Die AfD, die Neue Rechte und die Besetzung des Begriffs „konservativ“

Neue Rechte – Die autoritäre Revolte? 1/5 | Vortrag von Volker Weiß (am 24.10.2018 veröffentlicht) – Aufzeichnung vom Fachtag an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU): Die Neue Rechte als Herausforderung für die Demokratie. Den Fachtag eröffnet der Historiker Volker Weiß, der in seiner Publikation „Die autoritäre Revolte“ einen Überblick über die Akteure, Ideen, Begriffe und die Geschichte neuer rechter Bewegungen gibt. Ein zentrales Thema der Veranstaltung ist die Neue Rechte in Sachsen-Anhalt und ihre Bedeutung für die rechtsextremistische Szene.


Christoph Giesa: Gefährliche Bürger: Die Neue Rechte greift nach der Mitte (veröffentlicht am 19.02.18)

Christoph Giesa (geb. 1980) ist Publizist und Drehbuchautor. Sein Schwerpunkt liegt auf gesellschaftlichen Veränderungen und deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Politik. Mit „Gefährliche Bürger“ legte er 2015 gemeinsam mit Liane Bednarz ein Buch vor, das die Entwicklungen rund um AfD, Pegida und Co. in einen Zusammenhang mit der Konservativen Revolution der 1920er Jahre bringt.


Kulturkampf von rechts Vortrag von Helmut Kellershohn, Oberstudienrat i.R., wissenschaftlicher Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung.

Der „Kulturkampf von rechts“ ist mehr als ein Kampf um die Werte und Normen, um den geistigen Überbau einer Gesellschaft, er ist mehr als nur ein Weltanschauungskampf, er zielt auf die Eroberung der politischen Macht und die Umgestaltung der Gesellschaft. Die rechten Vordenker in und außerhalb der AfD wähnen sich in „einem Kampf um die Vorherrschaft im eigenen Raum“, und das ist nun mal keine Debatte oder Diskussion im eigentlichen Sinne, sondern, soweit der Kampf mit intellektuellen Mitteln ausgetragen wird, ein „geistiger Bürgerkrieg“, der durch Überzeugung auf Gefolgschaft zielt.

Dieser Bürgerkrieg findet in den zivilgesellschaftlichen Räumen und Institutionen, im vorpolitischen Raum statt. Hier die Oberhoheit zu gewinnen, d.h. das Denken möglichst vieler Menschen, ihre Lebensweise und Weltanschauung zu prägen, wird als Voraussetzung betrachtet, um die politische Macht zu erringen: entweder auf den Wegen, welche die bestehende Verfassungsordnung bereit stellt, oder, unter Umständen, wenn die staatliche Ordnung sich auflöst und zerbricht, in einem realen Bürgerkrieg als ultima ratio.


Vordenker/innen  in diesem Kulturkampf sind Dieter Stein, Chefredakteur der Wochenzeitschrift „Junge Freiheit“,  Dr. Karlheinz Weißmann, Götz Kubitschek und Ellen Kositza, Mac Jongen.

Institutionen: „Bibliothek des Konservatismus“ (Berlin).  Bei den Veranstaltungen treten/traten u.a. auf: Thilo Sarazzin. Vorstellung seines Buches „Feindliche Übernahme“; Josef Kraus (langjähriger Präsident des Deutschen Lehrerverbands): 50 Jahre Umerziehung – Die 68er und ihre Hinterlassenschaften

Institutionen: Institut für Staatspolitik, IfS (Schnellrodha)


Jeder hasst die Antifa!“ – »Finis Germania« – Die »Rechte Wende« von Identitären, AfD, PEGIDA & Co. (Die »Rechte Wende« (3sat) 22.11.2017 )


„Das Konservative muss vor den Rechten geschützt werden

Die Neue Rechte beansprucht das Konservative für sich, um bei den Bürgern zu punkten. Die wahren Konservativen dürfen ihnen nicht das Spielfeld überlassen, sondern müssen ihre Geisteshaltung retten.

In der gegenwärtigen Debatte rund um die immer stärker werdenden rechtsautoritären Bewegungen in ganz Europa gewinnt die begriffliche Abgrenzung an Bedeutung. Typischerweise reklamieren die Protagonisten dieser Strömungen für sich, nicht rechts, schon gar nicht „neurechts“, sondern einfach nur „konservativ“ zu sein.

So lehnt etwa Dieter Stein, der Chefredakteur der „Jungen Freiheit“, den Begriff „neurechts“ für sein Blatt ab und spricht lieber von „konservativ“, obwohl etwa mit Karlheinz Weißmann einer der Chefvordenker der deutschen Neuen Rechten Stammautor ist und im Verlag der „Jungen Freiheit“ im Herbst 2014 die Autobiographie von Alain de Benoist in deutscher Übersetzung erschienen ist. De Benoist hat die Neue Rechte in den 1970er Jahren in Frankreich als „Nouvelle Droite“ aus der Taufe gehoben.

Götz Kubitschek, der mit seinem Verlag „Antaios“ und seiner Zeitschrift „Sezession“ den radikalen Teil der neurechten Szene darstellt, und sein Umfeld sprechen hingegen immer wieder selbstbezeichnend von der „Neuen Rechten“, beanspruchen aber gleichwohl auch das Etikett „konservativ“ für sich.

Die Rechten dürfen sich den Konservativismus nicht aneignen. 

