Materiallage der Bundeswehr: ganz leichte Verbesserung

Materiallage der Bundeswehr: ganz leichte Verbesserung

Der jüngste Bericht zur Materiallage der Bundeswehr ist nicht sehr viel optimistischer als die Berichte in den Vorjahren: Zwar meldet Generalinspekteur Eberhard Zorn darin eine leicht verbesserte Einsatzbereitschaft der 71 Hauptwaffensysteme der Bundeswehr – allerdings von durchschnittlich 77 Prozent im Vergleich zu 76 Prozent im vergangenen Jahr. Unverändert schwankt diese Einsatzbereitschaft und damit die Verfügbarkeit je nach System extrem stark: Neue, handelsübliche Lkw sind zu 96 Prozent, die neuen SeaLion-Hubschrauber der Marine dagegen nur zu 19 Prozent einsatzklar.

Den neuen Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr mit Stand von Mitte Dezember 2021 veröffentlichte das Verteidigungsministerium am (heutigen) Donnerstag. Der Trend der vergangenen Jahre scheint darin noch nicht gebrochen: Nach wie vor schwankt die jeweilige Einsatzbereitschaft vor allem zwischen den ganz alten und ganz neuen Systemen auf der einen Seite und den Gerätemustern, die ihre Kinderkrankheiten überwunden haben oder an zivile Systeme angelehnt sind, auf der anderen Seite.

Zwar sind seit März 2019 die Details der einzelnen Systeme als Geheim eingestuft, in der Darstellung im öffentlichen Teil des Berichts lassen sich jedoch teilweise genauere Informationen finden. Ein Grundproblem bleibt: Ein großer Teil der Waffensysteme, vom Panzer bis zum Hubschrauber, taucht in den Klarstandsmeldungen gar nicht erst auf – weil das Gerät zur Instandsetzung oder Grundüberholung bei der Industrie steht und deshalb zwar im Buch-, nicht aber im so genannten Verfügungsbestand enthalten ist. Die Zahlen der Einsatzbereitschaft beziehen sich aber nur auf den Verfügungsbestand.

Wie im vergangenen Jahr nannte Zorn in seinem einführenden Gesamtüberblick einige Einzelheiten:

Die materielle Einsatzbereitschaft aller 71 Hauptwaffensysteme hat sich im Berichtszeitraum insgesamt verstetigt und in einigen Bereichen leicht verbessert. Sie liegt mit durchschnittlich 77% geringfügig über den 76% aus dem letzten Bericht. Unsere Zielgröße von 70% durchschnittlicher materieller Einsatzbereitschaft übertrafen hierbei 38 Hauptwaffensysteme, 11 lagen unter 50% (davon 6 Altsysteme). Die durchschnittliche materielle Einsatzbereitschaft von Kampffahrzeugen lag bei 71%, für Kampfeinheiten der
Marine bei 72%, für die Kampf- und Transportflugzeuge bei 65%, für alle Unterstützungsfahrzeuge (Logistik, Sanität und CIR) bei 82% und bei den Hubschraubern weiterhin bei 40%.

Als positives Beispiel nannte der Generalinspekteur den Schützenpanzer Puma, für den das Heer im März vergangenen Jahres die taktische Gefechtstauglichkeit erklärt hatte. Die materielle Einsatzbereitschaft des Gefechtsfahrzeugs sei im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt um elf Prozent (gemeint vermutlich: Prozentpunkte) auf 65 Prozent gestiegen, in der Spitze sogar um 15 Prozent (auch hier vermutlich Prozentpunkte) auf 75 Prozent. Grund dafür sei vor allem eine bessere Zusammenarbeit mit der Industrie.

Sorgenkind bleiben dagegen, wie schon seit Jahren, die Hubschrauber der Streitkräfte. Deren materielle Einsatzbereitschaft liege nach wie vor auf einem zu niedrigen, unbefriedigenden Niveau, beklagte Zorn. Dennoch zeigen sich positive Entwicklungen. Vor allem ist es uns gelungen, die Einsatzbereitschaft im Berichtszeitraum auf im Durchschnitt aller Hubschrauber 40% zu stabilisieren.

In dieser Durchschnittsrechnung sind allerdings sowohl die Spezialkräfte-Hubschrauber Airbus H145M enthalten, die aufgrund der engen Verwandtschaft mit der weit verbreiteten zivilen Version relativ wenig Probleme machen, als auch die neu zulaufenden SeaLion der Marine und die betagten CH-53-Helikopter der Luftwaffe. Die Modelle NH90, SeaLion und der Kampfhubschrauber Tiger würden weiterhin von sehr zeitwaufwändigen Wartungs- und Inspektionssystemen beeinträchtigt. Bei alten Hubschraubern wie dem CH-53 oder den SeaKing und SeaLynx der Marine sei der operative Flugbetrieb auf Grund der altersbedingten Störanfälligkeit und einer stellenweise schwierigen Ersatzteillage nur noch mit hohem Aufwand und unter großen Anstrengungen aufrecht zu erhalten.

