Kampf gegen die Gierflation

Quelle: IPG-Journal

Wirtschaft und Ökologie 13.10.2022 | Susanne Wixforth & Kaoutar Haddouti

Kampf gegen die Gierflation

Zahlreiche Konzerne verdienen in der Krise mehr Geld als zuvor. Höchste Zeit, diese zur Kasse zu bitten.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union weisen nie dagewesene Inflationsquoten auf. In Deutschland hat die Inflation mit 11 Prozent das zweistellige Niveau erreicht, Österreich liegt bei 9,3 Prozent. Diese Quoten sind auf die Unterbrechung der Lieferketten und die Verknappung fossiler Ressourcen, von denen die beiden Länder bis vor kurzem extrem abhängig waren, zurückzuführen – ausgelöst durch die Coronakrise und den Ukraine-Krieg. Die Bürgerinnen und Bürger der EU sind mit einer Preisexplosion nicht nur bei der Energieversorgung, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen wie beispielsweise bei Lebensmitteln konfrontiert. Gleichzeitig verzeichnen Unternehmen in bestimmten Sektoren Zufallsgewinne verursacht durch die Verknappung strategischer Ressourcen. Da die Marktmechanismen in einer solchen Konstellation nicht mehr funktionieren, ist es die Aufgabe des Staates, ordnungspolitisch einzugreifen.

Exxon Mobile, ein amerikanischer Energiekonzern, wird dieses Jahr voraussichtlich 43 Milliarden Dollar Gewinn einfahren und diesen somit im Vergleich zum Vorjahr verdoppeln. Dasselbe gilt für den Ölkonzern BP (British Petrol), der seinen Gewinn aus dem ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum letzten Jahr mit 9,1 Milliarden Dollar Gewinn verdreifacht hat. Ebenso steigert der deutsche Energiekonzern RWE im ersten Halbjahr 2022 seinen Gewinn um mehr als ein Drittel auf 2,8 Milliarden Euro. Auch das österreichische Unternehmen ÖMV verzeichnet im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von 124 Prozent.

Joe Biden kommentiert den Profit von Exxon Mobile und sämtlichen anderen Profiteuren der Krise mit den Worten: ,,Wir werden dafür sorgen, dass jeder die Gewinne von Exxon kennt. Exxon Mobile hat letztes Jahr mehr Geld verdient als Gott.“ Darin schwingt der Vorwurf mit, dass der Profit von Exxon Mobile nicht mit einer gesteigerten Leistung zusammenhängt, die das Unternehmen durch Investitionen und technologischen Fortschritt erarbeitet hat. Im Gegenteil, es verdichtet sich die Überzeugung, dass Unternehmen in strategischen Oligopol- und Monopolsektoren die Abhängigkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher in der Krise ausnutzen und unangemessene Preise für Produkte verlangen, für die es keine Alternativen gibt. Eine solche Konstellation wird in den USA als „Greedflation“, zu Deutsch „Gierflation“ bezeichnet. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, sagte diesem Phänomen in ihrer Rede zur Lage der Union klar den Kampf an: „In diesen Zeiten ist es falsch, mit außerordentlichen Rekordgewinnen durch Ausnutzung des Krieges zum Schaden der Verbraucher zu profitieren.“

Derartige Zufallsgewinne führen beinahe zwangsläufig zu einer sozialen Krise.

Das Konzept der Gierflation stellt den traditionellen Blickwinkel auf den Markt in Frage. Ein Blick, der sich auf das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage konzentriert. Bei einer solchen Betrachtung ist in einer Marktwirtschaft die grenzenlose Gewinnmaximierung von Unternehmen eine logische Konsequenz und kann nicht als Gier bezeichnet werden. Gierflation stellt hingegen in Frage, ob den hohen Verkaufspreisen tatsächlich höhere Produktionskosten gegenüberstehen. Des Weiteren wird die Marktstruktur unter die Lupe genommen. Während das Angebot-Nachfrage-Modell Inflation als Phänomen in einem natürlichen Wettbewerb ansieht, definiert das Gierflation-Konzept das Problem als eine Inflation, die vor allem durch pure Raffgier der Konzerne und Kartelle angetrieben wird.

