Klimawandel – Wer hilft den Menschen, sich zu ändern?

Quelle:  Science Media Centre Germany

9.09.2019

Klimawandel – Wer hilft den Menschen, sich zu ändern? Teil 4

Anlass

Mit „Fridays for Future” kam der Klimaschutz mit Macht zurück auf die politische und mediale Agenda. Was jedoch bislang kaum diskutiert wird: Wie kann der Einzelne aktiviert werden zu handeln? Was hindert Menschen daran zu handeln? Stattdessen wirkt es derzeit so, als versuche die Politik die Quadratur des Kreises. Klimaschutz, ja bitte – aber der Bürger soll weiterleben wie bisher. 

Am 20. September 2019 entscheidet das Klimakabinett darüber, wie die Bundesregierung den Kohlendioxidausstoß Deutschlands senken will. Am 23. September präsentiert Angela Merkel dieses Programm dann auf dem UN-Klimagipfel „Climate Action Summit 2019” in New York. Das nehmen wir zum Anlass, diejenigen zu unterstützen, die sich die Frage stellen: Was kann der Einzelne tun – und wer kann wie die Menschen dazu bewegen, nach 30 Jahren Diskussion endlich mit dem Handeln anzufangen? 

Wir fragten dazu Wissenschaftler aus den verschiedensten Disziplinen an – Kommunikationswissenschaften, Philosophie und Ethik, Ökonomie, Psychologie und Soziologie.

Teil 1: Kommunikationswissenschaften und Klimakommunikation

Teil 2: Philosophie und Ethik

Teil 3: Ökonomie

Teil 4: Psychologie und Soziologie

Übersicht

  • Dr. Michael Kopatz, Projektleiter Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Forschungsbereich Energiepolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal
  • Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge, Professorin für Sozialwissenschaften in den marinen Tropen, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie GmbH (ZMT), Bremen
  • Prof. Dr. Andreas Ernst, Professor für Umweltsystemanalyse/Umweltpsychologie und Stellvertretender Geschäftsführender Direktor des Center for Environmental Systems Research, Universität Kassel
  • Prof. Dr. Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie, Universität Koblenz-Landau
  • Dr. Corinna Fischer, Gruppenleiterin „Nachhaltige Produkte und Konsum“, Öko-Institut e.V., Darmstadt
  • Prof. Dr. Ellen Matthies, Professorin für Umweltpsychologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
  • Dr. Immanuel Stieß, Leiter Forschungsschwerpunkt Energie und Klimaschutz im Alltag, Institut für Sozialökologische Forschung GmbH (ISOE), Frankfurt am Main
  • Dr. Roland Quabis, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Sozialpsychologie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München
  • Dr. Astrid Kause, Post-doctoral Researcher Energy and Climate Change Mitigation, University of Leeds, Vereinigtes Königreich

Statements

Dr. Michael Kopatz

Projektleiter Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, Forschungsbereich Energiepolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Wuppertal

„Befragungen zeigen, dass sich fast die gesamte Bevölkerung mehr Engagement beim Klimaschutz wünscht, doch geflogen wird so viel wie nie zuvor. Kollektiv wollen wir den Wandel, individuell möchten nur wenige den Anfang machen. Es ändert sich wenig, weil sich die Menschen benachteiligt fühlen, wenn sie ‚allein‘ auf den Flug oder das Auto verzichten oder sich einschränken. Das kann sich ändern, wenn wir das erwünschte Verhalten zur Routine machen.“

„Verhältnisse ändern Verhalten: Strukturen müssen sich so verändern, damit Öko zum Normalfall wird. Die Produkte im Supermarkt können nachhaltiger werden, ohne dass sich jede und jeder über das nachhaltigste Produkt oder moralisch korrekten Konsum den Kopf zerbrechen muss.“

„Die Verkehrswende ist möglich – ohne persönlichen Verzicht. Und auch ‚Bio für alle!‘ ließe sich leichterhand ins Werk setzen. Es ist Aufgabe der Politik, die Konsumenten von der Last zu befreien, immer die ‚richtige‘ Entscheidung treffen zu müssen.“

„Damit sich die Strukturen ändern, müssen sich die Bewegten dafür einsetzen. Persönliche Verantwortung heißt nicht, nur noch Bambusbecher to go zu nehmen. Persönliche Verantwortung heißt, für eine politische Umgestaltung grundlegender Mechanismen zu kämpfen.“

„Laut einer Studie der Politikwissenschaftlerin Erica Chenoweth führten Bewegungen des 21. Jahrhunderts dann zum Erfolg, wenn sie mindestens 3,5 Prozent der Menschen beständig mobilisieren konnten. Diese Menschen, zum Beispiel aus der EDSA Revolution der Philippinen oder der Rosenrevolution in Georgien, haben sich nicht darauf beschränkt, zuhause gewaltfreie Kommunikation zu üben.“

„Sie gingen auf die Straße und demonstrierten. Sie haben politische Forderungen gestellt. Sie haben gemeinsam protestiert. Die Zahl 3,5 Prozent kann ein Mutmacher sein, sich nicht in Diskussionen über Urlaubsflüge zu verheddern, sondern mit #ExtinctionRebellion Straßen zu blockieren.“

„Katastrophenkommunikation lässt die Menschen abstumpfen. Einerseits. Doch was ist die Alternative? Nicht berichten? Es hilft aber nichts. Man kann nicht damit aufhören, das Thema und die Zuspitzung der Klimakrise immer wieder aufs Neue und verschiedenen Varianten aufzubereiten. Zudem kommen immer neue Generationen in den Radar journalistischen und wissenschaftlichen Wirkens. Ein neues Buch über die Bekämpfung der Klimakrise kann durchaus zu 90 Prozent aus bekannten Inhalten bestehen. Es erreicht aber womöglich neue Zielgruppen beziehungsweise Generationen.“

Prof. Dr. Anna-Katharina Hornidge

Professorin für Sozialwissenschaften in den marinen Tropen, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie GmbH (ZMT), Bremen

Auf die Frage, warum die meisten Menschen trotz der Klimakrise ihr Verhalten nicht geändert haben:
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das sich gerne von Strukturen und Alltagsregeln leiten lässt. Verhaltensänderung von vielen zu erzielen, bedarf dem Anpassen unserer rechtlichen, ökonomischen und sozial als akzeptiert geltenden Regeln und Normen. Hier tragen Staat und Markt eine große Verantwortung.“

Auf die Frage, in welchem Verhältnis individuelles Handeln zu den notwendigen politischen Veränderungen beim Klimaschutz steht:
„Handeln auf der Ebene des Individuums und des Kollektivs stellt – insbesondere in einer Demokratie – Grundlage für politische Entscheidungsfindungen dar. Strukturwandel, Veränderungen auf Gesetzesebene beispielsweise gehen somit in der Regel auf gesellschaftliche Umdenkprozesse und Verhaltensänderungen, wie beispielsweise im Konsumverhalten, zurück.“

Auf die Frage, inwiefern es Sinn hat, dass der Einzelne sein individuelles Verhalten ändert:
„Verhaltensänderung auf Ebene des Einzelnen und hin zu einem Klima-verträglicheren Umgang mit unserem Planeten ist absolut notwendig, um auch größere gesellschaftliche Umdenkprozesse zu erreichen.“

Auf die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen Menschen oder Institutionen bereit sind, ihr Verhalten zu ändern:
„Massive gesellschaftliche Transformationsprozesse gehen entweder auf einschneidende historische Ereignisse zurück, also ökologische Krisen, Kriege, Hungersnöte, oder aber auf sukzessive gesellschaftliche Lernprozesse, die Lebensstile, Moden und soziale Schichten übergreifend prägen und Veränderungen im alltäglichen Verhalten, in den Routinen der Menschen als anstrebenswert erscheinen lassen und sie strukturell ermöglichen.“

Prof. Dr. Andreas Ernst

Professor für Umweltsystemanalyse/Umweltpsychologie und Stellvertretender Geschäftsführender Direktor des Center for Environmental Systems Research, Universität Kassel

