Belastung einkommensschwacher Haushalte durch die steigende Inflation – DIW-Kurzexpertise für die Diakonie Deutschland e. V

Belastung einkommensschwacher Haushalte durch die steigende Inflation – Kurzexpertise für die Diakonie Deutschland e. V

Privathaushalte in Deutschland spüren gegenwärtig die hohen Inflationsraten deutlich. Zuletzt betrug sie im Mai 2022 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders einkommensschwache Haushalte sehen sich mit teils dramatischen Preissteigerungen konfrontiert und können unter Umständen ihren Konsumbedarf nicht mehr decken. Um die Auswirkungen dieser Preissteigerungen und die Wirksamkeit eines von ihr vorgeschlagenen Kriseninstruments zu beurteilen, beauftragte die Diakonie e.V. die
DIW Econ.

 Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass die hohen Inflationsraten vor allem die einkommensschwächsten Haushalte treffen. Im Szenario mit einer moderaten Inflationsentwicklung müssen Haushalte im untersten Dezil demnach 5,3 Prozent ihres Nettohaushaltseinkommens mehr aufbringen, um den gleichen Konsum wie im Vorjahr zu tätigen. Deutlich weniger stark werden die einkommensstarken Haushalte mit 1,1 Prozent des Nettohaushaltseinkommens von höheren Ausgaben getroffen. Die anteilige Belastung der einkommensschwächsten Haushalte ist damit nahezu fünf Mal so hoch wie die der einkommensstärksten. Sollte sich die Inflation über den aktuellen Prognosen
entwickeln, steigt auch die Belastung noch deutlicher.

Die bereits von der Bundesregierung verabschiedeten Entlastungspakete können diese Belastungen nur begrenzt ausgleichen. Die Haushalte erfahren netto immer noch eine Belastung zwischen 0,4 und 2,8 Prozent ihres Nettohaushaltseinkommens im moderaten Szenario. Insbesondere für einkommensschwache Haushalte ist dies eine enorme Herausforderung, da sie Mehrausgaben nicht durch Rücklagen oder Verringerung der Sparquote ausgleichen können. Gleichzeitig verausgaben sie den größten
Anteil ihres Konsums für Güter des Grundbedarfs. Preissteigerungen in diesen Bereichen können also unter Umständen existenzbedrohend wirken.

Um dem entgegen zu wirken, schlägt die Diakonie Deutschland e.V. die Implementation eines zielgerichteten Kriseninstruments in Form einer zusätzlichen monatlichen Transferzahlung für Leistungsberechtigte in Höhe von 100 Euro in den nächsten sechs Monaten vor.

Weitere Infos:

Die soziale Krise trifft viele Menschen hart. Die Politik sollte ein drittes Entlastungspaket gestalten – diesmal aber zielgenau, schnell, ausreichend und klug.

Addicted! Strategische Abhänigkeiten bedrohen den Umbau der europäischen Wirtschaft

Quelle: A&W-Blog  Juli 2022 – Michael Soder

Addicted! Wie strategische Abhängigkeiten den Umbau der europäischen Wirtschaft bedrohen

Pandemie, Krieg, Klimakrise: Die globalen Krisen rücken die Frage der Versorgungssicherheit ins Zentrum der politischen Diskussion. Zusammenbrechende Lieferketten, wachsende Unsicherheit und unabwägbare Preisentwicklungen erzeugen Spannungen und vertiefen die Ungleichheit in Wirtschaft und Gesellschaft. Denn sie treffen auf wirtschaftliche Strukturen, die massiv vom internationalen Fluss von Rohstoffen (z. B. Öl, Gas, seltene Erden) und Komponenten (z. B. Halbleiter, Chips, pharmazeutische Stoffe) abhängig sind. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft von heute. Solche Abhängigkeiten könnten auch den benötigen Umbau hin zu einer nachhaltigen, CO2-freien und digitalen Ökonomie des 21. Jahrhunderts gefährden. Europa steht somit vor der großen Herausforderung, wirtschaftliche Abhängigkeiten langfristig zu reduzieren und die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten.

