Covid-19-Patienten und Lungenentzündung: ist Vermeidung und Prävention eine Möglichkeit, die Kurve der Verläufe zu flatten?

Monja Schünemann, ausgebildete Krankenschwester und Historikerin, findet auf ihrem Blog mypflegephilosophie.com immer wieder klare Worte zum Thema Pflege. Im NachDenkSeiten-Interview verdeutlicht sie,  wie es um die Pflege bestellt ist.

Ein aktueller Beitrag  zum Thema „Covid-19-Patienten und Lungenentzündung“ aus dem Blog von Monja Schünemann

„Bei der Infektion mit Covid-19 handelt es sich im Grunde immer um das gleiche Bild bei schwerer Ausprägung: beidseitige schwere Lungenentzündung. Die ist dann so schwerwiegend, dass das Organ nicht mehr genug Gase austauschen kann. Der Patient muss beatmet werden.

Das Problem der Lungenentzündung ist in der Pflege bekannt, wenngleich auch nicht durch dieses Virus. In der Pflege haben wir deshalb eine unserer Prophylaxen ganz allein auf die Prävention einer Lungenentzündung abgestellt.

Ein Problem der Pandemie für uns Pflegende ist, dass wir uns nicht international austauschen können/dürfen. In der Krise sprechen Ärzte und Politiker und Virologen. Durch die Stäbe ist dort Austausch garantiert. Doch Pflege sitzt nicht mit am Tisch, darum ist weder internationaler Austausch, noch interdisziplinärer Austausch möglich. Deshalb gibt es derzeit keine Informationen für uns, was die Mobilisation des Lungensekretes (vulgo Abhusten) angeht. Das ist bedauerlich, aber leider werden wir nicht als so wichtig erachtet, am Diskurs teilzunehmen und ihn mitzuführen.

Also haben wir uns Gedanken gemacht, und folgende These aufgestellt: …“

Die neue Weltwirtschaftskrise, der Corona-Virus und ein kaputt gesparter Gesundheitssektor

„Die Ausweitung des Corona-Virus hat zur flächendeckenden Beseitigung von Grundrechten und Bewegungsfreiheit geführt. Vieles spricht dafür, dass dies in der gegebenen Situation angebracht, unvermeidlich, ist. Wobei es auch Mitte März noch ernst zu nehmende Stimmen – so vom Weltärztebund-Präsidenten Frank Ulrich Montgomery – gibt, die dies in Frage stellen.

Unbestreitbar ist, dass die Zuspitzung der Corona-Pandemie dazu geführt hat, dass das Versagen der Behörden nicht thematisiert wird. Dass der aktive Beitrag, den die Bundesregierung und ausdrücklich auch CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn und der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach beim Kaputtsanieren der Krankenhäuser geleistet haben, kein Thema in der öffentlichen Debatte ist.

Nicht zuletzt dienen die Corona-Epidemie und die panischen und widersprüchlichen Maßnahmen zu deren Eindämmung dazu, die im Hintergrund ablaufenden massiven weltwirtschaftlichen Verwerfungen – und die Gefahr einer neuen Weltwirtschaftskrise – als das von einem Virus ausgelöste Resultat zu präsentieren. Was grundfalsch ist.“ Winfried Wolf.

Der Artikel von Winfried Wolf ist auf den Nachdenkseiten veröffentlicht

Campact-Petition: Covid-19 – Gesundheitsarbeiter*innen fordern: Menschen vor Profite

Uta Hedemann, Pflegekraft auf einer Kinderintensivstation mit zehn Jahren Berufserfahrung hat kürzlich ein Campact-Petition an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sowie alle Entscheidungsträger*innen in der Gesundheitspolitik und in den Krankenhäusern gestartet.

Stand 20.3.2020, 13.00 Uhr haben bereits 108.661 Menschen die Petition unterzeichnet.

Uta Hedemann engagiert sich in der Gewerkschaft ver.di undin einer Gruppe von selbstbewussten Pflegekräften und Gesundheitsarbeiter*innen an der Berliner Charité.

Der Text der Petition lautet:

„Als Pflegekraft auf einer Kinderintensivstation mit zehn Jahren Berufserfahrung kann ich versprechen: Wir Gesundheitsarbeiterinnen sind uns unserer Verantwortung angesichts der existentiellen Krise mit dem Coronavirus bewusst und werden alles in unserer Macht stehende tun, um die Patientinnen und uns selbst durch die Krise zu bringen – egal ob Pflege- oder Hilfskraft, Ärztin, Labor- und Röntgenassistentin, Reinigungskraft, Medizintechniker*in uvm.

