Mehr Demokratie (in) Baden-Württemberg

Die Gemeinderatsfraktion LINKE Kirchheim lud am Freitag, 7.2.2020 zu einer höchst interessanten Informationsveranstaltung zum Thema „Bürgerbeteiligung“ ein. Einer der fünf Vorsitzenden von „Mehr Demokratie e.V. Baden-Württemberg„, Dr. Edgar Wunder, referierte sehr kenntnisreich und spannend zum Thema „Bürgerbeteiligung – Bürgerbegehren und Bürgerentscheid“.

An den Anfang seiner Ausführung stellte er Definitionsbemühungen und eine Begriffsgeschichte des sehr vielseitigen Begriffs „Bürgerbeteiligung“. Wunder machte klar: Beteiligung in Form von bloßen Anhörungen sind kein Spezifikum demokratischer Staatsformen. Es gab es sie in Form von „Audienzen“ schon im Mittelalter, in autokratischen Systemen und es gibt sie auch in nicht-demokratisch strukturierten Institutionen, z.B. im Papsttum.

Die vom derzeitigen Ministerpräsidenten Kretschmann propagagierte „Politik des Gehört-Werdens“ bedeute – so Wunder – noch nicht, dass dem „Gehört-Werden ein Erhört-Werden“ folge. Im Kontinuum zwischen der Ausübung des Wahlrechts, der bloßen Information, Anhörung und der Eröffnung von unterschiedlich weit gehenden Mit-Entscheidungsmöglichkeiten bei einzelnen Sachfragen (Volksbegehren; Volksentscheid; Bürgerbegehren, Bürgerentscheid etc.) setzt sich der Verein „Mehr Demokratie e.V.“ mit etwa 10.000 Mitgliedern bundesweit für die Ausweitung und Stärkung der unterschiedlichen Formen von direkter Demokratie ein.

Neben den unterschiedlichen Ausprägungen repräsentativer Formen der Demokratie seien die direkten Formen im Grundgesetz ebenso prominent verankert. Im Artikel 20 (Staatsstrukturprinzipien; Widerstandsrecht) heiße es in Abs. 2: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen …ausgeübt.“

Auch die Formen der direkten Demokratie haben sich im Lauf ihrer Entstehungs- und Realisierungsgeschichte in den einzelnen demokratisch strukturierten Staaten verändert. Auf den unterschiedlichen politischen Ebenen – Bundesstaat, Ländern, Kommunen – gäbe es spezifische Ausprägungen.

Unterscheiden müsse man, von welcher politischen Ebene aus eine Volksabstimmung eingeleitet werde. Dies könne von „oben“ – von einer Regierung aus – oder von „unten“ von einer Gruppe von Bürger/innen aus geschehen.

Differenzieren müsse man bei Abstimmungen von „oben“, welchen Entscheidungsspielraum diese eröffnen würden. Volksabstimmungen, die als Plebiszite bezeichnet würden und lediglich der Legitimation und Absicherung bereits teilweise oder vollständiger getroffener Entscheidungen dienen würden,  gäbe es auch in diktatorischen und autokratischen Systemen. Als Formen der „Schein- oder Alibi-Demokratie“ würden sie von den Bürger/innen  meist durchschaut.

Der Wunsch nach direkten Formen der Demokratie sei ungebrochen hoch – quer durch alle Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen. Eine Ausnahme gäbe es. Das seien die Berufspolitiker/innen bzw. die politischen Mandatsträger/innen. Da direkte Formen der Demokratie die Gestaltungs-Macht in einzelnen Sachfragen sowohl der Legislativ- als auch der Exekutiv-Organe einschränken würden, sei nachvollziehbar, dass es von dieser Seite Skepsis und auch Widerstände gäbe.

