Robert Habeck zu Israel und Antisemitismus

phoenix runde: Der Westen und die Kriege – Was wird aus der Ukraine-Unterstützung?


Quelle IPG-Journal

Brigadegeneral a.D. Helmut W. Ganser*

Bittere Pattsituation

Die ukrainische Gegenoffensive stockt. Statt endlos neue Waffen zu liefern, sollte der Westen an der Vorbereitung von Friedensgesprächen mitarbeiten.

Die erfolgreichen Gegenangriffsoperationen der Ukraine im Herbst 2022 haben nicht wenige deutsche und internationale Kommentatoren dazu verleitet, schnelle Erfolge der ukrainischen Truppen bei ihrer seit Anfang Juni 2023 laufenden Gegenoffensive an der Südfront zu propagieren. Die etwa neun, von NATO-Staaten ausgebildeten und mit westlichem Gerät ausgerüsteten Brigaden, so die Erwartung, würden russische Verteidigungslinien durchbrechen und bis zu den Bahn- und Straßenverbindungen auf der Landbrücke zur Krim, oder gar bis zum Asowschen Meer vorstoßen.

Diese Erwartung entsprang jedoch eher einem Wunschdenken als einer sachlichen Lagebeurteilung. Einschätzungen von Militärökonomen im Frühjahr 2023, die einen ukrainischen Sieg im Herbst 2023 vorhersagten, basierten beispielsweise auf eklatanten Fehlkalkulationen. Die Hochrechnung von russischen Abnutzungsraten im Jahr 2022 auf die Lage im Folgejahr war schlicht zu simpel. Russland hat offenbar wesentlich mehr Kräfte in der Ukraine als zu Beginn des Krieges.

Angriffsoperationen gegen Bodentruppen, die aus stark befestigten Stellungssystemen heraus kämpfen und die zu beweglichen Verteidigungsoperationen mit Luftnahunterstützung um die Stellungsgräben herum befähigt sind, gehören zu den anspruchsvollsten militärischen Leistungen. In solchen Szenarien sind große Verluste vor allem bei den angreifenden Verbänden zu erwarten. Für die ukrainischen Brigaden ist der Angriff gegen eine derart vorbereitete Verteidigung eine völlig neue Aufgabe.

Die Lernfähigkeit der russischen Führung im Unterschied zu ihren Operationen im ersten Kriegsjahr wurde unterschätzt. So haben die angreifenden ukrainischen Verbände schon weit vor der ersten russischen Hauptstellungslinie empfindliche Verluste in vorgelagerten Minensperren hinnehmen müssen. Moderne westliche Kampf- und Schützenpanzer wurden zerstört.

Die ukrainische Militärführung hat nun aus ersten Fehlern gelernt und das taktische Vorgehen verändert.

Es war unrealistisch, davon auszugehen, dass die neu aufgestellten ukrainischen Brigaden das komplexe Gefecht der verbundenen Waffen beherrschen, in dem viele Manöverelemente zu koordinieren sind. Taktische Fehler im Vorgehen waren zu erwarten. Auch die Streitkräfte der NATO-Staaten müssen das komplexe Zusammenwirken im Verbund immer wieder üben und werden es nicht perfekt beherrschen.

Die ukrainische Militärführung hat nun aus ersten Fehlern gelernt und das taktische Vorgehen verändert und verlangsamt. Sie versucht, die Abnutzung der eigenen Kräfte in Grenzen zu halten und gleichzeitig die russischen Truppen abzunutzen – eine fast unmögliche Aufgabe. Mit weit reichender Raketenartillerie sowie britischen und französischen Marschflugkörpern wird versucht, die russischen Truppen zu schwächen durch Angriffe auf Gefechtsstände, Einrichtungen der Führungsunterstützung und auf logistische Verteilerpunkte sowie versorgungswichtige Brücken.

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Rücktritt von Craig Mokhiber, UN, Leiter des Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte

Rücktrittsschreiben von Craig Mokhiber, Leiter des Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte

Auszug aus dem Brief vom 28.10.23 (Übersetzung Susanne Hofmann)

Lieber Herr UN-Hochkommissar,

dies ist meine letzte offizielle Mitteilung als Direktor des New Yorker Büros des UN-Menschenrechtskommissars an Sie.

Ich schreibe dies in einem Augenblick großer Pein für die Welt, darunter auch für viele unserer Kollegen. Wieder einmal sehen wir, wie sich vor unseren Augen ein Völkermord vollzieht, und die Organisation, der wir dienen, scheint machtlos, ihn aufzuhalten.