Der Kampf um den Begriff „konservativ“ ist keineswegs ein Selbstzweck, keine L’Art pour L’Art. Denn wer es schafft, sich als „konservativ“ auszugeben, hat es weitaus leichter, mit seinem Gedankengut in die bürgerliche Mitte einzudringen als jemand, der sich offen neurechts oder rechtspopulistisch nennt. So nimmt es kein Wunder, dass diese Begriffsdebatte eine lange Tradition hat.

Der Soziologe Volker Weiss wies Anfang Juni in der „Zeit“ darauf hin, dass Armin Mohler (1920-2003), der Privatsekretär Ernst Jüngers und gewissermaßen der Ahnherr der Neuen Rechten in Deutschland – Götz Kubitschek hielt seine Grabrede -, bereits in der Anfangszeit der Bewegung klarstellte: „Die Definition, was ‚konservativ‘ sei, ist bereits ein politischer Akt“. Damit hat er fraglos recht.

Und deshalb ist es in Zeiten wie diesen wichtig, den neurechten Bewegungen nicht die Deutungshoheit über den Begriff „konservativ“ zu überlassen. Gleiches gilt für die Unterart des „Liberal-Konservativen“. Neuerdings stößt man nämlich immer häufiger auf Publikationen, die sich „liberal-konservativ“ nennen, tatsächlich aber auch dezidiert rechtspopulistische Texte verbreiten.

Im Grunde ist die Unterscheidung zwischen „rechts“ und „konservativ“ simpel.

Armin Nassehi hat das rechte Denken in seinem Buch „Die letzte Stunde der Wahrheit“ (2015) wie folgt eingekreist:

„Rechts wird Denken also spätestens dann, wenn es eine Homogenität der Eigengruppe annimmt“ und Vielfalt lediglich „insofern gutheißt, als es durchaus unterschiedliche Kulturen und Lebensformen geben darf – aber eben nicht vermischt und innerhalb eines Raumes, sondern nebeneinander“.

Der Fachbegriff hierfür lautet „Ethnopluralismus“. Ein solches Denken ist Konservativen fremd –  verstanden als klassisch Konservative der Nachkriegzeit und nicht als „Konservative Revolutionäre“ der Weimarer Republik wie Carl Schmitt, an die die Neue Rechte anknüpft (wie man vor allem bei der Aslydebatte sehen kann).

Gewiss, Konservative haben in der Regel Vorbehalte gegenüber einer hohen Zahl von Flüchtlingen und Migranten, aber nicht, weil sie wie die Neurechten eine ethnische „Umstrukturierung der Bevölkerung Deutschlands“, „Umvolkung“ oder einen „Bevölkerungsaustausch“ herbeiphantasieren, sondern großen Wert darauf legen, ob der Status der Geflüchteten „legal“ ist. Auch zeigen sie eine gewisse Skepsis gegenüber dem künftigen Gelingen einer erfolgreichen Integration. Damit sind sie aber nicht grundsätzlich gegen die Aufnahme von Menschen aus anderen Kulturen.

Die Liberalkonservativen sind Leute, die verfassungspatriotisch denken

Ein fundamentaler Unterschied zwischen Konservativen und Rechten zeigt sich überdies im Jargon.

Der Konservative weiß, dass viele seiner Forderungen – etwa nach einer Verschärfung des Abtreibungsrechts – nicht mehrheitsfähig sind, aber er jammert deswegen nicht. Von einem „Tugendterror“ zu sprechen und sich als Opfer von „Mainstreammedien“ beziehungsweise „Lügenpresse“ zu sehen, ist nicht Teil des konservativen Denkens. Ebenso wenig die Agitation gegen „die da oben“ beziehungsweise „Volksverräter oder „Altparteien“.

Auch mag sich der eine oder andere Konservative über den Mitte-Kurs der CDU ärgern, käme aber niemals auf die Idee, diese wie etwa Gauland als „verrottet“ zu beschimpfen oder à la Höcke gar ganz generell von „Altparteiengangstern“ zu sprechen. Denn, darauf wies der CDU-Generalsekretär Peter Tauber jüngst an dieser Stelle hin, Konservative „verabsolutieren im Gegensatz zu (…) anderen, die in geschlossenen Weltbildern denken, ihre Haltung nicht“.

In der Spielart des „Liberal-Konservativen“ gesellt sich, wie der Name schon sagt, ein liberales Element zum Konservatismus hinzu, das die Wertschätzung des Pluralismus noch einmal stärker betont.

Einem liberalen Konservativen ist selbiger im Zweifel wichtiger als die Durchsetzung der eigenen Haltung, er betrachtet die liberale Gesellschaftsordnung als einen Wert in sich und als größtes Bollwerk gegen autoritäre Bestrebungen. Er neigt also nochmals weniger als der Konservative zu Pessimismus und betont die Notwendigkeit der Bewahrung des Pluralismus noch einmal stärker – auch wenn dieser zu ungeliebten rot-grünen Koalitionen führen mag. Auch setzt er sich für eine möglichst liberale Wirtschaftsordnung ein, während bei klassisch Konservativen bisweilen die Notwendigkeit der Regulierung stärker betont wird.

