Evidenzbasierung von Kontaktverboten für Kinder – ein Faktencheck

Quelle: Nachdenkseiten – Autorin: Sandra Reuse

Für die Behauptung, dass Kinder das Virus SARS-CoV-2 stark verbreiten, würden Kitas und Schulen wieder öffnen, gibt es bislang keine ausreichende wissenschaftliche Grundlage.

Im Gegenteil. Ein Fall aus Frankreich, der vor kurzem veröffentlicht wurde, ließ aufhorchen. Ein Kind, das nachweislich mit Covid-19 infiziert war, hatte während der Inkubationszeit 172 Kontakte, nahm unter anderem an drei verschiedenen Skikursen teil. Doch es steckte offenbar niemanden an.

Dass Kinder nicht nur deutlich weniger als Erwachsene gefährdet sind, an Covid-19 zu erkranken, sondern sich möglicherweise auch seltener infizieren und deshalb auch nicht zu einer übermäßigen Verbreitung des Virus beitragen können, zeigen auch andere Studien. Doch diese haben in Deutschland bislang leider kaum Beachtung gefunden. Das erstaunt angesichts der Schwere der Konsequenzen für Kinder, deren sämtliche sozialen Kontakte derzeit brachliegen und die vielfach mit mehr oder weniger überforderten Eltern zu Hause eingesperrt sind.

Kinderbetreuung zu, Freunde weg, Oma verboten, Spiel- und Sportplätze abgeriegelt, Rausgehen nur noch mit Eltern: Die aktuellen Regelungen zur Pandemieprävention treffen Kinder unverhältnismäßig hart, und damit wiederum ihre Angehörigen. Denn Kinder werden nicht nur aus allen ihren gewohnten Sozialbezügen außerhalb der Kernfamilie gerissen, sie dürfen faktisch auch nicht mehr mit anderen draußen toben und spielen. Damit entfällt für sie jedoch die wichtigste – und auch gesündeste – Beschäftigungs- und Entspannungsmöglichkeit. Das trifft wiederum die Eltern und hier oft die Mütter, die zusehen müssen, wie sie mit ihrem Nachwuchs durch den zähen Tag kommen.

Denn oft sind es die Mütter, die ins Homeoffice gehen (also in die Küche, ins Schlaf- oder Wohnzimmer), während sie gleichzeitig aufräumen, kochen, Kinderstreit schlichten, Lehrer spielen und an der digitalen Technik basteln, um Kommunikations- und Arbeitsmöglichkeiten zu erhalten. Vor allem für Familien und Alleinerziehende in den Großstädten bedeutet dies Stress und Überforderung, nicht selten auch eine Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz, denn einen Acht-Stunden-Tag kann so niemand einhalten. Zu den Großeltern sollen die Kinder aber auch nicht, womit eine wichtige Abwechslung und Betreuungsalternative entfällt. Das erhöht den Druck und Stress für die einen und macht die anderen traurig. In vielen Familien gab es schon Tränen.

Dabei sind Kinder (mit 0 % Sterberate) und in abgeschwächter Form Frauen allen Statistiken zufolge, die bislang über die Verbreitung des Virus, Krankheitsverläufe und Sterbefälle vorliegen, am wenigsten gefährdet. Kinder scheinen das Virus aber auch nicht in dem Maße zu übertragen, wie es andere Bevölkerungsgruppen tun. Zu Unrecht werden sie derzeit mit der Gruppe junger Erwachsener in einen Gefährdungs“topf“ geworfen, die ganz andere Bewegungsradien und Kontaktbedürfnisse haben.

Die aktuellen Regelungen haben insofern eine große sozial-, gender- und kohortenpolitische Unwucht. Gerade für die Zielgruppe der Kita- und Grundschulkinder bis zu 12 Jahren und damit im engen Zusammenhang für die sie betreuenden Personen sollte es bald zu passgenaueren, sozialverträglicheren und bedürfnisorientierteren Regelungen kommen. Eine zielgruppenorientiertere Risikobetrachtung und -abwägung könnte ermöglichen, Kindern mehr Freiräume zu gewähren und dennoch die Risikogruppen weiter zu schützen.

