders von Rassismus Betroffene, ebenso lange warnten. ….

Es ist das zurückgekehrte Reden von der Ungleichwertigkeit ganzer Menschengruppen, von Nafris, vom Asyltourismus, von Kulturkreisen, von Umvolkung und von Invasion. Wer glaubt, dass so etwas keine Folgen hat, der lügt entweder oder er hängt in an Urteilsschwäche grenzender Naivität immer noch der Illusion an, dass Deutschland, das Land der „Aufarbeitungsweltmeister„, für immer geheilt sei von dem rassistischen Hass, der lange vor dem zweiten Weltkrieg in seiner Mitte entstand.

Bewältigungsroutine

Doch kurz nach dem Terroranschlag von Hanau hat die Bewältigungsroutine eingesetzt … . Doch es gibt inzwischen leider einige Erfahrungswerte dazu, welche konkreten Folgen diese sicher ernst gemeinte Erschütterung vieler Politiker direkt nach einer rassistischen Terrortat hat. Wie groß war die Anteilnahme für die Opfer des NSU, wie tief war das Mitgefühl nach dem Horror von Halle? Und doch trat jedes Mal bald darauf wieder dieser deutsche Normalzustand ein, der den Betroffenen das Gefühl vermitteln musste, dass sich in Wirklichkeit nichts, aber auch gar nichts verändert hatte.

Als längst sichtbar war, dass die AfD eine seit 1945 nicht dagewesene rechtsradikale Bedrohung ist, konnte sich in Deutschland eine Erzählung ausbreiten, nach der dieses Land von den Linken bedroht sei. In einer Zeit, in der sich rechte Terroranschläge und rechte Wahlergebnisse abwechseln, begehrt kaum jemand in der CDU auf, wenn konkurrierende Anwärter um den Chefposten gedenken, die Wahlerfolge der AfD mit einem Rechtsruck der Union zu beantworten. Oder wenn ein Mann wie Friedrich Merz, der Kanzler werden will, nichts, aber auch gar nichts Substanzielles zum Thema Rassismus zu sagen hat, aber meint, ein Burkaverbot vorschlagen und damit das rassistische Stereotyp von der rückständigen, vordemokratischen Muslima füttern zu müssen.

„Nazikeule“

Dass Menschen mit Migrationshintergrund in dieser Gesellschaft immer wieder kleinen und großen rassistischen Übergriffen ausgesetzt sind, dass sie permanent Anpassungsbeweise erbringen müssen, ohne dass die Mehrheitsgesellschaft ihren Schutz zu einem großen Anliegen macht, ist bei uns hingegen kein Skandal. Im Gegenteil: Wer das thematisiert, zieht Wut auf sich, weil er damit angeblich Opfernarrative fördert, die Nazikeule schwingt, spaltet – oder einfach die Illusion untergräbt, dass jeder in diesem Land von Geburt an die gleiche Chance hat. Was soll eigentlich noch passieren, bis wir, die Weißen ohne Zuwanderungsgeschichte, die Bedrohung, die der Rassismus darstellt, aus Sicht der Betroffenen betrachten?

Uns kann niemand rauswerfen

Man kann als Weißer und Weiße sehr gut leben in diesem Land. Man kann in Neuköllner Shisha-Bars sitzen, einfach weil man Lust darauf hat. Man kann sich aber auch mit dem einfältigsten AfD-Wähler unterhalten und bei Bier und Korn versuchen, das Bürgerliche in ihm zu entdecken. Wir haben überall Zugang. Dass den andere Menschen ihn nicht haben, dass deren Wege auch geprägt sind von der Frage: Wo begegnet mir mehr Rassismus und wo weniger? Das interessiert viele von uns durchaus auch mal. Allerdings eher selten.

Die Empathie, die es in diesem Land für die Ängste und Sorgen von weißen Bürgern durchaus gibt, hat nie dauerhaft die miteingeschlossen, die tagtäglich mit dem Rassismus kämpfen müssen. Auch wir, die linksliberalen weißen Wohlmeinenden, belassen es meist, wenn überhaupt, beim antirassistischen Bekenntnis – ohne den Gedanken zu Ende zu führen, was es bedeutet, dass wir davon nicht betroffen sind.   

