Irak – Krieg als Geschäftsmodell – Der Preis des Krieges – Der Angriff des US-Imperialismus MrMarxismo 45.934 Aufrufe 03.01.2021
Der Preis des Krieges Irak – Mehr Infos: Geheimakte Irak – der »vergessene« Krieg?! • Geheimakte Irak -…
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MORALISCH FRAGWÜRDIG UND POLITISCH FALSCH – 20 JAHRE IRAK-KRIEG: DIE LÜGEN UND IHRE FOLGEN
MICHAEL MÜLLER – 31. JANUAR 2023
Ausgzug aus dem Text: Lügen für den Krieg
Noch im Januar 2003 erklärte der britische Premierminister Tony Blair, dass es ohne eindeutige Beweise keine Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak geben würde. Einen Monat später stellte er jedoch ohne eine Veränderung der Sachlage den Krieg als unvermeidlich hin. Die Weichen für den Krieg waren gestellt, obwohl er von Russland, China, Frankreich und Deutschland im UN-Sicherheitsrat abgelehnt wurde. Dort hatte am 5. Februar 2003 US-Außenminister Colin Powell angebliche Beweise über die irakischen Massenvernichtungswaffen vorgelegt, die jedoch von den US-Geheimdiensten konstruiert worden waren. Powell zeigte Sattelitenbilder von Waffenfabriken und hielt ein kleines Röhrchen in die Luft, in dem angeblich irakische Milzbranderreger sein sollten. Überzeugend war das nicht.
Alles Fakes, wie später auch von amerikanischen Stellen zugegeben wurde. Powell nannte zwei Jahre später seinen Vortrag im UN-Sicherheitsrat einen „Schandfleck“ seiner Karriere. Der Krieg war eine schwere Verletzung der UN-Charta. Die Debatte um Massenvernichtungswaffen war ein gewaltiges Lügengebäude. Das wusste auch die US-Führung. Nachdem der UN-Sicherheitsrat einem Mandat für den Krieg nicht zugestimmt hatte, schmiedeten die USA und Großbritannien eine „Koalition der Willigen“, vor allem gegen das „alte Europa“, womit in erster Linie Frankreich und Deutschland gemeint waren. Doch es gab keine handfesten Beweise. Wo sollten die auch herkommen nach den intensiven Untersuchungen der UN-Inspekteure?
Unter UN-Aufsicht wurden nämlich bis zum 1. Dezember 1998 im Irak 90 Prozent der Massenvernichtungswaffen und 980 von 1.000 Raketen mit einer Reichweite von mehr als 150 Kilometer zerstört. Zwar hatte Bagdad am 31 Oktober 1998 erklärt, jedwede weitere Kooperation mit den Inspektoren der UNSCOM einzustellen. In Reaktion darauf ließ US-Präsident Bill Clinton als Warnung an Saddam Hussein mit der Operation Desert Fox militärische Anlagen im Irak bombardieren. Saddam Hussein ließ die UN-Experten wieder ins Land.
Auf der Grundlage der UN-Resolution 1441 vom November 2002 durchsuchten UN-Waffeninspekteure den Irak, ohne ABC-Waffen zu finden. Am 12. Januar 2004 berichtete die Washington Post, dass die Suche nach zwei Jahren ohne Ergebnis abgebrochen wurde. Im Oktober 2004 stand das im Schlussbericht der 1.400 amerikanischen und britischen Experten, die unter der Leitung von Charles Duelfer mögliche Waffenfabriken und Waffenlager aufspüren sollten.
Doch es ging schon längst nicht mehr um die Fakten, die Würfel waren auch ohne Beweise bereits gefallen. Das durch den 11. September verwundete amerikanische Land wollte den Krieg. Rumsfeld hatte bereits am 27. November 2001 US-General Tommy Franks angewiesen, eine „Enthauptung“ des Iraks militärisch vorzubereiten. Im Februar 2002 führte die US-Armee erste Spezialoperationen im Irak durch. Die dritte Armee, das V. Armeekorps und die 101. Luftlandedivision bereiteten die Invasion vor. Ab Mai 2002 bombardierte die US-Luftwaffe kriegswichtige Radaranlagen und Kommandozentralen im Irak. Anfang März 2003 standen 200.000 alliierte Soldaten an den Grenzen zum Irak. Zu Beginn des Krieges kontrollierte die Koalition der Willigen bereits ein Viertel des Landes. Insgesamt kämpften auf der Seite der Alliierten rund 300.000 reguläre Soldaten, auf der Seite des Iraks wurden 375.000 geschätzt.
