von Annika Joeres , Katarina Huth , Giulio Rubino , Carlotta Indiano , Francesca Cicculli
„Blauer“ Wasserstoff: Wie eine mächtige Lobby um ihr Gas kämpft
Die Lobbyisten der Gasindustrie arbeiten auf Hochtouren. Denn die Branche kämpft ums Überleben. Sie will die Wiederaufbaumittel der EU nutzen, um sich unabdingbar zu machen: Wasserstoff soll nicht nur mit erneuerbaren Energien, sondern auch mit Gas produziert werden. Über Einfluss und zu große Hoffnungen auf einen vermeintlich sauberen Energieträger.
Wer über den Lobbyismus rund um die Wasserstoff-Förderung und die Rolle eines Politikers recherchiert, erhält Antwort von einem Anwalt: Er könne „gegenwärtig keinen Berichterstattungsanlass erkennen“, schreibt Medienanwalt Christian Schertz an CORRECTIV. Er habe seinem Mandanten – dem CDU-Abgeordneten Joachim Pfeiffer – empfohlen, zu seinen konkreten unternehmerischen Tätigkeiten keine Erklärung abzugeben. Dabei wollten wir nur wissen, welche Rolle Pfeiffer, jahrelang energiepolitischer Sprecher der CDU, bei der Wasserstoffstrategie in seiner Heimatregion Stuttgart gespielt hat.
Wasserstoff ist die Hoffnung der energieintensiven lndustrie wie etwa Stahl oder Zement, trotz zunehmender Klimaschutzmaßnahmen weiter produzieren zu können. Denn eigentlich sind die Tage der fossilen Industrien gezählt: Im European Green Deal setzt sich die EU das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, das heißt, keinerlei Treibhausgase mehr auszustoßen und entstehende auszugleichen.
Sie bleibt darin jedoch vage, wie Wasserstoff produziert werden soll und spricht von „sauberem Wasserstoff“. Doch Wasserstoff kann nicht alle Hoffnungen bedienen. Denn bei großer Nachfrage ist jede Art von Wasserstoff aus Klimasicht umstritten: Blauer Wasserstoff aus fossilem Gas verursacht sehr viele Emissionen, grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien benötigt zu viele Windräder und Solaranlagen, um zeitnah zu funktionieren.
Ein deutsch-italienisches Team von CORRECTIV und IRPIMedia hat recherchiert, wie Wirtschaftslobbyisten die EU beeinflussen, um Wasserstoff als Energie der Zukunft zu verkaufen. Sie setzen sich vor allem dafür ein, dass die EU Wasserstoff aus klimaschädlichen Quellen, der so genannte blaue Wasserstoff, als „sauber“ bezeichnet und fördert.
Außerdem soll auch Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, die für die Klimaziele zurzeit ohnehin zu wenig produziert werden, mit Steuergeldern finanziert werden.
Es stehen Milliarden auf dem Spiel – Milliarden für die Förderung von Pipelines für den Transport von Wasserstoff, aber auch viel Geld für Firmen, die diese Technologie entwickeln. Und nicht zuletzt Milliarden, die klimaschädliche Energieproduktion bedienen könnten.