„Alle energie- und damit klimarelevanten Verhaltensweisen wie Mobilität, Wohnen oder Ernährung sind Gewohnheiten. Wir wissen selbst, wie schwer es ist, Gewohnheiten zu ändern. Hier helfen nur Bündel von unterstützenden, aber auch lenkenden Maßnahmen, die sowohl im Kopf als auch außerhalb des Kopfes ansetzen. Es ist hier genauso wichtig, durch ernsthafte Vorbilder in Freundeskreis, Politik und Wirtschaft den Stellenwert von Klimaschutz vor Augen geführt zu bekommen, wie die faktische Verfügbarkeit von sicheren Fahrradwegen oder öffentlichem Nahverkehr.“

„Gesellschaftlicher Wandel ist soziale Innovation. Und die funktioniert so wie technische Innovation. Auch die setzt sich zuerst in bestimmten Gruppen durch und breitet sich erst dann auf weitere Schichten aus – oder auch nicht. Weite Kreise der Gesellschaft stehen bereits jetzt vollständig hinter dem Klimaschutz. Andere – aus anderen Interessenlagen – nicht. Die Frage ist also eher, wie man mit diesen Interessenlagen umgeht, ohne den Erfolg des Klimaschutzes aufs Spiel zu setzen.“

„Die Berichterstattung über die zu beobachtenden Auswirkungen des Klimawandels ist alternativlos. Sie hat dazu geführt, dass das Unbehagen wächst. Also das Gefühl, dass wir es mit etwas zu tun haben, das schlecht mit den herkömmlichen ‚Weiter-so‘-Methoden in den Griff zu bekommen ist. Die ‚Fridays for Future‘-Bewegung ist der sicht- und hörbare Ausdruck dieses Unbehagens.“

Prof. Dr. Gerhard Reese

Professor für Umweltpsychologie, Universität Koblenz-Landau

Auf die Frage, warum die meisten Menschen trotz der Klimakrise ihr Verhalten nicht geändert haben:
„Die Antwort ist – wie sicherlich erwartet – nicht ganz einfach. Menschen sind trotz ihrer Ähnlichkeit sehr verschieden, haben unterschiedliche Bedürfnisse, die auf unterschiedliche Weise befriedigt werden.“

„Die Klimakrise ist für uns schwer zu verarbeiten, da sie abstrakt, massiv und auch für viele gefühlt weit weg ist. Dazu kommt, dass die meisten ‚klimafreundlichen‘ Verhaltensalternativen (ÖPNV statt Auto, Zug statt Flug, Bio statt konventionell) oft als unbequemer und teurer erlebt werden, was aber nicht immer stimmt. Dazu kommt, dass die vergangenen Generationen inklusive der jetzigen in ein Wirtschaftssystem reingewachsen sind, das auf Konsum und Kapital ausgelegt ist – und dieses Wirtschaftssystem ist in seinem Ressourcenverbrauch desaströs. Aus diesem ‚Narrativ‘ – also der Erzählung – dass Wirtschaftswachstum nur gut ist, müssen wir uns endlich lösen.“

„Viele Menschen verändern ihr Verhalten nicht, weil Ihnen die Auswirkungen des eigenen Verhaltens zu klein erscheinen – es fehlt an Selbstwirksamkeit. Daher ist es wichtig, dieses Gefühl von Wirksamkeit (‚Ich kann etwas erreichen für den Klimaschutz.‘) auf eine kollektive Ebene zu bringen (‚Wir können gemeinsam mehr Klimaschutz erreichen!‘). Ein zweiter Grund ist, dass wir in einer auf ‚Turbokapitalismus‘ gebürsteten Gesellschaft häufig unsere grundlegenden Bedürfnisse nach sozialen Beziehungen, Kompetenz und Autonomie versuchen, durch Konsum zu befriedigen – anstatt durch gemeinsame Zeit und Erlebnisse.“

„Was braucht es? Psychologisch: Dieses ‚Wir können das zusammen stemmen!‘ ist sehr hilfreich, zudem sich bewusst machen, dass andere auch schon aktiv sind und uns mit Verhaltensalternativen auseinandersetzen. Dazu muss ein Wertewandel kommen – optimalerweise politisch legitimiert – der weniger auf Leistung, Kapital und Wachstum ausgerichtet ist. Politisch: Klare Entscheidungen für Klimaschutz und Umwelt – sowohl mit Verboten (dem Rauchverbot in öffentlichen Räumen und dem Fahren ohne Anschnallgurt weint auch niemand mehr nach) als auch Anreizen und vor allem: der Schaffung von Verhaltensalternativen! Eine Verhaltensalternative zu innereuropäischen Flügen: Ein innereuropäisches Nachtzugnetz! Eine Verhaltensalternative zum eigenen Auto: flächendeckende Sharing-Angebote und ÖPNV. Eine Verhaltensalternative zur fleischreichen Ernährung: Verteuerung von Fleisch und Subventionierung von Gemüse.“

Auf die Frage, ob eine stete Symptomberichterstattung dazu führt, dass Menschen ihre Augen vor den Auswirkungen des Klimawandels verschließen oder eine wachsende Motivation zur Verhaltensänderung bewirkt:
„Es kann beides passieren: Eine Abstumpfung auf der einen Seite, eine dauerhafte Verankerung des Themas in unseren Köpfen auf der anderen Seite. Wir müssen es schaffen, dass Letzteres passiert, dass die Menschen merken: Wir müssen agieren, Kopf in den Sand stecken wird spätestens unsere Kinder massiv treffen – und eben auch in Europa und nicht nur in fernen Inselstaaten. Trockene und viel zu heiße Sommer sind nach einigen Klimawissenschaftlern der Anfang. Wenn der Fridays for Future Bewegung, Extinction Rebellion und allen anderen sozialen Bewegungen gelingt, das Momentum aufrecht zu halten, dann sollte dies mit einem Gefühl ‚kollektiver Wirksamkeit‘ einhergehen und dazu beitragen, eine Verhaltens- und politische Veränderung herbeizuführen.“

„Falls es noch nicht durchgeklungen ist: Wichtig ist, dass wir die psychologischen Aspekte der Reaktionen auf Klimawandel im gesellschaftlichen System diskutieren – natürlich kann ich sagen ‚Fahrt kein Auto!‘, aber das geht eben nicht in einer Gesellschaft, in dem mehr und mehr Menschen pendeln müssen und es – gerade auf dem Land – keine Alternative gibt. Gleichzeitig gibt es aber sogenannte ‚Big Points‘, mit der jede/r Einzelne seinen Beitrag leisten kann – meist ohne zusätzliche Kosten: Weniger Fleisch und Tierprodukte konsumieren, auf Flüge verzichten, Ökostrom beziehen, auf Kurzstrecken Radeln und Laufen statt Auto fahren.“

Dr. Corinna Fischer

Gruppenleiterin „Nachhaltige Produkte und Konsum“, Öko-Institut e.V., Darmstadt

„Die Klimakrise war lange nicht unmittelbar erfahrbar. Auch die Effekte des eigenen Handelns sind nicht direkt zu spüren. Weiter stehen eingespielte Routinen und der Zwang der Verhältnisse klimafreundlichem Handeln entgegen. Zum Beispiel fehlt öffentlicher Verkehr oder Gebäude sind schlecht gedämmt. Oft wirken soziale Normen in die umgekehrte Richtung – etwa, wenn Urlaubsflüge der Normalfall sind. Oder die Menschen haben andere Prioritäten: Alltagsbewältigung, Anerkennung, Erholung oder Erlebnis.“

Dr. Fischer gibt folgende Quellen an: [1], [2].

„Individuelles Handeln ist nur ein Aspekt des nötigen gesellschaftlichen Wandels. Zugleich müssen sich Leitbilder, politische Rahmenbedingungen, Infrastrukturen, Technologien und Märkte ändern. Alle diese Veränderungen greifen ineinander. Die Rolle einzelner Personen oder Gruppen kann darin bestehen, soziale Normen zu verändern, als Konsument*innen Einfluss auf Unternehmen zu nehmen oder eine stringente Klimapolitik zu fordern und ihr Rückenwind geben.“

Dr. Fischer gibt folgende Quellen an: [3], [4], [5].

