Der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax, Bischof Dr. Heiner Wilmer äußerte sich zu der aktuellen Diskussion im Deutschen Bundestag zur Bedeutung der nuklearen Abrüstung und nuklearen Teilhabe wie folgt:
„Das Gute an den Aussagen von Herrn Mützenich ist, dass sie das weit verbreitete Vermeidungsverhalten im Umgang mit den Problemen der nuklearen Abschreckung durchbrechen und wichtige Fragen stellen. Allerdings habe ich Zweifel, dass ein deutscher Alleingang uns in der Sache voranbringt. Aber auch die geradezu reflexhafte Abwehr der Aussagen greift oftmals zu kurz. Es ist klar: Die Bedrohung durch Nuklearwaffen nimmt zu. Eine Haltung des „Es ist noch immer gut gegangen“ ist nicht auf der Höhe der Herausforderung. Ebenso reicht es nicht, auf die in der Tat beunruhigenden Aktivitäten der Russischen Föderation zu verweisen. Daher ist meine Erwartung, dass die Bundesregierung innerhalb der NATO einen Prozess anstößt, der ernsthaft nach Alternativen zur nuklearen Abschreckung sucht. Das Konfliktvermeidungsverhalten innerhalb der NATO kommt in der Atomwaffenfrage an seine gefährlichen Grenzen.“
Die Deutsche Kommission Justitia et Pax hat 2019 ein Positionspapier „Die Ächtung der Atomwaffen als Beginn nuklearer Abrüstung“ veröffentlicht, in dem sie die ethische Notwendigkeit der nuklearen Abrüstung unterstreicht.
Die historische Chance nutzen (6. August 2017)
Erklärung des pax christi-Präsidenten Bischof Heinz Josef Algermissen, Fulda, anlässlich des 72. Jahrestages der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki
Der Beschluss eines Atomwaffen-Verbotsvertrages durch die Vereinten Nationen am 7. Juli 2017 ist ein historischer Tag. 72 Jahre nach dem Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki mit verheerenden Folgen ist damit ein großer Schritt zur Abschaffung dieser Massenvernichtungswaffen getan.
Nach Jahrzehnten stockender Abrüstung sendet die überwältigende Mehrheit der Staaten durch diese internationale Vereinbarung eine deutliche Botschaft vor allem an die Atomwaffenstaaten: Der bisherige Sonderstatus der Atommächte ist nicht länger akzeptabel. Das neue völkerrechtlich verbindliche Abkommen verbietet neben der Herstellung, dem Einsatz und Besitz auch die Drohung mit einem Nuklearschlag sowie die Stationierung von Atomwaffen in anderen Staaten.
Damit wird eine bestehende völkerrechtliche Lücke geschlossen. Chemie-, Biowaffen und Landminen waren schon länger verboten, paradoxerweise aber die schrecklichsten und gefährlichsten Massenvernichtungswaffen nicht. Mit dem Verbot kommt das Völkerrecht der schon 1965 vom Zweiten Vatikanischen Konzil geforderten Verwerfung jeder Art von Massenvernichtungswaffen nach. „Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das fest und entschieden zu verwerfen ist.“ (Pastoralkonstitution Gaudium et Spes, Nr. 80).
Für die Atomwaffenbesitzer und die Nato bedeutet der Vertrag eine Abkehr von der Abschreckungspolitik. Schon im März dieses Jahres hieß es in der Botschaft von Papst Franziskus an die UNO-Konferenz zu Verhandlungen über das Atomwaffenverbot: „Eine Ethik und ein Recht, die auf der Drohung gegenseitiger Zerstörung – und möglicherweise der Vernichtung der ganzen Menschheit – beruhen, widersprechen dem Geist der Vereinten Nationen.“
Wenn Deutschland diese historische Chance nun ergreifen und dem Vertrag beitreten würde, hätte das zur Bedingung, dass die im Raketendepot in Büchel/Hunsrück gelagerten Atomwaffen abgezogen werden müssten. Denn die Vertragsstaaten des neuen Abkommens dürfen auf ihrem Territorium weder die Stationierung noch den Transport von Atomwaffen anderer Staaten zulassen.
Eine Überwindung der Atomwaffen wird nur zu erreichen sein, wenn die Staaten Schritte des Vertrauens aufeinander zu wagen. „Das gemeinsame Schicksal der Menschheit erfordert die pragmatische Stärkung des Dialogs sowie Aufbau und Konsolidierung von Mechanismen des Vertrauens und der Zusammenarbeit, die in der Lage sind, Voraussetzungen für eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen“, heißt es in der Botschaft des Papstes vom 23.03.2017 an die UN.
So fordere ich die verantwortlichen Politiker in Deutschland auf mutig voranzugehen, den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland zu beschließen und dem Vertrag für ein Atomwaffenverbot beizutreten.
Die katholische Friedensbewegung pax christi wird sich als Teil der Kirche wie der Zivilgesellschaft weiter aktiv für die Durchsetzung des Verbots und die Vernichtung aller Atomwaffen einsetzen. „Während man nämlich riesige Summen für die Herstellung tödlicher Waffen ausgibt, kann man nicht genügend Hilfsmittel bereitstellen zur Bekämpfung all des Elends in der heutigen Welt“ (Pastoralkonstitution Gaudium et Spes, Nr. 81). Mit diesem Skandal werden wir uns jiemals abfinden.