Wohl am besten hat der Politologe Jens Hacke beschrieben, was „liberal-konservativ“ ist. Jürgen Kaube fasste sein Denken 2009 in der „FAZ“ wie folgt zusammen:

„Die Liberalkonservativen sind Leute, die verfassungspatriotisch denken, zur Übernahme von öffentlichen Ämtern bereit sind und Politik nicht nur als Exekution von Sacherfordernissen betrachten, sondern als Ort der Selbstverständigung der Gesellschaft über sich. Sie haben ‚ein Grundvertrauen in die vorgefundene Ordnung‘, halten politisches Handeln für eine Ausübung von Tugend und sind weder dem Markt noch dem Staat abhold.“

In diesem Sinne soll diese Kolumne ausgerichtet sein. Sie kann so zu der von Armin Nassehi ausgelösten Debatte beitragen, wie ein Konservatismus des 21. Jahrhundert aussehen kann und warum die Rede von einem „modernen Konservatismus“ gerade im Zuge der Flüchtlingsdebatte keineswegs ein Widerspruch in sich ist.“

Dr. Liane Bednarz https://causa.tagesspiegel.de/kolumnen/liane-bednarz/das-konservative-muss-vor-den-rechten-geschuetzt-werden.html


Der Vordenker der Neuen Rechten, Historiker Dr. Karlheinz Weißmann sprach am 31. Januar 2019 zur Thematik „Der Konservative und die Rechte – Ein gespanntes Verhältnis“. „Der Konservative und die Rechte – Ein gespanntes Verhältnis“

Dr. Karlheinz Weißmann: Kulturbruch ’68 – Die linke Revolte und ihre Folgen (JF*-TV Buchvorstellung) (JF = Junge Freiheit)


AfD – Björn Höcke darf als „Faschist“ bezeichnet werden

Die Stadt Eisenach wollte Proteste nicht zulassen, bei denen Höcke als Faschist bezeichnet wird. Einem Gericht zufolge ist das aber von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Das Verwaltungsgericht Meinigen hat in einem Eilverfahren entschieden, dass der thüringische AfD-Chef Björn Höcke als Faschist bezeichnet werden darf. Die Antragsteller haben dem Gericht zufolge „in ausreichendem Umfang glaubhaft“ gemacht, „dass ihr Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist“, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht. Das berichten unter anderem Spiegel Online und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Hintergrund ist eine Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung mit dem Kundgebungsthema „Protest gegen die rassistische AfD insbesondere gegen den Faschisten Höcke“, die die Stadt Eisenach verboten hatte. Sie hatte zuvor zur Auflage gemacht, dass „die Bezeichnung Faschist“ für Höcke „im Rahmen der Versammlung untersagt“ sei. Die von der Stadt Eisenach angeführte strafrechtliche Relevanz des Begriffs als Beleidigung sah das Verwaltungsgericht Meiningen ebenso nicht wie eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.

Ihre Entscheidung begründeten die Richter damit, dass es um eine „die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage“ gehe, bei der „die Auseinandersetzung in der Sache (…) im Vordergrund steht“. Der Schutz der freien Meinungsäußerung überwiege demnach der Möglichkeit, dass die Bezeichnung „Faschist“ ehrverletzenden Charakter haben könne.

Die Initiatoren beriefen sich vor Gericht auf ihr Grundrecht der Meinungsfreiheit und begründeten ausführlich, warum es sich bei der Bezeichnung Höckes als Faschist um ein zulässiges Werturteil handele. Dazu hatten die Antragsteller zahlreiche Zitatstellen aus einem Höcke-Buch sowie Presseberichte über den AfD-Politiker vorgelegt. 

Höcke tritt bei den Landtagswahlen am 27. Oktober in Thüringen als Spitzenkandidat der AfD an. Der Politiker ist Wortführer des rechtsnationalen AfD-„Flügels“ und fällt immer wieder mit völkischen und fremdenfeindlichen Äußerungen auf. Unter anderem bezeichnete er das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ und rief zu einer 180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik auf.“ 28. September 2019, Quelle: ZEIT ONLINE

Björn Höcke darf als Faschist bezeichnet werden Urteil VG Meiningen 2019

Björn Höcke – der Volksempfänger – „Nie zweimal in denselben Fluss“ – Rezension des Höcke_Buches ZEIT Ausgabe 4_2019

Dr. Liane Bednarz: Die Macht des „Flügels“

AfD – Kasse machen mit den Rechtspopulisten

„AFD – Kasse machen mit den Rechtspopulisten

von Konrad Fischer – 11. März 2016

Der auf Verschwörungstheorien spezialisierte Kopp-Verlag und andere randständige Medienunternehmen gehören zu den wirtschaftlichen Profiteuren des Aufstiegs der AfD.

Als Phantom macht Jochen Kopp seine Sache ziemlich gut. Für zehn Uhr hatte er sich angekündigt, fast eine Viertelstunde ist er nun überfällig. Den Gast hat er in einen Besprechungsraum seines Verlagsgebäudes schicken lassen, der Blick auf den Schwäbischen Albrand ist prächtig. Die Tür steht offen, jedes anschwellende Geräusch könnte Kopp sein. Raschel, raschel, eine junge Frau rauscht vorbei. Murmel, murmel, zwei Mitarbeiter, ins Gespräch vertieft. Bald betritt eine freundliche Dame den Raum, bietet Kaffee an und bringt ihn wenig später.