Doch die Sparpolitik im Gesundheitswesen stellt uns angesichts der Krise vor große Herausforderungen. Seit 20 Jahren sind die Krankenhäuser der Logik „Der Markt regelt das schon“ unterworfen. Kostendruck und Profitorientierung haben dazu geführt, dass immer mehr Patient*innen in immer kürzerer Zeit mit weniger Personal versorgt werden mussten. Jetzt in der Covid-19-Krise rächt sich diese Politik besonders.

Um diese Krise zu bewältigen, bedarf es außergewöhnlicher Maßnahmen. Wir sehen aktuell, was möglich ist, wenn die politischen Entscheidungsträger*innen es wollen.

Deswegen fordern wir angesichts einer absehbaren Ausnahmesituation für die Krankenhäuser konkret:

  • Konsequente Aktivierung und Mobilisierung aller verfügbaren Ressourcen (Menschen, Material, Geld) – vor allem aber: JETZT mehr Personal und ausreichend Schutzkleidung!
  • Vorausschauend planen: “Worst case” annehmen und agieren statt reagieren.
  • Hygienemaßnahmen unmittelbar verbessern; sofortige Aufstockung des Reinigungspersonals; engmaschige Tests von Mitarbeiter*innen.
  • Konsequente Absage planbarer Eingriffe, wo es medizinisch vertretbar ist.
  • Einbindung der verschiedenen Fachbereiche und Berufsgruppen in erweiterte Krisenstäbe an den Krankenhäusern.
  • Transparenz bzgl. betroffener Patient*innen, Maßnahmen, Planungen, Bettenkapazitäten und Materialbeständen in jeder Klinik!
  • Ausreichend Testzentren und mobile Test-Teams zur Entlastung der Notaufnahmen.
  • Sofortiger Stopp geplanter und laufender Krankenhausschließungen!

Warum ist das wichtig?

Aus dieser Pandemie-Krise müssen grundlegende Konsequenzen gezogen werden: Schluss mit „Der Markt regelt das schon“, ein für alle Mal! Dafür werden wir (weiter) kämpfen, sobald wir das wieder können.

Ich engagiere mich in meiner Gewerkschaft ver.di und bin Teil einer Gruppe von selbstbewussten Pflegekräften und Gesundheitsarbeiter*innen an der Berliner Charité, die schon seit vielen Jahren für mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitssystem kämpft – und dafür auch schon mehrfach die Arbeit niederlegen musste.

Mit dieser Petition möchte ich auch diejenigen zusammenbringen und vernetzen, die – nach der Krise! – die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen und ein Gesundheitssystem aufbauen wollen, das den Menschen und nicht den Profit ins Zentrum stellt. Lasst uns jetzt zusammen durch die Krise gehen und danach ein besseres Gesundheitssystem aufbauen!“

Beteiligungskongress: die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Wirtschaft gemeinsam vor Ort gestalten

Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement haben viele Gesichter. Was sie vereint, ist die Einsicht, dass man mehr erreicht, wenn man sich mit anderen zusammentut. Deshalb wird das Engagement in Kooperationen oder Netzwerken immer wichtiger. Miteinander lässt sich mehr bewirken, gestalten und erreichen. Heute und für die Zukunft, im Kleinen wie im Großen.

Wir können alles, am besten gemeinsam.

Unter diesem Motto findet – so die momentane Planung – der Beteiligungskongress Baden-Württemberg 2020 am 8. Oktober 2020 im Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle in Stuttgart statt. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Der Beteiligungskongress lebt vom intensiven Austausch, vor allem von unserer  Beteiligung.

Wir sind eingeladen, unser Projekt – egal ob groß oder klein – für einen Thementisch einzureichen und auf dem Kongress vorzustellen. Es geht darum, wie wir  Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Wirtschaft gemeinsam vor Ort in Baden-Württemberg gestalten.

 Bis zum 3. April 2020 haben wir die Möglichkeit, unser Projekt für den Beteiligungskongress Baden-Württemberg vorzuschlagen. Es werden alle Vorschläge gesammelt. Danach erhalten wir zeitnah eine Rückmeldung, ob unser Projektvorschlag in das Kongressprogramm aufgenommen werden kann.

Wie Demokratien sterben – und was wir dagegen tun können

Demokratien sterben heute nicht mehr in erster Linie durch Putsche und Staatsstreiche, sondern mit einem Prozess, der an der Wahlurne beginnt.

