Die Corona-Krise ist nicht nur eine Pandemie, der weltweit Zehntausende von Menschen zum Opfer fallen, die Corona-Krise verändert auch die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse. Polizeiliche und militärische Notstandsmaßnahmen werden verhängt. In manchen Ländern wie in Ungarn wird das Parlament entmachtet. In anderen Ländern wie in Brasilien verlieren autoritäre Herrscher dagegen an Legitimation. Politische Tabus werden gebrochen. Auf einmal brechen konservative Regierungen die Dogmen der neoliberalen Austeritätspolitik und legen massive staatlich finanzierte Investitionsprogramme auf. Der ohnehin krisenhaften Weltwirtschaft droht eine globale Rezession mit schweren sozialen und politischen Folgen. Die Welt verändert sich im Zeitraffer.
Wieder einmal verfestigt und vertieft die Krise dabei ohnehin bestehende strukturelle soziale Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Infizierte Menschen ohne Zugang zu einem funktionierenden Gesundheitssystem sterben schneller als Privatpatienten. Menschen in den Slums der Mega-Cities im globalen Süden oder einem Flüchtlingslager können sich weniger schützen als die Bewohner*innen der Vorstädte im globalen Norden. Die unterbezahlten Beschäftigten im Gesundheitswesen – meist Frauen – müssen nicht nur bis zur Erschöpfung arbeiten, sondern sind auch besonders ansteckungsgefährdet. Frauen sind auch von der Schließung von Kitas und Schulen besonders betroffen. Prekär Beschäftigte geraten schneller in Existenznot. Grenzschließungen entziehen ohnehin unterbezahlten Wanderarbeiter*innen die Lebensgrundlage.
Gleichzeitig führt die Krise auch zu einer Welle der Empathie, Solidarität und der sozialen Widerstände. Nachbarn beginnen sich gegenseitig zu unterstützen. Mit dem Applaus für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich wächst auch das Bewusstsein über deren schlechte Arbeitsbedingungen.
Auch linke politische Forderungen werden lauter: Ein kostenloses, für alle zugängliche Gesundheitssystem wird genauso eingefordert wie die Konversion der Produktion von Konsumgütern in medizinisches Gerät. Austeritätspolitik und Privatisierungspolitik werden genauso in Frage gestellt wie die neoliberale Handelspolitik. Private Patentrechte werden in Frage gestellt. In Italien kommt es zu Streiks, um die Rechte der Beschäftigten im Corona-Krisenkontext durchzusetzen. Die sozialen Konflikte um die Frage, wer die Kosten für die Corona-Krise tragen muss, werden die gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen in vielen Ländern für lange Zeit bestimmen.
Auch die internationale Politik und geopolitische Kräfteverhältnisse werden durch die Krise beeinflusst. Die Corona Krise hat zu einer neuen Auseinandersetzung um die Funktion und die innere Strukturen der Europäischen Union geführt. Die Weigerung der Bundesregierung auf die Forderung nach «Corona Bonds» zur Finanzierung der Krisenlasten in den besonders betroffenen Ländern im Süden Europas einzugehen sowie die Weigerung der EU-Kommission die autoritären Maßnahmen in Ungarn zu sanktionieren, stürzen die EU in die tiefste Krise seit 2008. Weltweit zeichnet sich ab, dass die Position der USA weiter geschwächt wird und der Aufstieg der VR China zur Hegemonialmacht beschleunigt wird.
Auch für die Rosa-Luxemburg-Stiftung heißt die Corona-Pandemie, dass eigentlich alle unsere Veranstaltungen nicht mehr in der gewohnten Form stattfinden können. Viele unserer Angebote bieten wir stattdessen als digitale Formate an: als Onlineseminare, Livestreams und Video-Podcasts. Zwei dieser neuen Angebote, die in der nächsten Woche anlaufen werden, möchten wir im Folgenden kurz vorstellen.