Dies lasse sich auch historisch und bezogen auf einzelne Landesregierungen verorten: In Baden-Württemberg hätten die Formen indirekter Demokratie im Lauf ihrer Geschichte seit 1956 mehrere Veränderungen erfahren. Die größte Weiterentwicklung habe es in den Jahren 2011 bis 2016 gegeben – unter der grün-rote Landesregierung. Treiber seien vor allem die Grünen gewesen, hier allerdings nicht vorrangig der Ministerpräsident, sondern einzelne Abgeordnete der Grünen-Fraktion. Da die CDU an einer Weiterentwicklung der indirekten Demokratieformen kein Interesse habe, sei seit 2016 Stillstand zu verzeichnen.

Die umfassende Beratungsarbeit von „Mehr Demokratie e.V.“ sei vor allem notwendig, weil neben den notwendigen Hürden der Unterstützer/innen-Zahlen – z.B. bei Bürgerbegehren und Bürgerbescheid – komplizierte weitere Antragsvoraussetzungen beachtet werden müssten. 80 Prozent der Initiativen, die völlig ohne Beratung gestartet würden, scheitern laut Wunder an diesen Hürden. Wenn Rechtsanwälte mit im Spiel wären, sei die Scheiternquote immer noch sehr hoch. Bei der Beratung durch „Mehr Demokratie e.V.“ würden nur noch 10 Prozent der Initiativen scheitern. Eine dieser Hürden sei, dass in der Ausschreibung des Bürgerbegehrens die Kosten der beantragten Maßnahme und der haushaltsrechtliche Deckungsvorschlage exakt beziffert werden müssten. Geschätze Ungefähr-Zahlen und allgemeine Deckungsvorschlagsformulieren führten könnten bereits zur Ungültigkeit von Anträgen führen. Eine Revision sei dann wegen der Drei-Monats-Frist schwierig bzw. nicht mehr machbar.

Die Zusammenfassung der Beratungsarbeit steckt im Bürger-Handbuch zur erfolgreichen Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden„, das Dr. Wunder geschrieben hat.

Am Ende seines Vortrags befasste sich Wunder mit Pro-Contra-Argumenten zu Formen direkter Demokratie.

Sehr überzeugend war die Pro-Argumente: „Formen der direkten Demokratie als erfolgreiches  Medium intensivster politischer Bildung (zu den jeweils zur Abstimmung stehenden Sachfragen)“ „Formen der direkten Demokratie als Möglichkeit, der Politik- und Demokratie-Verdrossenheit entgegenzuwirken“ und „Formen der direkten Demokratie als erfolgreiches Medium, um Rechtspopulismus zu bekämpfen“.

Die Contra-Argumente „Formen der direkten Demokratie als Einfallstor für politische Manipulateure/Scharlatane“ entkräftete Wunder sowohl empirisch als auch phänomenologisch: Bei Formen der direkten Demokratie gehe es – im Gegensatz zu der Wahl von Direktkandidaten  – nicht um die Entscheidung für Personen sondern um die Entscheidung von Sachfragen. In der Entscheidung zwischen verschiedenen sich zur Wahl stellenden Personen stecken viel mehr subjektiv begründete Täuschungsmöglichkeiten als in der Entscheidung für einzelne Sachfragen.

Weiterführende Informationen

Steven Levitsky / Daniel Ziblatt. Wie Demokratien sterben.Übersetzung: Klaus-Dieter Schmidt, 320 Seiten. Erscheinungsdatum: 25.07.2019, Erscheinungsort: Bonn, Bestellnummer: 10326.