Zu diesem Befund kommen die beiden amerikanischen Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt in ihrem Buch „Wie Demokratien sterben. Und was wir dagegen tun können. Deutsche Verlagsanstalt München 2018.“

Anfangs demokratisch legitimierte Autokraten bauen die Institutionen eines Staates so um, dass grundlegende demokratische Rechte außer Kraft gesetzt, individuelle und politische Freiheiten eingeschränkt werden und die Opposition kriminalisiert wird.

Aktuelle Beispiele hierfür sehen die Autoren in der Türkei, in Polen, Ungarn oder Venezuela. Mit besonderer Sorge beobachten sie die Entwicklungen in den USA, wo ein gewählter Präsident demokratischen Normen mit teils offener Verachtung gegenüber tritt.

Sie schreiben in der Einleitung auf S. 17 ff. dazu:

Amerika hat im November 2016, als es einen Präsidenten mit zweifelhafter Treue zu demokratischen Normen wählte, beim ersten Test versagt. Donald Trumps Überraschungssieg ist nicht nur auf eine verbreitete Unzufriedenheit in der amerikanischen Bevölkerung zurückzuführen, sondern auch darauf, dass die Republikanische Partei die Nominierung eines extremistischen Demagogen aus den eigenen Reihen als Präsidentschaftskandidat zuließ.

Wie ernst ist die Gefahr jetzt? Viele Beobachter verweisen beschwichtigend auf unsere Verfassung, die genau zu diesem Zweck geschrieben wurde: um Demagogen wie Donald Trump zu bremsen und zu zügeln. Das von James Madison ersonnene System der Gewaltenteilung hat seit über zwei Jahrhunderten Bestand. Es hat den Bürgerkrieg, die Weltwirtschaftskrise, den Kalten Krieg und Watergate überlebt. Es wird also gewiss, so die Meinung der meisten Politikexperten, auch Donald Trump überstehen. Wir sind da weniger sicher.

Gewiss, bislang hat unser System der Gewaltenteilung und Kontrolle recht gut funktioniert – aber nicht, oder nicht nur, aufgrund des von den Gründungsvätern geschaffenen Verfassungssystems. Demokratien funktionieren dort am besten – und überleben am längsten –, wo die Verfassung durch demokratische Normen unterfüttert ist. Die amerikanische Gewaltenteilung wird durch zwei grundlegende Normen gestützt, die wir für selbstverständlich halten: gegenseitige Achtung oder, anders ausgedrückt, das Einvernehmen darüber, dass konkurrierende Parteien einander als legitime Rivalen betrachten, und Zurückhaltung, das heißt, Politiker sollten ihre institutionellen Vorrechte vorsichtig und mit Fingerspitzengefühl ausüben.

Im 20. Jahrhundert konnte sich die amerikanische Demokratie fast immer auf diese beiden Normen oder Gebote stützen. Die Führer der beiden großen Parteien akzeptierten sich gegenseitig als legitime Vertreter des Volkes und widerstanden der Versuchung, ihre zeitweilige Macht zu nutzen, um die Vorteile für ihre eigene Partei zu maximieren. Die Gebote der Achtung und Zurückhaltung dienten als Leitplanken der amerikanischen Demokratie, die dazu beitrugen, dass die Parteien sich nicht bis aufs Messer bekämpften und dabei die Demokratie zugrunde richteten, wie es anderswo auf der Welt geschehen ist, etwa in Deutschland in den 1930er Jahren und in Südamerika in den 1960er und 1970er Jahren.

Heute sind diese Leitplanken der amerikanischen Demokratie jedoch geschwächt. Donald Trump mag diese Entwicklung beschleunigt haben, aber er hat sie nicht ausgelöst. Die Herausforderungen, vor denen die amerikanische Demokratie steht, reichen tiefer.“

In ihrer historisch angelegten Analyse arbeiten Levitsky und Ziblatt Kriterien heraus, mit deren Hilfe sich Aushöhlung und letztlich Niedergang demokratischer Systeme erkennen lassen. Sie beschreiben, welche Warnsignale Demokraten nicht überhören und welche Schlüsse sie ziehen sollten, wenn sie sich und die Demokratie in ihren Ländern gegen Autokraten verteidigen wollen.

Leseprobe Levitsky_Ziblatt_Wie Demokratien sterben…Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Levitsky und Ziblatt: Von der Verfeindung zur Zerstörung der US_Demokratie in: Blätter für deutsche und internationale Politik Ausgabe 8 _2018