Wir können nicht darüber entscheiden, was Rassismus ist

Vielleicht, weil dieser Gedanke, der seit Jahrzehnten von Betroffenen formuliert wird, eine Verhaltensänderung erzwingen würde. Er bedeutet nämlich, dass wir Weißen, so aufgeklärt wir uns auch fühlen mögen, nie Entscheider in der Frage sein können, ob ein Verhalten rassistisch ist. Diese Erkenntnis würde wiederum dazu führen, dass wir es ernstnähmen, wenn Menschen sich vom Rassismus bedroht fühlen. Sie würde uns einfühlsamer und wachsamer machen, auch wenn es fordernd und manchmal kompliziert wäre.

Wachsamkeit und Einfühlungsvermögen würden bedeuten, dass keine Talkrunde mehr ohne Menschen mit Migrationshintergrund auskommen würde, weil ihre Perspektiven auf Arbeitsmarkt, Rechtsradikalismus, Familienpolitik, einfach auf jedes Thema wichtiger wären als die Position einer rassistischen Partei.

Es würde auch bedeuten, dass die angebliche Volkspartei CDU, lange bevor sie versucht, AfD-Wähler „zurückzuholen“, ernsthafte Versuche unternehmen würde, Menschen aus religiösen und ethnischen Minderheiten auf ihre Seite ziehen. Denn was sonst sollte eine Volkspartei bitte tun …?

Es würde auch bedeuten, dass Rassismus nicht mehr als etwas gilt, das nur in Bomberjacke auftritt, sondern, dass er in jeder und jedem von uns auf die eine oder andere Weise wirkt.

Wir werden immer dazugehören

Machen wir uns nichts vor: Der Rassismus ist seit 1945 nie verschwunden aus Deutschland. Im Gegenteil, in den vergangenen Jahren kamen vernebelnde rechte Erzählungen hinzu, die die Debatte über ihn noch erschwerten: die von der Political Correctness, von den Meinungskorridoren, dem angeblichen Rassismus gegen Weiße.

Wir, die weißen Deutschen ohne Migrationsgeschichte, haben, egal von wo wir kommen, immer das Privileg eines unangreifbaren Dazugehörens…

Selbst der rassistischste AfD-Wähler wird nie die Drohung erfahren, aus diesem Land ausgeschlossen zu werden. Immer werden Politiker der sogenannten Mitte sagen, man muss auch seine Sorgen anhören. Diese Sicherheit des Dazugehörens fehlt Deutschen nichtweißer Hautfarbe. Und wenn wir uns mit unseren Werten ernstnehmen, wenn wir also wollen, dass die Schönheit des ersten Satzes unserer Verfassung zugleich auch eine Wahrheit ist, dann schulden wir es ihnen, diese Sicherheit zu schaffen. Jetzt. Bedingungslos. Für immer.“


AfD: Skrupellos bis es kracht | extra 3 | NDR (28.2.20): „Eine Woche ist nun nach den schrecklichen Angriffen in Hanau vergangen. Und immer mehr kristallisiert sich heraus, wer das eigentliche Opfer ist. Das eigentliche Opfer ist die AfD. Wie immer.

Linke, SPD und Grüne: Linke Mehrheiten gibt es nicht durch die Hintertür

ZEIT 13. Februar 2020

„Linke, SPD und Grüne: Linke Mehrheiten gibt es nicht durch die Hintertür

Die kommende Bundestagswahl biete die Chance zum politischen Wechsel, schreibt die Linken-Vorsitzende. Diese werde ein Kampf um den grundsätzlichen Kurs der Republik.

Ein Gastbeitrag von Katja Kipping

Katja Kipping, geboren und aufgewachsen in Sachsen, ist seit 2012 Parteivorsitzende der Linkspartei. Dem Bundestag gehört die 42-Jährige seit 2005 an. Davor war sie Mitglied des sächsischen Landtags. Die Möglichkeiten für eine Mitte-Links-Regierung lotet sie auch in ihrem Mitte Februar erscheinenden Buch „Neue linke Mehrheiten – eine Einladung“ aus. 