Gewaltfrei in einer Welt voller Gewalt
Warum die Friedenskundgebung der EKD im Ansatz richtig ist
Was die Synodalen der EKD in Dresden zum Thema Frieden beschlossen haben, rede die Welt schön und sei Ausdruck einer theologischen Verirrung, kritisierte Johannes Fischer kürzlich an dieser Stelle. Auf ihn reagiert nun Christine Busch, Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, die zur Vorbereitungsgruppe der Friedenskundgebung gehörte.
Der ganze Beitrag ist hier nachzulesen: Warum die Friedenskundgebung der EKD im Ansatz richtig ist Christine Busch
Wir geben den letzten Absatz der Rede von Christine Busch wieder:
„Politischer Kleinmut bei Atomwaffen
Die großen planetarischen Bedrohungen unserer Zeit sind Menschenwerk – der Klimawandel und die Nuklearwaffen. Beide Themen nimmt die Kundgebung auf.
Die Frage atomarer Bewaffnung beschäftigt die EKD seit über 60 Jahren; die Denkschrift von 2007 hatte die Erwartung geweckt, von der Ablehnung der Drohung mit Atomwaffen nun zu einer klaren Forderung nach nuklearer Abrüstung bzw. nach dem Verbot und der Ächtung nuklearer Waffen zu kommen. Die Synode 2019 hält die Einsicht für unausweichlich, „dass nur die völkerrechtliche Ächtung und das Verbot von Atomwaffen den notwendigen Druck aufbaut, diese Waffen gänzlich aus der Welt zu verbannen“.
Sie nennt ausdrücklich den Bruch des Budapester Memorandums, die Kündigung des INF-Vertrages, die steigende Gefahr eines Einsatzes oder Unfalls, die Wirkungslosigkeit atomarer Abschreckung gegen konventionelle Angriffe, die real existierende Bedrohung durch in Büchel lagernde Atomsprengköpfe, und sie hält den Atomwaffenverbotsvertrag von 2017 für überfällig: das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen sei breiter Konsens, doch der Weg dorthin umstritten.
Trotz aller Einsichten vermeidet die Synode jedoch die unumwundene Forderung an die Bundesregierung, den Verbotsvertrag umgehend zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Stattdessen fordert sie – ohne Fristen zu nennen –, konkrete Schritte einzuleiten „mit dem Ziel, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen“ auf der Basis noch zu führender Verhandlungen in NATO, EU und OSZE.
Dass die angemahnten Themen hoch komplex sind und langwierige Prozesse erfordern, spricht nicht gegen sie, doch als gradualistisches Verhandlungskonzept kommt der Vorschlag der Synode faktisch der herrschenden politischen Linie entgegen, die den Verbotsvertrag in Konkurrenz zum geltenden Nichtverbreitungsvertrag sieht und daher nicht verfolgt. Deutschland, das sich an den Beratungen zum Atomwaffenverbotsvertrag nicht beteiligte, vermeidet also die Auseinandersetzung, die die bisherigen 122 Unterzeichnerstaaten eröffnen.
Eine völkerrechtliche Ächtung atomarer Massenvernichtungswaffen zielt auf ihre Delegitimierung, wie sie z.B. mit der Ächtung von chemischen Waffen und Landminen durchgesetzt wurde. Politisch ist es dringend erforderlich, die unterschiedlichen Verträge aufeinander zu beziehen, also die Nichtverbreitung und das Verbot von Atomwaffen als notwendige und gleichberechtigte Strategien zu verfolgen. Global Zero als realpolitischer und moralischer Imperativ (Niels Annen) erfordert die Ächtung aller Nuklearwaffen und den Abbau aller nuklearen Arsenale ohne Verzögerung.
Faktisch belässt es die EKD-Kundgebung jedoch noch und weiterhin bei der atomaren Teilhabe, die Deutschland einen nicht-ständigen Platz im UN-Sicherheitsrat ermöglicht. Die Feststellung, „dass auch vom deutschen Boden (Büchel) atomare Bedrohung ausgeht, kann uns nicht ruhig lassen“ ist vor diesem Hintergrund folgenlose Lyrik.
Die synodale Unruhe reicht noch nicht für die politisch eindeutige Forderung, den Verbotsvertrag umgehend zu zeichnen und zu ratifizieren. Das noch der Heidelberger Thesen von 1959 klingt wieder an. In der Denkschrift 2007 schien das noch überwunden zu sein: „Aus der Sicht evangelischer Friedensethik kann die Drohung mit Nuklearwaffen heute nicht mehr als Mittel legitimer Selbstverteidigung betrachtet werden“ (Zf.162), ebenso mit dem Beschluss der Synode 2010 zur Ächtung von Atomwaffen. Doch das ist die Crux: nicht drohen, nur haben – und stecken bleiben in der Logik der Gewalt.“
Christine Busch (Christine Busch ist Landeskirchenrätin i.R. und Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, Düsseldorf)
Das „Friedenstheologisches Lesebuch“, hrsg. von der EKD im Rahmen der 6. Tagung der 12. Synode der EKD 2019 kann hier entweder in Papierfassung bestellt oder als pdf kostenlos heruntergeladen werden.