Offener Brief jüdischer Intellektueller fordert Frieden und Meinungsfreiheit für alle

Gespräch   Offener Brief jüdischer Intellektueller fordert Frieden und Meinungsfreiheit für alle Stand  24.10.2023

„Ich bin pro Gerechtigkeit und pro Menschrechte“, sagt Susan Neiman, Philosophin und Leiterin des Einstein-Forums in Potsdam. Sie ist eine von über hundert jüdischen Intellektuellen in Deutschland, die sich am Wochenende in einem offenen Brief in der Tageszeitung „taz“ für Frieden und Meinungsfreiheit ausgesprochen haben, auch für pro-palästinensische Stimmen.

Susan Neiman, Vorstandsvorsitzende des Einstein-Forums

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Solidaritätsbekundungen sind kein „Fußballspiel“

„Pro-palästinensisch“ und „pro-israelisch“ „sind absurde Ausdrücke, die ich immer verabscheut habe“, sagt Susan Neiman, „so als ob es um ein Fußballspiel gehen würde“. Im offenen Brief solidarisieren die Unterzeichnenden mit ihren arabischen, muslimischen und insbesondere palästinensischen Nachbarn. „Ich kann mich mit ihnen solidarisieren“, sagt Neiman, „weil die Mehrheit nicht hinter Hamas steht“.

Das Ziel dieser Terrororganisation sei nicht nur die Vernichtung von Israel, sondern auch die Auslöschung von all den Werten, “die mir wichtig sind und auch den muslimischen Freunden wichtig sind“.

„Juden werden dadurch nicht sicherer“

Propalästinensische Demonstrationen wurden vielerorts zeitgleich kritisiert und verboten, beklagt auch der offene Brief. Aber durch das Verbot „werden Juden nicht sicherer“, meint die Philosophin. Viele Zeitungen in Israel üben scharfe Kritik an der Regierung von Benjamin Netanjahu, sagt Neiman, „diese Kritik lese ich nicht in den deutschen Medien“.

Offener Brief jüdischer Intellektueller: Die Freiheit der Andersdenkenden

Über 100 in Deutschland beheimatete jüdische Künstler*innen, Schrift­stel­le­r*in­nen und Wis­sen­schaft­le­r*in­nen unterzeichnen diesen offenen Brief. Sie appellieren für Frieden und Meinungsfreiheit.

Eine englische Version des Briefs ist bei n+1 erschienen.

Wir, die unterzeichnenden jüdischen Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler, die in Deutschland leben, verurteilen in diesem Schreiben das beunruhigende Vorgehen gegen die demokratische Öffentlichkeit nach den schrecklichen Gewalttaten in Israel und Palästina in diesem Monat.

Es gibt keine Rechtfertigung für vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten durch die Hamas. Wir verurteilen vorbehaltlos die terroristischen Angriffe auf Zivilisten in Israel. Viele von uns haben Familie und Freunde in Israel, die von dieser Gewalt direkt betroffen sind. Mit gleicher Schärfe verurteilen wir die Tötung von Zivilisten in Gaza.

In den letzten Wochen haben Landes- und Stadtregierungen in ganz Deutschland öffentliche Versammlungen mit mutmaßlichen Sympathien für Palästinenser verboten. Diese Repressionen bestrafen auch Demonstrationen wie „Jugend gegen Rassismus“ und „Jüdische Ber­li­ne­r*in­nen gegen Gewalt in Nahost“. In einem besonders absurden Fall wurde eine jüdische Israelin festgenommen, weil sie ein Schild in der Hand hielt, auf dem sie den Krieg, den ihr Land führt, anprangerte.

Die Polizei hat keine glaubwürdige Verteidigung für diese Entscheidungen geliefert. Praktisch alle Absagen, einschließlich derjenigen, die von jüdischen Gruppen organisierte Versammlungen verbieten, wurden von der Polizei zum Teil mit der „unmittelbaren Gefahr“ von „volksverhetzenden, antisemitischen Ausrufen“ begründet. Diese Behauptungen dienen unserer Meinung nach dazu, legitime und gewaltfreie politische Äußerungen, die auch Kritik an Israel beinhalten dürfen, zu unterdrücken.

