Wir hatten MdB Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) Mitglied des Verteidigungsausschusses aus einem baden-württembergischen Wahlkreis am 10. April 2020 angeschrieben (und den Brief auch dem LINKEN-MdB Tobias Pflüger, ebenfalls Mitglied des Verteidiungsausschusses zur Kenntnis gegeben). Wir hatten Frau Brugger aufgefordert, im Verteidigungsausschuss gegen die Anschaffung eines neuen Kampfflugzeugtyps zu stimmen (Schreiben s. unten). Frau Brugger hat bereits am 15. April 2020 sehr ausführlich geantwortet:
Sehr geehrter Herr Dörr,
herzlichen Dank für Ihre Nachricht.
Wir Grüne stehen für Frieden, Abrüstung, kooperative Sicherheit und eine Kultur der militärischen Zurückhaltung. Atomwaffen lehnen wir strikt ab. Daher treten wir mit aller Kraft für ein atomwaffenfreies Deutschland ein.
Die Grüne Bundestagsfraktion positioniert sich klar gegen die Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges als Trägersystem für Atomwaffen und fordert den Ausstieg Deutschlands aus der operativen nuklearen Teilhabe der NATO.
Die deutsche Außenpolitik schadet ihrer eigenen Glaubwürdigkeit und dem Engagement für das Ziel einer atomwaffenfreien Welt, wenn Kampfflugzeuge mit der Fähigkeit zum Nuklearwaffeneinsatz angeschafft werden. Wer an der Doktrin atomarer Abschreckung festhält, denkt weiter in der Logik von Blockkonfrontation und Kaltem Krieg und verleugnet die katastrophalen Folgen des Einsatzes von Atomwaffen für Mensch und Umwelt.
Dieser Weg ist falsch und geschichtsvergessen, vor allem ist er aber gefährlich. Atomwaffen bringen in der Konsequenz nicht mehr, sondern weniger Sicherheit für alle. Nur konsequente Abrüstung bedeutet am Ende mehr Frieden und Sicherheit für alle.
Ebenso haben wir Grünen uns klar gegen eine Modernisierung der US-Atomwaffen in Deutschland und der heute vorhandenen deutschen Trägersysteme positioniert.
Wir fordern den Gesamtabzug der US-Atomwaffen aus Deutschland. Unsere Positionen haben wir in unserem Antrag „Glaubhafter Einsatz für nukleare Abrüstung ‒ Nationale Handlungsspielräume nutzen“ dargelegt (Drucksache 19/976, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/009/1900976.pdf).
Die Stationierung von US-Atomwaffen in Büchel und die Befähigung deutscher Flugzeuge und Piloten zum Einsatz oder Transport von Atomwaffen sollten ebenso wie die Geheimniskrämerei der Bundesregierung um die Atomwaffen in Deutschland beendet werden.
Der 2010 von Union, SPD, FDP und GRÜNEN in einem gemeinsamen Bundestagsantrag (Drucksache 17/1159, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/011/1701159.pdf) beschlossene und von der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger befürwortete Abzug der Atomwaffen aus Deutschland ist längst überfällig.
Der Zustand der internationalen Abrüstungs- und Rüstungskontrolle ist höchst besorgniserregend.
Weltweit wird wieder massiv nuklear aufgerüstet. Über sieben Jahrzehnte nach dem Einsatz von Atomwaffen in Hiroshima und Nagasaki rüsten die Atommächte ihre Arsenale für Milliardenbeträge weiter auf. Nachdem die USA und Russland nach gegenseitigen Vorwürfen der Nichteinhaltung den INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces) aufgekündigt haben, ist ein weiterer Pfeiler der Rüstungskontrolle und Abrüstung weggebrochen. Für die Sicherheit Europas ist die Vermeidung eines atomaren Rüstungswettlaufs unerlässlich. Die Bundesregierung muss weiter deutlich machen, dass es keine erneute Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Deutschland geben wird und sich intensiv dafür einsetzten, dass der NEW START-Vertrag (New Strategic Arms Reduction Treaty), der im Jahr 2021 auszulaufen droht, verlängert wird.
Deeskalation, Dialog, vertrauensbildende Maßnahmen, Rüstungskontrolle und Abrüstung sind heute notwendiger denn je.
Das bisherige Engagement der Bundesregierung reicht aus unserer Sicht vor diesem Hintergrund nicht aus.
In diesem Jahr findet die nächste Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags (NVV) statt. Der Vertrag verpflichtet teilnehmende Kernwaffenstaaten auf das Ziel vollständiger nuklearer Abrüstung. Bereits zwei Mal – 2005 und 2015 – konnten sich die Vertragsstaaten nicht auf Abschlusserklärungen verständigen. Ein erneutes Scheitern der Überprüfungskonferenz wäre verheerend. Wir erwarten, dass die Bundesregierung alles daran setzt, dass dieses Szenario nicht eintritt.