Die Art und Weise, wie Gewinne erwirtschaftet werden, entspricht demnach nicht einer Leistungssteigerung der Unternehmen angespornt durch Wettbewerb, sondern wird durch die Monopolstellung dieser Unternehmen ermöglicht. Preise können in einem solchen Markt mangels Alternativen willkürlich in die Höhe getrieben werden. Eine derartige monopolistische Marktstruktur ist ein Strukturproblem, bei dem selbst Verfechter der freien Marktwirtschaft an der Selbstregulierungskraft der Märkte zweifeln.

Die Preisgestaltungsmacht der Unternehmen in monopolisierten Märkten ist demnach so groß, dass die Inflation beschleunigt wird. Derartige Zufallsgewinne führen beinahe zwangsläufig zu einer sozialen Krise, wenn die Inflation nicht durch höhere Löhne abgefedert wird. Denn seit 2020 befindet sich das Lohn-Preis-Verhältnis in einer Abwärtsspirale. So sind beispielsweise in den USA die Preiserhöhungen zwischen 1979 und 2019 zu 61,8 Prozent und seit 2020 nur noch zu 7,9 Prozent auf Lohnsteigerungen zurückzuführen. In der derzeitigen dynamischen Phase gekennzeichnet durch starke Preiserhöhungen und sinkende Reallöhne stellt sich daher zunehmend die Frage nach der Rechtfertigung dieser Marktordnung und nach der sozialen Macht.

Mittlerweile haben zahlreiche Staaten in Europa eine Übergewinnsteuer eingeführt.

Treten wir also in eine besondere Periode ein? Eine Zeit, in der deutsche und britische Gewerkschaften in Lohnverhandlungen mit einer Forderung nach 10 Prozent Lohnerhöhung gehen oder in der französische Industriegewerkschaften eine Anhebung des Mindestlohns um 25 Prozent fordern?

Es gibt Ideen, wie diese Lohn-Gewinn-Spirale zurückgedrängt werden kann, um ein soziales Gleichgewicht bei der Preisbildung wiederherzustellen. Hier kommt die sogenannte Übergewinnsteuer ins Spiel, wobei sie wohl treffender „Zufallsgewinnsteuer“ genannt werden sollte. Überproportionale Gewinne ohne signifikante Leistungssteigerung beziehungsweise Erhöhung der Produktionskosten sollen „weggesteuert“ werden.

In den USA wurde dieser Ansatz von Bernie Sanders bereits im März 2022 auf die Agenda gebracht. Die Idee ist nicht neu: In der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurde in den USA eine Übergewinnsteuer von bis zu 95 Prozent eingeführt, um die Zufallsgewinne von Unternehmen, die durch die außergewöhnlichen Kriegsereignisse profitierten, abzuschöpfen. Zuletzt wurde das Instrument während der Ölkrise in den Achtzigerjahren angewandt. Mittlerweile haben zahlreiche Staaten in Europa eine Übergewinnsteuer eingeführt. In Großbritannien beläuft sich diese auf 25 Prozent, in Spanien geht man davon aus, durch die Steuer 7 Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren abzuschöpfen. Norwegen erwartet in diesem Jahr 50 Prozent höhere Steuereinnahmen. In Österreich ist die politische Zustimmung verhalten, obwohl der Österreichische Gewerkschaftsbund davon ausgeht, dass 4 bis 5 Milliarden Euro damit generiert werden könnten.

Die zögerlichen Regierungen könnten möglicherweise von der Europäischen Union überholt werden: In ihrem Verordnungsvorschlag über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise schlägt die EU-Kommission eine „Solidaritätsabgabe“ für Übergewinne im fossilen Sektor im Jahr 2022 vor. Sie soll 33 Prozent des steuerlichen Gewinns betragen. Aus Gewerkschaftssicht ist klar: Der Mythos, dass Unternehmen hohe Gewinne unabhängig von der Marktstruktur „verdienen“, ist in Kriegszeiten nicht haltbar. Oder, wie Ursula von der Leyen zu Recht festhält: „Gewinne müssen aufgeteilt werden.“ Gewerkschaften werden die Kommissionspräsidentin beim Wort nehmen und darauf achten, dass es nicht bei leeren Worten bleibt.

Hans Jürgen Jakobs: Wem gehört die Welt? Die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus

Hans Jürgen Jakobs Die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus7.699 Aufrufe – 19.05.2017 –AltrimentiVideo      

s. auch ARD-Mediathek 

Hans-Jürgen Jakobs Hans-Jürgen Jakobs der ehemalige Chefredakteur des Handelsblatts hat das Buch « Wem gehört die Welt? » geschrieben.