 Rassistische Vorverurteilungen

Versuche, sich diesen willkürlichen Einschränkungen zu widersetzen, werden mit wahlloser Brutalität beantwortet. Die Behörden haben Menschen mit Migrationshintergrund in ganz Deutschland ins Visier genommen und Zivilisten belästigt, verhaftet und verprügelt, oft unter den fadenscheinigsten Vorwänden.

In Berlin ist der Bezirk Neukölln, in dem große türkische und arabische Gemeinschaften leben, heute ein von der Polizei besetztes Viertel. Gepanzerte Lieferwagen und bewaffnete Bereitschaftspolizisten patrouillieren durch die Straßen und suchen nach spontanen Unterstützungsbekundungen für die Palästinenser oder nach Symbolen der palästinensischen Identität. Fußgänger werden auf dem Bürgersteig angerempelt und mit Pfefferspray attackiert. Kinder werden rücksichtslos angegriffen und verhaftet. Zu den Festgenommenen gehören bekannte syrische und palästinensische Aktivisten.

In den Schulen sind palästinensische Flaggen und Keffiyeh verboten. Obwohl der Besitz dieser Gegenstände in der Öffentlichkeit gesetzlich erlaubt ist, führt er zu Polizeigewalt und Verhaftungen. Anfang dieses Jahres gaben Berliner Polizeibeamte vor Gericht zu, dass sie bei der Niederschlagung von Protesten gegen Zivilisten vorgegangen sind, die dadurch „auffielen, dass sie Farben der palästinensischen Flagge trugen oder Schals, die mit der palästinensischen Solidarität in Verbindung gebracht werden.“ Eine Vielzahl von Filmaufnahmen deutet darauf hin, dass dies nach wie vor der Fall ist und dass rassistische Vorverurteilungen bei der gezielten Verfolgung von Verdächtigen eine wichtige Rolle spielt.

Diese Verstöße gegen die Bürgerrechte rufen bei den kulturellen Eliten in Deutschland kaum einen Aufschrei hervor. Große Kultureinrichtungen haben sich wie synchronisiert selbst zum Schweigen gebracht, indem sie Theaterstücke, die sich mit dem Konflikt befassen, abgesagt haben und Persönlichkeiten, die Israels Aktionen kritisch gegenüberstehen könnten – oder die einfach selbst Palästinenser sind –, das Rederecht entzogen wurde. Diese freiwillige Selbstzensur hat ein Klima der Angst, der Wut und des Schweigens geschaffen. All dies geschieht unter dem Vorwand, Juden zu schützen und den Staat Israel zu unterstützen.

 Als Jüdinnen und Juden lehnen wir diese Gewalt ab

Als Jüdinnen und Juden lehnen wir diesen Vorwand für rassistische Gewalt ab und bekunden unsere volle Solidarität mit unseren arabischen, muslimischen und insbesondere palästinensischen Nachbarn. Wir weigern uns, in vorurteilsbehafteter Angst zu leben. Was uns Angst macht, ist die in Deutschland vorherrschende Atmosphäre von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die Hand in Hand mit einem zwanghaften und paternalistischen Philo-Semitismus geht. Wir lehnen insbesondere die Gleichsetzung von Antisemitismus und jeglicher Kritik am Staat Israel ab.

Zur gleichen Zeit, in der die meisten Formen des gewaltlosen Widerstands für den Gazastreifen unterdrückt werden, finden auch antisemitische Gewalttaten und Einschüchterungen statt: ein Molotowcocktail, der auf eine Synagoge geworfen wurde; Davidsterne, die auf die Türen jüdischer Häuser gezeichnet wurden. Die Beweggründe für diese nicht zu rechtfertigenden antisemitischen Straftaten und ihre Täter bleiben unbekannt.

 Juden bereits eine gefährdete Minderheit

Klar ist jedoch: Es macht Juden nicht sicherer, wenn Deutschland das Recht auf öffentliche Trauerbekundung um verlorene Menschenleben in Gaza verweigert.Juden sind bereits eine gefährdete Minderheit; einige Israelis berichten, dass sie Angst haben, auf der Straße Hebräisch zu sprechen. Demonstrationsverbote und ihre gewaltsame Durchsetzung provozieren und eskalieren nur die Gewalt.