„Politik sollte weder ‚belohnen‘ noch ‚strafen‘, sondern klimafreundliches Handeln erleichtern und klimaschädliches erschweren. Beispielsweise muss der öffentliche Verkehr verfügbar, bequem, sicher und preisgünstig sein. In Städten sollte er mehr Platz zu Lasten des Autoverkehrs erhalten. Am wirksamsten ist eine Kombination verschiedener Instrumente: Ge- und Verbote, Infrastrukturen, Preise, die die ‚ökologische Wahrheit‘ sagen und Fördermaßnahmen für Investitionen wie Gebäudesanierung. Hinzu kommt eine Kommunikation, die Handlungsnotwendigkeiten begründet und -möglichkeiten aufzeigt.“

Dr. Fischer gibt folgende Quellen an: [6], [7].

Prof. Dr. Ellen Matthies

Professorin für Umweltpsychologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Auf die Frage, warum die meisten Menschen trotz der Klimakrise ihr Verhalten nicht geändert haben:
„Zunächst ist die Ausgangsfrage selbst kritisch zu betrachten. Die Frage stellt die Menschen in ihrer Rolle als Konsument*innen in den Mittelpunkt, genauso wichtig ist ihre Rolle als Bürger*innen. Es hat sich gerade innerhalb der vergangenen Jahre gezeigt, dass die Deutschen in der Mehrheit Umwelt- und Klimaschutz als sehr wichtig erachten [8]. Das ist eine wichtige Reaktion und Veränderung der Menschen als Bürger*innen. Das sichtbare politische Engagement und neue Mehrheiten sind ebenso eine wichtige Veränderung im Verhalten unserer Gesellschaft (Fridays for Future; Zuwachs Grüne bei der Europawahl).“

„Dennoch macht die Frage ‚Was es braucht‘ beziehungsweise auch ‚Woran es derzeit scheitert‘ Sinn für all die Menschen, die ihren CO2-Fußabdruck noch nicht reduziert haben. Individuelles Handeln folgt einer Vielzahl von Zielen, und ökologische Ziele sind in der konkreten Handlungssituation meist nur untergeordnet (das ist in der Umweltpsychologie seit langem bekannt, ein schöner Artikel dazu etwa [9], empirische Arbeiten zusammengefasst in [10]). Viele Ziele und Aspekte der Handlungssituationen im Alltag (Schnelligkeit, Flexibilität, Verhaltenskosten, monetäre Kosten, Status, Genuss) stehen derzeit im Widerspruch zum ökologischen Handeln.“

„Daraus lässt sich bereits die Antwort auf die Frage nach einer sinnvollen Strategie ableiten: Weniger die Betroffenheit, beziehungsweise das Problembewusstsein, muss gefördert werden, denn es ist bereits sehr ausgeprägt. Wichtig ist aus psychologischer Perspektive, dass die Handlungssituation, beziehungsweise die vielen alltäglichen Handlungssituationen, so aussehen sollten, dass das ökologische Verhalten naheliegend ist. Übergeordnet schaffen das sowohl Preise (also höhere Kosten für CO2-intensive und geringere für CO2-reduzierende Produkte/Technologien) als auch Regulierungen. Ich gehe davon aus, dass die meisten Bürger*innen mit ‚Preis‘ Mehrausgaben assoziieren. Eigentlich ist das aber keine Vorstellung, die dem Kern der CO2-Bepreisung gerecht wird. Bislang werden Umweltkosten externalisiert, das heißt: Problematischer Konsum wird indirekt von allen subventioniert. Würde man statt von CO2-Bepreisung korrekt von Subventionsabbau sprechen, wäre die Akzeptanz der Bevölkerung vermutlich deutlich größer für eine solche umfassende steuernde Maßnahme (Studie dazu etwa [11]).“

„Belohnung für positives Verhalten macht zwar individuell Sinn – etwa, wenn engagiertes, mutiges Verhalten anerkannt wird. Wie soll aber Nichtfliegen oder Wenigfliegen belohnt werden? Der Vorschlag einer an den Umweltkosten orientierten Bepreisung, kommuniziert als Subventionsabbau, macht daher in der aktuellen Situation psychologisch am meisten Sinn.“

Auf die Frage, inwiefern eine stete Symptomberichterstattung dazu führt, dass Menschen ihre Augen vor den Auswirkungen des Klimawandels verschließen:
„Was hier angesprochen wird, ist die Problematik, dass Problemberichterstattung nicht nur sensibilisieren kann, sondern auch demoralisieren. Wenn über Jahrzehnte Klimaprognosen immer dramatischer werden, und niemand nimmt es zum Anlass zur Veränderung, dann wird damit indirekt kommuniziert: So schlimm wird es schon nicht kommen. Insofern kann ein Fokus auf Problemberichterstattung sogar der Bereitschaft zur Verhaltensänderung und Politikunterstützung schaden. Es ist daher wichtig, dass im Sinne eines konstruktiven Journalismus zusammen mit der Probleminformation immer auch Handlungsmöglichkeiten (etwa Wechsel zu CO2-freiem Strom, Fleischverzicht, Kompensation der Klimafolgen, Energieberatung und Ergreifen von Maßnahmen im eigenen Haushalt) und bereits angelaufene Problemlösungsinitiativen gezeigt/berichtet werden. Aber mit den vielfältigen Fridays for Future Aktivitäten haben wir ja jetzt alle die Möglichkeit, uns an Lösungen zu beteiligen.“

Dr. Immanuel Stieß

Leiter Forschungsschwerpunkt Energie und Klimaschutz im Alltag, Institut für Sozialökologische Forschung GmbH (ISOE), Frankfurt am Main

„Menschen sind dann bereit, umweltfreundlich zu handeln, wenn Handlungsalternativen bekannt sind und der Aufwand für diese Verhaltensänderungen vergleichsweise gering ist. Hinzu kommt: Viele Verhaltensweisen, mit denen wir das Klima belasten, sind an Routinen gebunden, die wir im Alltag nicht hinterfragen. Beispiele dafür sind die Verkehrsmittelwahl oder die Ernährung. Eine Veränderung solcher Routinen erfordert Wissen, Motivation und Gelegenheiten, etwas anders zu tun als bisher.“

„Politik sollte nicht belohnen oder strafen. Aber sie kann unerwünschte Verhaltensweisen erschweren oder verbieten. Beispielsweise kann sie festlegen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt keine klimabelastenden Öl- oder Gas-Heizungen mehr verkauft werden dürfen. Hausbesitzer*innen, die ihre Heizung erneuern wollen, können dann zwischen unterschiedlichen Techniken, zum Beispiel Wärmepumpen oder Pelletheizungen wählen. Nur dass besonders klimaschädigende Systeme dabei ausgeschlossen sind.“

Dr. Stieß gibt folgende Quellen an: [12], [13].

„Auch die Handlungen kleiner Gruppen können Gesellschaften verändern. Der Grund sind Rückkopplungen und Verstärkungen, die in anderen Teilen der Gesellschaft als Reaktion auf diese Veränderungen auftreten. Solche Rückkopplungen können durch staatliches Handeln verstärkt werden. Die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland entstand zunächst aus der Protestbewegung gegen den Atomstrom. Nach Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurde daraus in wenigen Jahren ein Geschäftsfeld, das einen erheblichen Teil der Stromversorgung Deutschlands deckt.“

Dr. Stieß gibt folgende Quelle an: [14].