In der antiken Mythologie ist Kairos der Gott des richtigen Augenblicks. Er hat vorn eine Haarlocke, sein Hinterkopf hingegen ist kahl. Wer die Gelegenheit beim Schopfe packen will, muss im richtigen Moment zupacken, sonst bekommt er nur den haarlosen Hinterkopf zu fassen.

Den richtigen Augenblick nicht zu verpassen, sondern die Gelegenheit für neue politische Mehrheiten jenseits der Union zu ergreifen, vor dieser Herausforderung stehen derzeit auch die fortschrittlichen politischen Parteien in Deutschland. Mit den Entwicklungen in Thüringen und dem politischen Erdbeben, dass sich aus der Öffnung der konservativen Parteien hin zur AfD ergeben hat, ist jetzt mit aller Wucht deutlich geworden: Die richtige Zeit ist jetzt, ist heute.

Die kommende Bundestagswahl bietet, mehr als vorangegangene, die Chance zum politischen Wechsel. Sie wird, und das ist spätestens durch die Rücktrittsankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer klar, ein Kampf um den grundsätzlichen Kurs in unserer Republik werden. Dabei geht es nicht nur darum, wie viel soziale Sicherheit wir realisieren können oder ob ein ökologischer Wandel gelingt, der nicht auf Kosten der Ärmsten geht. Es wird auch um den republikanischen Grundkonsens in unserer Gesellschaft gehen. Dass dieser in Gefahr ist, haben die Ereignisse in Thüringen gezeigt.

Drei mögliche Entwicklungen

Klar ist: Angela Merkel tritt nicht wieder an. Die entscheidende Mobilisierungsfrage wird lauten: Was folgt auf die Groko? Denkbar ist, dass der Wahlkampf zu einer reinen Personaldebatte verkommt. Dass ein Zweikampf aufgeführt wird nach dem Motto: Wollt ihr Friedrich Merz oder Robert Habeck? Olaf Scholz oder Armin Laschet? Oder – und das wäre die weit bessere Variante – es gelingt eine Auseinandersetzung darum, welchen Kurs dieses Land künftig einschlagen soll.

Drei Entwicklungspfade sind dabei vorstellbar: erstens autoritärer Kapitalismus, also die Verbindung von Konservativen und völkischer Rechten. Zweitens ein modernisierter Neoliberalismus mit grünem Anstrich. Parteipolitisch steht dafür hierzulande Schwarz-Grün. Und drittens eine sozialökonomische Wende, die nur von Parteien links der Union getragen werden könnte. Nur eine gemeinsame linke Regierung wäre zu einem echten Politikwechsel in der Lage, der die Klimakrise, die militärischen Eskalationen, den Rechtsruck und die soziale Spaltung nachhaltig entschärfen könnte.

Für die Parteien links der Union ist das der Kairos-Moment: Wir müssen den Kampf um neue linke Mehrheiten für eine sozialökonomische Wende jetzt aufnehmen. Die Gelegenheit ist günstig, doch die Zeit drängt.

Mehrere Kipppunkte

Denn in gleich mehrfacher Hinsicht steuern wird derzeit auf Kipppunkte zu. Veränderungen also, die, wenn sie einmal eingetreten sind, unumkehrbare Folgen haben. Die Dringlichkeit des Klimaschutzes ist in aller Munde. Einmal geschmolzene Gletscher lassen sich nicht wieder vereisen. Darum besteht in der ökologischen Frage höchster Handlungsbedarf. Aber man darf nicht dem Irrtum erliegen, deshalb die Dringlichkeit der sozialen Frage geringer zu schätzen nach dem Motto: Den Kampf gegen die Armut können wir auch noch in zehn Jahren beginnen. Die Folgen sozialer Spaltung können für Menschen und Demokratien nicht weniger zerstörerisch sein als die Treibhausgasemissionen für das Klima. Auch die soziale Spaltung kann einen Kipppunkt erreichen.

