Warum ein Transparenzgesetz?
Welche Lobbyunternehmen nehmen Einfluss auf die Regierung? Welche Unternehmen erhalten staatliche Aufträge? Was steht in Gutachten, die Minister:innen in Auftrag geben?
All diese Informationen stehen oft in Berater:innenverträgen der verschiedenen Behörden, in von Ministerien beauftragten Gutachten, Lobbytreffen von Regierungsmitgliedern… und wie wir aus eigener Erfahrung wissen, kann es sehr schwierig sein an solche für die Öffentlichkeit relevanten Informationen zu kommen.
Deshalb brauchen wir ein Bundestransparenzgesetz, das Politik und Verwaltung verpflichtet, wichtige Informationen und Dokumente ins Netz zu stellen – kostenlos, maschinenlesbar und ungeschwärzt.
Wer steckt hinter dem Gesetzentwurf?
Wir haben uns mit sieben weiteren Organisationen zusammengetan, die sich für Bürgerbeteiligung, Transparenz und Informationsfreiheit einsetzen, und stellen einen eigenen Entwurf für ein Bundestransparenzgesetz vor.
Der Gesetzentwurf wurde von Mehr Demokratie, der Open Knowledge Foundation mit ihrer Transparenzplattform FragDenStaat, der Journalist:innenorganisation Netzwerk Recherche, Transparency International Deutschland, sowie der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit erarbeitet. Unterstützt wird er außerdem von den Organisationen Lobbycontrol, Wikimedia Deutschland und dem Deutschen Journalisten-Verband.
Bereits im Sommer konnten sich alle Bürger:innen einbringen und an dem Entwurf mitwirken (siehe hier unseren Aufruf dazu). Kommentare und Anregungen flossen über eine Online-Beteiligungsplattform ein, auf der der Gesetzesvorschlag zur Debatte stand.
Wir haben mit den Bündnispartnern alle Anmerkungen und Ergänzungen gesichtet, eingepflegt und am 6. Oktober 2022 den Entwurf an den IT-Beauftragten der Bundesregierung und Staatssekretär Markus Richter übergeben.
Der Tag ist nicht umsonst ausgewählt: Am 6. Oktober 2012 trat das Hamburgische Transparenzgesetz in Kraft, das in Deutschland als Bestbeispiel gilt. An ihm haben sich die Autor:innen des Entwurfes orientiert.
Und was steht genau im Entwurf?
Hier können Sie den gesamten Text nachlesen.
Die Kernpunkte des Gesetzes:
1. Aktive Informationspflicht
Die Behörden müssen bestimmte Informationen, etwa Verträge der öffentlichen Hand jenseits einer Summe von 100.000 EUR, Gutachten und Studien sowie Subventionszahlungen, online veröffentlichen.
2. Bürger:innenfreundlichkeit
Die Verfahrensregeln werden so gestaltet, dass alle das Gesetz nutzen können. Deshalb sind Informationen, für die ein Antrag gestellt werden muss, gebührenfrei herauszugeben, bei einer Antwortfrist von 15 Werktagen. Der Zugang zu den Online-Informationen ist barrierefrei zu gestalten.
3. Weitere Anwendungsbereiche
Nicht nur die Verwaltung, auch bestimmte Unternehmen fallen unter das Gesetz. Viele Aufgaben des Staates werden an privatrechtliche Unternehmen ausgelagert. Diese sind bisher nicht immer erfasst und werden durch den Gesetzentwurf transparent.
4. Vereinfachung der Gesetzeslage
Bisher werden Informationsansprüche nach Umweltinformationsgesetz und Informationsfreiheitsgesetz z. T. sehr verschieden geregelt. Der Gesetzesvorschlag führt beide Gesetze zusammen.
5. Ausnahmen eng gefasst
Natürlich sieht das Gesetz Ausnahmen vom Grundsatz der Transparenz vor, etwa zum Schutz von personenbezogenen Daten oder zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsheimnissen. Diese Ausnahmen werden eng gefasst, um einer missbräuchlichen Informationsblockade vorzubeugen.
6. Abwägungsklausel
Ausnahmen vom Grundsatz der Transparenz dürfen nicht greifen, wenn das öffentliche Interesse an der Information schwerer wiegt als mögliche Geheimhaltungsgründe.
7. Vorrang für Information
Spezialregelungen nach anderen Gesetzen gehen nur dann vor, wenn sie weiterreichende Rechte für die Antragsstellenden einräumen. Das Transparenzgesetz definiert einen Mindeststandard.
8. Rechtsschutz
Wer mit der Reaktion der öffentlichen Stelle nicht zufrieden ist, kann wählen, ob er oder sie zunächst Widerspruch erheben oder sofort dagegen klagen möchte. So wird bei strittigen Fällen der Entscheidungsweg verkürzt. Bei Streitigkeiten über Geheimhaltungspflichten kann das Gericht schon im Hauptsachverfahren überprüfen, ob die angeführten Gründe zutreffen. Nach bisherigem Recht passiert dies in einem gesonderten Verfahren, was zusätzliche Zeit kostet.
9. Ombudsrolle
Der oder die Bundesbeauftragte für die Informationsfreiheit kann in Konfliktfällen zur kostenlosen Vermittlung angerufen werden. Während der Prüfung ruhen die Widerspruchs- und Klagefristen, die Antragstellende normalerweise zu beachten haben, bis das Prüfergebnis vorliegt.