Inhalt: Demokratien sterben nicht mehr in erster Linie durch Putsche und Staatsstreiche, sondern in einem Prozess, der an der Wahlurne beginnt. Zu diesem Befund kommen die beiden Politologen Steven Levitsky und Daniel Ziblatt. Anfangs demokratisch legitimierte Autokraten bauen die Institutionen eines Staates so um, dass grundlegende demokratische Rechte außer Kraft gesetzt, individuelle und politische Freiheiten eingeschränkt werden und die Opposition kriminalisiert wird. Aktuelle Beispiele hierfür sehen die Autoren in der Türkei, in Polen, Ungarn oder Venezuela. Mit besonderer Sorge beobachten sie die Entwicklungen in den USA, wo ein gewählter Präsident demokratischen Normen mit teils offener Verachtung gegenüber tritt. In ihrer historisch angelegten Analyse arbeiten Levitsky und Ziblatt Kriterien heraus, mit deren Hilfe sich Aushöhlung und letztlich Niedergang demokratischer Systeme erkennen lassen. Sie beschreiben, welche Warnsignale Demokraten nicht überhören und welche Schlüsse sie ziehen sollten, wenn sie sich und die Demokratie in ihren Ländern gegen Autokraten verteidigen wollen.“

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung. Eine Leseprobe erhält man auf den Seiten der BpB.  Eine Papierfassung ist dort zum Preis von 4,50 € zu bestellen.


„Mehr Demokratie und Bürgerbeteiliung wagen

Die Landesregierung macht Baden-Württemberg zum Musterland von lebendiger Demokratie und Bürgerbeteiligung. An unserer Demokratie sollen mehr Menschen teilhaben. Bürgerbeteiligung soll die Regel sein und nicht die Ausnahme.

Tokyo 2020: The Radioactive Olympics. 9 Jahre nach Fukushima, 34 Jahre nach Tschernobyl: Die Olympischen Spiele dürfen nicht politisch missbraucht werden

Am 11. März 2020, dem 9. Jahrestag der Fukushima-Katastrophe, wollen wir wie in den vergangenen Jahren eine ganzseitige Anzeige in einer großen überregionalen Zeitung veröffentlichen. Als Thema haben wir dieses Jahr die „radioaktiven Olympischen Spiele“ in Japan gewählt. Der japanische Premierminister Shinzo Abe hatte bei der Vergabe der Spiele in Bezug auf Fukushima lauthals verkündet: „Lassen sie mich Ihnen versichern: Die Situation ist unter Kontrolle.“ Atomkatastrophen und Kernschmelzmassen lassen sich jedoch nicht so einfach unter Kontrolle bringen.

Die japanische Regierung will mit Hilfe der Olympischen Spiele die Folgen des Super-GAUs in Fukushima vertuschen und die Atomgefahren relativieren. Das wird besonders deutlich durch den Plan, in Fukushima-Stadt olympische Wettkämpfe auszutragen und den Fackellauf, an dem auch Kinder teilnehmen sollen, in verstrahlten Gebieten in der Nähe der Atomruinen zu beginnen. Das kann nicht unwidersprochen bleiben. Deshalb hat die IPPNW die Kampagne „Tokyo 2020 – The Radioactive Olympics“ gestartet, auf die wir in der Anzeige verweisen.

Ein weiteres Thema bewegt uns in diesen Tagen: Angesichts der Klima-Diskussion wird seitens der Atomlobby gefordert, mit Atomkraftwerken die Energielücke zu schließen, die durch den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen entstehen könnte. Atomlobbyisten reden schon von einer „Renaissance der Atomenergie“. Eine neue Generation von angeblich sicheren, wirtschaftlichen und sauberen Atomkraftwerken soll die Probleme der Klimakatastrophe lösen.

Doch sicherer, wirtschaftlicher und sauberer Atomstrom ist eine Lüge. Vom Uranbergbau über die Anreicherung, die Brennstabfertigung, die Risiken der Atomkraftwerke bis hin zum Ewigkeitsproblem des Atommülls ist Atomenergie weder sicher, noch wirtschaftlich, noch sauber. Stattdessen bremsen sie den Ausbau einer nachhaltigen Energiewirtschaft aus und dienen zur Aufrechterhaltung militärischer Atomwaffenkapazitäten. Am Atomausstiegsbeschluss darf daher nicht gerüttelt werden!

Wir bitten Sie, die Anzeige zu unterschreiben und mit Ihrem Beitrag die Veröffentlichung zu ermöglichen: Online unter ippnw.de/bit/fukushima-20

Einsendeschluss ist der 4. März 2020.