Analyse der strategischen Abhängigkeiten Europas

Eines konnten wir aus dem Zusammenbrechen internationaler Lieferketten durch Pandemie und Krieg lernen: Die EU-Mitgliedstaaten sind strategisch von wichtigen Wertschöpfungs- und Lieferketten abhängig. Bereits kleinere Ausfälle oder Verzögerungen im Material- und Produktfluss können zu Engpässen, steigenden Preisen oder gar Produktionsstopps führen – mit entsprechenden Auswirkungen auf Wertschöpfung und Beschäftigung. Aus diesem Grund analysierte die EU-Kommission die Krisenanfälligkeit von 5.000 Produktionsvorgängen in Europa. Ihr Ergebnis: 137 Produkte sind sehr anfällig für Kapazitäts- und Lieferengpässe. Das bedeutet eine Gefahr für die europäischen industriellen Ökosysteme, die von Vorprodukten und Rohstoffen besonders aus China, Vietnam und Brasilien abhängig sind. Der Umbau hin zu einem CO2-freien und digitalen Europa erfordert jedoch einen stabilen und nachhaltigen Zugang zu Rohstoffen und Vorprodukten. Besonders starke Abhängigkeiten von Drittstaaten bestehen in der Produktion von erneuerbaren Energien, E-Mobilität, Elektronikkomponenten und ICT-Technologien.

Die Europäische Union erkennt den Handlungsbedarf

Anhand dieser Analyseergebnisse wird deutlich, dass Europa rasch Antworten auf die bestehenden strategischen Abhängigkeiten finden muss. Die Europäische Union versucht daher, internationale Partnerschaften weiter auszubauen, um die Lieferketten zu verbreitern und widerständiger zu machen. Die Suche nach alternativen Bezugsquellen für Erdgas ist dabei das drängendste und momentan prominenteste Beispiel.

Bestehende Industrie-Allianzen (Important Projects of Common European Interest, IPCEIs) zu Rohstoffen, Batterien und Wasserstoff sollen stärker vorangetrieben werden. Darüber hinaus sind neue Industriekooperationen zu Halbleitern und Cloud-Technologien in Planung. Sie sollen helfen, den europäischen Investitionsbedarf zu ermitteln und die Umsetzung konkreter Industrieprojekte zu unterstützen. Darüber hinaus sollen sie Innovation anregen sowie das Zusammenspiel zwischen öffentlichen und privaten Mitteln verbessern. Übergeordnete Ziele dieser europäischen Förderung sind die Substitution von Rohstoffen und Produkten, bei denen Abhängigkeiten bestehen, und der Ausbau von eigenen Produktionskapazitäten innerhalb der Europäischen Union.

The Power of the Sun: strategische Abhängigkeiten am Beispiel Photovoltaik

Die aktuelle Energiekrise und die dramatischen Preissteigerungen zeigen die Bedeutung des Zugangs zu leistbarer Energie besonders deutlich. Ohne ihn ist die Teilhabe am modernen gesellschaftlichen Leben gefährdet. Um strategische Abhängigkeiten zu reduzieren, Energie leistbar zugänglich zu machen und vor allem im Sinne des Erhalts der Lebensgrundlagen auf eine nachhaltige Basis zu stellen, braucht es daher dringender denn je eine umfassende Energiewende. Der Ausbau der erneuerbaren Energien leistet dabei gleich zweierlei: Er macht Europa langfristig von fossilen Energieträgern aus Drittstaaten unabhängiger und stellt gleichzeitig die benötigten nachhaltig erzeugten Energiemengen für den notwendigen Ausstieg aus fossilen Energien bereit.

Dem raschen Ausbau von erneuerbaren Energien und der umfassenden Förderung von Energieeffizienzmaßnahmen muss politisch hohe Priorität eingeräumt werden. Wirft man jedoch einen Blick auf die bestehenden strategischen Abhängigkeiten für die Erzeugung von Sonnenenergie als besonders wichtige nachhaltige Energiequelle, wird ein weiterer politischer Handlungsbedarf eindeutig klar. Denn Europa ist strukturell nur in den nachgelagerten Segmenten der Wertschöpfungskette „Photovoltaik“ stark aufgestellt. Europäische Unternehmen sind in den Bereichen Überwachung und Steuerung sowie Systembilanz weltweit führend. Gleichzeitig bestehen erhebliche strategische Abhängigkeiten in den vorgelagerten Fertigungssegmenten. Europäische Unternehmen produzieren nur 1 Prozent der weltweit hergestellten Solarwafer, 0,4 Prozent der Solarzellen und 2 bis 3 Prozent der Solarmodule. Im Gegensatz zu Europa ist China in allen Teilen der Wertschöpfungskette führend.