Auch der Rechtsruck der vergangenen Jahre könnte irgendwann nicht mehr zurückzudrehen sein, wenn wir nicht handeln. Um der Verführungskraft rechter Ideologien etwas entgegenzusetzen, gilt es, auf die entfesselte Ökonomie mit einer neuen Idee des Wirtschaftens zu reagieren: mit einer Ökonomie des Gemeinsamen, die auf Demokratisierung der Wirtschaft setzt und die gemeinwohlorientiertes Wirtschaften, Kooperativen und Genossenschaften fördert.

Bei der sozialökonomischen Wende geht es um mehr und um weniger als Kapitalismuskritik. Um weniger, weil die konkreten Schritte notwendigerweise unter dem Anspruch einer Überwindung des Kapitalismus bleiben werden. Und um mehr, weil diese Reformen Teil eines Prozesses zur Stärkung von Produktions- und Eigentumsformen sind, die über den Kapitalismus hinausweisen und ein postkapitalistisches Morgen ermöglichen.

Schwarz-Grün wäre eine Sackgasse

Vor allem bei den Grünen gib es jedoch viele, die auf ein Bündnis mit der Union statt auf eine linke Mehrheit setzen. Doch bei Schwarz-Grün blieben die systemischen Ursachen unangetastet. Wirksamer Klimaschutz geht nur mit Mitte-Links, denn er erfordert die Bereitschaft, sich mit Konzernen anzulegen. Immerhin gehen zwei Drittel aller CO2-Emmissionen auf das Konto von 100 großen Konzernen. Hinzu kommt: Wenn sich die Menschen zwischen ihren materiellen Sorgen am Monatsende und der Angst vor dem Weltende entscheiden müssen, wird nichts Gutes dabei herauskommen. Damit Klimaschutz auch nachhaltig Rückhalt in der Bevölkerung hat, muss er Hand in Hand mit mehr sozialem Schutz gehen.

Um diese Mehrheiten links der Union zu ermöglichen, gilt es, jene zu begeistern, die schon jetzt Lust auf Veränderung haben. Und jene zu erreichen, denen das heute noch Sorgen macht, weil Veränderung für sie bisher hieß, etwas zu verlieren – den Job, Sicherheit oder Anerkennung. Solche Sorgen werden SPD, Grüne und Linke nur zerstreuen können, wenn sie offensiv für ein Bündnis werben und die Möglichkeiten aufzeigen, die damit verbunden sein können. Eine wirkliche Transformation lässt sich nicht durch die Hintertür erreichen, wie das manch ein Sozialdemokrat oder Grüner hoffen mag. Wir müssen gemeinsam für ein politisches Projekt stehen, das Hoffnung macht.

Wir brauchen Unterstützung aus der Gesellschaft

Ein solches Projekt kann allerdings nicht den Parteien allein überlassen werden. Wir brauchen einen progressiven Ruck aus unserer Gesellschaft.

Es braucht starke Stimmen aus sozialen Bewegungen, Verbänden, Gewerkschaften und Kirchen, die ein Parteienbündnis motivieren, auch herausfordern und zu Standfestigkeit zwingen. Denn das muss man immer sagen: Wer Machtverhältnisse verändern will, wird viel Gegenwind erfahren und viel Durchhaltevermögen brauchen.

Wir können in den nächsten Jahren Zeugen von sich verschärfenden Krisen bis hin zum Klimakollaps und einer autoritär-nationalistischen Aufweichung unseres demokratischen Gemeinwesens werden. Oder wir gehen die Ursachen der Krisen an und stellen dem entfesselten Markt eine neue Ökonomie des Gemeinsamen entgegen.

Neue linke Mehrheiten könnten ernst machen mit einer Politik des Friedens und des Klimaschutzes, damit wir alle eine Zukunft haben. Eine Regierungsalternative, die damit beginnt, alle vor Armut zu schützen und die Mitte besser zu stellen.