Den USA gelang es, die irakische Führung über ihre tatsächlichen Kriegsplanungen zu täuschen, auch durch „gekaufte“ Agenten im irakischen Geheimdienst Mukhabarat. Saddam Hussein wurden sogar gefälschte Stabspläne zugespielt, wodurch er 13 seiner Divisionen nach Norden an die Grenzen zur Türkei und Syrien verlegen ließ. Tatsächlich begann der Krieg vor allem über den Süden des Iraks, an den Grenzen zu Kuwait, Saudi-Arabien und Jordanien.
Noch nie zuvor wurde die moderne Berichterstattung über einen Krieg so reglementiert. Der amerikanische Oberbefehlshaber verlangte von den Reportern eine neue Form der Aufarbeitung des Krieges. Sogenannte Embedded Journalists waren ausgewählte Journalisten, die über ein Pool-Prinzip bei den kämpfenden Truppen der USA und Großbritanniens „eingebunden“ waren und aus der Sicht „ihrer“ Kriegspartei zu berichten hätten.
Dafür wurden die Berichte vor der Veröffentlichung einer „Sicherheitsprüfung“ durch die Presseoffiziere der Streitkräfte unterzogen und mussten oft umgeschrieben bzw. neu geschnitten werden. So entstand auch der bewusst erzeugte Eindruck, im Irak gäbe es einen „chirurgischen“ oder „sauberen“ Krieg. Die Nachrichtenagentur Al Jazeera zeigte dagegen auch Bilder toter irakischer Zivilisten und gefangener amerikanischer Soldaten. Die Büros des Senders wurden übrigens von US-Streitkräften beschossen.
Der überparteiliche Baker-Bericht, genannt nach dem Vorsitzenden der Untersuchungskommission, dem früheren US-Außenminister James Baker, legte 2007 eine schonungslose Untersuchung des Irak-Krieges vor. Es forderte eine grundlegende Neuausrichtung und einen diplomatischen wie militärischen Strategiewechsel.
Krieg zu Lasten der Armen
Der Irak war 2003 ein angeschlagenes Land, umso mehr traf der Krieg insbesondere arme Menschen im Zweistromland, obwohl es große Voraussetzungen für Wohlstand hat. Doch viel zu viel Geld wurde für das Militär ausgegeben, der Ölreichtum konnten ab 1991 nur begrenzt genutzt werden. Die Sanktionen wurden streng überwacht, zumal das Land über sehr hochwertiges Öl und leicht abbaubare Öllagerstätten verfügt.
Ausgangspunkt für die schwierige Lage des Iraks war der 1. Golfkrieg, als Saddam Hussein den ölreichen Nachbarstaat Kuwait einnehmen wollte, um neben dem Scheichtum Saudi-Arabien zur unbestritten stärksten wirtschaftlichen Macht in der wichtigsten Öl-Region der Erde aufzusteigen und auch den Iran zu überholen. Doch es kam zum Gegenschlag, angeführt von dem damaligen US-Präsidenten Bush, der wie sein Sohn gegen den Irak Krieg führte. Die alliierten Truppen unter der Führung der USA kämpften damals – gedeckt von einem UN-Mandat – gegen die irakischen Besatzungstruppen, befreiten Kuwait und drängten die Iraker bis Basra zurück. Das geschah nicht nur wegen des völkerrechtswidrigen Vorgehens des Iraks, sondern weil eine derart starke Stellung des Iraks nicht akzeptiert wurde.
Anschließend wurden massive Sanktionen gegen das Land verhängt. Laut der Weltgesundheitsbehörde (WHO) starben durch die Sanktionen Millionen von Irakern allein durch Mangelernährung. Die Briten und Amerikaner verhängten eine Flugverbotszone über das Land. Der Ölexport wurde drastisch beschränkt, das Land wirtschaftlich geschädigt. Dennoch hielt Saddam Hussein an seiner Linie fest, seine Armee und Sicherheitskräfte weiter auszubauen.
Ein Ende ohne Ende
In der zweiten Kriegswoche verstärkte sich die irakische Gegenwehr in den Städten. Ein längerer Krieg wurde befürchtet. Tatsächlich stürzten amerikanische Soldaten schon nach 21. Tagen die Saddam Hussein-Statue in Bagdad vom Sockel, der Diktator selbst war aus der Stadt geflohen. Er wurde am 13. Dezember 2003 versteckt in einem Erdloch gefunden und am 30. Dezember 2006 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch den Strang hingerichtet.
