Paritätischer Armutsbericht 2022: neuer Höchststand der Armutsquote im zweiten Pandemiejahr

Quelle: Website Paritätischer Wohlfahrtsverband (29.6.2022)

Paritätischer Armutsbericht 2022: neuer Höchststand der Armutsquote im zweiten Pandemiejahr

Erneut hat die Armut in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,6 Prozent im zweiten Pandemie-Jahr einen traurigen neuen Höchststand erreicht.

Der Paritätische Armutsbericht 2022 setzt, wie in jedem Jahr, auf den Erhebungen und Berechnungen des Statistischen Bundesamtes auf. Im Armutsbericht 2021 hatte der Paritätische Daten für das erste Pandemiejahr 2020 analysieren können.

Der durch Corona ausgelöste wirtschaftliche Einbruch ab dem zweiten Quartal 2020 führte im Jahresergebnis 2020 zu einem Absturz des realen Bruttoinlandprodukts um 4,6 Prozent. Die Erwerbstätigenzahlen gingen massiv zurück. Die Arbeitslosigkeit nahm sprunghaft zu. Die Arbeitslosenquote stieg von 5 Prozent in 2019 auf 5,9 Prozent. Die Armutsquote stieg auf 16,2 Prozent, was angesichts der Rahmenbedingungen noch als ein moderater Anstieg zu bewerten ist und vor allem sozial flankierenden Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld zu verdanken war. Gleichwohl markierte dieser Wert einen vorläufigen Höchststand seit der Vereinigung.

Der Armutsbericht 2022 beleuchtet nun das zweite Pandemiejahr, das nach wie vor von ganz erheblichen Einschränkungen geprägt war, zugleich aber auch von einer bereits spürbaren wirtschaftlichen Erholung.

In 2021 zog das Bruttoinlandprodukt real wieder um 2,9 Prozent an und lag nominal mit 3,6 Billionen Euro rund 100 Milliarden Euro über dem Vor-Corona-Stand von 2019 (Grafik 1). Die Arbeitslosenquote sank leicht um 0,2 Prozentpunkte auf 5,7 Prozent und auch die Quote der Bezieher*innen von Hartz IV ging leicht von 8,3 auf 8,1 Prozent zurück.

VdK: Deutschland braucht einen Sozialgipfel

VdK: „Deutschland braucht einen Sozialgipfel!“, 19.8.2022

Ein breites Bündnis mit dem Sozialverband VdK Deutschland, dem Sozialverband Deutschland (SoVD), dem Deutschen Mieterbund (DMB) und der Tafel Deutschland e. V. fordert Bundeskanzler Olaf Scholz auf, sofort einen Sozialgipfel einzuberufen.

In dem gemeinsamen Brief heißt es: „Angesichts steigender Preise für Energie und Lebensmittel sowie den Folgen der Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges haben mittlerweile viele Menschen in Deutschland Angst vor der Zukunft. Sie wissen nicht, wie sie die höheren Rechnungen für Strom, Gas und Öl bezahlen und wie sie durch Herbst und Winter kommen sollen.“

Die Bundesregierung hat zwar ein weiteres Entlastungspaket angekündigt. Bei einer „Konzertierten Aktion“ hat sie zudem mit Arbeitgebern und Gewerkschaften gesprochen und will die Gespräche im September fortführen. Doch mit den wirklich Betroffenen und ihren Vertretern wurde bislang nicht geredet. „Wir als Bündnis fordern Sie daher auf, so schnell wie möglich die Betroffenen zu beteiligen und einen Sozialgipfel einzuberufen. SoVD, VdK, Tafel Deutschland und Deutscher Mieterbund stehen dafür bereit“, heißt es in dem Brief weiter.

Dazu erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele: „Jetzt ist die Zeit zu handeln! Angesichts steigender Preise und einem nahenden Winter brauchen wir sofort Lösungen für das untere Drittel unserer Gesellschaft!“

Als die drängendsten Themen sehen der VdK und seine Partner eine 300 Euro-Energiepauschale für Rentnerinnen und Rentner, die höheren, armutsfesten Regelsätze beim Bürgergeld und in Grundsicherung, eine zügige Wohngeld-Reform, einen dauerhaften Heizkostenzuschuss für alle einkommensschwachen Haushalte, ein Kündigungsmoratorium für Mieterinnen und Mieter sowie die Einführung der Kindergrundsicherung.

Kein Inflationsausgleich mit der Gießkanne

Diakonie Deutschland: Kein Inflationsausgleich mit der Gießkanne (10.8.2022)
Zu den am 10.8.2002 von Bundesfinanzminister Christian Lindner vorgestellten Plänen zum Inflationsausgleich erklärt Diakonie-Vorständin Sozialpolitik Maria Loheide:

 

„Mit der geplanten Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags will die Bundesregierung mit der Gießkanne eine allgemeine Entlastung verwirklichen. Was fehlt, ist die gezielte Entlastung von Haushalten mit geringen Einkommen. Wer bereits jetzt jeden Euro in den täglichen Bedarf stecken muss, den bringt die Inflation in existenzielle Not. Dieser Vorschlag sowie die bisher umgesetzten Entlastungspakete wirken bei den Ärmsten am schlechtesten: Wer keine Einkommenssteuer zahlt – wie in Armut lebende Haushalte, prekär Beschäftigte, viele Alleinerziehende oder Menschen im Sozialleistungsbezug – profitiert kaum von steuerlichen Instrumenten.