Neue linke Mehrheiten stellen der Rechten die Kraft der Solidarität entgegen. Auf dass alle ohne Angst anders sein können und zugleich das Gemeinschaftliche wachsen kann. Also: Nutzen wir den Augenblick, nutzen wir das Momentum.“

Die AfD, die Neue Rechte und die Besetzung des Begriffs „konservativ“

Neue Rechte – Die autoritäre Revolte? 1/5 | Vortrag von Volker Weiß (am 24.10.2018 veröffentlicht) – Aufzeichnung vom Fachtag an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU): Die Neue Rechte als Herausforderung für die Demokratie. Den Fachtag eröffnet der Historiker Volker Weiß, der in seiner Publikation „Die autoritäre Revolte“ einen Überblick über die Akteure, Ideen, Begriffe und die Geschichte neuer rechter Bewegungen gibt. Ein zentrales Thema der Veranstaltung ist die Neue Rechte in Sachsen-Anhalt und ihre Bedeutung für die rechtsextremistische Szene.


Christoph Giesa: Gefährliche Bürger: Die Neue Rechte greift nach der Mitte (veröffentlicht am 19.02.18)

Christoph Giesa (geb. 1980) ist Publizist und Drehbuchautor. Sein Schwerpunkt liegt auf gesellschaftlichen Veränderungen und deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Politik. Mit „Gefährliche Bürger“ legte er 2015 gemeinsam mit Liane Bednarz ein Buch vor, das die Entwicklungen rund um AfD, Pegida und Co. in einen Zusammenhang mit der Konservativen Revolution der 1920er Jahre bringt.


Kulturkampf von rechts Vortrag von Helmut Kellershohn, Oberstudienrat i.R., wissenschaftlicher Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung.

Der „Kulturkampf von rechts“ ist mehr als ein Kampf um die Werte und Normen, um den geistigen Überbau einer Gesellschaft, er ist mehr als nur ein Weltanschauungskampf, er zielt auf die Eroberung der politischen Macht und die Umgestaltung der Gesellschaft. Die rechten Vordenker in und außerhalb der AfD wähnen sich in „einem Kampf um die Vorherrschaft im eigenen Raum“, und das ist nun mal keine Debatte oder Diskussion im eigentlichen Sinne, sondern, soweit der Kampf mit intellektuellen Mitteln ausgetragen wird, ein „geistiger Bürgerkrieg“, der durch Überzeugung auf Gefolgschaft zielt.

Dieser Bürgerkrieg findet in den zivilgesellschaftlichen Räumen und Institutionen, im vorpolitischen Raum statt. Hier die Oberhoheit zu gewinnen, d.h. das Denken möglichst vieler Menschen, ihre Lebensweise und Weltanschauung zu prägen, wird als Voraussetzung betrachtet, um die politische Macht zu erringen: entweder auf den Wegen, welche die bestehende Verfassungsordnung bereit stellt, oder, unter Umständen, wenn die staatliche Ordnung sich auflöst und zerbricht, in einem realen Bürgerkrieg als ultima ratio.


Vordenker/innen  in diesem Kulturkampf sind Dieter Stein, Chefredakteur der Wochenzeitschrift „Junge Freiheit“,  Dr. Karlheinz Weißmann, Götz Kubitschek und Ellen Kositza, Mac Jongen.

Institutionen: „Bibliothek des Konservatismus“ (Berlin).  Bei den Veranstaltungen treten/traten u.a. auf: Thilo Sarazzin. Vorstellung seines Buches „Feindliche Übernahme“; Josef Kraus (langjähriger Präsident des Deutschen Lehrerverbands): 50 Jahre Umerziehung – Die 68er und ihre Hinterlassenschaften

Institutionen: Institut für Staatspolitik, IfS (Schnellrodha)


Jeder hasst die Antifa!“ – »Finis Germania« – Die »Rechte Wende« von Identitären, AfD, PEGIDA & Co. (Die »Rechte Wende« (3sat) 22.11.2017 )


„Das Konservative muss vor den Rechten geschützt werden

Die Neue Rechte beansprucht das Konservative für sich, um bei den Bürgern zu punkten. Die wahren Konservativen dürfen ihnen nicht das Spielfeld überlassen, sondern müssen ihre Geisteshaltung retten.