Dr. Roland Quabis

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Sozialpsychologie, Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), München

„Große persönliche Verhaltensänderungen gegen die Klimakrise sind für das Individuum noch relativ unattraktiv. Anzuerkennen, dass das eigene Verhalten bisher grundlegend falsch und zum Teil sogar ethisch bedenklich war, wäre stark selbstwertbedrohlich. Um das aufzufangen entsteht häufig eine Form der impliziten Relativierung der Bedrohung der Klimakrise oder von Verantwortungsdiffusion auf andere Akteure in der Gesellschaft. Schließlich ist der eigene Anteil an der Krise ja relativ geringfügig. Oft wartet man auf soziale Vorbilder, die innerhalb der Gesellschaft oder im eigenen Umfeld vorangehen und dafür sorgen, dass Verhaltensweisen, die zuvor außerhalb der Norm lagen, als allgemein akzeptiert und normalisiert gelten. Da auch ein moralisch unstrittiges neuartiges Verhalten trotzdem als eine gesellschaftliche Normverletzung interpretiert werden kann, die für die Mehrheit bedrohlich wirkt, kann dieses neuartige Verhalten auch negative Sanktionen durch das Umfeld mit sich bringen. Am effizientesten können solche Verhaltensweise durch Personen oder Institutionen normativ etabliert werden, die entweder bereits sehr hohe und unstrittige Autorität in der Gesellschaft genießen, oder die ein allgemein sehr hohes Identifikationspotential besitzen. Das wären also Vorbilder, bei denen die meisten Personen eine hohe Ähnlichkeit zu sich selbst sehen oder die sie als besonders sympathisch wahrnehmen. Zu großen Teilen scheint es im Moment so, dass die aktuellen besonders präsenten Klimavorbilder, die in dieser Krise voranschreiten, eher keine klassischen Autoritäten darstellen oder zu großen Teilen wie Normen verletzende gesellschaftliche Außenseiter wirken.“

Dr. Astrid Kause

Post-doctoral Researcher Energy and Climate Change Mitigation, University of Leeds, Vereinigtes Königreich

„Individuen hilft es, den Klimawandel und seine Auswirkungen besser zu verstehen, wenn dieser mit Ereignissen wie Starkregen, Dürre oder Stürmen illustriert wird – und nicht als entferntes, abstraktes Phänomen [15]. Solche Extremwettereignisse zeigen, dass sich das Klima im Hier und Jetzt wandelt [16]. Extremwetter – und eine erhöhte Risikowahrnehmung von etwa Fluten und einer notwendigen Anpassung an diese – kann dabei sogar unabhängig von der politischen Orientierung sein [17]. Extremwetter kann deswegen ein ‚Fenster‘ sein, um über Klimawandel zu sprechen und ihn weniger als Kontroverse darzustellen. Andere Effekte des Klimawandels, wie etwa auf weltweite Migration, sind noch nicht so gut verstanden und diese sollten deswegen eher sehr vorsichtig verwendet werden, um Klimaauswirkungen zu illustrieren.“

„Bis vor wenigen Jahren war der Klimawandel weniger eine ‚Krise‘ als ein politisch stark besetztes Thema und wurde vor allem von eher linken, umweltorientierten, Gruppierungen also hohes Risiko angesehen (eigene Einschätzung). So lässt sich mithilfe grundlegender Wertevorstellungen und der politischen Orientierung oft gut vorhersagen, wie und ob Individuen den Klimawandel als Risiko wahrnehmen [18]. Diese prägen auch zum Beispiel politische Entscheidungen als auch individuellen Konsum, wie zum Beispiel Energieverbrauch. Gleichzeitig sind Klima und Klimawandel eine Herausforderung, die sowohl ökonomisch, ökologisch und sozial ist und somit eine tiefgreifende Veränderung unseres Wirtschafts- und Sozialsystems braucht [siehe 19]. Individuell motivierte Verhaltensänderungen reichen nicht aus, denn wir sind stark von unserem Verhaltenskontext abhängig – das sind die uns umgebende Infrastruktur, wie etwa öffentlicher Nahverkehr und auch unsere soziales und kulturelles Umfeld. Kollegen haben gleichzeitig betont, dass es wichtig ist, einen Dialog über Klima und die damit verbundenen Unsicherheiten zu führen, statt ‚top down‘ Klimafakten zu vermitteln – dies erhöht das Vertrauen in Klimawissen, hilft Individuen, Unsicherheit besser zu verstehen und hilft, Informationsquellen, wie zum Beispiel diverse Onlineseiten, besser einzuordnen [20].“

„Wie und wann Individuen ihr Verhalten ändern, hängt auch davon ab, davon, wie ‚leicht‘ ihnen gemacht wird, den Kontext ihres Verhaltens zu verstehen. Transparente Kommunikation zum Klimawandel und dessen Ursachen muss deswegen um einfache Entscheidungsregeln ergänzt werden, die zeigen, wie ein Ziel erreicht werden kann (sogenanntes ‚procedural knowledge‘, [21]). Zum Beispiel braucht die Information, dass laut dem IPCC 24 Prozent der weltweiten Emissionen pro Jahr aus dem Agrarsektor kommen, Wissen dazu, wie diese gesenkt werden können. Einfache Daumenregeln wie ‚Ersetze tierische Proteine durch pflanzliche Proteine‘ oder ‚Kaufe saisonal‘ können Konsumenten helfen, sowohl ihr eigenes Verhalten zu ändern als auch die entsprechenden politischen Maßnahmen wie Lebensmittelsteuern besser zu verstehen und informiert darüber zu entscheiden [22]. Diese in der Sprache der Konsumenten zu beschreiben, anstatt in politischem Fachjargon, macht sie noch leichter verständlich. Jedoch, allein die (Risiko-) Wahrnehmung zu verändern, trägt nur begrenzt dazu bei, um kollektive Verhaltensänderungen zu erreichen (sogenannter ‚knowledge-action gap‘, [23]). Diese werden nicht nur durch Daumenregeln gesteuert, sondern genauso durch den Entscheidungskontext. Ob ich zum Beispiel einen grünen versus einen herkömmlichen Energieversorger wähle, hängt nicht nur vom Preis ab, sondern auch davon, welchen ‚default‘ oder welche Grundeinstellung ich vorfinde, das heißt wer mein primärer Stromversorger ist, wenn ich zum Beispiel in eine neue Wohnung ziehe.“

„Wie sehr das Verhalten anderer unser eigenes Verhalten beeinflusst hängt stark von der Art des Verhaltens ab, insofern lässt sich kaum verallgemeinern, ob es eine Art gesellschaftlichen ‚Tipping point‘ gibt. Die Entscheidungsforschung zeigt, dass wir uns, abhängig vom jeweiligen Kontext, ganz unterschiedlich an unser Umfeld anpassen. Verhaltensweisen, bei denen wir sensibel auf andere reagieren, und bei denen diese als Vorbilder werden, sind zum Beispiel Energie- oder Wasserverbrauch im Haushalt [24]. Auch Entscheidungen, die nicht direkt mit Klima zu tun haben, lassen sich durch das Verhalten unseres direkten sozialen Umfelds sehr gut vorhersagen, wie zum Beispiel Wahlentscheidungen [25], wahrgenommener Arbeitsstress oder wahrgenommenes Durchschnittseinkommen der Bevölkerung [26]. Menschen ‚wie wir‘, mit denen wir direkt umgeben sind, helfen uns oft mehr dabei, Risiken wie Klimawandel einzuschätzen, als solche, die weit entfernt sind [27]. Deswegen kann es helfen, den bestehenden sozialen Konsens in einem Land, zum Beispiel zu erneuerbaren Energien (wie er etwa in großen Bevölkerungsumfragen immer wieder gezeigt wird), wiederholt klar zu kommunizieren. Dies hilft Individuen, die die negativen Auswirkungen von etwa erneuerbaren Energien auf ihr unmittelbares Umfeld überschätzen, die positiven Auswirkungen wiederum realistisch einzuschätzen [28].“

„Meiner Einschätzung nach gibt es im Bereich Klima und Umwelt noch nicht genug Forschung zur Rolle des sozialen Umfelds auf (Konsum-) Entscheidungen, um einen eindeutigen Schluss zu ziehen – vor allem, für welches Verhalten welche Vergleichsgruppe relevant ist. Neben politischen Einstellungen können unterschiedliche kognitive Mechanismen potenziell dazu beitragen, dass ein anderes Verhalten, und damit langfristig gesellschaftlicher Wandel entsteht, und dass die politische Akzeptanz von Klimapolitik steigt. Eine kann die ‚Verfügbarkeitsheuristik‘ sein – indem vielfach über Klima und die damit verbundenen Risiken berichtet wird, werden diese besser erinnert und als immer wichtiger wahrgenommen. Ein anderer Mechanismus könnten sogenannte ‚spillover‘-Effekte sein – gerade bei Individuen mit hohen Umwelteinstellungen ist es wahrscheinlich, dass, wenn sie in einem Bereich umweltfreundliche Entscheidungen treffen, sie dies auch in anderen tun (auch hierfür verweise ich auf die Forschung am CAST [siehe I]). Schließlich können diese Verhaltensweisen im sozialen Umfeld ansteckend sein [29] – das heißt, mein eigenes Verhalten kann direkt oder indirekte Vorbildfunktion haben, was sich wiederum wie eine ‚stille Post‘-Kette fortsetzen kann.“

Dr. Kause gibt folgende weitere Recherchequellen an: [I], [II].

