Es ist Bewegung in die internationale Agrarökologie-Debatte gekommen. Immer mehr Menschen aus Bewegungen, Wissenschaft, Organisationen und Verbänden sowie einigen Regierungen haben verstanden, dass ein „Weiter-wie-bisher“ keine Option ist. Das hatte der Weltagrarbericht schon 2009 postuliert. Inzwischen ist die Botschaft angekommen.
Die negativen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft sind seit Langem offensichtlich. Beispielhaft zu nennen sind Wasserknappheit, Artensterben, hohe Treibhausgasemissionen, Bodendegradation und Landraub. Die sozialen, ökonomischen und ökologischen Schäden gefährden die bäuerlichen Lebensgrundlagen und die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme an die bereits spürbaren Folgen der Klimakrise. Das Geschäftsmodell der internationalen Pestizid- und Saatgutkonzerne basiert auf dem Konzept der Grünen Revolution, die Erträge durch massiven Einsatz von künstlichem Mineraldünger und Pestiziden zu steigern. Doch dieses System gerät immer stärker unter massiven Rechtfertigungsdruck. Nur noch wenige kapitalkräftige multinationale Konzerne kontrollieren die Märkte vom Acker bis zur Ladentheke, die Übernahme von Monsanto durch Bayer ist nur ein Beispiel dafür. Die Machtungleichgewichte zwischen großen Unternehmen im gesamten Agrar- und Ernährungssystem und Erzeuger*innen sowie Arbeiter*innen und Verarbeiter*innen nehmen zu und die soziale Ungleichheit steigt weltweit.
Die Folgen: Kleinere bäuerliche Betriebe werden vom Markt verdrängt, Menschenrechte von Bauern und Bäuerinnen vor allem im globalen Süden systematisch verletzt, Landarbeiter*innen schuften für Hungerlöhne und sind giftigen
Pestiziden ausgesetzt. Laut einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen (UN) sterben 200 000 Menschen jährlich an akuten Pestizidvergiftungen. 99 Prozent
dieser Todesfälle ereignen sich in Ländern des globalen Südens. Obwohl die Menge an erzeugten Nahrungsmitteln ausreichen würde, um zehn Milliarden Menschen zu ernähren, ist die Zahl der Hungernden in den letzten drei Jahren wieder gestiegen. Sie liegt auf dem Niveau von vor zehn Jahren. Nach Schätzungen der UN sind derzeit mehr als 820 Millionen Menschen unterernährt – 15 Millionen mehr als im Jahr 2016. Zwei
Milliarden Menschen sind mangelernährt und weitere 1,9 Milliarden Menschen
übergewichtig. Das zeigt, dass die gegenwärtigen Agrar- und Ernährungssysteme
nicht in der Lage sind, für eine gute Ernährung für alle Menschen zu sorgen. Das belegen auch viele wissenschaftliche Studien.
Immer mehr wichtige Akteure wiedie Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
der UN (Food and Agriculture Organization, FAO), aber auch Regierungen und wissenschaftliche Institutionen stellen chemie- und energiebasierte Intensivierungsansätze infrage. Trotz Milliarden-Unterstützung von Regierungen
und Stiftungen wie der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, wird der Einsatz externer
Betriebsmittel wie chemisch-synthetisch hergestellter Düngemittel, Pestizide und
Hochertragssaatgut, um damit die Erträge um jeden Preis zu steigern, nicht mehr
als Lösung für die Umwelt-, Armuts- und Hungerprobleme angesehen.
Das Konzept der Agrarökologie bietet zahlreiche Lösungen für die grundlegende
Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme. Um Agrarökologie zu stärken, müssen die verfehlten Agrar-, Handels-, Forschungs- und Subventionspolitiken
grundlegend und schnell geändert werden.