In der gegenwärtigen Debatte rund um die immer stärker werdenden rechtsautoritären Bewegungen in ganz Europa gewinnt die begriffliche Abgrenzung an Bedeutung. Typischerweise reklamieren die Protagonisten dieser Strömungen für sich, nicht rechts, schon gar nicht „neurechts“, sondern einfach nur „konservativ“ zu sein.

So lehnt etwa Dieter Stein, der Chefredakteur der „Jungen Freiheit“, den Begriff „neurechts“ für sein Blatt ab und spricht lieber von „konservativ“, obwohl etwa mit Karlheinz Weißmann einer der Chefvordenker der deutschen Neuen Rechten Stammautor ist und im Verlag der „Jungen Freiheit“ im Herbst 2014 die Autobiographie von Alain de Benoist in deutscher Übersetzung erschienen ist. De Benoist hat die Neue Rechte in den 1970er Jahren in Frankreich als „Nouvelle Droite“ aus der Taufe gehoben.

Götz Kubitschek, der mit seinem Verlag „Antaios“ und seiner Zeitschrift „Sezession“ den radikalen Teil der neurechten Szene darstellt, und sein Umfeld sprechen hingegen immer wieder selbstbezeichnend von der „Neuen Rechten“, beanspruchen aber gleichwohl auch das Etikett „konservativ“ für sich.

Die Rechten dürfen sich den Konservativismus nicht aneignen. 

Der Kampf um den Begriff „konservativ“ ist keineswegs ein Selbstzweck, keine L’Art pour L’Art. Denn wer es schafft, sich als „konservativ“ auszugeben, hat es weitaus leichter, mit seinem Gedankengut in die bürgerliche Mitte einzudringen als jemand, der sich offen neurechts oder rechtspopulistisch nennt. So nimmt es kein Wunder, dass diese Begriffsdebatte eine lange Tradition hat.

Der Soziologe Volker Weiss wies Anfang Juni in der „Zeit“ darauf hin, dass Armin Mohler (1920-2003), der Privatsekretär Ernst Jüngers und gewissermaßen der Ahnherr der Neuen Rechten in Deutschland – Götz Kubitschek hielt seine Grabrede -, bereits in der Anfangszeit der Bewegung klarstellte: „Die Definition, was ‚konservativ‘ sei, ist bereits ein politischer Akt“. Damit hat er fraglos recht.

Und deshalb ist es in Zeiten wie diesen wichtig, den neurechten Bewegungen nicht die Deutungshoheit über den Begriff „konservativ“ zu überlassen. Gleiches gilt für die Unterart des „Liberal-Konservativen“. Neuerdings stößt man nämlich immer häufiger auf Publikationen, die sich „liberal-konservativ“ nennen, tatsächlich aber auch dezidiert rechtspopulistische Texte verbreiten.

Im Grunde ist die Unterscheidung zwischen „rechts“ und „konservativ“ simpel.

Armin Nassehi hat das rechte Denken in seinem Buch „Die letzte Stunde der Wahrheit“ (2015) wie folgt eingekreist:

„Rechts wird Denken also spätestens dann, wenn es eine Homogenität der Eigengruppe annimmt“ und Vielfalt lediglich „insofern gutheißt, als es durchaus unterschiedliche Kulturen und Lebensformen geben darf – aber eben nicht vermischt und innerhalb eines Raumes, sondern nebeneinander“.

Der Fachbegriff hierfür lautet „Ethnopluralismus“. Ein solches Denken ist Konservativen fremd –  verstanden als klassisch Konservative der Nachkriegzeit und nicht als „Konservative Revolutionäre“ der Weimarer Republik wie Carl Schmitt, an die die Neue Rechte anknüpft (wie man vor allem bei der Aslydebatte sehen kann).

Gewiss, Konservative haben in der Regel Vorbehalte gegenüber einer hohen Zahl von Flüchtlingen und Migranten, aber nicht, weil sie wie die Neurechten eine ethnische „Umstrukturierung der Bevölkerung Deutschlands“, „Umvolkung“ oder einen „Bevölkerungsaustausch“ herbeiphantasieren, sondern großen Wert darauf legen, ob der Status der Geflüchteten „legal“ ist. Auch zeigen sie eine gewisse Skepsis gegenüber dem künftigen Gelingen einer erfolgreichen Integration. Damit sind sie aber nicht grundsätzlich gegen die Aufnahme von Menschen aus anderen Kulturen.