Er wird uns die Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus erläutern. Wirklich globale Macht haben nur Personen, die über richtig hohe Summen Geld disponieren. Das sind nicht Donald Trump, Angela Merkel oder Xi Jinping. Und auch nicht wirklich die zuletzt viel zitierten Milliardäre.

Sondern Larry Fink, Stephen Schwarzman oder Abdullah bin Mohammed bin Saud al-Thani. Mit ihren Billionen schweren Fonds legen sie über Vermögensverwaltungsfirmen und Staatsfonds wie Blackrock, Blackstone oder Qatar Investment mehr Geld an als Staaten wie Deutschland erwirtschaften.

Längst dominieren sie über das Investieren und Spekulieren der ihnen anvertrauten Gelder in Höhe von 47.000.000.000.000 US-Dollar die zentralen Felder der Weltwirtschaft und konzentrieren Geld und Einfluss wie nie zuvor einzelne Personen oder Institutionen. Doch wer diese Vermögensverwalter und Staatsfonds sind, wer sie leitet und welche Ziele sie verfolgen, ist erst mit der Ende 2016 erschienenen Publikation „Wem gehört die Welt?“ des früheren Chefredakteurs des Handelsblatts, Hans-Jürgen Jakobs, gründlich recherchiert worden. In diesem ersten umfassenden Report über die heutigen Machtverhältnisse im globalen Kapitalismus werden über 200 der mächtigsten Akteure des Weltfinanzwesens im Porträt vorgestellt, die zusammen 60 % des Bruttoinlandsprodukts der Welt versammeln.

Das Gesamtbild dieses neuen Kapitalismus, den Jakobs „Blackrock Kapitalismus“ nennt, ist bedrohlich: Denn die nächste große Krise wird ihm zufolge vom „grauen“ Kapitalmarkt und den „Schattenbanken“ ausgehen, die in ihrer Gier nach Rendite ungeregelt und ungezügelt wachsen. Hans-Jürgen Jakobs schlägt den Bogen zwischen den globalen Machtverhältnissen früherer Jahrhunderte zu einer Neubetrachtung dieser Welt, in der politische Institutionen gegenüber diesem über die Finanzmärkte gesteuerten Neokapitalismus längst die Kontrolle verloren haben. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich schrankenlos agierende Finanzmagnate eine dominante Stellung in der globalisierten Wirtschaft erarbeitet. Welche Rolle spielt der hiesige Finanzplatz in diesem System? Und wie können wir Bürger hier die Welt für uns zurückgewinnen? Als Angestellte am Finanzplatz Luxemburg? Als Wutaktionäre und Aktivisten auf Hauptversammlungen? Als Akteure der Zivilgesellschaft gegenüber Staaten, die der Steuervermeidung viele Türen geöffnet haben?

Durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer? Und eine Regulierung des Shadow-Bankings? Oder auch durch das Erzwingen der Befolgung von ESG-Kriterien? Diese Fragen wollen wir nach dem Vortrag mit Hans-Jürgen Jakobs debattieren

Eskalation des Ukraine-Krieges durch weitere Waffenlieferungen?

Ex-Generalinspekteur Kujat: Keine Offensivwaffen mehr an die Ukraine! | ntv210.383 Aufrufe – 12.10.2022 –ntv Nachrichten – 

Wir haben eine Intensivierung der Kampfhandlungen”, so lautet die Einschätzung von Bundeswehrgeneral a.D. Harald Kujat. Nachdem die Krim-Brücke angegriffen wurde, sind ukrainische Versorgungseinrichtungen für Strom, Gas und Wasser das Angriffsziel der Russen. Zudem dehne sich der Konflikt mit der Sprengung der Nord Stream-Pipelines weiter aus. Kujat meint, man soll “nicht weiter an der Eskalationsschraube” drehen.

Er setzt darauf, dass beim Treffen der G20-Gruppe Mitte November auf Bali Wladimir Putin mit US-Präsident Biden sprechen wird. „Die Poltiik darf nicht aufhören zu existieren….Sonst wird das eine endlose Spirale der Gewalt…“

Was das konkret bedeutet, erklärt er im Interview mit Tamara Bilic.