Für mich als jemand, der sich seit den 1980er Jahren intensiv mit den Menschenrechten in Palästina befasst hat, der in den 1990er Jahren als Menschenrechtsberater in Gaza gelebt hat und der davor und danach mehrmals im Dienst der Menschenrechte in diesem Land war, hat das eine tiefe persönliche Bedeutung.

Ich habe in diesen Räumen der Vereinten Nationen auch während der Völkermorde an den Tutsi, an bosnischen Muslimen, an den Jesiden und an den Rohingya gearbeitet. In jedem dieser Fälle wurde schmerzlich deutlich, nachdem sich der Staub auf die gegen die wehrlose Zivilbevölkerung gerichteten Schrecken gelegt hatte, dass wir in unserer Pflicht versagt hatten – unserer Pflicht, massenhaft begangene Gräueltaten zu verhindern, die Schwachen zu schützen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Genauso verhielt es sich mit den sukzessiven Wellen von Mord und Verfolgung von Palästinensern während der gesamten Zeit des Bestehens der Vereinten Nationen.

Herr Hochkommissar, wir versagen soeben erneut.

Als Menschenrechtsanwalt mit mehr als drei Jahrzehnten Erfahrung auf diesem Gebiet ist mir geläufig, dass das Konzept des Genozids oft politisch missbraucht wurde. Doch das Blutbad, das aktuell an den Palästinensern verübt wird, welches in einer ethno-nationalistischen, kolonialen Siedlermentalität wurzelt und die Fortsetzung ihrer jahrzehntelangen systematischen Vertreibung und ethnischen Säuberung darstellt, die allein auf ihrem Status als Araber beruht und die mit expliziten Absichtserklärungen führender Mitglieder der israelischen Regierung und des israelischen Militärs einhergeht, lässt keinen Spielraum für Zweifel oder Diskussionen.

In Gaza werden Wohnhäuser, Schulen, Kirchen, Moscheen und medizinische Einrichtungen mutwillig angegriffen und tausende Zivilisten massakriert. In der Westbank inklusive dem besetzten Jerusalem werden Häuser beschlagnahmt und neu zugewiesen, rein nach rassistischen Kriterien – und brutale Pogrome durch Siedler werden von israelischen Militäreinheiten begleitet. Im ganzen Land herrscht Apartheid.

Dies hier ist ein Paradebeispiel für Völkermord. Die letzte Phase des europäischen, ethno-nationalistischen Siedler-Kolonialprojekts in Palästina hat begonnen. Es geht um die Auslöschung der verbliebenen Überreste ursprünglichen palästinensischen Lebens in Palästina. Dazu kommt, dass die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und eines Großteils von Europa an diesem abscheulichen Angriff mitwirken. Diese Regierungen halten nicht nur nicht ihre vertraglichen Verpflichtungen zur „Einhaltung“ der Genfer Konventionen ein. Sie steuern für den Angriff auch noch aktiv Waffen bei, stellen wirtschaftliche und geheimdienstliche Unterstützung bereit und gewähren politische und diplomatische Deckung für Israels Gräueltaten.

Im Einklang damit stehen die westlichen Konzernmedien, zunehmend vereinnahmt und staatsnah, im offenen Widerspruch zu Artikel 20 des UN-Zivilpakts, indem sie die Palästinenser fortwährend entmenschlichen und damit den Völkermord ermöglichen und Kriegspropaganda verbreiten sowie nationalen, rassistischen oder religiösen Hass verbreiten, welcher Diskriminierung, Feindseligkeit und Gewalt befeuert. In den USA angesiedelte Social Media unterdrücken die Stimmen von Menschenrechts-Verteidigern und verstärken zugleich pro-israelische Propaganda. Internet-Trolle und GONGOS (Government-operated non-governmental organization) belästigen und verleumden Menschenrechts-Verteidiger. Westliche Universitäten und Arbeitgeber arbeiten mit ihnen zusammen, um jene zu strafen, die es wagen, sich gegen die Gräuel auszusprechen. Nach diesem Völkermord müssen auch diese Akteure zur Verantwortung gezogen werden, wie einst die Macher des hassverbreitenden Senders Radio-Télévision Libre des Mille Collines in Ruanda.

Das ganze Rücktrittsschreiben von Craig Mokhiber UN 28.10.23

Rücktritt Craig Mokhiber UN 28.10.23 Rücktrittsschreiben englisch