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Quelle: SPIEGEL 11.12.2022
11.12.2022
Vereitelte Terrorpläne Die fleißige Phalanx der Verharmloser
Eine Kolumne von Christian Stöcker
Eine bewaffnete, gut finanzierte Gruppe, die Elitesoldaten umfasst, will den Bundestag stürmen, nimmt Tote in Kauf. Was sagen deutsche »Konservative«? Nicht aufregen: Alles bloß verwirrte Greise. Seltsam, oder?
Der Schriftsteller Uwe Tellkamp ist ein guter Seismograf für die abgründigeren Entwicklungen des deutschen Bildungsbürgertums. In den vergangenen Jahren ist Tellkamp immer wieder durch Positionen aufgefallen, die den Sprechzetteln von Pegida oder der AfD entspringen könnten.
Am Mittwoch dieser Woche wurden bekanntlich in einer gewaltigen Aktion mehr als 150 Wohnungen, Häuser und Lagerräume durchsucht, in mehr als 50 davon fand man Waffen. 25 Personen wurden festgenommen, weil sie einen gewaltsamen Regierungssturz geplant haben sollten. Noch am Abend nach den Verhaftungen saß Tellkamp bei einer Podiumsdiskussion mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Was würde er sagen?
Es habe sich doch bei den letzten gefassten deutschen Rechtsterroristen auch nur um »ein paar Hanseln mit Luftgewehr« gehandelt, so der Wortkünstler. Und überhaupt seien die – absolut gewaltfrei und definitiv unbewaffnet agierenden – Klimademonstranten von Fridays for Future doch viel schlimmer als die putschwilligen Reichsbürger, würden aber »gehätschelt« . Kretschmer wollte offenbar auch gern über »radikalisierte« Klimaaktivisten reden.
So wird aus »wir wissen nichts« »das war wohl nichts«
Unter den Verhafteten waren nach SPIEGEL-Informationen mehrere ehemalige Mitglieder der Eliteeinheit KSK, ein aktiver Elitesoldat, ein ehemaliger Fallschirmjäger, ein Polizist, der Inhaber eines Waffengeschäfts. Und ein ehemaliger Oberstleutnant, ein früherer Kommandeur eines Fallschirmjägerbataillons, der suspendiert worden war, weil er NVA-Waffen beiseite geschafft hatte.
165 funktionsfähige Pistolen und Gewehre verschwanden damals, nur elf wurden wiedergefunden. Weitere Soldaten und Polizisten sollten offenbar rekrutiert werden . Die Planungen seien immer konkreter geworden, es seien Waffen beschafft worden, sagte Verfassungsschutzpräsident Haldenwang in einem ZDF-»Spezial«. Die Tötung von »Repräsentanten des geltenden Systems« hätten die Planer »billigend in Kauf« genommen, so die Strafverfolger.
Bei den Durchsuchungen am Mittwoch wurden wohl keine Luftgewehre gefunden, dafür richtige Gewehre, Munition, Neun-Millimeter-Pistolen (und die Polizei-Dienstwaffen), Schwerter, Messer, Elektroschocker, Gefechtshelme, Nachtsichtgeräte, außerdem 130.000 Euro in bar sowie eine erhebliche Menge Gold und Silber.
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Bei der Hauspostille der Neuen Rechten, der »Jungen Freiheit« hat man für ein SPIEGEL-Abo offenbar kein Geld, und musste sich deshalb auf das eigene Bauchgefühl als Faktenquelle verlassen. Die argumentative Gymnastik, die dort aus »wir wissen nichts« »das war wohl nichts« machte, geht so:
- Waffen wurden gefunden, das »sagt allerdings recht wenig aus«.
- »Bei vergleichbaren Großaktionen in der Vergangenheit« seien auch mal »Baseballschläger, Schweizer Taschenmesser oder Schlagringe« als Waffen deklariert worden.
- Messer gebe es »im Zweifel in jedem Haushalt«.
- »Für den angeblich geplanten Militärputsch bräuchte es wohl mehr als eine Handvoll Küchenmesser.«
Es waren aber eben keine Küchenmesser. AfD-Chef Tino Chrupalla fand dieses Stück als Journalismus getarnte Desinformation so gut, dass er es bei Twitter teilte, garniert mit der Frage: »Echter Terror oder spektakuläre Inszenierung von Nancy Faeser zur Rechtfertigung linker Regierungspolitik?« Er fragt ja nur!
Es waren nicht nur Tellkamp und »Die Junge Freiheit«
Nun könnte man sagen gut, Tellkamp ist schon vor Jahren abgerutscht. Und die »Junge Freiheit« ist ein rechtsradikales Propagandablättchen. Aber es sind eben nicht nur Tellkamp und »Die Junge Freiheit«. (Und ein paar ehemalige Journalisten namens Reichelt und Tichy und wie sie alle heißen). Aber sonst?
Die unter ihrem neuen Verleger zu einer Art russlandfreundlichen Verschwörungspostille verkommene »Berliner Zeitung« (nicht zu verwechseln mit der »B.Z.«) ließ einen Autor mit Leitungsrolle erklären, es seien doch »nur 25 vergreiste Verwirrte« festgenommen worden. Das ist auch deshalb lustig, weil viele dieser »vergreisten Verwirrten« etwa das gleiche Alter haben wie der Verleger der »Berliner Zeitung«, Holger Friedrich: Mitte fünfzig.
Das mit den »geistig verwirrten Personen« kam auch bei der AfD als entlastendes Narrativ gut an. Stephan Brandner, einer der amtierenden AfD-Bundessprecher, verteilte den Artikel aus der »Berliner Zeitung« samt der Floskel begeistert bei Twitter. Und Georg Pazderski, ehemals Bundesgeschäftsführer, Bundessprecher und Beisitzer im Bundesvorstand der Partei, gab zu Protokoll, dass mit »52 offensichtlich geistig vollkommen verwirrten Personen« doch wohl kein Umsturz zu machen sei.
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