Stand: 08.09.2022
Wagenknecht fordert Verhandlungen mit Russland über Gaslieferungen
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht will lieber Gas aus Russland statt Strom durch Atomkraftwerke. Der CDU-Abgeordnete Jens Spahn hält im WELT Talk dagegen – und kritisiert zudem das Entlastungspaket der Ampel-Koalition.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht hat für Verhandlungen mit Russland zur Wiederaufnahme der Gaslieferungen nach Deutschland plädiert. „Ich bin dafür, dass wir mit Russland – auch wenn uns das schwerfällt und auch wenn ich das nicht schön finde – darüber verhandeln, die Energielieferungen wieder aufzunehmen, egal über welche Pipeline“, sagte Wagenknecht am Mittwoch im WELT Talk. „Und wenn das erfolgreich ist, dann müssen wir über die Atomkraftwerke nicht mehr nachdenken.“ Sollte es nicht gelingen, würden die AKW gebraucht, weil nicht genügend Strom vorhanden sein dürfte.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn widersprach: „Niemand hat mit Herrn Putin die Gaslieferungen beendet. Es gibt geltende Verträge zu Gaslieferungen von Russland nach Deutschland. Niemand hat die mit Sanktionen belegt. Sie sind eigentlich zu erfüllen, sie werden nur von der russischen Seite nicht erfüllt.“ Man müsse nichts verhandeln. Putin habe sich entschieden, die Verträge nicht mehr erfüllen zu wollen. Russlands Staatskonzern Gazprom hatte zuletzt die ohnehin stark gedrosselten Gaslieferungen über Nord Stream 1 ganz eingestellt – mit Verweis auf technische Probleme, die angeblich aufgrund der Sanktionen nicht zu beheben seien. Die Bundesregierung hält diese Begründung für vorgeschoben.
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Spahn kritisierte auch ausdrücklich Wagenknechts Positionierung zum Ukraine-Krieg: „Putin hat einen Krieg begonnen auf die Ukraine. Ihre Empfehlung ist ja anscheinend, dass wir das reaktionslos passieren lassen. Weil: Sie sagen, durch das, was wir getan haben, liefert er uns kein Gas mehr. Ich finde, für eine Partei, die auf die Straße geht und für Frieden demonstriert, kann es nicht einfach folgenlos bleiben, wenn ein Aggressor wie Putin einen anderen Staat überfällt.“
Wagenknecht bekräftigte dagegen ihre Position, sprach von einem „Wirtschaftskrieg“, den Deutschland gegen Russland begonnen habe und betonte, es brauche auch diplomatische Versuche, „diesen Krieg zu einem Verhandlungsfrieden zu führen“. Sie erklärte: „Ich bin nicht überzeugt, dass wir diesen Krieg einen Tag früher beenden, wenn wir unsere Wirtschaft ruinieren“. Das habe auch mit Solidarität gegenüber der Ukraine nichts zu tun. „Wir helfen doch nicht der Ukraine, wenn wir unsere Wirtschaft kaputtmachen, wenn wir die Leute arm machen.“
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Die Montagsdemos im Osten verteidigte Wagenknecht als legitimen Protest, der in ähnlicher Form in Frankreich schon zu großen Erfolgen geführt habe. Die Angst vor „Gelbwesten“ habe dort neue Entlastungen und eine Fortführung des Tankrabatts gebracht – das sei ein Vorbild für Deutschland. „Ich finde dringend notwendig, dass die Menschen auf die Straße gehen, dass sie protestieren.“ In Frankreich sei der Strompreis bereits seit Februar gedeckelt. „Ja, der Staat hat ziemlich viel dort gemacht“, so Wagenknecht. „Er macht das aber auch deshalb, weil er Angst vor einer wiederaufflammenden ‚Gelbwesten‘-Bewegung hat.“
Spahn: „Es gibt eine große Mehrheit, die es anders sieht“
Auch Spahn betonte, es sei legitim zu demonstrieren. Er gab aber mit Blick auf Forderungen nach einem Ende der Sanktionen zu bedenken: „Es gibt eine große Mehrheit, die es anders sieht. Man muss ein bisschen aufpassen, dass man Demonstrationen nicht am Ende für die Mehrheit hält.“ Über die Nöte der Bürger müsse gesprochen werden. Das dritte Entlastungspaket gebe den Menschen aber keine Sicherheit. Keiner wisse etwa, wann die Strompreisbremse komme, so Spahn.
Kein Verständnis habe er, sagte Spahn, für diejenigen, die die Proteste von links und rechts befeuern: „Wer hält da die Reden, zum Teil auch hetzerisch, kämpferisch? Und das, ja, sind nicht selten die Extremen von links und rechts. Das erleben Sie ja auch in den Bundestagsdebatten, wie sich gerade beim Thema Putin – übrigens auch beim Thema Corona, schon vorher, und jetzt auch bei diesem Thema – diese beiden Extreme sich treffen und gemeinsame Sache machen.“
Die Ampel-Koalition hatte am Sonntag ein drittes Entlastungspaket vorgestellt. Eine geplante Maßnahme ist, dass für einen gewissen Basisverbrauch von Strom ein vergünstigter Preis gelten soll. Für einen zusätzlichen Verbrauch darüber hinaus wäre der Preis nicht begrenzt. Finanziert werden soll die Preisbremse, indem übermäßige Gewinne auf dem Strommarkt abgeschöpft werden.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter wehrte sich im WELT Talk gegen Kritik an den Plänen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), zwei Atomkraftwerke im Winter als Notfallreserve zu nutzen. Ein Hoch- und Runterfahren der Meiler sei zwar kompliziert, aber „technisch schon möglich“, sagte Hofreiter. „Sie können Atomkraftwerke hoch- und runterfahren. Sie können es nur nicht so schnell machen wie bei Gaskraftwerken. Das sieht man gerade in Frankreich. Wir haben im Moment gerade ein Problem mit Strom, weil in Frankreich die Atomkraftwerke zum erheblichen Teil stillstehen.“
Habeck hatte am Montag angekündigt, dass die Kernkraftwerke Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg noch bis Mitte April 2023 bei Engpässen als Notreserve zur Verfügung stehen sollten. Ein Betrieb nach dem bisher festgelegten Abschalttermin zum Jahresende soll dabei nur erfolgen, wenn tatsächlich eine Mangelsituation bei der Stromversorgung eintritt. Der Betreiber des Atomkraftwerks Isar 2, Preussen Elektra, nannte den Reservebetrieb „technisch nicht möglich“. Problematisch sei, dass der Meiler komplett heruntergefahren sein werde und die Brennstäbe schon an das Ende ihrer Leistungsfähigkeit kämen, hieß es in einem Brief von Preussen-Elektra-Chef Guido Knott an das Wirtschaftsministerium.
Hofreiter hielt dagegen, dieser Widerspruch des Preussen-Elektra-Chefs sei dessen wirtschaftlichen Interessen geschuldet. „Der hat natürlich ein total hohes Interesse, das so nicht zu machen, weil: Die Atomkraftwerke sind abgeschrieben – und der verdient unglaublich viel Geld damit, wenn er in den automatischen Streckbetrieb kommt.“