Quelle: Bundeszentrale für Politische Bildung
Die Ukraine verfügt über reiche fossile Rohstoffvorkommen und seltene Mineralien. Der Artikel liefert einen Überblick über die wichtigsten Bodenschätze.
Auszüge aus dem Artikel auf der Website der Bundeszentrale für Politische Bildung:
„Die Bedrohung des autokratischen politischen Regimes in Russland, das sich vor allem aus Rohstoffeinnahmen speist, ist in Rechnung zu stellen, will man die Rohstoffkomponente in Russlands Eroberungskrieg gegen die Ukraine verstehen.
Denn die Energiewende und die beabsichtige Defossilisierung der globalen Wirtschaft würde die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes bereits mittelfristig erheblich verschlechtern – und dann liegt es nahe zu versuchen, diese abzuwenden, solange die eigene Machtposition dies noch erlaubt. Zwei logische Folgerungen hat der Kreml daraus gezogen: Zum einen die vorhandenen Abhängigkeiten stärken, um die Übergangsfristen zu verlängern (North Stream 1 und 2, Gas als „Brückentechnologie“), zum anderen, die Ressourcenkompetenz und wirtschaftliche Macht bei den Rohstoffen der Zukunft national und global ausbauen.
In dieser Strategie spielt die Ukraine eine wichtige Rolle: Als EU-Mitglied könnte sie die europäischen Abhängigkeiten bei strategischen Rohstoffen massiv lindern und aus den Erlösen der Rohstoffe bzw. der bei Verwendung im eigenen Land an sie anschließenden Wertschöpfungsketten die hohen Wiederaufbaukosten finanzieren.
Als Teil Russlands hingegen würde die Ukraine dessen Marktmacht massiv vergrößern oder würde bei dauerhaft schwelendem Konflikt neutralisiert, weil niemand unter den Risikobedingungen investieren würde. Das Rohstoffpotenzial der Ukraine ist folglich von geostrategischer Relevanz, was der russische Präsident eher erkannte als westliche Politiker.
Überblick über die Ressourcen der Ukraine
Die Ukraine ist ein äußerst reiches Land, sowohl was die nachgewiesenen Reserven als auch die wirtschaftlich nutzbaren Energieressourcen und Bodenschätze angeht.
Historisch gesehen waren die Verfügbarkeit von Kohle und Eisenerz sowie die Infrastruktur durch die großen Flüsse ein massiver Motor für die Industrialisierung zu Sowjetzeiten. Hier stand der Donbas im Zentrum der Entwicklung. Weiterhin bot und bietet der Fluss Dnepr Transport- und Wasserkraftmöglichkeiten sowie Effizienzgewinne für alle Arten von Stromversorgungsunternehmen, die große Kühlkapazitäten benötigen. Schließlich sind die Schwarzerdegebiete, die zu den größten der Welt zählen, wesentliche Grundlage globaler Nahrungsmittelversorgungssicherheit. Das Land lässt sich wirtschaftlich in folgende drei Kategorien einordnen:
- Rostgürtelregionen im Zentrum und im Osten: Die Regierung in Kyjiw rechnet nicht damit, dass die Kohleminen nach Befreiung der Gebiete wieder ihre alte Bedeutung zurückgewinnen werden – ein Großteil dürfte infolge russischer Zerstörung aufgegeben werden.
- Dienstleistungs- und Technologieregionen: In den großen Ballungszentren wie in Kyjiw und in Charkiw entwickelte sich ein hoher Anteil an modernen Finanz- und digitalen Dienstleistungen sowie Transport- und Verkehrsdienstleistungen im Süden am Dnepr und am Schwarzen Meer bis nach Sewastopol auf der Halbinsel Krim. Zugleich hat der Krieg eine Vielzahl neuer Industrien, vor allem auch im Rüstungsbereich hervorgebracht, die auf der vorhandenen industriellen Basis, oft im Bereich Maschinenbau, Fahrzeugtechnik und Kraftwerkstechniken, aufsetzen.
- Agrarregionen: Historisch waren dies die industriell vergleichsweise unterentwickelten westlichen Teile der Ukraine mit einem dominierenden Agrarsektor. Auch hier ergeben sich durch den Krieg industrielle Wanderungsbewegungen, die zu neuen Aktivitäten vor allem in der Leichtindustrie führen.
Fossile Rohstoffe und Erze
Bei Erdgas – darin eingeschlossen Schiefergas – besitzt die Ukraine Vorkommen, die auf über 1 Billion Kubikmeter geschätzt werden (in Europa verfügt nur Norwegen mit 1,53 Billionen Kubikmeter über größere Erdgasvorkommen). Allerdings ist der Sektor ungenügend entwickelt, weil historisch Gas aus Sibirien bezogen und erst mit Beginn des russisch-ukrainischen Konflikts das Entwickeln der eigenen Vorkommen priorisiert wurde. Letzteres ist aber aufgrund des inzwischen vorhandenen, kriegsbedingten Investitionsrisikos nur unter Schwierigkeiten möglich, weil insbesondere internationale Investoren zögern bzw. vorhandene Verträge aufgekündigt haben. Die Steinkohlereserven werden auf rund 34 Milliarden Tonnen geschätzt und sind damit die zweitgrößten Europas.“