Offiziell waren die Kampfhandlungen am 1. Mai 2003 beendet. Medienwirksam spektakulär flog US-Präsident Georg W. Bush auf den US-Flugzeugträger Abraham Lincoln, um in einer martialischen Rede vorschnell ein „Mission accomplished“, Mission vollendet, zu verkünden. Doch das stimmte nicht. Noch acht Jahre blieb das Militär im Land, bis zum Dezember 2011. Es kamen sogar 20.000 Soldaten neu hinzu.
Der Krieg hatte katastrophale Folgen, vor allem Hungersnot, Chaos, Anschläge und eine Stärkung der Terrormiliz des Islamischen Staates (IS). Der schnelle Krieg gegen den Diktator wurde mehr und mehr zu einem Desaster für die USA.
Die US-Statthalter im Irak entfernten massenhaft Mitglieder der Baath-Partei von Saddam Hussein aus staatlichen Ämtern und den Sicherheitsorganen. Dadurch entstand ein gefährliches Vakuum, das auch die rund 170.000 amerikanischen Soldaten im Irak nicht füllen konnten. Extremisten bekamen viel Zulauf, Unmengen amerikanischer Waffen fielen in ihre Hände. Schon frühzeitig hatten Experten gewarnt, dass sich der Widerstand verschärfen könne. Gegen die Besatzung kämpften nicht nur die früheren Baathisten, sondern auch irakische Nationalisten, Islamisten und Militante aus anderen Ländern. Gewalt nahm zu, Hungersnöte und Seuchen breiteten sich aus. 28 Prozent der Kinder waren im Jahr 2004 unterernährt, 15 Prozent der irakischen Bevölkerung litt unter Hunger, 70 Prozent der Iraker hatten keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Wasser.
Die angesehene Medizinzeitschrift Lancet schätzte bereits 2006 über 650.000 Tote in dem geschundenen Land, wobei auch die Toten in Folge der zerbombten Infrastruktur und des zerstörten Gesundheitswesens einbezogen wurden. Die Folgen des Krieges stürzten das ganze Land in ein Chaos von Anschlägen und IS-Terror. Dabei waren sich Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Vizepräsident Dick Cheney und der „Sicherheitsexperte“ John Bolton vor dem Krieg sicher gewesen, dass die militärische Intervention im Irak nicht nur zur Vertreibung Saddam Husseins führen würde, sondern auch die Vorherrschaft der USA in der ölreichsten Region der Welt für lange Zeit festigen könne. Das Gegenteil trat ein.
Im Irak verschwanden mehrere zehntausend US-Waffen, allein 190.000 Sturmgewehre und Pistolen, die 2004 und 2005 den irakischen Sicherheitskräften übergeben worden waren. Viele Waffen fielen in die Hände von Aufständischen, auch in die des Islamischen Staates (IS), die damit die Besatzungssoldaten bekämpften. Der Irak-Krieg wurde zum Alptraum. Der Terrorismus fand im IS einen neuen brutalen Akteur und auch in der Region wurde der Einfluss des Irans gestärkt.
Der IS, eine terroristisch-dschihadistischen Miliz, wurde mit ihren schwarzen Fahnen und Banner zum Schrecken für die Welt. Nach dem Irak-Krieg fanden sie starken Zulauf. Nach zahlreichen Terrorakten, die als Mittel der Kriegsführung verstanden wurden, kam es zur Eroberung eines größeren Gebietes im Nordwesten des Iraks und im Osten Syriens. Dort rief der IS am 29. Juni 2014 das Schreckensregime eines Kalifats aus. Abu Bakr al-Baghdadi wurde zu Kalif Ibrahim – Befehlshaber der Gläubigen und zum Nachfolger des Propheten Mohammed, einziges Oberhaupt aller Muslime.
Der IS wurde zur einflussreichsten Organisation des islamistischen Terrorismus, eine brutale Mördertruppe. Im Dezember 2017 war nach massiven militärischen Gegenmaßnahmen der große IS-Spuk im Irak vorbei, im März 2019 auch der in Syrien. Bis heute ist die militante Miliz allerdings noch vornehmlich in Afrika aktiv. Der IS machte sich schuldig des Völkermordes an die Jesiden, der Zerstörung des kulturellen Erbes der Menschheit und anderer Kriegsverbrechen sowie zahlreicher Terroranschläge.