Wir prangern an, dass die gefühlte Bedrohung durch solche Versammlungen die tatsächliche Bedrohung des jüdischen Lebens in Deutschland grob ins Gegenteil verkehrt, wo nach Angaben der Bundespolizei die „überwiegende Mehrheit“ der antisemitischen Straftaten – etwa 84 Prozent – von deutschen extremen Rechten begangen wird. Die Versammlungsverbote sollen ein Versuch sein, die deutsche Geschichte aufzuarbeiten, doch vielmehr besteht die Gefahr, dass man sie genau dadurch wiederholt.

 Freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit

Dissens ist eine Voraussetzung für jede freie und demokratische Gesellschaft. Freiheit, schrieb Rosa Luxemburg, „ist immer Freiheit der Andersdenkenden“. Wir befürchten, dass mit der derzeitigen Unterdrückung der freien Meinungsäußerung die Atmosphäre in Deutschland gefährlicher geworden ist – für Juden und Muslime gleichermaßen – als jemals zuvor in der jüngeren Geschichte des Landes. Wir verurteilen diese in unserem Namen begangenen Taten.

Wir fordern Deutschland auf, sich an seine eigenen Verpflichtungen zur freien Meinungsäußerung und zum Versammlungsrecht zu halten, wie sie im Grundgesetz verankert sind, das wie folgt beginnt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Erklärung von 25 Menschenrechtsorganisationen in Israel – 12.10.2023

Erklärung von 25 Menschenrechtsorganisationen in Israel – 12.10.2023

Wir, Mitglieder der unterzeichnenden Menschenrechtsorganisationen in Israel, sind schockiert und entsetzt in diesen schrecklichen Tagen.

Die entsetzlichen Verbrechen der Hamas gegen unschuldige Zivilisten – darunter Kinder, Frauen und ältere Menschen – haben uns alle erschüttert, und es fällt uns schwer, uns von den unerträglichen Bildern und Geräuschen zu erholen. Einige von uns befanden sich während des Angriffs in den israelischen Gemeinden an der Grenze zum Gazastreifen; viele von uns haben Familie, Freund*innen und Kolleg*innen, die die grauenhaften Ereignisse ertragen mussten und sich immer noch mitten darin befinden; und wir alle kennen Menschen, die ermordet, verletzt oder entführt wurden. Es wird einige Zeit dauern, die Auswirkungen und Konsequenzen des abscheulichen Angriffs der Hamas, für den es keine Rechtfertigung gibt, vollständig zu verstehen.

Zu den meisten unserer Teams gehören Israelis und Palästinenser*innen. Daher haben einige von uns Verwandte und Kolleg*innen in Gaza, die derzeit unter dem anhaltenden Angriff des israelischen Militärs leben. Kinder, Frauen und ältere Menschen werden unterschiedslos angegriffen und haben keinen Ort, an dem sie sich verstecken können.

Auch jetzt – besonders jetzt – müssen wir unsere moralische und menschliche Haltung wahren und uns weigern, der Verzweiflung oder dem Drang nach Rache nachzugeben. Es ist wichtiger denn je, unseren Glauben an den menschlichen Geist und die ihm innewohnende Güte aufrechtzuerhalten. Eines ist klar: Wir werden unseren Glauben an die Menschlichkeit niemals aufgeben – auch nicht jetzt, wo dies schwieriger ist denn je.

Da wir uns immer dagegen ausgesprochen haben, dass unschuldigen Zivilisten Schaden zugefügt wird, bleibt es unsere Pflicht in diesen schrecklichen Zeiten – während wir auf israelischer Seite unsere Toten zählen und uns Sorgen um unsere verwundeten, vermissten und entführten Liebsten machen und während in Gaza Bomben auf Wohnviertel abgeworfen werden, die ganze Familien auslöschen ohne Möglichkeit, die Toten zu begraben – unsere Stimmen laut und deutlich dagegen erheben, dass unschuldigen Zivilist*innen Schaden zugefügt wird, sowohl in Israel als auch in Gaza.