Hier soll auf Basis der vorliegenden Zahlen zu nachgewiesenen Infektionen, Krankheitsverläufen und Sterberaten dafür eine Diskussionsgrundlage geschaffen werden.

  1. Sowohl in China als auch in Italien, wo die Krise am stärksten fortgeschritten ist, kam es bislang nur zu einer stark unterdurchschnittlichen Zahl von infizierten Kindern. Wenn Kinder infiziert waren, waren die Krankheitsverläufe zumeist leicht. Auch das RKI bestätigt: „Bisherigen Daten zufolge ist die Symptomatik von COVID-19 bei Kindern deutlich geringer ausgeprägt ist als bei Erwachsenen“. Das heißt zum einen, Eltern brauchen keine Angst zu haben, dass ihre Kinder von schweren Krankheitsverläufen oder gar dem Tod bedroht sind, wenn sie sich infizieren (außer das Kind hat schwere Vorerkrankungen, vgl. hierzu weiter unten). Das heißt aber zum anderen, Kinder stellen im Zusammenhang mit der Pandemie keine potenzielle Belastung für das Gesundheitssystem dar, da sie in aller Regel nicht hospitalisiert werden müssen.
  2. Kinder übertragen das Virus aber offensichtlich auch seltener auf andere als Jugendliche und Erwachsene. Das bestätigt auch die WHO. Warum sich Kinder seltener infizieren und warum sie weniger gefährdet sind als Erwachsene, ist bislang unklar. Es gehört zu den offenen Fragen zur Covid-19-Pandemie, die bislang noch nicht erforscht worden sind.
  3. Damit sind aber vermutlich gerade Kinder ein größerer Teil der Dunkelziffer derjenigen, die sich trotz Kontakten mit dem Virus nicht infiziert haben, sowie derjenigen, die eine Corona-Infektion hatten, die aber nicht bemerkt wurde. Grundlage für die bisherige öffentliche Debatte ist aber hauptsächlich die Zahl der bereits positiv getesteten Infizierten. Doch nicht jeder ist in den zurückliegenden Wochen mit leichten Erkältungssymptomen zum Arzt gelaufen und erst recht nicht zu den Teststellen – denn die Berichte, wie lange man dort warten muss und wie hoch gleichzeitig das Infektionsrisiko ist, waren abschreckend.
  4. In die aktuellen Risikobetrachtungen fließt vor allem die Zahl derer ein, die positiv getestet wurden, weil sie sich testen ließen, weil die Krankheit spürbar auftrat. Wir kennen nicht die Zahl derer, bei denen eine Coronainfektion so glimpflich verlaufen ist, dass sie unerkannt blieb. Darunter könnten viele Kinder sein, die möglicherweise bereits immun gegen das Virus sind und in diesem Falle weder erkranken noch Überträger sein können.
  5. Auch Frauen sind den bislang vorliegenden Zahlen zufolge signifikant weniger gefährdet als Männer. Im chinesischen Wuhan waren die Krankheitsverläufe von Frauen leichter als bei Männern, auch die Sterberaten waren geringer: Laut dem chinesischen Zentrum für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten lag sie bei 1,7 % gegenüber 2,8 % bei Männern. Den bisherigen Studien zufolge, die auch das RKI zitiert, sind vor allem ältere Männer und Personen mit Vorerkrankungen gefährdet. Am höchsten ist das Sterblichkeitsrisiko bei Männern über 79 und bei Erwachsenen ab 50 mit Herz-/Kreislauferkrankungen, Diabetes, Atemwegserkrankungen, Bluthochdruck und Krebs, davon wiederum bei Männern stärker als bei Frauen. Die hohe Zahl von starken Rauchern unter den Todesfällen in Wuhan könnte darauf hinweisen, dass das Sterblichkeitsrisiko zumindest teilweise auch durch eine ungesunde Lebensweise erhöht wird.

