Naturschutz und Landschaftsplanung – Zeitschrift für angewandte Ökologie
Förderung von biologischer Vielfalt, Klimaschutz, Wasserhaushalt und Landschaftsästhetik – Extensive Weidewirtschaft und Forderungen an die neue Agrarpolitik
Auszug aus dem Aufsatz der Autor*innen: Jürgen Metzner, Eckhard Jedicke, Rainer Luick, Edgar Reisinger und Sabine Tischew
„In vielen Landschaften Europas ist noch heute die standortgerechte, naturnahe Beweidung mit unterschiedlichen Tierarten und Tierrassen ein prägendes Element und Grundlage der Artenvielfalt (Pykälä 2000 und 2005, Veen et al, 2009, Wallis De Vries et al. 1998). Extensiv genutzte Weiden sind Lebensräume für viele gefährdete Arten der Agrarlandschaften. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass diese Landnutzungsform eine Schlüsselrolle zur Sicherung der Biodiversität in unserer Kulturlandschaft hat (u.a. Bunzel-Drüke et al. 2008, Ruf et al. 2010).
Die für den naturschutzfachlichen Erfolg entscheidenden Kriterien und konzeptionellen Rahmenbedingungen der Weideverfahren sind bekannt und umfassend beschrieben (Reisinger 2004). Es kann daher belastbar festgehalten werden, dass insbesondere ganzjährige und großflächige Beweidungsverfahren in der Lage sind, eine Vielzahl auch ehrgeiziger Naturschutzzielsetzungen zu erreichen (Pykälä 2005, Riecken et al. 2004).
Die naturnahe und standortangepasste Beweidung trägt zudem noch weitere Aspekte zu einem ausbalancierten Naturhaushalt bei:
Sie ist im Vergleich zu den üblichen intensiven Grünlandnutzungsformen wesentlich klimafreundlicher. Sousanna et al. (2007) zeigen für wenig oder nicht gedüngte Weidesysteme mit Rindern, dass die Klimabilanzen auch unter Berücksichtigung der Lachgas- und Methan-Emissionen durch den Wiederkäuer positiv sind. Die aktuelle Studie von Gross et al. (2010) belegt, dass die intensiv gedüngten Saatgrünländer eine dreimal so hohe Lachgasemission wie die extensiv beweideten Prärieweiden haben. Die negativen Klimafolgen einer industrialisierten Stallhaltung, insbesondere auch unter Einbeziehung der Treibhausgase durch die Dünger- und Kraftfutterproduktion sowie Transportkosten, werden auch in einer Studie der FAO (2006) betont.
Beweidungsverfahren, welche die Vegetation nicht vollständig nutzen, reduzieren im Vergleich zur Mähnutzung die Emission von CO2 und Lachgas (Braun 2005, Willms et al. 2002). Setzt man extensive Weidesysteme unmittelbar mit der stallgebundenen Tierhaltung und dem Einsatz von Futter gedüngter Wiesen sowie Kraftfutter in Vergleich, so schneidet die Weidehaltung klimaschonender ab. Entsprechend empfiehlt Braun (2005), aus Klimaschutzgründen Weideland zu erhalten und neu zu schaffen.
Extensive Beweidung ist vor allem in Überschwemmungsgebieten und auf grundwassernahen Standorten die naturverträglichste Form der landwirtschaftlichen Nutzung und trägt zu einem intakten Wasserhaushalt bei (Gerken 2002, Schaich et al. 2009).
Durch den Düngeverzicht wird im Vergleich zu intensiven Grünlandnutzungen eine Reduktion der Stickstoffbelastung für Grundwasser und Fließgewässer erreicht und leistet somit einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Gewässerqualität. Die Umwandlung von Ackerflächen in beweidetes Extensiv-Grünland in Überschwemmungsgebieten ermöglicht weiterhin, die Auen wieder als natürliche Filter der Fließgewässer in Funktion zu setzen.
Auch kann eine bessere Einbeziehung der Gewässerufer zur Re-Dynamisierung von Fließgewässern erfolgen (Genetzke 2010, Gerken 2002, Krüger 2003). Naturnahe Weideverfahren in Auenlandschaften können ideale Instrumente zur Umsetzung der EU-WRRL sein. Aufgrund der geringen Besatzdichte sind keine Erosionsschäden zu erwarten. Vielmehr werden die Struktur- und Artenvielfalt positiv beeinflusst (Mann & Tischew 2010, Reisinger 2004).
Auswirkungen auf die Gewässermorphologie und den Wasserhaushalt sind die Ausdifferenzierung kleiner Gewässerläufe und Initiierung von Eigenentwicklungen, in Teilbereichen eine Sohlanhebung, Unterdrückung von den Gewässerlauf festlegenden Ufergehölzen und insgesamt Beiträge zum verstärkten Wasserrückhalt in der Fläche durch Vernässungen (Luick 2001). Nach § 21 BNatSchG (2010) sind „die oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Randstreifen, Uferzonen und Auen als Lebensstätten und Biotope für natürlich vorkommende Tier- und Pflanzenarten zu erhalten“ und „so weiterzuentwickeln, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können“; auch dazu leistet die großflächige extensive Beweidung wichtige Beiträge. Weidelandschaften können ein Rückgrat jeder regionalen und überregionalen Biotopverbundplanung sein (Bunzel-Drüke et al. 2008).
Darüber hinaus gehören Weidetiere in vielen Regionen zur touristischen Visitenkarte und stehen für Erholung in attraktiven Kulturlandschaften und gesunder Umwelt (Luick 2001). Europaweit gesehen liegt der Schwerpunkt der ästhetisch ansprechenden Weidelandschaften oft in Gebieten, die nicht zu den Gunstlagen der Landwirtschaft gehören. Extensive Weidelandschaften können damit zur Sicherung von Einkommen und Arbeitsplätze in peripheren ländlichen Gebieten beitragen – Biodiversität als „stilles Kapital“ der Regionalentwicklung (Jedicke 2008).
Betriebe mit extensiver Weidetierhaltung stehen somit für eine moderne, multifunktionale Landwirtschaft, da sie der Gesellschaft zahlreiche öffentliche Güter kostengünstig zur Verfügung stellen und einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die europäischen Herausforderungen zum Biodiversitäts-, Klima- und Gewässerschutz effektiv anzugehen (Luick et al. 2009).
Es gibt also viele Argumente, die extensive Weidehaltung über die Gemeinsame Agrarpolitik aktiv zu fördern und innovativ zu unterstützen!“