Mit besten Grüßen
Dr. Alexander Rosen, IPPNW-Vorstand
und
Dr. Winfrid Eisenberg, IPPNW-Arbeitskreis Atomenergie

Text der Anzeige:

Tokyo 2020:  The Radioactive Olympics – 9 Jahre nach Fukushima, 34 Jahre nach Tschernobyl: Die Olympischen Spiele dürfen nicht politisch missbraucht werden

Die Olympischen Spiele 2020 in Japan sollen suggerieren, der Super-GAU in Fukushima sei vorbei. Tatsächlich ist die Situation rund um die „havarierten“ Atomreaktoren jedoch keineswegs „unter Kontrolle“.

Im Inneren der zerstörten Reaktoren herrscht nach wie vor lebensbedrohliche Strahlung. Die Atomruinen müssen durch ununterbrochene Wasserzufuhr gekühlt werden. Große Teile des kontaminierten Wassers verseuchen trotz massiver Gegenmaßnahmen weiterhin Grundwasser und Meer, der aufgefangene Teil des radioaktiven Abwassers wird in riesigen Tanks gespeichert. Wegen Platzmangels soll das stark verstrahlte Wasser ab 2022 direkt in den Pazifik abgelassen werden.

In der Region Fukushima stehen zudem hunderttausende große schwarze Plastiksäcke mit abgetragener, radioaktiv strahlender Erde ungeschützt in der Landschaft. Wind und Regen bringen radioaktive Partikel aus den Wäldern und Bergen sowie aus undichten Plastiksäcken in die Städte und Dörfer. So entstehen immer wieder neue radioaktive Hotspots.

Die japanische Regierung hat nach dem Super-GAU die Grenzwerte von einem auf 20 Millisievert im Jahr erhöht, um eine Rückkehr der Bewohner in die dekontaminierten Gebiete zu erzwingen. Sie verstößt damit gegen international geltende Strahlenschutzregeln. Insbesondere Kinder und Schwangere sind gefährdet. Der Druck wird durch Beendigung der finanziellen Unterstützung massiv erhöht. Das ist aus ärztlicher Sicht unverantwortlich.

2019 wurden neue Daten zum Schilddrüsenkrebs bei Kindern veröffentlicht. Demnach ist diese im Kindesalter sehr seltene Erkrankung in den Jahren 2014–2018 in Fukushima 23 mal häufiger aufgetreten als im japanischen Durchschnitt.

Radioaktive Olympische Spiele

Olympische Baseball- und Softball-Wettkämpfe sollen in Fukushima City ausgetragen werden – 50 Kilometer vom Katastrophenort entfernt. Der olympische Fackellauf soll am 26. März 2020 in der Nähe der Atomruinen durch verstrahltes Gebiet führen.

Athlet*innen und Besucher*innen aus aller Welt, die sich nur kurz in Japan aufhalten, sind im Vergleich zu den Menschen, die immer dort wohnen, weniger gefährdet. Dennoch ist es nicht vertretbar,sie in Fukushima unnötig erhöhter Strahlung auszusetzen.

Wir fordern:
• Den Verzicht auf olympische Wettkämpfe und Fackellauf in den verstrahlten Gebieten. Die olympischen Spiele dürfen nicht politisch missbraucht werden.
• Solidarität mit der vom Super-GAU betroffenen japanischen Bevölkerung.
• Ausstieg aus der Atomenergie weltweit.
• Keine „Wiederbelebung“ der Atomenergie zur angeblichen Klimarettung. Atomkraftwerke sind nicht klimaneutral, und sie sind extrem gefährlich.

Die IPPNW hat die Kampagne „Tokyo 2020 – The Radioactive Olympics“ gestartet.