Im Jahr 2004 wurden auch erschütternde Fotos von Misshandlungen irakischer Gefangener durch das amerikanische Wachpersonal in den Kerkern von Abu-Ghraib bekannt. Die Folterkammern wurden zum Symbol neuer Unterdrückung. Im April 2004 hatte der Sender CBS grausame Folterbilder publik gemacht, die ein halbes Jahr zuvor entstanden waren. Britische und US-Soldaten quälten unmenschlich ihre Gefangenen. Nach Angaben von Amnesty International und dem Roten Kreuz waren Washington und London bereits Monate zuvor über die Übergriffe informiert gewesen.
2007 beurteilte eine unabhängige Untersuchungskommission unter der Leitung des früheren US-Außenministers James Baker das Vorgehen von Präsident George W. Bush im Irak als verheerend und katastrophal. Sie verlangte ein grundlegendes Umdenken und eine Neuordnung der amerikanischen Nah-Ost-Politik.
https://www.welt.de/politik/specials/911/article13568908/Wie-ein-BND-Informant-den-Irak-Krieg-ausloeste.html
Veröffentlicht am 28.08.2011 – Von D. Banse, U. Müller, L. Wiegelmann
911 Der Fall „Curveball“
Wie ein BND-Informant den Irak-Krieg auslöste
Rafed Aljanabi fungierte unter dem Decknamen „Curveball“ als Quelle für die Amerikaner, um den Irakkrieg 2003 zu rechtfertigen. Seine – ungeprüften – Erzählungen von Massenvernichtungswaffen gegenüber dem BND wurden als Tatsache dargestellt. Er selbst sagt: „Ich wollte keinen Krieg.“
Der Mann kniet vor seinem Sohn, er streicht ihm durch das pechschwarze Haar. Als der Junge anfängt zu singen, lächelt er. Dann nimmt der Vater den Dreijährigen an die Hand und will die Straße überqueren. Die Sonne brennt an diesem Julitag ungewöhnlich heiß. Rafed Aljanabi hat einen dicken Pullover an. Er ist andere Temperaturen gewohnt, schließlich wuchs er in Bagdad auf. Hier, in einem ruhigen Karlsruher Wohnviertel, versucht er, das Leben eines normalen Familienvaters zu führen. Er steckt sich eine Zigarette an. Ein Auto mit fremdem Kennzeichen fährt an ihm vorbei, der Exil-Iraker schaut misstrauisch hinterher. Man merkt, dass er jederzeit damit rechnet, von seiner Vergangenheit eingeholt zu werden.
Rafed Aljanabi war der Informant des Bundesnachrichtendienstes, von dem es heißt, er habe den Irakkrieg ausgelöst. Die damals Mächtigen dieser Welt, von US-Präsident George W. Bush über Bundeskanzler Gerhard Schröder bis zu den Außenministern Colin Powell und Joschka Fischer, hatten sich mit ihm beschäftigt. Heute wohnt er unauffällig mit Frau und zwei Kindern in einer Dachgeschosswohnung, die Familie lebt von Hartz IV.
Lesen Sie hier das große Interview mit Rafed Aljanabi.
„Einen Krieg wollte ich nicht“
Von diesem heimlichen Namen hatte Aljanabi jahrelang keine Ahnung. „Ich wusste doch zuerst überhaupt nicht, dass ich mich mit einem Geheimdienst eingelassen hatte. Glauben Sie mir, einen Krieg wollte ich nicht. Mir ging es nur darum, Saddam Hussein zu stürzen“, erzählt der 44-Jährige.Seine Existenz war jahrelang ein Staatsgeheimnis, zunächst gehütet von deutschen Agenten, später gelüftet durch amerikanische Indiskretion. Der frühere Chemieingenieur Rafed Ahmed Alwan, wie er bis zu einer Namensänderung 2008 hieß, steht im Zentrum einer der größten Skandalgeschichten der Geheimdienst-Historie, die das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA auf eine harte Probe stellte und die bis heute die Politik bewegt. Jetzt spricht er zum ersten Mal ausführlich mit einem deutschen Medium.
Curveball war eine sogenannte Quelle des deutschen Auslandsnachrichtendienstes. Er lieferte wichtige Informationen über das Waffenprogramm von Diktator Saddam Hussein. Doch in wesentlichen Punkten wie der angeblichen Existenz von rollenden Biowaffenlaboren und einem Giftunfall log er. Trotzdem nutzten die Amerikaner seine Aussagen, um ihren Einmarsch im Irak 2003 vorab zu rechtfertigen. Als sich später keine Massenvernichtungswaffen finden ließen, war das für die Supermacht USA eine Blamage ungeahnten Ausmaßes.
Wie ein BND-Informant den Irakkrieg auslöste – Der Fall Curveball Artikel aus Welt 28.8. 2011