Das Netzwerk der Hass-Unternehmer

Dann hat ein schüchterner Mann in grob kariertem Hemd und Jeans seinen Auftritt, kommt rein, bleibt stehen, ohne Worte. Vielleicht der Haustechniker? Ein Handwerker? Und wo bleibt Kopp? Der Karierte wippt auf der Türschwelle, als er die Hand angeboten bekommt, greift er zu und stellt sich vor, ohne den Blick entscheidend zu heben: „Jochen Kopp, hallo.“ Was er nicht sagt: Gründer und Inhaber des Kopp Verlags, Leitmedium der Flüchtlingsfeinde und Verschwörungstheoretiker. Der Aufstieg des Rechtspopulismus im Allgemeinen und der AfD im Besonderen ist das politische Thema der Zeit. Wenn nun in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gewählt wird, kommt die Partei wohl in alle drei Parlamente, gar zweistellige Ergebnisse sind zu erwarten. Es wären Erfolge, mit denen sich die Partei wohl endgültig festsetzen würde in der deutschen Parteienlandschaft.

Die gewohnte Machtarithmetik wird das durcheinanderwerfen, aber nicht nur das. Mit dem Aufstieg der Partei und ihrer besorgtbürgerlichen Beiboote entsteht auch Platz für Profite. Zum einen hat die Partei selbst Geld zu verteilen, ihr Budget für 2015 lag bei 6,4 Millionen Euro. Vor allem aber hat sie ein Umfeld geschaffen, in dem sich Geld verdienen lässt. Doch diese Aspekte bleiben bislang seltsam unklar.Dienstleister, die für die AfD arbeiten, vermeiden die Öffentlichkeit, schließlich würde das andere Kunden vergraulen. Und Medienunternehmen, die Pegida mit Gerüchten und Parteimitglieder mit Argumentationsmustern versorgen, bedienen zwar die Öffentlichkeit, schweigen aber wo möglich über ihre Seilschaften und finanziellen Beziehungen.

Der Kopp Verlag, die „Junge Freiheit“, das Magazin „Compact“, die „Epoch Times“, die Namen der Szeneorgane sind bekannt, doch welche Personen und Ziele hinter diesen Publikationen stehen, bleibt unklar. Der Einfachheit halber wird alles in einen großen Topf geworfen, auf dem Rechtspopulismus steht. Doch darin verkochen die Unterschiede. Nur manche der Unternehmen sind tatsächlich wirtschaftlich erfolgreich, dafür ideologiefrei. Andere entpuppen sich als Fortsetzung einer politischen Mission mit publizistischen Mitteln.

Herr Elsässer auf Hass-Tournee

Jürgen Elsässer hat keine Leser, der Mann hat Fans. Als er die Bühne des Kulturhofs im Örtchen Kosma bei Altenburg betritt, brandet Applaus auf. Dann ruft Elsässer: „Die ganze Welt will Deutschland am liebsten abschaffen, außer ein paar Deutschen. Und diese paar müssen sich zusammentun.“ Aus dem Applaus wird Jubel, die Menge steht auf und skandiert den Bürgerrechtsslogan „Wir sind das Volk“. 600 Menschen sind zusammengekommen, in diesem Nest ohne Supermarkt oder Bäckerei. Die drei Straßen des Örtchens sind voller Autos, den Kennzeichen nach nehmen die Menschen weite Wege auf sich, um Elsässer zu sehen. Mainz, Nürnberg, Hannover, viel Leipzig, ein bisschen Vogtland.Eine Stunde lang spricht Elsässer, unterbrochen nur von den Zwischenrufen der Zuhörer, die je nach Thema das Volk beschwören oder die Mainstreampresse verdammen.

Es ist eine demagogische, eine politische Rede, einerseits, aber zugleich auch eine einzige Werbeveranstaltung. Denn Elsässer ist nicht nur ein so radikaler wie begnadeter Redner, er ist auch Chefredakteur und Miteigentümer des Magazins „Compact“. Am Eingang gibt es einen „Compact“-Verkaufsstand, viele der Anwesenden tragen das Magazin als Accessoire unter dem Arm mit sich herum. Es passt so schön zum Runen-Shirt. Zwar veröffentlicht der Verlag keine Bilanz, ein einziger dürrer Bundesregisterauszug weist einen Verlust von 45 000 Euro für das Jahr 2011 aus. Seitdem aber hat sich offensichtlich vieles geändert. Elsässer selbst preist sich mit einer Auflage von aktuell 80 000 Stück, da sich das Blatt nicht den objektiven Zählmethoden der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) unterwirft, lässt sich das zwar nicht überprüfen. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Erfolgsgeschichte im Kern stimmt. An einer Handvoll Bahnhofskioske, die am Monatsanfang Dutzende der Magazine im Programm haben, heißt es: „Das Magazin war die vergangenen Monate immer als eines der ersten ausverkauft.“ Das bestätigen auch Manager aus dem Grossovertrieb. Verhältnismäßig objektiv spiegelt sich der Erfolg in den Zugriffszahlen der Homepage. Allein seit Beginn der Flüchtlingsdebatte im Spätsommer 2015 haben sie sich fast verfünffacht, im Januar waren es laut Informationsdienst SimilarWeb mehr als 1,5 Millionen.

Wie viel Geld Elsässer damit verdient, lässt sich schwer sagen. Allein die Ausweitung des Angebots lässt jedoch darauf schließen, dass es sich lohnt. Unter dem Label „Compact Live“ tritt Elsässer inzwischen fast monatlich auf, die Dauertournee des Hasses führt ihn vor allem durch die ostdeutsche Provinz. Wem das nicht genug ist, der kann seit dem vergangenen Jahr sogar „Compact-Leserreisen“ buchen. Dabei bestimmt die Gesinnung die Route. Eine Reise zu „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ führt die Teilnehmer für 885 Euro in die Sächsische Schweiz, eine andere für „Bildung und Baden“ auf die Krim. Bei der aktuellen Tour in die Masuren ist als Führer Peter Feist von der Firma „History Tours“ dabei – der Neffe von Margot Honecker ist regelmäßiger Pegida-Redner.

