Angesichts von Kontaktverbot, Versammlungsverbot, Demonstrationsverbot und einer extrem eingeschränkten Reisefreiheit in Deutschland kann sich dieser Widerstand nicht in körperlicher Präsenz und damit auch nicht in fernsehtauglichen Demonstrationszügen manifestieren. Aber die Stille vorm Bundeskanzleramt täuscht. Wer sich einen Sinn für die unterirdischen Energieströme der Gesellschaft bewahrt hat, der spürt die Vibration.
Auch ohne Organisationskomitee und schriftlich fixierte Protestplattform hat sich ein Widerstand formiert, der Medizinjuristen, Schriftsteller, Kulturschaffende, Wirtschaftsexperten und Publizisten unterschiedlichster Couleur in ihrem Zweifel an der Verhältnismäßigkeit dieser Politik vereint.
Warum so radikal? Warum alle? Wie lange noch? Wenn diese bislang unsichtbare Bewegung ein Logo besäße, wäre es das Fragezeichen:
Zu den wirkungsmächtigen Stimmen gehört die Schriftstellerin, Sozialdemokratin und brandenburgische Verfassungsrichterin Juli Zeh („Unterleuten“, „Neujahr“). Im Feuilleton der „Süddeutschen Zeitung“ entfaltet sie eine juristisch-politische Argumentationskette, die man auch als heftige Kritik an der schläfrigen Opposition im Berliner Reichstag begreifen kann:
„Unsere Verfassung verlangt, dass bei Grundrechtseingriffen immer das mildest mögliche Mittel gewählt wird. … Ansonsten fehlt es an der Verhältnismäßigkeit, und eine Maßnahme ist dann unter Umständen verfassungswidrig.“
Dabei hätte ein wissenschaftlich fundierter Diskurs aller medizinischer Fachrichtungen zum Beispiel mittels einer Ad-hoc-Kommission helfen können. Stattdessen hat man einzelne prominente Experten zu Beratern gemacht und zugelassen, dass eine eskalierende Medienberichterstattung die Öffentlichkeit und die Politik vor sich hertreibt. …“