„Im Frühjahr 2017 veröffentlichte die Bundesregierung ein neues Leitlinien-Dokument „Krisenmanagement, Konfliktbeilegung und Friedensförderung“, das den Aktionsplan Zivile Krisenprävention von 2004 ersetzt. Der Aktionsplan hatte Friedenspolitik und zivile Konfliktbearbeitung nicht nur als Aufgabe der Außen-, Sicherheits– und Entwicklungspolitik, sondern als Querschnittsaufgabe des gesamten Regierungshandelns beschrieben. Davon ist jetzt keine Rede mehr.
Mit der Neubestimmung geht es der Bundesregierung darum, Elemente der zivilen Konfliktbearbeitung für das militärisch definierte Konzept der „Vernetzten Sicherheit“ verwertbar zu machen. Im vorgeschalteten Diskussionsprozess hat die Bundesregierung deutlich gemacht, dass sie die neuen Leitlinien als ergänzendes und vertiefendes Dokument zum Weißbuch Bundeswehr und anderen Strategiepapieren versteht, in denen militärische Interventionen als Mittel der Politik präsentiert, legitimiert und projektiert werden.
Gemeinsam mit vielen Friedensgruppen, Wissenschaftlern und anderen Vertretern der Zivilgesellschaft hatte die Linksfraktion hingegen gefordert, am Primat der nicht-militärischen Konfliktbearbeitung festzuhalten und die Entwicklung entsprechender ziviler Instrumente zu fördern.
National und international vernetzte zivilgesellschaftliche Ansätze der Prävention und Bearbeitung von Konflikten können gewaltvolle, militärische Auseinandersetzungen vermeiden bzw. überwinden.
Friedenspolitik hat für diese Bundesregierung keinen Vorrang. Die gezielte Vermengung ziviler und militärischer Maßnahmen ist eine neue Stufe der Militarisierung deutscher Außenpolitik. Die Bundeswehr steht aktuell in 16 Auslandseinsätzen, die hohe Kosten verursachen und in den betreffenden Regionen weder Frieden noch Entwicklung bringen, sondern zur Gewalteskalation beitragen.
Die Aufstockung des Verteidigungsetats um über 2 Mrd. Euro im Haushalt 2017 und weitere angekündigte Erhöhungen für die kommenden Jahre machen deutlich, wo die Gewichtung in der vernetzten Außenpolitik liegt. Im Jahr 2015 wurden Genehmigungen für Rüstungsexporte in Höhe von 12,8 Mrd. Euro ausgesprochen.
Das entspricht einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Zu den Großkunden deutscher Rüstungsexporteure gehört die Türkei, ungeachtet ihrer innenpolitischen Entwicklung und der Kriegsführung gegen die kurdische Bevölkerung im eigenen Land und in den Nachbarländern. Andere Empfängerländer deutscher Rüstungsgüter sind Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, die in Jemen einen grausamen Krieg führen. Ungeachtet 50 Jahren militärischer Besatzung der palästinensischen Gebiete zählt auch Israel weiterhin zu den größten Empfängern deutscher Rüstungsgüter, ebenso Ägypten mit seiner katastrophalen Menschenrechtsbilanz und einer aktiven Kriegspolitik sowohl im Sinai als auch in Libyen.
In der Debatte über die neuen Leitlinien hat die konfliktverschärfende Politik in anderen Handlungsfeldern, wie in der Handels- oder Finanzpolitik, eine untergeordnete Rolle gespielt. Dabei geht Frieden über die Abwesenheit von bewaffneten Konflikten hinaus und bedeutet die Beseitigung aller Arten von Gewalt, ob direkte, politische, strukturelle, wirtschaftliche oder kulturelle. Dies wiederum setzt voraus, dass die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse aller Menschen erfüllt sind, dass alle Menschenrechte eingehalten werden.
Statt einer weiteren Militarisierung muss die deutsche Außenpolitik auf Gewaltfreiheit in den internationalen Beziehungen ausgerichtet werden. Leitlinien, die die Prävention und den Umgang mit Konflikten zum Gegenstand haben, müssen die Unabhängigkeit ziviler Politik sichern und zivile Instrumente als Alternative zu militärischem Handeln weiterentwickeln.
Die Linksfraktion steht dafür, Konflikte ausschließlich mit politischen und zivilen Mitteln zu lösen, um das Recht, in Frieden zu leben, für alle Menschen zu verwirklichen. Die Bundeswehr muss aus allen Auslandseinsätzen abgezogen werden. Die Instrumente der zivilen, nichtmilitärischen Konfliktbearbeitung und Friedensförderung müssen zu zentralen Instrumenten der deutschen Außenpolitik weiterentwickelt werden.
Die Linksfraktion hat in allen Haushaltsberatungen der letzten Jahre beantragt, dass die Instrumente der zivilen Außenpolitik finanziell massiv gestärkt werden.
Wir haben außerdem vorgeschlagen, eine Kooperationsgesellschaft aus zivilgesellschaftlichen und öffentlichen Organisationen mit dem Namen „Willy-Brandt-Korps für internationale Katastrophenhilfe“ zu schaffen, deren Aufgabe der Aufbau und Unterhalt eines humanitären Fachkräftepools und eines Logistikzentrums sowie technischer Hilfsmittel ist. Für dieses „Willy-Brandt-Korps“ sind durch Konversionsmaßnahmen Transportflugzeuge und -hubschrauber sowie Schiffe, mobile Brücken und Krankenhäuser, Geländefahrzeuge und Lastwagen, schweres Räumgerät, mobile Unterkünfte sowie alle weiteren benötigten technischen Hilfsmittel aus dem Bestand der Bundeswehr umzurüsten und, wo dies nicht möglich ist, solche anzuschaffen.
Die europäische Handelspolitik muss auf konfliktverschärfende Wirkungen hin evaluiert werden.
Waffenexporte in alle Krisenregionen sind unverzüglich zu stoppen und keine weiteren Waffenexporte mehr zu genehmigen. Auch das wäre ein entscheidender Beitrag zur Krisenprävention.
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