Die aktuellen Maßnahmen gelten für alle – wirken aber nicht für alle gleich

Trotz der unterschiedlichen Risiken für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen unterliegen derzeit alle Altersgruppen, Männer wie Frauen, Gesunde und chronisch Kranke, Arme und Reiche, Menschen in der Stadt und auf dem Land, denselben Beschränkungen. Dabei wird weder nach dem Risiko, schwer zu erkranken oder zu sterben, noch nach sozialen oder emotionalen Bedürfnissen unterschieden.

Die Risiken und gesundheitlichen und wirtschaftlichen Opportunitätskosten für Kinder und ihre Familien sollten auf Basis der vorliegenden Zahlen hinterfragt werden. Das körperliche und psychische Bedürfnis von Kindern nach Sozialkontakten mit Gleichaltrigen, aber auch zu anderen Familienmitgliedern, nach Bewegung im Spiel, nach frischer Luft und Tageslicht, sollte in diesen Abwägungsprozess einfließen.

Statt Kinder mit normal funktionierendem Immunsystem voneinander fernzuhalten, sollten Aktivitäten in kleinen Gruppen auch außerhalb von Familien nicht nur zugelassen, sondern sogar gefördert werden. Bis Schulen und Kitas wieder öffnen, sollten alternative Betreuungslösungen angeboten und erlaubt werden. Die Spiel- und Sportplätze sollten wieder geöffnet werden, damit in kleinen Gruppen gespielt und Sport gemacht werden kann. Übertriebene Maßnahmen, wie beispielsweise abgeriegelte Tischtennisplatten (Längenstandard 2,74 Meter), sollten schnellstens wieder rückgängig gemacht werden.

Damit diese Lockerung für Kinder nicht in eine größere Gefahr für andere Bevölkerungsgruppen mündet, sollten Überlegungen angestellt werden, wie die tatsächlichen Risikogruppen besser geschützt werden können. Hierbei handelt es sich um Personen mit den genannten Vorerkrankungen und vor allem um ältere Männer. Möglicherweise wäre es sinnvoller, vor allem diese Personengruppe beim Arbeiten zu Hause zu unterstützen, für sie einkaufen zu gehen und – zumindest bis es auf breiterer Ebene getestet werden kann – Kontakte zu Müttern und Vätern von minderjährigen Kindern zu beschränken. Dies wäre für die Gesellschaft, insbesondere für Kinder und erwerbstätige Mütter, aber auch für das Bildungs- und Gesundheitssystem vermutlich mit geringeren Opportunitätskosten verbunden und sozial gerechter als die breite Einschränkung, die derzeit wirksam ist.

Sandra Reuse ist Mutter zweier Kinder (5 und 11 J.) in Berlin, ausgebildete Journalistin mit Schwerpunkt Wissenschaftsberichterstattung und arbeitet heute als Referentin in einem Bundesministerium. Der Artikel soll einen solide recherchierten Beitrag zur aktuellen Debatte aus der Perspektive derjenigen Gruppen liefern, die sich derzeit kaum Gehör verschaffen können, aber einen wichtigen und wesentlichen Teil der Gesellschaft darstellen.

Von der fehlenden wissenschaftlichen Begründung der Corona-Maßnahmen

Als Beitrag zur Abbildung der kontroversen Diskussion der Corona-Maßnahmen zitieren wir hier auszugsweise den Beitrag von Christof Kuhbandner.

Christof Kuhbandner ist Psychologieprofessor und Lehrstuhlinhaber an der Fakultät für Humanwissenschaft der Universität Regensburg. Seine Überlegungen sind aktuell bei einer Fachzeitschrift eingereicht und bereits als nicht begutachteter Vorabdruck erschienen. Dieser Artikel erschien bereits in Stephan Schleims Blog Menschen-Bilder.