Die EU-Kommission stellte nun fest, dass die Solarbranche möglicherweise nicht mehr in der Lage ist, durch Diversifikation Risiken zu mindern oder flexibel auf sie zu reagieren. Das Gleiche gilt auch für Rohstoffe, welche in die Wertschöpfungskette einfließen. Die starken strategischen Abhängigkeiten stellen damit ein enormes Risiko für die Europäische Union dar und könnten den raschen Ausbau von Sonnenenergie behindern.

You Spin me round, round – Kreislaufwirtschaft in Europa

Die vielfältigen Abhängigkeiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette zeigen leider, dass eine reine Diversifikation nicht ausreichen wird, um die Europäische Union sicher mit Rohstoffen, Gütern und Produkten für den ökologischen und digitalen Umbau zu versorgen. Zusätzlich müssen (regionale) Produktionskapazitäten gestärkt und aufgebaut werden. Darüber hinaus gilt es, Rohstoff- und Materialflüsse stärker in einem Kreis zu führen. Eine europäische Kreislaufwirtschaft kann wesentlich zur strategischen Unabhängigkeit von Drittstaaten beitragen und dabei Wohlstand und Beschäftigung schaffen.

Um diese Ziele zu erreichen, braucht es eine aktive Industrie- und Strukturwandelpolitik, in welcher dem Staat als Stratege, Koordinator und Gestalter eine bedeutendere Rolle als bisher zugesprochen wird. In strategisch wichtigen Bereichen und kritischen Infrastrukturen müssen die Produktionskapazitäten innerhalb der Europäischen Union ausgebaut werden. Dabei müssen ökologische und soziale Kriterien sowie die politische Mitbestimmung von den Betrieben bis hin zur europäischen Ebene gestärkt werden.

In den letzten Jahrzehnten fokussierte Industrie- und Strukturpolitik einseitig auf die Steigerung des Wettbewerbs und der Wettbewerbsfähigkeit. Nun sind Maßnahmen nötig, die darüber hinausgehen und auch arbeitsmarkt- und bildungspolitische Elemente enthalten. Das gelingt nur mit einer aktiven und gestaltenden Rolle der öffentlichen Hand, die gute Arbeitsbedingungen, die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze und eine ausreichende soziale Absicherung gewährleistet.

Dazu zählen Jobgarantien, die Langzeitarbeitslosen oder Jugendlichen durch finanzielle Unterstützung helfen, in Zukunftsberufen Fuß zu fassen. Es bedarf auch einer Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive sowie eines breiten Angebots an Umschulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten zur Aneignung zusätzlicher Kompetenzen. Für solche arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Maßnahmen müssen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt und ein Aktionsplan für ein koordiniertes Vorgehen erarbeitet werden.

Die aktuelle Energiekrise macht deutlich, wie wichtig tatsächliche strategische Unabhängigkeit für die Versorgung der europäischen Bevölkerung mit für das alltägliche Leben notwendigen Gütern und Dienstleistungen ist. Kurzfristig müssen wir eine leistbare und sichere Versorgung sicherstellen, etwa durch die Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis und die Einführung von regulierten Tarifen für Endverbraucher*innen. Mittelfristig müssen wir die Strukturen der energetischen Basis unserer Wirtschaft so rasch wie möglich umbauen.

 

Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird

„Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ – LesArt mit Nick Reimer ES-TV  – 117 Aufrufe 01.12.2022

Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, aber nichts so aktuell wie ein Sachbuch über das Klima aus dem letzten Jahr. Deutschland 2050 ist schon im Sommer 2021 erschienen und damit keine „Neuerscheinung“ – aber dieses Buch wird mit jedem neuen Jahrhundertregen, mit jeder neuen sommerlichen Rekordtemperatur aktueller. Nick Reimer gibt konkrete Antworten auf die Frage, wie der Klimawandel uns in Deutschland treffen wird und was wir alle bereits JETZT von der Politik fordern sollten. #lesarts #klimakrise


Nick Reimer & Toralf Staud: Deutschland 2050 – taz Talk meets Leipzig liest extra 1.220 Aufrufe – Live übertragen am 28.05.2021 –taz – 

Wie wird unser Leben in Deutschland konkret aussehen, wenn es immer heißer, trockener und stürmischer wird? Lesung und Gespräch mit Nick Reimer und Toralf Staud über ihr neues Buch „Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ . Die Lesung wird moderiert von taz-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann.