Zielgröße ist weniger der Profit als die Verbreitung der Botschaft

Bekannt ist, dass Elsässers Magazin im Verlag des nationalkonservativen Verlegers Kai Homilius erscheint, auch Elsässer selbst hält Anteile. Die beiden haben aber noch einen dritten Partner mit an Bord, der die Öffentlichkeit meidet. Laut Handelsregister hält die „Nordheide Kontor GmbH“ ein Drittel der Compact-Anteile. Geschäftsführer dieses Unternehmens ist Jörgen-Arne Fischer-van Diepenbrock, Unternehmer aus dem Hamburger Umland. Im bürgerlichen Leben ist er Mitinhaber und Geschäftsführer des Unternehmens Jumbo-Fischer, das Nutzfahrzeugzubehör herstellt und vertreibt. Über sein Engagement am Rande des demokratischen Spektrums möchte Fischer-van Diepenbrock lieber nicht reden, auf die Anfragen der WirtschaftsWoche reagiert er nicht.Insgesamt steht „Compact“-Macher Elsässer damit im Mittelpunkt eines Netzwerkes, dessen Zweck nur in zweiter Linie ein wirtschaftlicher ist.

Zielgröße ist weniger der Profit als die Verbreitung der Botschaft. Um ihn herum gruppieren sich zum einen Menschen wie Fischer-van Diepenbrock, die vor allem in komplizierten wirtschaftlichen Zeiten wertvoll sein dürften, um das Blatt finanziell am Leben zu halten. Zum anderen unterstützt Elsässer diverse Personen, die ihm finanziell kaum nützen, jedoch hilfreich sind, um die Agenda rechts der Mitte in seinem Sinne gestalten zu können. Er tritt bei ihren Veranstaltungen auf, hält Reden, schreibt auf deren Plattformen. Elsässer ist so etwas wie der Popstar der rechten Bewegung: ein Idol, das mit seinem Ruhm gutes Geld verdient. Für solche Kategorien scheidet Jochen Kopp schon aus einem einfachen Grund aus: Kaum einer hat ihn je gesehen. Dabei könnte er Leute wie Elsässer leicht vom Thron stoßen, wenn ihm denn danach wäre.

Kopp verlegt mit Udo Ulfkotte nicht nur den einzigen Autor des Pegida-Milieus, der es je auf die vorderen Plätze der Bestsellerlisten gebracht hat. Auch sonst spielt er in einer eigenen Liga. Sein Verteilzentrum verlassen pro Tag mehr als 10 000 Bücher, die Kundenkartei zählt 700 000 regelmäßige Kunden.Dass er diese Macht nicht politisch nutzt, liegt an Kopp selbst. Kopp ist ein zurückhaltender Mensch mit leiser Stimme. Schon beim leisesten Räuspern des Gegenübers unterbricht er seine Ausführungen, ohne selbst jemals dem Gesprächspartner ins Wort zu fallen. Hat Kopp politische Ziele? Langes Zögern, Ausatmen. „Nein, im Prinzip würde ich sagen, dass ich unpolitisch bin. Ich sehe die aktuellen Probleme der Politik eher vor dem Hintergrund der inneren Sicherheit.“ Kopp ist damit das Beispiel einer zweiten Gattung von Unternehmern, die auf der Welle des AfD-Erfolgs reiten und doch mit der Partei selbst nichts zu tun haben. Ob man ihre Motive deshalb für ehrenhafter halten muss, ist eine andere Frage.

Herr Ng tut was für seine Heimat

Manyan Ng findet: ja. „Wir tun etwas für die Meinungsfreiheit in Deutschland.“ Ng ist der mit Sicherheit überraschendste Gewinner des rechten Booms. Ng betreibt die Onlinezeitung „Epoch Times“, die Lieblingspostille der Lügenpresse-Rufer von Pegida. Regelmäßig werden auf der FacebookSeite der Protestbewegung Links der Publikation geteilt, sogar einen Livestream der Demonstrationen bietet man an. Seit Anfang 2015 hat sich die Zahl der Nutzer von 1,4 Millionen im Monat auf 2,3 Millionen fast verdoppelt. Dennoch gibt sich Ng verwundert, als man ihn Ende Januar auf die Schützenhilfe von Pegida hinweist. „Das habe ich nicht gewusst“, sagt Ng, er werde das sofort überprüfen. Tage später schaltet „Epoch Times“ den nächsten Livestream.

Deutlich glaubwürdiger ist da der Rest der ungewöhnlichen Geschichte des Herrn Ng. Er stammt aus Hongkong, Ende der Sechzigerjahre ist er zum Studieren nach Schweden gezogen, er begann dann eine Karriere in der Chemieindustrie, die ihn und seine deutsche Frau irgendwann in den Odenwald führte.So weit, so Globalisierung. Während all der Jahre aber pflegte Ng zusammen mit ein paar befreundeten Exilchinesen in den USA sein politisches Hobby, die Unterstützung chinesischer Regimekritiker. In den späten Neunzigerjahren wurde daraus ein publizistisches Projekt: Die „Epoch Times“ sollte der chinesischen Presse unabhängige Information entgegensetzen. Zunächst machten sie nur eine englische und eine chinesische Ausgabe, seit 2005 folgte eine deutsche.