TELEPOLIS 25. April 2020  Christof Kuhbandner

Von der fehlenden wissenschaftlichen Begründung der Corona-Maßnahmen

Warum die These von der epidemischen Ausbreitung des Coronavirus auf einem statistischen Trugschluss beruht

Praktisch weltweit erleben wir eine bisher nie dagewesene Situation: Um eine offenbar drohende Epidemie zu bekämpfen, werden weltweit drastische Maßnahmen ergriffen. So wurden beispielsweise in Deutschland so viele Grundrechte so flächendeckend und umfassend eingeschränkt, wie es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie vorgekommen ist.

Beraten wird die Politik dabei von zahlreichen virologischen Experten. Man könnte also meinen, dass die Notwendigkeit von dramatischen Eingriffen in unsere Grundrechte durch fundierte Wissenschaft gut begründet ist. Blickt man aber als ein in Forschungsmethoden und Statistik erfahrener Wissenschaftler auf die wissenschaftliche Basis dessen, womit die drastischen Maßnahmen gerechtfertigt werden, kommen Zweifel auf.

Praktisch alle der ergriffenen Maßnahmen werden damit begründet, dass dadurch ein Anstieg in den täglichen Neuinfektionen verhindert werden soll, um einer angeblichen exponentiellen Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken. So rechnete z.B. der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) auf einer Pressekonferenz am 18. März – ausgehend vom damals beobachteten Anstieg in den Neuinfektionen – hoch, dass es in Deutschland in zwei bis drei Monaten bis zu 10 Millionen Infizierte geben würde, wenn man es nicht schaffen würde, die Kontakte unter den Menschen wirksam und über einige Wochen nachhaltig zu reduzieren.

Ähnlich formuliert es die Leopoldina – die Nationale Akademie der Wissenschaften – in ihrer zweiten Stellungnahme: „Obwohl der Anstieg der registrierten Neuinfektionen mit SARS-Cov-2 in Deutschland sich seit einigen Tagen verlangsamt, müssen die am 22.03.2020 beschlossenen, bundesweit gültigen politischen Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung weiterhin Bestand haben.“ Und der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte im ZDF Heute Journal am 19. April: „Wenn wir es geschafft haben, gemeinsam auch die Zahl der Neuinfektion so runterzubringen Richtung 3.000 bis 4.000 am Tag, dann muss es uns auch gelingen dort zu bleiben, nur dann können wir schrittweise zurück in eine neue Normalität.“

Der tatsächliche Zeitpunkt des Rückgangs in den täglichen Neuinfektionen

Angesichts der Tatsache, dass alle ergriffenen Maßnahmen mit der steigenden Zahl an täglichen Neuinfektionen begründet werden, wollen wir diese Zahlen einmal genauer betrachten. Dazu wollen wir uns zunächst die typische Graphik zum Anstieg in den Neuinfektionen ansehen, wie sie zum Beispiel seit langem im Dashboard des RKI dargestellt wird (Stand: 23. April):

Was man zunächst festhalten kann: Die Zahlen sinken offenbar mindestens seit dem 3. April. Aber nun gilt es genauer hinzusehen. Eine erste Frage ist: Was ist eigentlich genau mit dem Datum in der obigen Graphik gemeint? Bei dieser Graphik im Dashboard des RKI entspricht das Datum dem sogenannten Meldedatum – also dem Zeitpunkt, wann der Fall dem Gesundheitsamt bekannt geworden ist.