Bei der Bundeszentrale für Politische Bildung kann das Buch zum Preis von 4,50 Euro bestellt werden.


Nick Reimer im Gespräch mit Marija Bakker: „Deutschland 2050“ –1.616 Aufrufe – Live übertragen am 11.05.2021 –

Live aus dem Social-Media-Studio der Stadtbibliothek Köln! Nick Reimer im Gespräch mit Marja Bakker: „Deutschland 2050 – Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ Aprikosen aus Hamburg, Kühlräume für Berlin und Hochleistungskühe im Hitzestress. Spätestens die Hitzesommer 2018 und 2019 sowie die auch 2020 anhaltende Trockenheit haben es deutlich gemacht: Der menschengemachte Klimawandel ist keine Bedrohung für die ferne Zukunft ferner Länder, der Klimawandel findet statt – hier und jetzt.

Doch welche konkreten Auswirkungen wird er auf unser aller Leben in Deutschland haben? Selbst wenn es Deutschland und der Welt gelingen sollte, den Ausstoß von Treibhausgasen in den nächsten Jahrzehnten drastisch zu reduzieren – bereits jetzt steht fest: Das Klima in Deutschland verändert sich. Im Jahr 2050 wird es bei uns im Durchschnitt mindestens zwei Grad Celsius wärmer sein. Was sind die praktischen Konsequenzen dieses Temperaturanstiegs? Wie wird unser Leben in Deutschland in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts konkret aussehen, wenn es immer heißer, trockener und stürmischer wird? Welche Anpassungen werden nötig und möglich sein? In ihrem neuen Buch geben die Autoren Nick Reimer und Toralf Staud konkrete Antworten auf die Frage, wie der Klimawandel uns in Deutschland treffen wird.

Auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse aus zahlreichen Forschungsfeldern schildern sie, wie wir in dreißig Jahren arbeiten, essen, wirtschaften und Urlaub machen. Welche neuen Krankheiten uns zu schaffen machen. Wie sich unsere Landschaft, unsere Wälder, unsere Städte verändern. Entstanden ist eine aufrüttelnde Zeitreise in die Zukunft: Selbst, wenn wir den Klimawandel noch bremsen können, wird sich unser Land tiefgreifend verändern. Ohne verstärkten Klimaschutz jedoch wird Deutschland 2050 nicht wiederzuerkennen sein.

Nick Reimer, geboren 1966, studierte Energieverfahrenstechnik, volontierte bei der Berliner Zeitung und war 2000 bis 2011 Wirtschaftsredakteur bei der taz. Seitdem schreibt er u.a. für Zeit online über Klima- und Umweltthemen. Für den Blog Klima-Lügendetektor.de erhielt er 2012 den Otto-Brenner-Preis. Seit 2014 hat er einen Lehrauftrag für Nachhaltigkeit und Journalismus an der Universität Lüneburg.

Marija Bakker, Jahrgang 1972, freie Journalistin. Moderiert unter anderem die Wissenschaftssendung „Quarks“ (früher Leonardo) und das Literaturmagazin „Bücher“ auf WDR 5. Beschäftigt sich – nicht nur beruflich – mit den Themen Nachhaltigkeit, Klima, Mobilitätswende. Lebt in Köln. »Das Projekt wurde gefördert im Rahmen von ›Neustart Kultur‹ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien durch den Deutschen Literaturfonds e.V.«


Jung&Naiv: Folge 579 – Friedensforscherin Ursula Schröder

Friedensforscherin Ursula Schröder – Jung & Naiv: Folge 57969.289 Aufrufe – Live übertragen am 22.06.2022 –Jung & Naiv – 

Zu Gast im Studio: Politologin Ursula Schröder. Seit 2017 ist sie Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg sowie Professorin für Politikwissenschaft, insbesondere für Friedensforschung und Sicherheitspolitik.

Ein Gespräch über Frieden an sich, dessen Erforschung, Gewalt zwischen Staaten und staatliche Gewalt, Ungleichheit und Reichsbürger, Ursulas Werdegang und ihr Institut, feministische Außenpolitik, Kriegsverbrechen und Assange, das jährliche Friedensgutachten sowie der russische Überfall auf die Ukraine, die NATO, ein europäisches Militär, Rüstungsexporte und andere militärische Konflikte weltweit + eure