Literaturstellen, die von den Experten zitiert wurden

[1] Hamann K et al. (2016): Psychologie im Umweltschutz. Handbuch zur Förderung nachhaltigen Handelns. München: oekom.

[2] Fischer C et al. (2019): Stromverbrauch senken. Energieeinsparung durch Suffizienzpolitiken im Handlungsfeld „Stromverbrauch“. UBA-Texte 103/2019. Kapitel 4.1: Hemmnisse und Voraussetzungen für Veränderungsprozesse.

[3] Brohmann B et al. (2015): Wie Transformationen und gesellschaftliche Innovationen gelingen können. Dessau: Umweltbundesamt.

[4] Brand K (2008): Konsum im Kontext. Der „verantwortliche Konsument“ – ein Motor nachhaltigen Konsums? In: Lange, H (Hg): Nachhaltigkeit als radikaler Wandel? VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 71-93.

[5] Debatte Armin Grunwald / Michael Bilharz / Bernd Siebenhüner in den GAIA-Ausgaben 3/2010 und 1/2011.

[6] Fischer C et al. (2019): Stromverbrauch senken. Energieeinsparung durch Suffizienzpolitiken im Handlungsfeld „Stromverbrauch“. UBA-Texte 103/2019. Kapitel 4.2: Schlussfolgerungen für Politikinstrumente.

[7] Warsewa G (2003): Aufklären, Verordnen oder Verkaufen? – Wie läßt sich nachhaltiger Konsum gesellschaftlich herstellen? In: Linne G et al.: Handbuch Nachhaltige Entwicklung – Wie ist nachhaltiges Wirtschaften machbar? Opladen: Leske + Budrich, S. 119-131.

[8] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) (Hrsg.) (2019): Umweltbewusstsein in Deutschland 2018. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage..

[9] Hirsch G (1993): Wieso ist ökologisches Handeln mehr als eine Anwendung ökologischen Wissens? GAIA, 2(3), S. 141–151. DOI: 10.14512/gaia.2.3.6.

[10] Stern P (2000): Psychology and the Science of Human-Environment Interactions. American Psychologist, 55(5), S. 523–530. DOI: 10.1037/0003-066X.55.5.523.

[11] Steg L et al. (2006): Why are Energy Policies Acceptable and Effective? Environment and Behaviour, 38(1), S. 92–111. DOI: 10.1177/0013916505278519.

[12] Diekmann A et al. (2001): Umweltsoziologie. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. ISBN: 3-499-55595-6.

[13] Kopatz M (2018): Ökoroutine: Damit wir tun, was wir für richtig halten. Oekom Verlag GmbH. ISBN: 9783962380847.

[14] Rosenbaum W et al. (2011): Energie und Gesellschaft: Die soziale Dynamik der fossilen und der erneuerbaren Energien. In: Groß M (Hg.): Handbuch Umweltsoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden. 2011. S. 399-420: ISBN: 978-3-531-17429-7.

[15] Spence A et al. (2012): The psychological distance of climate change. Risk Analysis, 32(6), 957–972. DOI: 10.1111/j.1539-6924.2011.01695.x.

[16] Demski C et al. (2017): Experience of extreme weather affects climate change mitigation and adaptation responses. Climatic Change, 140 (2), 149-164. DOI: 10.1007/s10584-016-1837-4.

[17] Bruine de Bruin W et al. (2014): Public perceptions of local flood risk and the role of climate change. Environment Systems and Decisions, 34(4), 591–599. DOI: 10.1007/s10669-014-9513-6.

[18] Kahan D et al. (2012): The polarizing impact of science literacy and numeracy on perceived climate change risks. Nature Climate Change, 2(10), 732–735. DOI: 10.1038/nclimate1547.

[19] O’Neill D (2018): Is it possible for everyone to live a good life within our planet’s limits? The Conversation.

[20] Pearce W et al. (2015): Communicating climate change: Conduits, content, and consensus. Wiley Interdisciplinary Reviews: Climate Change, 6(6), 613–626. DOI: 10.1002/wcc.366.

[21] Hertwig R (2017): When to consider boosting? Some rules for policy makers. Behavioural Public Policy, Volume 1, Issue 2, November 2017, S. 143-161. DOI: 10.1017/bpp.2016.14.

[22] Kause A et al. (2019): Public perceptions of how to reduce carbon footprints of consumer food choices. Environmental Research Letters (in press). DOI: 10.1088/1748-9326/ab465d.

[23] Kollmuss A et al. (2002): Mind the Gap: Why do people act environmentally and what are the barriers to pro-environmental behavior? Environmental Education Research, 8(3). DOI: 10.1080/13504620220145401.

[24] Abrahamse W et al. (2013): Social influence approaches to encourage resource conservation: A meta-analysis. Global Environmental Change, 23(6), 1773–1785. DOI: j.gloenvcha.2013.07.029.

[25] Galesic M et al. (2018): Asking about social circles improves election predictions. Nature Human Behaviour, 2(3), 187–193. DOI: 10.1038/s41562-018-0302-y.

[26] Galesic M et al. (2012): Social sampling explains apparent biases in judgments of social environments. Psychological Science, 23(12), 1515–1523. DOI: 10.1177/0956797612445313.

[27] Spence, A., Poortinga, W., & Pidgeon, N. (2012). The psychological distance of climate change. Risk Analysis, 32(6), 957–972.

[28] Devine-Wright P (2012): Explaining „NIMBY“ objections to a power line: The role of personal, place attachment and project-related factors. Environment and Behavior, 6, 761-781. DOI: 10.1177/0013916512440435.

[29] Westlake S (2019): Climate change: yes, your individual action does make a difference. The Conversation.

Weitere Recherchequellen

[I] Centre for Climate Change and Social Transformations: Our areas of focus.

[II] Online Research @ Cardiff (2017): European Perceptions of Climate Change. Six recommendations for Public Engagement.

VCD-Kreisverband Esslingen – neue Website – neuer Vorstand

Der VCD-Kreisverband Esslingen hat eine neue Webseite .

Bei der Mitgliederversammlung am 5.12.2020 im historischen alten Rathaus in Esslingen verabschiedete sich Dirk Rupp nach 27 Jahren Vorsitz aus dem Kreisvorstand.  In seinen großen Fußstapfen macht sich unser neues Vorstandsteam mit einer Mischung aus „frischem Wind“ und „alten Hasen“ auf, zum weiterbohren der immer noch sehr dicken Bretter.

Neue Vorsitzende ist Petra Schulz Verkehrsclub Deutschland Kreisverband Esslingen e.V.  (petra.schulz@vcd-esslingen.de)

Mobilitätskonzept für Esslingen „Gemeinsam unterwegs“ vorgestellt

Die Esslinger Verwaltung hat in der Gemeinderatssitzung am 16.11.2020 ein Mobilitätskonzept für Esslingen vorgestellt. Ermutigend und erfreulich sind die Ansagen und Ziele die dort genannt werden: Zielwerte Modal Split bis 2027

Konkretes Ziel des Mobilitätskonzeptes ist es, den Modal Split, also die Verteilung des Verkehrs auf die unterschiedlichen Verkehrsmittel, wie folgt zu Gunsten prinzipiell stadtverträglicher Fortbewegungsformen zu verlagern:

  • PKW von 54 auf 40 %(ca. -25 %)
  • Radverkehr von 7 auf 15 % (ca. +100 %)
  • ÖPNV von 15 auf 20 % (+ 30 %)
  • Fußverkehr von 24 auf 25 % (+ 5 %)

Ermutigend und erfreulich war auch die Präsentation dazu von BM Wallbrecht nachvollziehbar in der Videoaufzeichnung (ab 1:03) der Gemeinderatssitzung.

Mit den bislang ausgewiesenen Maßnahmen könne diese Ziele aber bei weitem nicht erreicht werden. Die Maßnahmen müssen also noch deutlich nachgeschärft werden. Gerade was die Umverteilung des Verkehrsraums angeht braucht es hier sicher viel Unterstützung aus der Bevölkerung. CDU, Freie Wähler und FDP haben dazu bereits ihren Widerstand angekündigt.
Wie Frau Silberhorn-Hemminger als Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler zu solchen Maßnahmen steht erklärt sie gleich nach der Präsentation im Video.