Man trifft hier auf einen ersten spannenden Punkt: Es sollte ja eigentlich um die Zahl der Neuinfektionen pro Tag gehen, also um den Zeitpunkt, wann sich eine Person mit dem Coronavirus infiziert hat. Aber zu dem Zeitpunkt, wenn ein Fall dem Gesundheitsamt bekannt wird, hat sich die Person ja nicht neu infiziert. Laut RKI vergehen zwischen dem Zeitpunkt der Ansteckung – also dem eigentlichen Zeitpunkt der Neuinfektion – und der Ausprägung von ersten Symptomen im Schnitt 5-6 Tage. Da Menschen nicht sofort schon bei den ersten Symptomen zum Arzt gehen, vergehen dann nochmals oft mehrere Tage bis ein Arzt aufgesucht wird, der dann gegebenenfalls einen Test macht, dessen Ergebnis dann oft erst ein oder manchmal sogar zwei Tage später vorliegt. Die obige Graphik hinkt also dem wahren Zeitpunkt der Neuinfektion deutlich hinterher.

Genau aus diesem Grund gibt es im Dashboard des RKI seit ein paar Tagen eine weitere Graphik. Dort wird die Anzahl an Neuinfektionen pro Tag nach dem Datum des Erkrankungsbeginns gezeigt – also dem Tag, an dem erste Krankheitssymptome ausgebildet wurden. Der Erkrankungsbeginn ist aktuell von 94.078 der 145.664 labordiagnostisch bestätigten Fälle bekannt. Für den zeitlichen Verlauf der Neuinfektionen ergibt sich dann das folgende Bild (die blauen Balken zeigen den Verlauf der Neuinfektionen festgemacht am Erkrankungsbeginn):

Ein Rückgang in den täglichen Neuinfektionen findet sich also in Wirklichkeit bereits weitaus früher. Um den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, kann man noch die gelben Balken einbeziehen. Die gelben Balken entsprechen den Fällen, bei denen der Erkrankungsbeginn nicht bekannt ist. Diese sind deswegen nach wie vor am Meldedatum festgemacht.

Um deren Erkrankungsbeginn zu schätzen, kann man diesen Fällen – basierend auf den Fällen, bei denen man den Erkrankungsbeginn weiß – das wahrscheinlichste Erkrankungsdatum zuordnen (Fachbegriff: „Imputation“). In den täglichen Lageberichten vom RKI wird das so gemacht, um den wahren Verlauf der Neuinfektionen besser abschätzen zu können. Dann sieht die Graphik folgendermaßen aus (die Höhe der grauen Balken zeigt den mit Hilfe der Imputation geschätzten wahren Verlauf, festgemacht am Erkrankungsbeginn, Lagebericht vom 22.4.):

Demnach sinkt die Anzahl der täglichen Neuinfektionen in Wirklichkeit schon mindestens seit dem 19. März. Allerdings muss man sich klarmachen, dass das Datum in dieser Graphik ja dem Zeitpunkt der Ausbildung von ersten Krankheitssymptomen entspricht. Wie bereits beschrieben, liegen aber zwischen dem Zeitpunkt der Ansteckung – dem Zeitpunkt der wirklichen Neuinfektion – und dem Zeitpunkt der Symptomausbildung noch einmal 5-6 Tage. Die obige Verlaufskurve muss also noch einmal um 5-6 Tage zeitlich zurückgeschoben werden, und damit sinken die Neuinfektionen in Wirklichkeit bereits schon mindestens seit dem 13.-14. März.

Fazit

Am Ende der genaueren Betrachtung der Zahlen zum Verlauf der Coronavirusinfektionen lässt sich damit folgendes festhalten:

  1. Die berichteten Zahlen zu den Neuinfektionen überschätzen die wahre Ausbreitung des Coronavirus sehr dramatisch. Der beobachtete rasante Anstieg in den Neuinfektionen geht fast ausschließlich auf die Tatsache zurück, dass die Anzahl der Tests mit der Zeit rasant gestiegen ist. Es gab also zumindest laut den berichteten Zahlen in Wirklichkeit nie eine exponentielle Ausbreitung des Coronavirus.
  2. Die berichteten Zahlen zu den Neuinfektionen verbergen die Tatsache, dass die Anzahl der Neuinfektionen bereits seit in etwa Anfang bis Mitte März sinkt.
  3. Die Anzahl der Todesfälle sinkt ebenfalls bereits seit Anfang April, was durch die irreführende übliche Darstellung der pro Tag neu hinzugekommenen Todesfälle verborgen wird. Zudem spiegelt der Verlauf der Todeskurve womöglich nur den Verlauf der durch die Testanzahl dramatisch nach oben verzerrte Kurve der Neuinfektionen wider.

An dieser Stelle wollen wir noch einmal zum Anfang des Beitrags zurückzukehren und uns in Erinnerung rufen, dass alle der ergriffenen drastischen Maßnahmen damit begründet werden, dass dadurch ein rasantes Ansteigen der Anzahl der Neuinfektionen verhindert werden soll.

Nach der genaueren methodischen Betrachtung dieser Zahlen wird sehr klar, dass keine der ergriffenen Maßnahmen wirklich wissenschaftlich begründet werden kann:

Zum einen hat in Wirklichkeit die Anzahl der Neuinfektionen nie rasant zugenommen, zum anderen ist die Anzahl der Neuinfektionen bereits seit in etwa Anfang bis Mitte März rückläufig – das wurde nur dadurch verdeckt, dass die Anzahl der Coronavirus-Tests über die Zeit hinweg so stark zugenommen hat und der zeitliche Abstand zwischen tatsächlichem Infektionszeitpunkt und Testzeitpunk zu wenig beachtet wurde. Insbesondere kann auch keine der ergriffenen Maßnahmen den Rückgang erklären, weil die erste Maßnahme (Absage großer Veranstaltungen mit über 1.000 Teilnehmern) erst am 9. März erfolgte.

Ebenso wenig zeichnet sich in Deutschland eine Überlastung der Intensivstationen oder eine höhere Anzahl an Sterbefällen im Vergleich zu den Vorjahren ab, so dass auch damit keine der Maßnahmen gerechtfertigt werden kann.

Es erscheint aus dieser Perspektive heraus fragwürdig, wenn Virologen wie Christian Drosten von der Charité aktuell in den Medien die Angst vor einer zweiten Infektionswelle schüren, weil er davon ausgeht, dass bei einer Rücknahme der Maßnahmen sich das Coronavirus wieder exponentiell verbreiten könnte.

Solche Aussagen sind womöglich irreführend, gegeben, dass der angebliche exponentielle Anstieg in den Neuinfektionen bei der angeblichen ersten Infektionswelle nur ein künstlicher Effekt der Tatsache war, dass man die Anzahl der Tests so stark erhöht hat.

Es erscheint als eine der höchsten Pflichten eines jeden Wissenschaftlers, diese Punkte endlich in der Öffentlichkeit richtigzustellen, um Menschen ihre wahrscheinlich unnötigen großen Ängste zu nehmen und die extremen negativen Nebenwirkungen der wahrscheinlich unnötigerweise ergriffenen drastischen Eingriffe in unsere Grundrechte zu beseitigen.

Eine Abschlussbemerkung

Abschließend möchte ich noch darstellen, warum ich mit einem solchen Beitrag an die Öffentlichkeit gehe. Als Leiter eines Lehrstuhls für Psychologie weiß man um die möglichen extremen Nebenwirkungen der ergriffenen drastischen Maßnahmen. Ich möchte das kurz anhand eines einzigen Beispiels illustrieren:

Es gibt große Studien dazu, wie viele zusätzliche Suizide die Weltfinanzkrise von 2008-2010 – welche von der drohenden Wirtschaftskrise laut Fachexperten um Welten übertroffen werden wird – mit sich gebracht hat: Allein in den USA, Canada und Europa (andere ärmere Länder nicht mitgerechnet, die von unserer Kaufkraft abhängen und womöglich entsprechend ebenfalls leiden werden) waren das 10.000 zusätzliche Suizide in den Jahren 2008-2010. Wenn man sich klarmacht, dass hinter jedem Suizid viele weitere Menschen stehen, die ähnlich belastet sind aber keinen Suizid begehen, wird deutlich, wie viel Leid die getroffenen Maßnahmen mit sich bringen können.