Wir fordern die sofortige Freilassung aller Geiseln und ein Ende der Bombardierung von Zivilist*innen in Israel und in Gaza. Humanitäre Hilfe muss die Zivilbevölkerungen erreichen dürfen, medizinische Einrichtungen und Zufluchtsorte dürfen nicht beschädigt werden und lebenswichtige Ressourcen wie Wasser und Strom dürfen nicht abgeschaltet werden. Die Tötung weiterer Zivilist*innen wird die Verstorbenen nicht zurückbringen. Unterschiedslose Zerstörung und eine Belagerung, die Unschuldigen Schaden zufügt, werden weder Linderung, Gerechtigkeit noch Ruhe bringen.

Als Individuen, die wir uns für die Förderung der Menschenrechte einsetzen und an die Unantastbarkeit des Lebens glauben, fordern wir dringend ein Ende aller wahllosen Schädigung von Zivilpersonen und ziviler Infrastruktur. Wir fordern Verhandlungen und die Ergreifung aller umsetzbaren Maßnahmen, die geeignet sind die Freilassung der Geiseln herbeizuführen – wobei wir den von der Hamas festgehaltenen Zivilist*innen Vorrang einräumen. Es ist das einzig Humane und Vernünftige, das getan werden muss, und es muss jetzt getan werden.

Mothers Against Violence | Itach Ma’aki – Women Lawyers for Social Justice | Amnesty International Israel | BIMKOM – Planners for Planning Rights | B’Tselem | Gisha | The Association for Civil Rights in Israel | Public Committee Against Torture in Israel | Parents Against Child Detention | Hamoked – Center for the Defence of the Individual | Zazim – Community Action | Haqel – In Defense of Human Rights | Yesh Din | Combatants for Peace | Mehazkim | Machsom Watch | Women Wage Peace | Akevot Institute for Israeli-Palestinian Conflict Research | Standing Together | Ir Amim | Emek Shaveh | The Parents Circle-Families Forum | Rabbis for Human Rights | Physicians for Human Rights–Israel | Breaking the Silence | Torat Tzedek

Übersetzung: EAPPI-Netzwerk Deutschland e.V.
Quelle:https://www.btselem.org/press_releases/human_rights_organizations_raise_a_loud_and_clear_voice_against_the_harming_of_all_innocent_civilians

12 October 2023

We, members of the undersigned human rights organizations in Israel, are shocked and  horrified in these dreadful days.
Hamas’ horrific crimes against innocent civilians – including children, women, and the elderly – have shaken us all, and we are struggling to recover from the unbearable sights and sounds. Some of us were in the Israeli communities on the Gaza border during the assault; many of us have family, friends, and colleagues who endured and are still in the midst of the harrowing events; and we all know people who were murdered, injured, or abducted. It will take time to fully understand the implications and consequences of Hamas’ heinous attack, for which there can be no justification.

Most of our teams include Israelis and Palestinians; therefore, some of us have relatives and colleagues in Gaza currently living under the ongoing assault of the Israeli military. Children, women, and the elderly are being indiscriminately attacked with nowhere to hide.

Even now – especially now – we must maintain our moral and humane position and refuse to give in to despair or the urge for vengeance. Keeping our faith in the human spirit and its inherent goodness is more vital than ever. One thing is clear: We will never surrender our belief in humanity – even now, when doing so is more challenging than ever.

Having always opposed the harming of innocent civilians, it remains our duty in these terrible times – as we count our dead on the Israeli side and worry about wounded, missing, and abducted loved ones, and as bombs are being dropped on residential neighborhoods in Gaza, wiping out entire families with no possibility of burying the dead – to raise our voices loud and clear against the harming of all innocent civilians, both in Israel and Gaza.

We call for the immediate release of all hostages and an end to the bombardment of civilians in Israel and in Gaza. Humanitarian aid must be allowed to reach civilian populations, medical facilities and places of refuge must not be harmed, and vital resources such as water and electricity must not be cut off. The killing of additional civilians will not bring back those who were lost. Indiscriminate destruction and a siege harming innocents will not bring relief, justice, or calm.

As individuals working to promote human rights and who believe in the sanctity of life, we urgently call for an end to all indiscriminate harming of civilian lives and infrastructure. We call for negotiations and all possible action to be taken to bring about the release of the hostages – while prioritizing the civilians held by Hamas. It is the only humane and rational thing to do, and it must be done now.