Das Magazin Brandeins greift die anstehende Transformation der Innenstädte auf:
https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2020/die-neue-konsumgesellschaft/was-kommt-nach-der-einkaufsstrasse

Alles zur Esslinger Aktion Unser Platz – Falschparker stoppen im letzten Dezember gibt es auf der Webseite von pedES.

Ende 2020 hat sich die Esslinger Ortsgruppe von Fuß e.V. gegründet. Ansprechpartner ist Jörg Exner, esslingen@fuss-ev.de  Fuss e.V. Esslingen freut sich über weitere Mitglieder. Esslingen wird als eine von zehn Kommunen am Fußverkehrs-Check des Verkehrsministeriums BW teilnehmen.Dabei werden Bürgerinnen und Bürger, Politik und Verwaltung gemeinsam die Situation des Fußverkehrs in Teilen der Innenstadt und der Pliensauvorstadt unter die Lupe nehmen und bewerten. Weitere Infos sind hier verlinkt.

100 % elektrischer und damit klimaneutraler Busverkehr in Esslingen ab 2024

Der Esslinger Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 27.07.2020 mit knapper Mehrheit beschlossen, dass der komplette Esslinger Busverkehr vom städtischen Verkehrsbetrieb übernommen wird und ab 2024 ausschließlich mit Oberleitungs-Hybridbussen (Wirkungsgrad <90%) gefahren wird. Esslingen fährt bereits heute schon mit 100% Ökostrom. Nicht zugestimmt haben FDP, Freie Wähler und CDU. Sie halten die Festlegung auf Oberleitungstechnik für falsch und plädieren für mit Wasserstoff betriebene Busse (Wirkungsgrad <15%) deren Serien- und Marktreife jedoch aktuell noch in den Sternen steht.

Batteriespeicher und Wasserstoff Experte Professor Maximilian Fichtner erklärt in der Wiwo Wasserstoff in Fahrzeugen auf absehbare Zeit keinen Sinn macht. Die Herstellung von grünem Wasserstoff benötigt enorme Mengen an klimaneutralem Strom. Diese Mengen sind auf absehbare Zeit keinesfalls verfügbar.

Das hier verlinkte Esslinger Luftreinhaltepapier vom Juli 2020 gibt den klimaneutralen Oberleitungsbetrieb der Busse als eine der Kernmaßnahmen an.

Sem guten Beispiel von Kirchheim und hunderten anderen Städten ist nun auch Esslingen gefolgt:Seit Januar 2021 sind alle Fußgängerzonen, mit Ausnahme der Inneren Brücke, für Radfahren in Schrittgeschwindigkeit freigegeben.

Davon profitieren nachweislich Stadtklima, Weltklima und Handel. Jedoch müssen da wo es eng wird die Aufenthaltsflächen und die Flächen für Rad- und Fußverkehr erweitert werden. Parkplätze sollten dazu in die zahlreichen aktuell wenig ausgelasteten Esslinger Parkhäuser weichen.

Neckartalradweg jetzt verbinden – gemeinsamer Gemeinderatsantrag von Grüne und Die Linke eingereicht

Der ADFC Esslingen begrüßt die Entwurfsplanung und den Dialog zum Neckaruferpark. Joachim Schleicher betont: „Oberste Priorität hat für uns der Lückenschluss. Seit 2017 ist der schmale Uferweg Schiebestrecke, das muss sich jetzt ändern.“ Im Zusammenhang mit dem Neubau der Rossneckarbrücke müsse nächstes Jahr dringend die Verbindung des oberen Wegs an den Neckar hergestellt und der Neckartalradweg wieder geöffnet werden.

Zur Herstellung einen solchen Interims-Rampe haben Grüne und Die Linke noch in 2020 einen Gemeinderatsantrag eingereicht. Eine von der Verwaltung herzustellende Gemeinderatsvorlage steht noch aus. Demzufolge wurde das Thema auch bislang nicht im Mobilitätsausschuss behandelt. Notwendig ist die Umleitung weil der Bau des Radschnellwegs voraussichtlich erst nach 2025 beginnt. Hier geht es zum ganze Beitrag und die Stellungnahme vom Bündnis Esslingen aufs Rad zu den Entwurfsplanungen Neckaruferpark.

Transformationsforscherin Maja Göpel Keynotespeakerin auf der Jahrestagung des FB Gesellschaft im Deutschen Volkshochschulverband. Sie ist eine sehr interessante Denkerin und ihr Vortrag stand unter dem Motto „Nachhaltigkeit in der Krise. Wie wir die Welt jetzt neu denken müssen“. https://www.youtube.com/watch?v=bLY8l8n_2xs&feature=youtu.be

Podcast vom Deutschlandfunk – Meine 40 Jahre mit dem Automobil

Von seinen ganz persönlichen Erfahrungen erzählt uns der Autor Günther Wessel und Prof. Hermann Knoflacher von den soziologischen Zusammenhängen: „Die Körperenergie eines Autofahrers ist weniger als die Hälfte eines langsamen Fußgängers. Aber was bekommt man dafür? Man bekommt Riesenkraft, das 1000-fache an Kraft, man bekommt einen reservierten, von allen respektierten Raum und man bekommt Geschwindigkeiten, die für einen Fußgänger unerreichbar sind“.

Aufzeichnung der Diskussion: Linker Green New Deal für die Mobilitätswende?  Eine sozial-ökologische Transformation der (Auto)Industrie – Rosa Luxemburg Stiftung Reihe «Spurwechsel» Gerechte Mobilität und alternative Produktion. Podiums-Diskussion mit Rhonda Koch (FridaysForFuture), Bernd Riexinger (Die LINKE), Kai Burmeister (IG Metall) und Carla Noever Castelos (BUNDjugend), Moderation: Mario Candeias (Rosa-Luxemburg-Stiftung).

Videovortrag von Prof. Klaus Dörre: Zur ökologischen Notwendigkeit einer Nachhaltigkeitsrevolution.https://www.rosalux.de/dokumentation/id/43368

uch Ihre Beiträge zum nächsten Rundbrief sind herzlich willkommen.

Petra Schulz

Vorsitzende Verkehrsclub Deutschland Kreisverband Esslingen e.V.
petra.schulz@vcd-esslingen.de

Mobilitätswende – drei Experten: Prof. Dr. Andreas Knie – Dr. Weert Canzler – Prof. Dr. Stephan Rammler

Mobilitätswende – drei Experten: Prof. Dr. Andreas Knie – Dr. Weert Canzler – Prof. Dr. Stephan Rammler

 Andreas Knie – Wohin bewegt sich die Welt? – Tagung „Verkehrswende jetzt!“

2.365 Aufrufe – 05.12.2016

Wo stehen wir bei der Verkehrswende? Prof. Dr. Andreas Knie (Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel, InnoZ) versucht mit Zahlen, Daten und Fakten Licht ins Dunkel zu bringen.

https://www.youtube.com/watch?v=XQMlO3xGOl4

Beitrag A. Knie/Weert Canzler in: Baustelle Elektromobilität. Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität. Reihe: Edition Politik, 95, 2020

https://www.degruyter.com/transcript/view/title/575275

Coronakrise: Gerät die Verkehrswende unter die Räder?

1.634 Aufrufe – 01.04.2020

Der ÖPNV ist auf das Nötigste reduziert. Neue Mobilitätsformen pausieren teils gänzlich. Und Automobil-Lobbyverbände bringen obendrein eine Verschiebung der CO2-Vorgaben ins Gespräch – und damit die Elektromobilität in Gefahr. Gerät die Verkehrswende unter die Räder? Das haben wir für die zweite Sendung aus dem electrive.net-Studio vier Experten gefragt.

