Auszug aus dem Buch „Nachhaltige Mobilität für alle – Ein Plädoyer für mehr Verkehrsgerechtigkeit„. Wuppertal Institut. Oekom-Verlag.
Verkehrsgerechtigkeit: Die ökologische und soziale Frage der Verkehrswende
Das Leitbild Nachhaltige Mobilität für alle bedeutet, dass eine Verkehrswende zwar durchaus wesentliche technische Innovationen für mehr Klimaschutz (z.B. neue Antriebe) einschließt, diese allein aber noch lange keine Verkehrswende ausmachen.
Vielmehr sind sie Teil eines fundamentalen gesellschaftlichen Transformationsprozesses. Insofern ist die ökologische Frage, also mehr Klimaschutz im Verkehr, mit der sozialen Frage, mehr Teilhabe und Gerechtigkeit durch Mobilität für alle, eng verbunden. Um gemeinsame Antworten auf beide Fragen zu finden, bedarf die soziale Frage des Verkehrs der Klärung.
Was also hat die Verkehrswende mit der sozialen Frage zu tun? Auf den ersten Blick wenig – aber nach einem gründlicheren Blick darauf, was, wie und wer da eigentlich gewendet werden soll, sehr viel. Denn die Verkehrswende ist ein gesellschaftliches Großprojekt, auch wenn sie immer wieder – auch teilweise in der Ökologiebewegung – nur als eine Art technisches Unterprojekt der Energiewende gesehen wird. Das liegt einerseits daran, dass das Auto als Inbegriff von Fortschritt, Freiheit und Mobilität vermarktet und von vielen noch immer so wahrgenommen wird. Automobilität infrage zu stellen gilt besonders in Deutschland nahezu als Blasphemie und Tabubruch. Da hoffen viele lieber auf einen technischen Deus ex Machina, sprich auf die E-Mobilität, statt sich dem öffentlichen Pranger auszusetzen – als scheinbarer Fortschrittsverweigerer und rückständiger Romantiker zu gelten. Andererseits wurde in jüngerer Zeit durch die dringliche Notwendigkeit, Klimaschutz gerade auch im Verkehrssektor forcierter betreiben zu müssen, immer klarer: Das System Verkehr zur Nachhaltigkeit zu wenden ist die wohl umfassendste gesellschaftliche Herausforderung der Energiewende.
Wer eine wirkliche Verkehrswende in diesem Land will, muss sich auch den damit verbundenen ökologischen und sozialen Fragen stellen. Und dies nicht nur begrenzt auf Deutschland, sondern auch in einem globaleren Kontext. Zum Beispiel gilt dies für den Ressourcenbedarf der E-Automobilität. Allein der weltweit forcierte Zugriff auf Lithium für die Batterieproduktion hat immense ökologische und soziale Implikationen in jenen Ländern, in denen es abgebaut wird.