P.S.: Bitte unterzeichnen Sie zusätzlich auch unsere Petition „Keine olympischen Wettbewerbe in radioaktiv kontaminierten Regionen“: www.ippnw.de/bit/olympiapetition

Kampagne “Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr”

Am 28.03.2019 – am GirlsDay – startete die Kampagne “Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr”.Unter Überschriften wie „Ein Tag als Soldatin“ oder „Attraktive Uniformen“ werben über 100 Einrichtungen der Bundeswehr für mehr als 3.600 Angebote zum bundesweiten Tag der Berufsorientierung für Mädchen ab der fünften Klasse. 2018 hat die Bundeswehr 1679 minderjährige Soldaten eingestellt, darunter 313 Mädchen.

Dagegen protestiert die Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“, in der sich dreizehn Friedens-, Kinderrechts-, Bildungs- und kirchliche Organisationen zusammengeschlossen haben.

Die Kampagne fordert, die Anhebung des Rekrutierungsalters für den Militärdienst auf 18 Jahre sowie ein Verbot jeglicher Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen.

Die Kampage macht mit vielfältigen Aktivitäten Druck auf die Politik. U.a. hat sie eine Brief an die Verteidigungsministerin verfasst, der als Petition auf der Website unterschrieben werden kann.

 

Öko-Faire Beschaffung von Textilien in der Diakonie – Herausforderung und Chance

Autor: Pfarrer Dietrich Weinbrenner, Beauftragter für nachhaltige Textilien in der Ev. Kirche von Westfalen und der Vereinten Ev. Mission

„Kennen Sie den Begriff „Flachwäsche“? Ich habe ihn erst kennen gelernt, als ich im April 2017 eine neue Aufgabe als Beauftragter für nachhaltige Textilien in der Ev. Kirche von Westfalen und der Vereinten Ev. Mission übernahm. Wenn ich diesen Begriff benutze, löst er immer ein leichtes Lächeln aus, aber dann geht es zur Sache:

Diakonische Einrichtungen, insbesondere im stationären Bereich der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, sind Großverbraucher von Textilien. Dabei geht es in erster Linie um „Flachwäsche“, d.h. um Bettwäsche und Frottierwaren sowie um Arbeitskleidung. In aller Regel werden diese Produkte nicht selbst gekauft und gereinigt, sondern es werden sog. „Textile Vollversorger“ beauftragt. Sie kaufen die Textilien ein und vermieten sie, einschließlich der Reinigung und des Transportes.

Nach bisheriger Erkenntnis sind die Textilen Vollversorger bemüht, nachhaltig zu wirtschaften. Die ökologischen und sozialen Bedingungen, unter denen ihre textilen Produkte hergestellt werden, spielen jedoch in aller Regel keine Rolle. Ergebnisse einer Umfrage der Diakonie Rheinland Westfalen Lippe (RWL) und Gespräche mit Diakonischen Einrichtungen in Westfalen zeigen, dass diese Frage auch von der Kundenseite nicht gestellt wird. Kriterien der Qualität und des Preises stehen im Vordergrund.

Öko-faire Beschaffung / Miete von Textilien im Bereich der Diakonie ist somit ein neues Thema. Es geht hier um sehr große Mengen, so verbraucht z.B. ein Krankenhaus mit 800 Betten mehr als 3 t Wäsche pro Tag. Deshalb hat die Diakonie hier die Möglichkeit zur Umsetzung des Auftrages der Schöpfungsbewahrung in einem konkreten ethischen Punkt. Dies bietet auch eine Chance: Der Umstieg auf öko-faire Textilien kann den Markt beeinflussen, kann Unternehmen dazu bewegen, Menschen- und Arbeitsrechte zu beachten. …

Kirche und Diakonie treten für Schöpfungsbewahrung und menschenwürdige Produktionsbedingungen ein
…Es ist gemeinsame Überzeugung in der weltweiten Ökumene, dass alle Menschen nach dem Bild Gottes geschaffen sind, dass es gilt, die Erde als Schöpfung Gottes zu bewahren, dass Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen dem Willen Gottes widersprechen. Viele Kirchen haben aus diesen Grundeinsichten ethische Konsequenzen für den Bereich der Wirtschaft gezogen und das Konzept der Nachhaltigkeit adaptiert, sowohl für Forderungen an Politik und Wirtschaft als auch für die Umsetzung im eigenen kirchlichen und diakonischen Wirtschaften: Daraus sind Initiativen wie „Zukunft Einkaufen“ entstanden, aber auch der „Grüne Hahn“ oder Anleitungen für ethische Geldanlagen und das Engagement bei „Oikocredit“.