Mothers Against Violence | Itach Ma’aki – Women Lawyers for Social Justice | Amnesty International Israel | BIMKOM – Planners for Planning Rights | B’Tselem | Gisha | The Association for Civil Rights in Israel | Public Committee Against Torture in Israel | Parents Against Child Detention | Hamoked – Center for the Defence of the Individual | Zazim – Community Action | Haqel – In Defense of Human Rights | Yesh Din | Yesh Gvul | Combatants for Peace | Mehazkim | Machsom Watch | Women Wage Peace | Akevot Institute for Israeli-Palestinian Conflict Research | Standing Together | Ir Amim | Emek Shaveh | The Parents Circle-Families Forum | Rabbis for Human Rights | Physicians for Human Rights–Israel | Breaking the Silence | Torat Tzedek

Auslandsjournal: Der Krieg in Israel traumatisiert alle

Seit dem Massaker der radikal-islamischen Terrorgruppe Hamas am 7. Oktober hat sich dich Situation in Israel massiv verschärft. Inzwischen kämpft Israel gegen die Hamas im Gazastreifen auch mit Bodentruppen zurück.

ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge hat einen deutsch-jüdischen Elitesoldaten getroffen, der über den Einsatz spricht.

Die Menschen im Land sind durch die Angriffe und den Terror der Hamas traumatisiert. Familien von Geiseln suchen noch immer verzweifelt nach Spuren ihrer Angehörigen. Gleichzeitig werden auch Zivilistinnen und Zivilisten im Gazastreifen von dem israelischen Militär getroffen und von der Hamas als menschliches Schutzschild missbraucht. Viele Menschen zeigen Anzeichen eines schweren Traumas, können derzeit aber nicht behandelt werden.

Geschichte der Hamas: Herrschaft mit Geheimstrukturen

Quelle: TAZ 14.10.23

Geschichte der Hamas: Herrschaft mit Geheimstrukturen

Wie die Terrororganisation 1987 gegründet wurde, sich vor wenigen Jahren ein überraschendes neues Program gab und es nun zum Angriff auf Israel kam.

Die Hamas instrumen­talisiert für ihre ­Propaganda gezielt KinderFoto: Ibraheem Abu Mustafa/reuters

Als sich 1987 die palästinensischen Anhänger der ägyptischen Muslimbruderschaft im Gazastreifen kurz nach Ausbruch der ersten Intifada in „Islamische Widerstandsbewegung“ (arabisches Akronym: Hamas) umbenannten, verfolgten sie hauptsächlich zwei Ziele: den Staat Israel durch einen bewaffneten „Heiligen Krieg“ zu vernichten, um auf dessen Gebiet und im gesamten Palästina eine islamische Herrschaft zu errichten, sowie die Führung des palästinensischen Volkes zu übernehmen.

Nach fast zwei Jahrzehnten der Opposition zur säkularen Rivalin Fatah – der führenden Kraft innerhalb der Palästinensischen Befreiungsbewegung (PLO) –, deren Annäherung an und Friedensschluss mit Israel 1993 die Hamas mit zahlreichen Terroranschlägen gegen Israelis vergeblich zu torpedieren versuchte, schien im Januar 2006 letzteres Ziel in greifbare Nähe gerückt zu sein.

Zermürbt durch den Terror militanter palästinensischer Gruppen hatte sich Israel im Jahr zuvor aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Die kurz darauf abgehaltenen ersten demokratischen Wahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten gewann überraschend die Hamas. Sie konnte oder wollte sich aber mit der Verliererin Fatah – deren Vertreter sollten wie gehabt weiter mit Israel verhandeln – über eine eventuelle Teilung der Macht nicht einigen.

Joseph Croitoru

Joseph Croitoru ist Autor von „Hamas. Auf dem Weg zum ­palästinensischen Gottesstaat“ (dtv) und „Al-Aqsa oder Tempelberg. Der ewige Kampf um Jerusalems heilige Stätten“ (C.H. Beck).

Hier der TAZ-Artikel weiterlesen

Deborath Feldmann kritisiert mangelnden Schutz in Deutschland | Markus Lanz vom 1. November 2023