Eine mutige, eine ehrenwerte Idee. Aber auch eine ziemlich kostspielige. Die gedruckte Version mussten sie bald wieder einstellen, auch sonst kam Ng an seine Grenzen. „Sie können so etwas nicht machen, wenn Sie dauerhaft nur Geld hineinstecken“, beschreibt Ng seine Lage vor ein paar Monaten, die man sich als Zwickmühle vorstellen muss: hier das Prestigeprojekt, das ständig Verluste einfährt. Dort die ersten Artikel über Flüchtlinge, die vielleicht nicht jedem Faktencheck, dafür aber der Bilanzprüfung standhalten. Ng hat seine Entscheidung getroffen. Seit Anfang 2015 schreibt das Projekt nun schwarze Zahlen, der Umsatz liegt im sechsstelligen Bereich, ein Dutzend Mitarbeiter beschäftigt Ng nach eigenen Angaben inzwischen in Berlin, die Hälfte davon Vollzeit. Ein komischer Deal: Damit die Meinungsvielfalt in China steigt, muss Deutschland ein bisschen mehr Desinformation über Flüchtlinge ertragen. Ng ist damit einer der großen Abstauber des rechten Booms: ohne jeglichen ideologischen Anspruch in der Sache, aber auch ohne größere Skrupel und mit dem Gefühl fürs richtige Timing.

Vom Kinderzimmer zum Verlagsgebäude

Jochen Kopp will sein langes Schweigen nicht als Versteckspiel verstanden wissen. „Ich bin einfach kein öffentlicher Mensch“, wiegelt er ab. Vom persönlichen Eindruck ist man geneigt, ihm das abzunehmen.Kopp, der ehemalige Polizist, begann seine Karriere als Verleger mit einer Bücherliste im Kinderzimmer. In den Neunzigerjahren, als Ufo-Theorien eine Art Breitenphänomen waren, hatte sich auch Kopp dafür zu interessieren begonnen – und musste feststellen, dass man die Bücher von Erich von Däniken in Deutschland gar nicht bestellen konnte. Also rief er die Verlage in den USA an, bestellte die Bücher des Ufologen Däniken von dort und begann sie auch im Bekanntenkreis zu verkaufen.

Es folgte eine typische Unternehmerkarriere, wie sie sich in Schwaben auch mit Schrauben, Kettensägen oder Müsli erzählen ließe. Mehr Bücher, neue Themen, mehr Leser. Eigene Autoren, eigene Lagerkapazitäten, schnellere Lieferzeiten, noch mehr Leser. Am Ende steht ein Verlagsprogramm, das seinen größten Umsatz mit Naturheilbüchern macht und die große Aufmerksamkeit mit gesellschaftlichen Skandalschriften erzielt. Das klingt nach einer absonderlichen Mischung, ist aber eine deutlich homogenere Zielgruppe, als es den Anschein hat. Viele derjenigen, die mit dem Rechtspopulismus sympathisieren, haben offenbar auch etwas für libertäre Ideen, die Anlageklasse Gold oder alternative Krebsheilverfahren übrig.

Beispiele gefällig? Der Kopp Verlag hat jedes Jahr einen Stand auf der Münchner Edelmetallmesse – die wiederum vom Betreiber der populären Webseite „goldseiten.de“ organisiert wird. Ebenso sprechen Kopp-Autoren wie Eva Herman und Gerhard Wisnewski regelmäßig auf dem „Alternativen Wissenskongress“ – für das dazugehörige Onlineportal wiederum schreibt Jürgen Elsässer. Auch das libertäre Magazin „eigentümlich frei“ von André Lichtschlag hat über die Gastautorin Beatrix von Storch sowohl Verbindungen zur AfD, über die „Sezession“ aber auch ins extrem rechte und über den Manuscriptum-Verlag ins esoterische Lager.

Aus dieser Melange hat Kopp ein Unternehmen geschaffen, das in einem nicht nur modernen, sondern tatsächlich auch schönen Verlagsgebäude residiert. Die Arbeitsplätze sind um zwei Atrien gruppiert, hinter großen Fenstern schaut man ins Gewusel des Versandzentrums. 80 Mitarbeiter hat Kopp, ein jährliches Umsatzwachstum von 10 bis 20 Prozent, 2015 einen „mittleren zweistelligen Millionenumsatz“, genauer will er nicht werden.Eine normale Unternehmerbiografie? Da muss selbst Kopp widersprechen. „Verleger wird man nicht, wenn man nicht auch eine Überzeugung hat.“ Und was ist seine? „Es gibt Themen, die in den Mainstreammedien kaum stattfinden. Da möchte ich zur Meinungsvielfalt beitragen“, sagt Kopp. Dass er damit vielleicht genau den Stoff liefert, der eben diese Gesellschaftsform infrage stellt, glaubt Kopp nicht, er nennt so etwas lieber „geistiges Juckpulver“.Es sind Sätze, die ein ziemlich akkurates Bild des Verlegers Kopp zeichnen: ein an sich harmloser Verschwörungstheoretiker, der sein Prinzip der gedanklichen Offenheit ein bisschen zu konsequent auslegt.