Besonders deutliche Worte fand dazu Prof. Dr. Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB).Stefan Hajek, Redakteur im Ressort Innovation & Digital der „WirtschaftsWoche„, hat als profunder Kenner der Elektromobilität überlegt, wie sich das Lobby-Manöver im Hinblick auf die CO2-Vorgaben der EU auswirken könnte. Stefan Heimlich, Vorsitzender des Auto Club Europa (ACE), sieht das Problem nicht ganz so groß. Man solle die Vorstöße der Industrie „sportlich nehmen“, der Elektro-Antrieb sei weltweit auf dem Vormarsch. Abschließend wirft Peter Mock, Europa-Chef des Council on Clean Transportation (ICCT), einen Blick auf den einbrechenden Automarkt. Ein blaues Auge werde sich die Branche wohl mindestens holen.

https://www.youtube.com/watch?v=zD3UkhF136U


Dr. Weert Canzler: Immer in Bewegung – Die Zukunft der Mobilität und der Autoindustrie

11.497 Aufrufe – 31.10.2016

„Wer viel unterwegs ist, ist nicht unbedingt mobil. Und umgekehrt.“ Dr. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin führt in seinem Vortrag bei der Heinrich-Böll-Stiftung durch die fünf wichtigsten Felder der menschlichen Mobilität & deren Bedeutung für die Zukunft.

https://www.youtube.com/watch?v=Bu7Xj8Lp1fk

  Dr. Weert Canzler: Elektromobilität in der Stadt – Chancen nutzen

75 Aufrufe – 13.11.2019 –

Vortrag von WEERT CANZLER, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Er ist Teil der 1. Fachtagung: „MIT SYSTEM NACH OBEN- Stadtquartiere modular erhöhen, ergänzen, weiterbauen“ der WBM Wohnungsbau­gesellschaft Berlin-Mitte vom 4.11.2016.

https://www.youtube.com/watch?v=a5Xd3cVJeKU

Dr. Weert Canzler ADFC Symposium 2017 | Die Zeit für eine Verkehrswende drängt

1.291 Aufrufe 21.11.2017

Vortrag auf dem Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V. Symposium 2017 in Berlin Titel des Vortrags: Die Zeit für eine Verkehrswende drängt Referent: Dr. Weert Canzler | Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)


Prof. Dr. Stephan Rammler: Auf der Überholspur: Volk ohne Wagen?

2.677 Aufrufe – 30.03.2017

Vortrag von Stephan Rammler und Talk mit Andreas Senkter im Rahmen des Kongresses „Unterwegs nach morgen – Visionen für eine nachhaltige Mobilität“ während des ZEIT WISSEN-Preis Mut zur Nachhaltigkeit 2017 Stephan Rammler ist Mobilitäts- und Zukunftsforscher am Institut für Transportation Design & Social Sciences, Hochschule für Bildende Künste Braunschweig

https://www.youtube.com/watch?v=RxoZRJUC5Bo

Nachhaltige Mobilität – Janine Steeger im Gespräch mit Zukunftsforscher Stephan Rammler

502 Aufrufe 10.01.2020

Nachhaltige Mobilität ist ein emotionales Thema, ganz besonders im Autoland Deutschland. Deshalb spricht Janine Steeger mit Stephan Rammler, Professor an der Hochschule Braunschweig für Bildende Künste und wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung Berlin.

Er erklärt, warum unsere Gesellschaft so abhängig von privater, fossiler Mobilität ist, welche Strukturen eine nachhaltige Verkehrsplanung ermöglichen würden und welche Anreize von der Politik gesetzt werden müssen, damit nachhaltige Mobilität für alle Bürger*innen Wirklichkeit wird. Janine Steeger war früher das Gesicht von RTL Explosiv – heute führt sie ein Leben, in dem sich alles um das Thema Nachhaltigkeit dreht. Den Wandel zu »Green Janine« schildert sie in ihrem am 4. Februar 2020 erscheinenden Buch »Going Green«. Ihre Geschichte zeigt, »warum man nicht perfekt sein muss, um das Klima zu schützen« – und dass es nie zu spät ist, den eigenen Lifestyle zu verändern. Mehr zum Buch unter https://www.oekom.de/buch/going-green-9783962381769

https://www.youtube.com/watch?v=XeRZVfFy6Yg

Mobilität in Baden-Württemberg – Auswertung der Landtagsaktiviät in der Wahlperiode 16 (2016 bis Januar 2021) – Befragung der Kirchheimer MdL zur nächsten Wahlperiode 17

Die Website des baden-württembergischen Landtags ermöglicht einen raschen Zugriff auf die Dokumente der nun zu Ende gehenden Wahlperiode 2016 bis 2021.

Eine Suche unter dem Begriff „Mobilität“ ergab 44 Treffer (am 27.1.21), die sich mit dem Thema „Verkehr“ befassen. Wir haben die Treffer hier aufgelistet und nach Fraktionen sortiert. Das Anklicken der Links führt zum jeweiligen Dokument.Landtagsdokumente Wahlperiode 2016 bis 2021 Suchbegriff Mobilität

Einen Ausblick auf die nächste Wahlperiode 17 in Sachen „Aktivität/Positionierung unserer Kirchheimer Landtagsabgeordneten“ erhält man auf der Website „Allianz  Mobilitätswende Baden-Württemberg“, der umwelt- und verkehrspolitischen Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, kirchlichen Institutionen und vielen Einzelpersonen, organisatorisch angegliedert an den Ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) angehören. Zu den Partner zählt auch unsere mobilitätspolitische Initiative „Kirchheim anders mobil“.

Die Allianz hat die Kandidat*innen der Parteien in Wahlprüfsteinen befragt, welche Positionen sie in der nächsten Wahlperiode im Landtag vertreten werden, falls sie gewählt werden.

Hier die Antworten von Ralph Kittl, FDP

Hier die Antworten von MdL Andreas Schwarz (Bündnis 90/Die Grünen)

Hier die Antworten von Regina Pelzer (Kandidatin der ÖDP)

Hier die Antworten von Dr. Natalie Pfau-Weller (CDU)

Hier die Antworten von Hüseyin Sahin (Die LINKE)

Agenda 2030: UN-Entwicklungsziele mit Rückstand nach dem ersten Drittel

Quelle: A&W-Blog

Georg Feigl

Im Herbst 2015 beschlossen die Vereinten Nationen die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung mit 17 Entwicklungszielen, den sogenannten SDGs. Mit diesem Aktionsplan „for people, planet and prosperity“ sollte eine umfassende „Transformation der Welt“ bis zum Jahr 2030 starten.

Am Ende des ersten Drittels der Zeit ist die Bilanz ernüchternd. Ohne massive Anstrengungen werden die SDGs 2030 überwiegend verfehlt. Spätestens nach der Pandemie muss die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen in Österreich wie in der EU auf der politischen Agenda ganz nach oben rücken, um den Rückstand noch aufzuholen.

UN-Agenda 2030 mit dem großen Versprechen einer besseren Welt

„Wir verpflichten uns, uns unermüdlich für die volle Umsetzung dieser Agenda bis im Jahr 2030 einzusetzen. … Wir bekennen uns dazu, die nachhaltige Entwicklung in ihren drei Dimensionen – der wirtschaftlichen, der sozialen und der ökologischen – in ausgewogener und integrierter Weise herbeizuführen.“

Große Worte der Staatengemeinschaft, denen überraschend wenig an Taten gefolgt ist. Ob globale, europäische, nationale oder regionale Ebene – die systematischen Umsetzungsversuche der Agenda 2030 blieben überschaubar. Dabei war einer der ersten Schritte überraschend konkret, nämlich die Festlegung auf 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung, die vielzitierten Sustainable Development Goals (SDGs).

Die SDGs tragen dem Umstand Rechnung, dass „Well-being“ bzw. ein gutes Leben der eigentliche Zweck des Wirtschaftens ist – und nicht etwa ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt (BIP). Zwar gibt es erhebliche Überschneidungen, allerdings geht beim BIP unter, wie dieses zustande kommt (Arbeitswelt), wer in welchem Ausmaß davon profitiert und wie nachhaltig gewirtschaftet wird (ökologisch und sozial).

Einige Aspekte eines guten Lebens verlangen darüber hinaus besondere Aufmerksamkeit, weil sie nicht automatisch zu einem höheren materiellen Wohlstand führen. Das betrifft individuelle Faktoren, klassische öffentliche Güter (wie eine intakte Umwelt oder Sicherheit) sowie die Güter und Dienstleistungen der Ökonomie des Alltagslebens (also die Deckung von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Wohnen, Gesundheit, Bildung oder Mobilität).