Heißer Krieg in der Ukraine – hybrider Krieg in Europa? | maybrit illner vom 13.10.2022 156.946 Aufrufe – 14.10.2022 ZDFheute Nachrichten – 

Nach den Niederlagen an der Front zerstört Russland jetzt zivile Infrastruktur überall im Land und will die Strom- und Wärmeversorgung treffen. Deutschland schickt ein Luftabwehrsystem in die Ukraine und fürchtet mit Blick auf den Winter selbst um seine Infrastruktur. Nord Stream-Pipeline, Bahnverkehr – ein Vorgeschmack auf das, was kommt? Wie sehr werden Sabotage und Cyberangriffe den Westen treffen?

Grünen-Co-Chef Omid Nouripour hat das neuerliche Gesprächsangebot des französischen Präsidenten Emmanuel Macron an Kreml-Chef Wladimir Putin begrüßt. Es sei „vollkommen richtig“, jede erfolgsversprechende Möglichkeit zu nutzen, um Gespräche zu führen, sagte Nouripour. Allerdings habe jede Verhandlungsinitiative Richtung Russland zwei Bedingungen. Zum einen müssten die Russen „auch Fairness walten“ lassen. Und zum anderen müssten Gespräche mit den Ukrainern – also den Betroffenen – abgesprochen sein.

Warum es schwierig ist, Russland für Verhandlungen entgegenzukommen, erklärt Dr. Margarete Klein, Expertin für russische Militärpolitik. Putin sei nicht an einer Verhandlungslösung interessiert. Interesse gebe es nur „an Verhandlungen zur Kapitulation der Ukraine“. Russland würde dabei versuchen, die Verhandlungen strategisch ausnutzen, um zu konsolidieren, was das Land bereits erobert habe.

ZDF-Auslandsreporterin Katrin Eigendorf ist in der Ukraine vor Ort und berichtet, wie ernst die Lage ist. „In Charkiw ist fast die ganze Infrastruktur zerstört“, so Eigendorf. „Ich frage mich, wie die Menschen da weiterleben wollen, denn sie haben keine funktionierenden Häuser mehr. Sie liegen teilweise bis in die Grundmauern in Schutt und Asche.“

Generalleutnant a. D. Ben Hodges sieht in der aktuellen Strategie Russlands den Versuch, den Krieg in die Länge zu ziehen. „Sie wollen, dass wir die Geduld und Willenskraft verlieren“, sagte Hodges. „Es ist ein Krieg zwischen dem Willen des Kremls und dem des Westens.“ Für den Geopolitik-Experten Prof.

Peter R. Neumann wird die Debatte rund um die Rolle des Westens im Konflikt zu einfach geführt. Auf der einen Seite stehe die Idee, „dass Putin diesen Konflikt nicht gewinnen darf“, so Neumann. „Auf der anderen Seite sind wir in einem Konflikt mit Russland, der möglicherweise enorme geopolitische Konsequenzen haben könnte.“

Der außenpolitische Sprecher der Linke-Fraktion Gregor Gysi kritisiert die Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine. „Wir dürfen an dem Krieg nicht verdienen“, sagte Gysi. Stattdessen sei jetzt humanitäre Hilfe für die Ukraine wichtig. Die

Gäste der Sendung: Omid Nouripour (Bündnis ´90/ Die Grünen), Parteivorsitzender Gregor Gysi (Die Linke), außenpolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Bundestag Peter R. Neumann, Experte für Terrorismus und Geopolitik, Autor u.a. „Die neue Weltunordnung“ Margarete Klein, Expertin für russische Militärpolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin (SWP) Ben Hodges, Nato Senior Mentor for Logistics, Generalleutnant a. D., bis Ende 2017 Oberkommandierender der US-Landstreitkräfte in Europa Katrin Eigendorf, ZDF-Auslandsreporterin

 

 
 
 

Gas aus Afrika für Europa: Alternative zu Russland

Quelle: taz 19.9.22

Gas aus Afrika für Europa: Alternative zu Russland

Begehrlich schaut Europa auf Gasvorkommen im Senegal. Vor Ort schürt das Hoffnung auf Arbeitsplätze, aber auch den Widerstand von Klimaaktivisten.