Diese Menschen brauchen gezielte Zuschüsse, um das Inflationsloch zu schließen. Darum müssen die Sozialleistungssysteme auf den Inflationsprüfstand und die Entlastung sozial zielgenau sein. Die Diakonie schlägt als Notfallinstrument einen Sofortzuschlag von 100 Euro im Monat für ein halbes Jahr vor für Empfängerinnen und Empfänger von Transferleistungen vor.“


AWO kritisiert Pläne für Inflationsausgleichsgesetz (11.08.2022)

Dringender geboten als Steuergeschenke an Wohlhabende sind die deutliche Erhöhung der Regelsätze und eine schnelle, realistische Anpassung an das Inflationsgeschehen.

Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt lehnt die gestern vorgestellten Steuerpläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner ab. Dazu erklärt AWO-Präsident Michael Groß:

„Bundesfinanzminister Lindner plant eine Änderung des Grundfreibetrags und eine Verschiebung der Eckwerte in der Einkommensteuer. Durch diese Anpassungen werden zwar alle Steuerzahler*innen entlastet, doch werden dadurch auch bedeutende Mehrausgaben für die öffentliche Hand generiert. Man muss es ganz klar sagen: Geld ist das zentrale Instrument, mit dem Politik gestaltend zum Wohle der Allgemeinheit eingreifen kann. Allerdings fällt die Entlastungswirkung bei Hochverdienenden in absoluten Zahlen höher aus als bei Geringverdienenden. Die vorgesehenen Anpassungen entlasten somit wohlhabende Haushalte auf Kosten dieser Allgemeinheit. Bei einkommensschwachen Haushalten machen sich die Änderungen im Geldbeutel dagegen wenig bemerkbar.“

„Das ist nicht mehr nur sozial nicht ausgewogen, sondern ein Skandal“, so Groß weiter, „Entlastungen müssen bei jenen ankommen, die sie wirklich brauchen und einen hohen Anteil ihres Einkommens für Grundbedürfnisse verausgaben: ganz sicher nicht Personen in der oberen Hälfte der Einkommensverteilung, sondern Geringverdienende und Menschen im Sozialleistungsbezug. Auf Twitter hat der Herr Minister betont, dass ein Steuersystem Ausdruck gesellschaftlicher Gerechtigkeitsvorstellungen sei und von allen als fair empfunden werden sollte. Sehr richtig! Und genau deswegen müssen breite Schultern mehr tragen.“

Laut dem Vorschlag von Lindner solle auch das Kindergeld erhöht werden. Es sei der AWO zufolge zwar generell zu begrüßen, dass insbesondere Familien entlastet werden. Die Erhöhungen sind jedoch viel zu gering und gleichen nicht einmal die Inflation aus. Oberste Priorität müsse stattdessen die Einführung der einkommensabhängigen Kindergrundsicherung haben, da hiermit die Ärmsten zielgerichtet unterstützt würden. Neben Menschen im unteren Einkommensbereich brauchen auch Menschen im Sozialleistungsbezug dringend weitere finanzielle Unterstützung. Dringender geboten als Steuergeschenke an die Wohlhabenden auf Kosten der Allgemeinheit seien daher laut Arbeiterwohlfahrt eine deutliche Erhöhung der Regelsätze sowie eine zeitnahe und realistische Anpassung an das Inflationsgeschehen.


Diakonie Deutschland: Zehn Thesen für einen sozialen und ökologischen Neustart

Quelle: Diakonie Deutschland 23.6.2022

Zehn Thesen für einen sozialen und ökologischen Neustart

40 Organisationen aus dem Sozial- und Umweltbereich fordern in einer gemeinsamen Erklärung einen sozialen und ökologischen Neustart. In einem Zehn-Thesen-Papier sprechen sich die Diakonie Deutschland, der NABU, die Nationale Armutskonferenz gemeinsam in einem breiten Bündnis unter anderem für eine naturverträgliche und sozial gerechte Energiewende, Maßnahmen gegen Naturzerstörung und für den Erhalt der Biodiversität, eine Teilhabe aller an umweltschonender Mobilität, eine klimaschonende Landwirtschaft und nachhaltige Arbeitsformen aus.

  1. Ökologie und Soziales gehören zusammen
  2. Klimawandel, Naturzerstörung und Verlust der Biodiversität sind Existenzkrisen für die Menschheit
  3. Wirtschaft ökologisch gestalten
  4. Energiewende: sozial gerecht und naturverträglich
  5. Teilhabe für alle an umweltschonender Mobilität
  6. Ernährungs- und Landwirtschaftswende
  7. Soziale Gerechtigkeit erfordert Umverteilung
  8. Nachhaltige Arbeitsformen
  9. Globale Verantwortung
  10. In Krisenzeiten Veränderungen umsetzen

Mitzeichnende Organisationen

Informationen und Material zum Download

Solidarität ist gefragt – Aufruf zum Zusammenhalt in Krisenzeiten

Quelle: epd – 1.8.22 –