Hier ist wichtig zu erwähnen, dass solche Suizidraten in Reaktion auf wirtschaftliche Krisen kein Automatismus sind und man hier Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Aber wenn man die Vergangenheit als Heuristik nimmt, was womöglich in Zukunft passieren könnte – denn auch damals hat man ja versucht Gegenmaßnahmen zu ergreifen – ist mit äußerst drastischen Nebenwirkungen zu rechnen. Und das war nur ein Beispiel für die möglichen Nebenwirkungen.

Wenn man dann als ein in Forschungsmethoden sehr erfahrener Wissenschaftler bemerkt, dass womöglich die den ergriffenen Maßnahmen zugrundeliegende wissenschaftliche Basis Probleme aufweist, sucht man normalerweise nicht den Weg in die Öffentlichkeit. Stattdessen versucht man Kontakt mit den entsprechenden Fachexperten aufzunehmen, um auf diese möglichen Probleme hinzuweisen.

Seit Anfang April habe ich mehreren Virologen mehrmals Emails geschrieben, ohne bis heute eine Antwort auf meine Fragen erhalten zu haben, was bei der aktuellen Arbeitsbelastung dieser Personen auch absolut verstehbar ist. In einer solchen Situation bleibt einem aber dann nur der Weg an die Öffentlichkeit.

Das Problem ist, dass man dann oft sehr schnell als „Verschwörungstheoretiker“ abgetan wird, was manche dazu verleitet, nicht die Öffentlichkeit zu suchen. Hier ist es allerdings einfach so: Alle berichteten Analysen basieren auf den offiziellen Zahlen, und jede Person kann das einfach selber nachprüfen und die Dinge entsprechend für sich durchdenken.

Noch ein abschließender Satz: Es geht hier in keinster Weise darum, das Leid betroffener Menschen zu verharmlosen. Hier muss es das höchste Ziel einer jeden Gesellschaft sein, diesen Menschen bestmöglich zu helfen. Es geht hier darum, das von vielen angenommene Szenario einer epidemischen Ausbreitung des Coronavirus mit mehreren Millionen von Infizierten zu hinterfragen. Denn sollte dieses Szenario in Wirklichkeit gar nicht drohen, würden viele Menschen ohne wirklichen Grund so große Ängste erleben, und man würde ohne wirklichen Grund Maßnahmen ergreifen, deren womöglich dramatische negative Nebenwirkungen noch gar nicht abgeschätzt werden können.

Hinweis: Einzene Teile des Textes wurden verändert, hinzugefügt wurde die Abschlussbemerkung.

Quellen:

– Daten zu den Neuinfektionen und Todesfällen in Deutschland: NPGEO Corona Hub 2020 (Robert Koch Institute)

– Daten zur Testanzahl in Deutschland: Robert Koch-Institut: Erfassung der SARS-CoV-2-Testzahlen in Deutschland (Update vom 15.4.2020): Epidemiologisches Bulletin 2020;16:10

– Daten zu den Neuinfektionen in Italien: European Center for Disease Prevention and Control (ECDC).

– Daten zur Testanzahl in Italien: Ministero della Salute, Daten werden auf Github bereitgestellt.

– Daten zu den USA: National Center of Health Statistics

– Richtlinien vom Robert Koch-Institut zur Durchführung von Coronavirus-Tests

– Influenza-Wochenberichte vom Robert Koch-Institut

– Täglicher Lagebericht zum Coronavirus vom Robert Koch-Institut

– Alle der für die Analysen verwendeten Datensätze können beim Autor per E-Mail angefordert werden.