Die letzte Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat Gliedkirchen und Werke gebeten „Konzepte nachhaltiger Mobilität und ökofairer Beschaffung umzusetzen“ Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm sagte in einem Interview: „Ich habe unseren Brüdern und Schwestern in Südostasien gesagt: wenn ihr unfaire Arbeitsbedingungen bei deutschen Unternehmen entdeckt, lasst es uns wissen. Dann werden wir bei ihnen für faire Bedingungen eintreten“.

Papst Franziskus hat in seinem apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ mit deutlichen Worten die negativen Folgen des vorherrschenden kapitalistischen Wirtschaftssystems für viele Menschen beschrieben, die ausgeschlossen werden und als „Abfall“ gelten. Er sagt: „Diese Wirtschaft tötet“.

Diakonie versteht sich als Teil von Kirche und sieht sich somit denselben Nachhaltigkeitszielen verpflichtet. Dies zeigt sich in Verlautbarungen zum jeweiligen Selbstverständnis und kann auch globale Aspekte mit einbeziehen. So z.B. bei der „Diakonie Deutschland“:

„Wir bleiben verpflichtet, theologisch begründet, sozial kompetent, fachlich qualifiziert, ökonomisch verantwortlich und ökologisch orientiert zu handeln … aus Verantwortung für die Eine Welt wirken wir dort, wo Not herrscht. Gerechtigkeit für die Armen, Bewahrung des Friedens und der Schöpfung sind Bausteine für eine gemeinsame Welt“

Im Selbstverständnis der Diakonie Hessen heißt es: „Die Linderung von Not aus Barmherzigkeit und die Bekämpfung der Ursachen von Not und Ausgrenzung um der Gerechtigkeit willen gehören zusammen. Daher sehen wir mit Sorge … die wachsende Armut und soziale Ungleichheit und die strukturellen Ursachen von Not – auch im Kontext europäischer und globaler Entwicklungen“.

Es gibt bereits Unternehmen, die zertifizierte Flachwäsche und Arbeitskleidung anbieten. Es gibt Siegel und Standards, an denen man sich bei der Beschaffung orientieren kann. Die Christliche Initiative Romero (CIR) hat einen „Wegweiser durch das Label-Labyrinth“ herausgegeben. Es gibt hilfreiche Webseiten zur Orientierung.“

Mehr dazu hier erfahren: „Kleine Kniffe – große Wirkung – Magazin für nachhaltige Beschaffung“

Webseiten zur weiteren Orientierung:
Wegweiser durch das Label-Labyrinth https://www.ci-romero.de/produkt/wegweiser-durch-das-label-labyrinth/
Siegelklarheit https://www.siegelklarheit.de/home,
Labelklarheit https://label-online.de/,
Brot für die Welt – Zukünftiges Wirtschaften http://www.zu-wi.de/,
Öffentliche Beschafffung http://oeffentlichebeschaffung.kompass-nachhaltigkeit.de/

https://www.nrwision.de/mediathek/fokus-globus-dietrich-weinbrenner-pfarrer-nachhaltige-textilien-180704/

https://www.nrwision.de/mediathek/prost-mahlzeit-fairtrade-kleidung-oeko-mode-131128/

„A Very Stable Genius“ – Phil Rucker und Carol Leonnig von der „Washington Post“publizier(t)en Anfang Januar 2020 ein weiteres Buch über Donald J. Trumps Präsidentschaft

„Aus New York berichtete Marc Pitzke  (SPIEGEL online 18.01.2020) unter dem Titel Enthüllungsbuch über Donald Trump „Eine langfristige Gefahr für das Land“

„Als unbelesen, eitel und aufbrausend beschreiben Ex-Mitarbeiter den US-Präsidenten in einem neuen Buch. So unterhaltsam die geschilderten Anekdoten über Trump auch sind – die Bilanz ist beunruhigend.