Dieter Stein und die „Junge Freiheit“

So fächert sich das Bild des rechtspopulistischen Medienunternehmers immer mehr auf, je näher man es betrachtet. Neben einzelnen Akteuren, die sich unverhohlen an die Spitze der Bewegung setzen, gibt es einige, die dem politischen Spektakel interessiert zuschauen, und andere, die lieber die Augen verschließen, um nicht allzu genau sehen zu müssen, woher ihre Gewinne kommen. Aber gibt es die eine Schaltzentrale, bei der alle Fäden zusammenlaufen? Sollte es diesen Ort geben, er müsste hier sein, am Berliner Hohenzollerndamm, laut Stadtplan noble Wilmersdorfer Lage, in der Realität eine so schnurgerade wie schmucklose Ausfallstraße. Im ersten Stock empfängt Verleger Dieter Stein in der Redaktion der „Jungen Freiheit“. Das wichtigste Statement haben sie gleich an die Wand geschlagen: die Auflagenentwicklung seit dem Jahr 2000, auf Millimeterpapier Woche für Woche abgetragen.

„Deutschland ist ein Modell für die Welt“

Dabei bräuchte man keine Millimeter, um die Richtung zu erkennen. Nach oben, zunächst sachte, dann mit immer größeren Sprüngen. Am Ende steht ein Wert knapp über der 27 000, anders als bei Elsässer ist das die echte, IVW-geprüfte Auflage. Keine Tricks. „Ich habe die Zeitung immer als Teil einer politischen Entwicklung verstanden, die das Ziel hat, publizistisch die Gewichte zugunsten der konservativen Seite zu verschieben“, sagt Stein, Verleger, Chefredakteur, Chefkolumnist, Gründer und Übervater. Keiner ist so lange aktiv in der Bewegung wie er, keiner kennt so viele der Beteiligten in und jenseits der AfD. Manche sagen: Die Zeitung ist nicht Teil, sondern Kern dieser Bewegung.

Das zeigt schon Steins Vita. Gegründet hat er das Blatt, noch als Schüler, Ende der Achtzigerjahre als Organ der Jugendorganisation der Freiheitlichen Volkspartei, einer Abspaltung von den Republikanern. Doch Stein setzte damit auf das falsche zweier lahmer Pferde. Die Partei versank schnell in der Bedeutungslosigkeit und mit ihr die „Junge Freiheit“. Den wirtschaftlichen Ruin konnte er nur dank einer Spendensammlung bei besonders treuen Lesern verhindern, die sich seitdem Kommanditisten nennen dürfen, obwohl sie nichts zu sagen haben. Seit den frühen Neunzigerjahren hat Stein viel erlebt in einer Szene, die alles rechts der CDU umfasst, was auf dem Boden der Verfassung noch sagbar ist. Bis heute hat er immer die richtigen Schlüsse gezogen, deshalb ist er nicht bloß noch da, sondern vielleicht mächtiger als je zuvor. Eine Handvoll seiner Redakteure sind in der AfD aktiv, einer ist Pressesprecher des Berliner Landesverbandes.

So ist aus der Zeitung einerseits ein wirtschaftlicher Erfolg geworden, laut Stein setzte der Verlag mit seinen gut zwei Dutzend Mitarbeitern zuletzt gut 3,5 Millionen Euro um, machte dabei Gewinne von mehr als 100 000 Euro. Zum anderen ist er einer der intellektuellen Vordenker der rechtskonservativen Bewegung, ohne sich selbst zu exponieren. Seine Leitartikel geben oft den Ton in parteiinternen Debatten vor. Seit Jahren bemüht er sich, der rechten Intelligenzija ein Forum zu geben. Erst gründete er dafür das „Institut für Staatspolitik“, das der von ihm damit betraute Götz Kubitschek dann aber jenseits der verfassungsrechtlichen Demarkationslinie führte und damit unmöglich machte. Seit einiger Zeit sitzt er nun der Berliner „Förderstiftung für konservative Bildung und Forschung“ vor.

Herr Kopp bestimmt, wer mitspielen darf

Herr Kopp, haben Sie auch so etwas wie Macht? Wieder schweigt der Mann, murmelt das Wort „Macht“ vor sich hin und sagt dann: „Nein, das glaube ich nicht. Nur meine Autoren stehen ja in der Öffentlichkeit“. Es sind Worte, die ihn klein machen sollen. Dabei gibt es doch die Zahlen, die ihn groß machen. Kopps Einfluss ist ein wirtschaftlicher: Einmal im Monat veröffentlicht er sein aktuelles Verlagsprogramm, wer dort erwähnt wird, kann mit einer Auflage im fünfstelligen Bereich rechnen. Mit Akif Pirincci, dem Krimiautor und späteren Skandalredner beim Dresdner Pegida-Aufmarsch, pflegte Kopp einen regen Mail-Austausch. Am Ende aber entschied er sich dagegen, Pirincci Asyl zu geben, wie Kopp sagt, dessen Stil habe ihm nicht gefallen. Auch nach vorne schaut Kopp, anders als Stein oder Elsässer, nur in wirtschaftlichen Dimensionen.

Sein Gegner heißt nicht Merkel oder Lügenpresse – sondern Amazon. „Wir müssen schauen, dass wir mit deren Lieferzeiten mithalten“, sagt Kopp. Bis zu 25 000 Bücher schickt er am Tag an seine Kunden, der größte Teil hat 24 Stunden nach Bestellung sein Ziel erreicht.