Stärkerer Fokus auf Wohlstand und Wohlergehen durch SDGs?

All diese Gesichtspunkte werden in der aktuellen wirtschaftspolitischen Debatte nach wie vor zu wenig beachtet. Trotz zahlreicher Initiativen im letzten Jahrzehnt, die Wohlstand und Wohlergehen neu definierten und in den Mittelpunkt der (wirtschafts-)politischen Debatte rücken wollten, ist wesentlicher Fortschritt nach wie vor kaum festzustellen. Diesen charakterisieren Bache und Reardon wie folgt: „the idea of wellbeing is recognised as an important benchmark of progress, is internalised by key actors, is institutionalised in policy practices and leads to policy changes that have a significant effect on the lives of citizens“.

Eine Ausnahme stellt die OECD dar, die im letzten Jahrzehnt – anknüpfend an den Abschlussbericht der Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission – mit ihrer Better Life Initiative die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen tatsächlich in den Mittelpunkt ihrer Arbeit rückte. Diese Neuausrichtung zeigt sich mittlerweile auch in ihren Politikempfehlungen, sei es in ihren Länderberichten oder in der aktuellen Debatte, etwa wenn es um die Budgetpolitik nach der Corona-Krise geht.

Wenngleich die Agenda 2030 und die SDGs in den ersten fünf Jahren ihrem transformativen Anspruch noch nicht gerecht wurden, könnte sich das nun ändern. So widmen sich Wissenschaft und Zivilgesellschaft verstärkt den SDGs, zumindest formal auch die öffentliche Verwaltung. Nicht zuletzt der aktuelle AK-Wohlstandsbericht ist Ausdruck dieser Entwicklung. Verbessert hat sich zudem die Datengrundlage auf globaler, europäischer und nationaler Ebene.

Politische Umsetzung mangelhaft

Wesentliche Lücke besteht in der Politik. Auf globaler Ebene fehlt es an Steuerungsmechanismen und auf nationaler Ebene am politischen Willen, abseits von Lippenbekenntnissen Verantwortung für die globale Zielerreichung zu übernehmen. So überrascht es nicht, dass im Ergebnis bereits vor der COVID-19-Pandemie die erste umfassendere UN-Zwischenbilanz nicht sehr positiv ausgefallen ist. Die Erreichung vieler Ziele erscheint unwahrscheinlich, und es gibt mehr Unterziele mit Rückschritt als solche, die auf Zielkurs sind.

Besser ist es um die Verfolgung der SDGs auf nationaler Ebene bestellt. Aber auch hier dominiert der Schein. Das Engagement konzentriert sich auf das Erstellen von Monitoringberichten, deren Schwerpunkt die SDG-kompatible Darstellung eigener Erfolge ist. So hält die kritische SDGs-Zwischenbilanz des Global Policy Forum pointiert fest, dass manche Präsentationen der nationalen Fortschrittsberichte „eher den Charakter von Werbefilmen der heimischen Tourismusbehörden“ haben, während Zielabweichungen und Handlungsdefizite kaum zu finden sind. Dabei sind diese essenziell für politische Maßnahmen zur Zielerreichung. Diese Lücke versuchen zwar NGOs mit Schattenberichten zu füllen, doch bleibt deren Effekt bislang beschränkt. Österreich ist hier nicht viel anders, wenngleich gewisse Fortschritte zu verzeichnen sind.

Neue Dynamik auf europäischer Ebene

Ein stärkeres Momentum entstand in den letzten eineinhalb Jahren auf europäischer Ebene. Angesichts der globalen Relevanz der EU ist diese Ebene auch unerlässlich für die „Transformation der Welt“, da sie eine Vorreiterrolle bei der Festlegung hoher sozialer und ökologischer Standards spielen kann.

Mit dem Amtsantritt der neuen Kommission fanden die SDGs bzw. die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen stärker Eingang in zentrale politische Dokumente. Zumindest im Anhang ist nun auch in der laufenden wirtschaftspolitischen Ausrichtung im Rahmen des Europäischen Semesters der Fortschritt bezüglich der SDGs enthalten. Im Frühjahr zeigte sich dabei folgende Zwischenbilanz:

Schreibt man den Trend der vergangenen fünf Jahre fort (methodische Details im aktuellen Eurostat-Bericht), wird 2030 nur bei einem („friedliche und inklusive Gesellschaft“) der 17 SDGs wesentlicher Fortschritt festzustellen sein; bei allen anderen Zielen besteht zum Teil noch erheblicher Handlungsbedarf.

Corona-Krise: kurzfristig Rückschlag, aber Öffner für Möglichkeitsfenster?

Die COVID-19-Pandemie brachte eine dreifach negative Wirkung:

Gleichzeitig mit den negativen Auswirkungen kam mit der Pandemie allerdings auch eine positive Entwicklung in Gang, die eine Beschleunigung der Transformationsbestrebungen im Sinne der Agenda 2030 in der EU ermöglichte – insbesondere punkto Klimaschutz. Hervorzuheben ist der Recovery Plan, mit dem kurzfristig erheblich mehr Mittel für das neue Leitprojekt bis 2030 – den sogenannten Green Deal – zur Verfügung stehen.

Positive Schritte ergänzen und verstetigen

Dieses Möglichkeitsfenster im Ausnahmemodus gilt es nun zu nutzen, ehe es sich wieder schließt. Negativszenario wäre eine rasche Rückkehr zur alten Normalität der wirtschaftspolitischen Steuerung, die insbesondere auf eine strikte Budgetpolitik fokussiert. Damit würde sich die Entwicklung nach 2009 wiederholen, als auf dem vorläufigen Höhepunkt der Debatte über eine sozial-ökologische Neuausrichtung die tatsächliche Agenda zunehmend von Kürzungsvorgaben bestimmt wurde.

Für ein positives Szenario bedarf es daher einer raschen Wiederaufnahme des Reformprozesses der europäischen wirtschaftspolitischen Steuerung. Eine solche Reform muss ambitioniert sein und die Steuerung auf eine möglichst breite Basis stellen, also unter Einbeziehung des Parlaments, der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft. Sie muss Debatten um „das Richtige“ innerhalb eines grundsätzlich geteilten, evidenzbasierten Rahmens ermöglichen, in dem dann – unter Berücksichtigung von Synergien und Zielkonflikten – je nach Interessen und Überzeugungen um die konkreten Schwerpunkte gerungen werden kann. Ein breites Set an Indikatoren – ähnlich dem SDGs-Datenset von Eurostat, mit Projektionen bis 2030 – soll die Entscheidungen stützen.

Abweichungen von den Zielen sollten nicht prinzipiell unter Strafe gestellt werden, sondern zu einer neuerlichen vertieften öffentlichen Debatte führen. Anstelle der verengten beratenden Expertengremien (wie Fiskalräten und nationalen Produktivitätsausschüssen) sollten plurale und interdisziplinäre Beiräte zukunftsgerichtete Analysen und Empfehlungen beisteuern, beispielsweise ähnlich der Allianz für nachhaltige Entwicklung in Italien.

Fazit: politischer Fokus auf SDGs gefragt

Die aktuelle Corona-Krise könnte ein neues Möglichkeitsfenster für eine gesellschaftliche Fokussierung auf die nachhaltige Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen sein. Wenngleich mit dem Green Deal und dem Recovery Plan bereits Schritte in die richtige Richtung gesetzt wurden, so sind weitere Maßnahmen notwendig, um die SDGs bis 2030 zumindest überwiegend zu erreichen. Es hat sich gezeigt, dass gute deskriptive Monitoringberichte, eine engagierte Zivilgesellschaft und Debatten in ExpertInnenkreisen zwar wichtig, aber nicht hinreichend sind.

Zentral für die Erreichung der SDGs innerhalb der EU ist der angekündigte Reformprozess der europäischen wirtschaftspolitischen Steuerung. Es braucht das Engagement von Kommission, Rat und Parlament, die sich ernsthaft damit auseinandersetzen, was ihr Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung von Wohlstand und Wohlergehen ist bzw. sein kann. Dabei darf der Horizont nicht an den Grenzen der EU enden, denn die Agenda 2030 ist eine globale Herausforderung – zu der die EU allerdings im besonderen Maße beitragen kann.