Das „USS Arizona Memorial“ in Hawaii ist eine der wichtigsten Pilgerstätten für US-Präsidenten. Der Gedenkort erinnert an Japans Angriff auf Pearl Harbor, der die USA 1941 in den Zweiten Weltkrieg stürzte. Mehr als 2400 Amerikaner starben, die meisten Soldaten wurden nie aus dem Wrack geborgen. Donald Trump besuchte das Mahnmal bei Honolulu im November 2017 – doch wusste er offenbar nicht, welche Bedeutung es hatte.

„Hey, John, worum geht’s hier?“, soll Trump seinen damaligen Stabschef John Kelly gefragt haben. „Was besichtigen wir gerade?“ Kelly, ein General a.D., der unter anderem im Irakkrieg gedient hatte, sei „sprachlos“ gewesen.

Nachlesen lässt sich die bisher unbekannte Anekdote in „Trump gegen die Demokratie“, einem neuen Enthüllungsbuch, das nächste Woche in den USA und Deutschland erscheint. Der US-Originaltitel – in der deutschen Fassung der Untertitel – lautet: „A Very Stable Genius.“ Das bezieht sich auf einen Ausdruck von Trump selbst, mit dem er 2018 seine eigene Intelligenz rühmte.

Die Autoren Phil Rucker und Carol Leonnig von der „Washington Post“ gewannen für ihre Trump-Berichte bereits den Pulitzerpreis. Das in der deutschen Übersetzung 528-seitige Buch, das dem SPIEGEL vorliegt, wimmelt vor haarsträubenden Schilderungen. Trump wird darin nicht nur als „gefährlich uninformiert“, „egozentrisch“ und „gedankenlos“ bezeichnet – sondern als „langfristige und unmittelbare Gefahr für das Land“, so ein Top-Mitarbeiter aus dem nationalen Sicherheitsapparat.“

Weicheier und Babys

Weil Trumps Topberater „über die klaffenden Geschichtskenntnislücken des Präsidenten“ beunruhigt gewesen seien, hätten sie ihm 2017 eine „Nachhilfestunde über den Stand der Weltpolitik und der außenpolitischen Interessen der USA“ geben wollen. Doch die „sanfte Lektion über die Macht Amerikas“, an der auch die damaligen Minister Tillerson und Mattis (Verteidigung) teilgenommen hätten, sei gründlich schiefgegangen: „Trump war nicht nur genervt, derart geschulmeistert zu werden, sondern reagierte allergisch auf den Ansturm von Informationen.“ Schließlich sei er ausgerastet: „Ihr seid alle Verlierer“, habe er gebrüllt. „Ihr seid nichts als ein Haufen Weicheier und Babys.“ Die Tirade sei Anlass für Tillersons später kolportierte Bemerkung gewesen, Trump sei ein „Vollidiot“. Von den Beratern im Raum arbeitet heute keiner mehr für Trump.“

Philip Rucker und Carol Leonnig: „Trump gegen die Demokratie – ‚A Very Stable Genius‘. Aus dem Amerikanischen von Martin Bayer, Karlheinz Dürr, Hans-Peter Remmler, Werner Roller, Karin Schüler, Violeta Topalova. S. Fischer Verlag

 ZEIT online 25.1.20 – Rezension von Rieke Havertz

„A Very Stable Genius“: Einsame Spitze: Es gibt schon viele Bücher über Donald Trump. Das der „Washington Post“-Reporter Carol Leonnig und Philip Rucker ragt heraus: Es entlarvt sachlich dessen Regierungsstil.