COTONOU taz | Yero Sarr schwankt zwischen Wut und Ratlosigkeit. Sein Heimatland Senegal könnte künftig eine Rolle bei der deutschen Gasversorgung spielen. Das klingt nach Investitionen, Arbeitsplätzen und Perspektiven. Gerade in Senegal gibt es gut ausgebildete Hochschulabsolvent*innen, doch es mangelt an Jobs. Verschiedenen Schätzungen zufolge müssten jährlich 150.000 bis 200.000 neue entstehen, um die Arbeitslosigkeit wirksam einzudämmen. Diese ist laut einer Befragung von Afrobarometer von Ende 2021, einem Meinungsforschungsinstitut mit Sitz in Ghana, auch das Hauptproblem, das die Regierung von Präsident Macky Sall dringend bekämpfen muss. Ausländische Investitionen gelten dabei als hoch willkommen.

„Es ist allerdings höchst bedauerlich, dass man in Zeiten des Klimawandels auf fossile Energieträger schaut“, sagt Sarr, der in der Hauptstadt Dakar im Rahmen von Fridays for Future Proteste organisiert. „Es kann doch nicht sein, dass man in Europa erneuerbare Energien fördert und von uns fordert, Öl und Gas zu liefern“, sagt er im Gespräch mit der taz. Denn vor der Küste Senegals und Mauretaniens ist das Megaprojekt Grande Tortue Ahmeyim (GTA) geplant.

 Entstehen soll bis Ende 2023 ein Terminal für Flüssiggas, der eine Laufzeit von 20 Jahren hat. Nach Schätzungen der Deutschen Umwelthilfe haben die Gasfelder ein Produktionspotenzial von 425 Milliarden Kubikmetern. Mitunter werden die Reserven auf bis zu 1.400 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Betreiber und Hauptinvestor BP geht von einer jährlichen Produktion von rund 2,5 Millionen Tonnen Flüssiggas aus. Entdeckt wurde das Vorkommen 2015.

Während seiner ersten Afrikareise hatte Bundeskanzler Olaf Scholz Ende Mai in Dakar gesagt, man habe begonnen, sich über eine Zusammenarbeit bei der Förderung von Flüssiggas auszutauschen. Es sei sinnvoll, solche Kooperationen „intensiv zu verfolgen“. Das liegt auch daran, dass Senegal in einer Region, die in den vergangenen zwei Jahren vier Staatsstreiche erlebt habt, als politisch stabiles Land und verlässlicher Partner gilt, auch wenn Präsident Sall den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine nicht verurteilt hat.

Das Flüssiggas-Terminal soll 10 Kilometer von der Küste entfernt in Höhe der Stadt Saint Louis entstehen, deren Kern zum Unesco-Weltkulturerbe gehört und ein beliebter Ausflugsort ist. Die Region ist jährlich Zwischenstopp für Millionen von Zugvögeln zwischen Afrika und Europa. In der Nähe befinden sich die Nationalparks Langue de Barbarie und Djoudj sowie das Reservat Guembuel.

Die Gasreserven liegen in einer Tiefe von rund 2.800 Metern. Die Deutsche Umwelthilfe befürchtet durch ihre Erschließung eine Schädigung des größten Kaltwasserkorallenriffs der Welt. Das 580 Kilometer lange Riff liege rund 500 Meter unterhalb der Atlantikoberfläche vor den Küsten Senegals und hauptsächlich Mauretaniens. Die durch Pipelines aufgewirbelten Sedimente könnten die Korallen zerstören. Auch Aktivist Sarr betont: Ein solches Projekt birgt ein großes Risiko für das Meer. „Sind Systeme erst zerstört, gibt es keine Alternativen mehr.“

Unklar ist auch, welche Auswirkungen Grande Tortue Ahmeyim auf die Fischerei hat, die bis heute Haupteinnahmequelle vieler Se­ne­ga­le­s*in­nen ist. Schon jetzt leiden viele unter der Überfischung der Meere sowie internationalen Fischereiabkommen. Sie haben von den Deals, die Investitionen im Land versprochen haben, nicht profitiert, im Gegenteil.

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phoenixRunde Zwischen Hilfsbereitschaft und Überforderung – Flüchtlingsgipfel in Berlin

phoenixRunde Zwischen Hilfsbereitschaft und Überforderung – Flüchtlingsgipfel in Berlin 1.713 Aufrufe – Vor 2 Stunden live gestreamtphoenix – 

Anke Plättner diskutiert mit ihren Gästen: – Gerald Knaus, Migrationsforscher, Europäische Stabilitätsinitiative – Andrea Lindholz, CSU, stellv. Vorsitzende Bundestagsfraktion – Filiz Polat, B90/Die Grünen, Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik Bundestagsfraktion – Sabine Werth, Vorsitzende Berliner Tafel e.V.