Die Liberalkonservativen sind Leute, die verfassungspatriotisch denken

Ein fundamentaler Unterschied zwischen Konservativen und Rechten zeigt sich überdies im Jargon.

Der Konservative weiß, dass viele seiner Forderungen – etwa nach einer Verschärfung des Abtreibungsrechts – nicht mehrheitsfähig sind, aber er jammert deswegen nicht. Von einem „Tugendterror“ zu sprechen und sich als Opfer von „Mainstreammedien“ beziehungsweise „Lügenpresse“ zu sehen, ist nicht Teil des konservativen Denkens. Ebenso wenig die Agitation gegen „die da oben“ beziehungsweise „Volksverräter oder „Altparteien“.

Auch mag sich der eine oder andere Konservative über den Mitte-Kurs der CDU ärgern, käme aber niemals auf die Idee, diese wie etwa Gauland als „verrottet“ zu beschimpfen oder à la Höcke gar ganz generell von „Altparteiengangstern“ zu sprechen. Denn, darauf wies der CDU-Generalsekretär Peter Tauber jüngst an dieser Stelle hin, Konservative „verabsolutieren im Gegensatz zu (…) anderen, die in geschlossenen Weltbildern denken, ihre Haltung nicht“.

In der Spielart des „Liberal-Konservativen“ gesellt sich, wie der Name schon sagt, ein liberales Element zum Konservatismus hinzu, das die Wertschätzung des Pluralismus noch einmal stärker betont.

Einem liberalen Konservativen ist selbiger im Zweifel wichtiger als die Durchsetzung der eigenen Haltung, er betrachtet die liberale Gesellschaftsordnung als einen Wert in sich und als größtes Bollwerk gegen autoritäre Bestrebungen. Er neigt also nochmals weniger als der Konservative zu Pessimismus und betont die Notwendigkeit der Bewahrung des Pluralismus noch einmal stärker – auch wenn dieser zu ungeliebten rot-grünen Koalitionen führen mag. Auch setzt er sich für eine möglichst liberale Wirtschaftsordnung ein, während bei klassisch Konservativen bisweilen die Notwendigkeit der Regulierung stärker betont wird.

Wohl am besten hat der Politologe Jens Hacke beschrieben, was „liberal-konservativ“ ist. Jürgen Kaube fasste sein Denken 2009 in der „FAZ“ wie folgt zusammen:

„Die Liberalkonservativen sind Leute, die verfassungspatriotisch denken, zur Übernahme von öffentlichen Ämtern bereit sind und Politik nicht nur als Exekution von Sacherfordernissen betrachten, sondern als Ort der Selbstverständigung der Gesellschaft über sich. Sie haben ‚ein Grundvertrauen in die vorgefundene Ordnung‘, halten politisches Handeln für eine Ausübung von Tugend und sind weder dem Markt noch dem Staat abhold.“

In diesem Sinne soll diese Kolumne ausgerichtet sein. Sie kann so zu der von Armin Nassehi ausgelösten Debatte beitragen, wie ein Konservatismus des 21. Jahrhundert aussehen kann und warum die Rede von einem „modernen Konservatismus“ gerade im Zuge der Flüchtlingsdebatte keineswegs ein Widerspruch in sich ist.“

Dr. Liane Bednarz https://causa.tagesspiegel.de/kolumnen/liane-bednarz/das-konservative-muss-vor-den-rechten-geschuetzt-werden.html


Der Vordenker der Neuen Rechten, Historiker Dr. Karlheinz Weißmann sprach am 31. Januar 2019 zur Thematik „Der Konservative und die Rechte – Ein gespanntes Verhältnis“. „Der Konservative und die Rechte – Ein gespanntes Verhältnis“

Dr. Karlheinz Weißmann: Kulturbruch ’68 – Die linke Revolte und ihre Folgen (JF*-TV Buchvorstellung) (JF = Junge Freiheit)