Die Wachstumsrate von 20 Prozent sollte sich halten lassen, glaubt Kopp. Ein Nachbargrundstück für den nächsten Neubau hat er sich schon mal gesichert. „Die Wirtschafts- und die Flüchtlingskrise haben gezeigt, wie groß der Bedarf an unabhängigen Informationen bei den Menschen ist.“ Denn: „Je weniger die Mainstreammedien dieses Informationsbedürfnis befriedigen, je besser werden sich unsere Bücher verkaufen.“ Neben Büchern verkauft Kopp längst auch sonst alles, was der Weltverschwörer so braucht. Pfefferspray zur Selbstverteidigung, als Regenschirm getarnte Schlagstöcke, Gasmasken, Astronautennahrung.

Stimmenanteil rechter Parteien (2016)

Polen – PiS – 37,7 Prozent

Niederlande – Partei für die Freiheit – 37 Prozent* (*Umfrage)

Österreich – FPÖ – 33 Prozent* (*Umfrage)

Frankreich – Front National – 31 Prozent*

Schweiz – SVP – 29,4 Prozent

Finnland – Die Finnen – 18 Prozent

Deutschland – AfD – 10,5 Prozent

Das Vokabular von Pegida

Lügenpresse

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhundert geläufig, erlebte das Wort um 1940 eine Renaissance. Dahinter standen laut GfdS immer völkische und nationalistische Anliegen, die die staatlich gelenkte „Lügenpresse“ angeblich zu verschleiern versuchte. Aus Sicht der Protestierenden herrscht auch heute keine wirkliche Meinungsvielfalt oder Meinungsfreiheit. Aus ihrer Sicht bestimmen vielmehr Regierung oder System darüber, was veröffentlicht werden darf.

 Volksverräter

Der Volksverrat findet sich als Straftatbestand erstmals im Nationalsozialismus. Der heutige Gebrauch von „Volksverräter“ zielt nach Angaben der Gesellschaft darauf ab, die gewählten Volksvertreter eben als Verräter an „ihrem“ (sprich: dem deutschen) Volk zu bezeichnen. Vor der Zeit des Nationalsozialismus habe es den Straftatbestand des Hoch- und Landesverrats gegeben. Erst mit dem Wort Volksverrat habe die Straftat aber einen klaren Bezug zur Nationalität erhalten, da mit den bis dahin üblichen Bezeichnungen nicht auf eine völkische oder ethnische Zugehörigkeit Bezug genommen wurde.

Abendland

Laut Wörterbuch Grimm ist die Bedeutung „westlich gelegenes Land“, zunächst also rein geografisch und ohne Bezug zu einer bestimmten Nation, Kultur oder Religion. Ideologisch besetzt ist das Wort jedoch nach Angaben der Sprachforscher durch das Hauptwerk des Geschichtsphilosophen Oswald Spengler „Der Untergang des Abendlandes“, das klare antidemokratische Züge aufweist. Spengler sah die abendländische Kultur im Untergang begriffen und hielt die freiheitliche Demokratie für ein (unausweichliches) Stadium zum Niedergang.

Überfremdung

Im Duden bereits 1929 verzeichnet, 1993 Unwort des Jahres. Auch hier gibt es laut GfdS einen klaren Bezug zur Sprache des Nationalsozialismus. So sprach Joseph Goebbels 1933 von „Überfremdung des deutschen Geisteslebens durch das Judentum“. Heutzutage seien eher andere Gruppen gemeint, das Wort habe sich hartnäckig gehalten.

Wir sind das Volk

Ruf bei den Montagsdemonstrationen in der DDR, später abgewandelt zu „Wir sind ein Volk“ – im Hinblick auf die Wiedervereinigung nach dem Mauerfall. Heute von Pegida aufgenommen – genau wie die Tradition der Montagsdemos – zur Abgrenzung gegenüber Zuwanderern, vor allem solchen muslimischen Glaubens.“

Quelle: Wirtschaftswoche – März 2016

Weitere Infos im Kontext „AfD und Finanzen“

Irreguläre Wahlkampfhilfe – Klage der AfD gegen Strafzahlung in Spendenaffäre abgewiesen – Wirtschaftswoche 9.1.20

AfD und Christen/Christentum

Quelle: SPIEGEL online  – Anette Langer – 28.4.2018

„Kirchen und die AfD – Der  rechte Glaube

Es gibt Christen in der AfD – und Rechte in den Kirchen. Wie bringen sie ihren Glauben in Einklang mit Hetze und Rassismus? Was nicht passt, wird passend gedacht.

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Weitere Informationen und Links

Die Angstprediger – Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern  (veröffentlicht am 21.06.2018)

Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung

  • Dr. Liane Bednarz, Autorin (u.a. des Buch: Die Angstprediger. 2018)  und Publizistin
  • Dr. Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
  • Gesprächsleitung: Dr. Ellen Ueberschär, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, evangelische Theologin

Liane Bednarz Die Angstprediger 2018 Kurzvorstellung und Besprechung


AfD – (K)eine Alternative für Christen? | Alpha und Omega (Kirchenfernsehen: 19.07.2019) – Diskussion: Andreas Malessa, Theologe und AfD-Gegner – Volker Münz, MdB Wahlkreis Göppingen,  kirchenpolitischer Sprecher der AfD


In Bautzen ist die AfD stärkste Partei. Ist jetzt Annalena Schmidt anders, die gegen rechts kämpft – oder der evangelische Pfarrer, der völkische Thesen verbreitet?