Christof Kuhbandner ist Psychologieprofessor und Lehrstuhlinhaber an der Fakultät für Humanwissenschaft der Universität Regensburg. Seine Überlegungen sind aktuell bei einer Fachzeitschrift eingereicht und bereits als nicht begutachteter Vorabdruck erschienen. Dieser Artikel erschien bereits in Stephan Schleims Blog Menschen-Bilder.

Eurobonds jetzt! – Statements zur Einführung von gemeinsamen Anleihen in Europa

Eurobonds jetzt! – Statements zur Einführung von gemeinsamen Anleihen in Europa

Die beschlossenen Maßnahmen sind noch immer unzureichend, die Gefahr einer Eurokrise Reloaded nicht gebannt.
Die Risikoaufschläge für Anleihen einzelner Eurostaaten steigen bereits. Dies hätte erheblichen Folgen auch für die deutsche Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger.
Die Debatte um gemeinsame europäische Anleihen (Coronabonds oder Eurobonds) um die Krisenkosten zu bewältigen ist daher noch aktuell. Gemeinsam mit Campact fordert Finanzwende jetzt die Einführung von Eurobonds!
Unterzeichnen Sie den Appell: https://www.finanzwende.de/kampagnen/…
Besuchen Sie die Website! https://www.finanzwende.de/

Bayer und BASF: gefährliche Pestizide

„Die beiden deutschen Agrarchemiekonzerne sind mitverantwortlich für schwere Gesundheitsschäden bei Landarbeiter*innen in Südafrika und indigenen Gruppen in Brasilien.

Die deutschen Agrarchemiegiganten Bayer und BASF gehören zu den vier größten Produzenten von Pestizidwirkstoffen weltweit.

In einer neuen internationalen Studie dokumentieren die Rosa-Luxemburg-Stiftung, das INKOTA-netzwerk und MISEREOR gemeinsam mit dem brasilianischen Netzwerk Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida und der südafrikanischen Organisation Khanyisa: Beide Konzerne vertreiben in Südafrika und Brasilien unter eigenen Marken sowie in Produkten heimischer Hersteller eine Vielzahl von Pestizidwirkstoffen, die in der EU nicht genehmigt sind. Bei Bayer sind es in Südafrika mindestens sieben und bei BASF mindestens vier Wirkstoffe, auf die das zutrifft. In Brasilien vermarkten die beiden Agrarchemiekonzerne jeweils mindestens 12 in der EU nicht genehmigte Wirkstoffe. Sieben der in beiden Ländern auf den Märkten befindlichen Wirkstoffe wurden in der EU aufgrund von ökologischen und gesundheitlichen Gefahren explizit verboten. Es handelt sich hier um ein perfides Geschäft mit Doppelstandards, das unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten abzulehnen ist.

In der Studie werden Fälle beleuchtet, in denen Pestizide von Bayer und BASF eingesetzt wurden und zum Teil zu schweren Vergiftungen und anderen Erkrankungen bei Landarbeiter*innen in Südafrika und indigenen Gruppen in Brasilien geführt haben. Auf Zitrusfarmen in Südafrika haben Vergiftungen beim Sprühen zur Folge, dass Arbeiter*innen im Krankenhaus behandelt werden müssen. In Brasilien werden ganze Dörfer durch das Sprühen von Pestiziden aus Flugzeugen akut vergiftet und eine Vielzahl von Pestizidwirkstoffen gelangt ins Grundwasser. Im Fall einer indigenen Gemeinde in Tey Jusu ist gerichtlich bestätigt, dass die Bewohner*innen aus einem Flugzeug mit einem Produkt von Bayer vergiftet wurden.

Die Autor*innen der Studie kommen unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Bundesregierung den Export von in der EU nicht genehmigten Pestizidwirkstoffen verbieten sollte.“