Dazu gehört auch, dass die Bundesregierung ihre Blockadehaltung gegenüber dem 2017 verabschiedeten Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen aufgibt.
Wir fordern von der Bundesregierung, dem Verbotsvertrag beizutreten und daran mitzuwirken, dass das Verhältnis zum NVV konstruktiv und verstärkend ausgestaltet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Agnieszka Brugger
An MdB Agnieszka Brugger
Sehr geehrter Frau Brugger,
da im Verteidigungsausschuss keine MdB-Mitglied aus unserem Wahlkreis Nürtingen vertreten ist, senden wir diese Mail an Sie als baden-württembergische Bundestagsabgeordnete. Zur Kenntnis geben wir Sie an Ihren Fraktionskollegen Matthias Gastel. Mit ihm haben wir – Mitglieder von Pax Christi, DFG-VK, des Kirchheimer Forums 2030 und anderen Initiativen – im Januar 2020 hier in Kirchheim zu einem Gespräch über Themen des Friedens, der Sicherheit, der Abrüstung etc. getroffen. Ebenfalls zur Kenntnis geben wir diesem Appell an Sie Ihrem baden-württembergischen Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss, Tobias Pflüger von der LINKEN. Tobias Pflüger war am 25.2.20 bei uns als Referent in Kirchheim u. Teck zu Gast.
Unser Anliegen als Forum 2030 an Sie:
Das Verteidigungsministerium will in den kommenden Wochen eine Entscheidung zur Nachfolge für das Kampfflugzeug Tornado erwirken.
Als Mitglied des Verteidigungsausschusses spielen Sie bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle. Da der Tornado das einzige Trägersystem für die in Rheinland-Pfalz stationierten Atombomben der nuklearen Teilhabe ist, ist die Anschaffung der Kampfflugzeuge nicht nur eine finanziell weitreichende Entscheidung, sondern auch von langfristiger strategischer Relevanz für Deutschland und Europa.
Die Modernisierung des nuklearen Trägersystems, sowie die geplante Stationierung von neuen B61-12 Atombomben in Büchel würden die erste nukleare Aufrüstung in Deutschland seit Ende des Kalten Krieges darstellen.
Nukleare Aufrüstung in Deutschland ist jedoch ein fatales Zeichen an die Staatengemeinschaft. In einer Zeit, in der wichtige Rüstungskontrollverträge wie INF und START gekündigt wurden bzw. ohne klare Verlängerungsaussichten auszulaufen drohen, ist es unerlässlich, dass Deutschland positive Impulse für Abrüstung setzt!
Nuklearwaffen bedrohen die Sicherheit der Menschen in der Bundesrepublik, in Europa und der ganzen Welt. Die Atombomben in Deutschland sind zudem Waffen, die für einen völkerrechtswidrigen, nuklearen ‘Erstschlag’ geeignet sind. Sie stellen daher eine Provokation für andere Länder dar und erhöhen die Gefahr eines nuklearen Konflikts.
Ein Abbau dieser Nuklearwaffen und ein klares Bekenntnis gegen den Ersteinsatz von Nuklearwaffen wäre ein erster und wichtiger Schritt, um die gegenseitige nukleare Bedrohung abzubauen und auch einen ungewollten Atomkrieg unwahrscheinlicher zu machen.
Die Bundesregierung wollte mit dem Engagement für das Iran-Abkommen und auch mit der Libyenkonferenz im Januar dieses Jahres zeigen, dass sie einer der wichtigsten und glaubwürdigsten internationalen Akteure für zivile Konfliktprävention sei. Diese Stellung als geschätzter diplomatischer Partner könnte Deutschland unserer Meinung nach ausbauen und für eine nukleare Abrüstungsinitiative nutzen.
Am besten soll diese im Koalitionsvertrag von Union/SPD verankert werden. Dies würde der deutschen Sicherheit mehr dienen, als das Festhalten an der nuklearen Teilhabe aus Zeiten des Kalten Krieges.
Bitte stimmen Sie deshalb gegen die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge für den Nuklearwaffeneinsatz.
Sowohl der F/A-18 Jet als auch ein für Nuklearwaffen ertüchtigter Eurofighter sind eine Bürde für den europäischen Frieden und die Sicherheit der europäischen Bürger und Bürgerinnen.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Dörr
GEW-Arbeitskreis Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Initiativen
Attac – Regionalgruppe Kirchheim und Umgebung
Sprecher Kirchheim.Forum 2030 https://kirchheim.forum2030.de/
07021/44163 – Mail: hans_doerr@gmx.de
(Unterstrich zwischen hans und doerr)