Das Problem der überalterten Technik betrifft auch andere Systeme, wie den Kampfjet Tornado, den Seefernaufklärer P-3C Orion oder die Tanker, im Marinejargon Betriebsstoffversorger, und die Flottendienstboote der Marine. Bei diesen Systemen habe der Rückgang der Einsatzbereitschaft von 69 auf 65 Prozent aufgefangen und stabilisiert werden können – allerdings hätten sieben Systeme nur einen Klarstand von unter 50 Prozent, erläuterte der Generalinspekteur, ohne diese Systeme im Einzelnen zu benennen.

Zwar setzt die Bundeswehr bei etlichen Hubschraubern, Schiffen und Flugzeugen auf einen Ersatz durch Nachfolger. Der ist allerdings nur zum Teil bereits entschieden und gebilligt: Sowohl für die Flottendienstboote als auch für die Seefernaufklärer sind die neuen Systeme bestellt. Für den Nachfolger des Hubschraubers CH-53 gibt es bislang ebensowenig eine Entscheidung wie für den Nachfolger des Tornado. Und die neuen Tanker für die Marine wurden zwar im vergangenen Jahr vom Haushaltsausschuss des Bundestages gebilligt, allerdings wurde bislang aus formalen Gründen dafür noch kein Beschaffungsvertrag abgeschlossen.

Wie im Vorjahr bereits absehbar, stehen etliche Fahrzeuge, Hubschrauber oder Schiffe der Truppe gar nicht zur Verfügung, weil sie zu Instandsetzung oder Nachrüstung bei der Industrie sind. Als Beispiel dafür nannte Zorn vor allem den Kampfpanzer Leopard2: Die sechs unterschiedlichen Typen dieses Gefechtsfahrzeugs sollen auf vier Varianten reduziert werden, möglichst einheitlich soll der Typ A7V zur Verfügung stehen. Allerdings führen die damit verbundenen Umrüstungen dazu, dass nur 183 von 289 Systemen verfügbar sind – ein Fehl, Bundeswehr-Sprech: ein Delta von 37 Prozent. Diese Verfügbarkeitsdelle werde voraussichtlich bis 2025 spürbar bleiben.

(wird ggf. ergänzt)

Zum Nachlesen die Berichte als Sicherungskopie (neben dem Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der aktuelle Rüstungsbericht):
20220113_Bericht_MatEB_2021-2
20220113_BMVg_Ruestungsbericht_14

und die Berichte der vergangenen Jahre auf Augen geradeaus!:

September 2014, Dezember 2015, November 2016, Februar 2018, März 2019, November 2019, Juni 2020, Dezember 2020, Mai 2021

Moskauer Historiker Andrei Subow „Deutliche Beweise für Putins militärisches Scheitern“

Quelle: Tagesspiegel, 15.3.22

 Andrei Subow

Moskauer Historiker Andrei Subow „Deutliche Beweise für Putins militärisches Scheitern“

Die Invasion in der Ukraine ist ein Fiasko für Russland. Der Verursacher muss zweifellos zurücktreten. Ein Gastbeitrag. (Auszug)

Andrei Subow ist ein renommierter Moskauer Historiker und Theologe, ehemaliger Professor des Staatlichen Moskauer Instituts für Internationale Beziehungen (MGIMO). Nachdem er die Annexion der Krim kritisiert hatte, kündigte ihm das MGIMO. Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen auf www.karenina.de, dem Netzportal des Petersburger Dialog.

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ähnelt immer mehr dem Krieg zwischen der Sowjetunion und Finnland von 1939 bis 1940. Damals wurde der Vormarsch der Truppen des angreifenden Landes, nachdem sie das unbedeutende Grenzgebiet eingenommen hatten, durch den tapferen Widerstand der Verteidiger rasch zum Stillstand gebracht.

Dieses Mal hat sich die ursprüngliche Rhetorik des Aggressors noch schneller geändert als vor 82 Jahren. Damals hatte man in Moskau verkündet, die bourgeoise Regierung Finnlands sei mit unbekanntem Ziel geflohen; heute ruft Putin die ukrainischen Soldaten auf, „der Regierung der Faschisten und Drogensüchtigen“ den Gehorsam zu verweigern und die Waffen niederzulegen.

Damals mussten Stalin und Molotow schließlich doch mit jener bourgeoisen Regierung verhandeln, die, wie sich zeigte, durchaus nicht geflohen war. Heute hat der Kreml das erklärte Ziel, den regulär gewählten Präsidenten der Ukraine abzusetzen, schon vergessen. Das Außenministerium spricht in Antalya mit dem ukrainischen Außenminister Kuleba und lässt durch seine Pressesprecherin Sacharow erklären, „die Absetzung der Regierung in Kiew“ sei nicht beabsichtigt.

Die russischen Truppen werden nicht mit Brot und Salz empfangen

Das alles sind deutliche Beweise für Putins militärisches Scheitern. Der Plan, siegreich in Charkiw, Mariupol und Odessa einzumarschieren, begrüßt von jubelnden Ukrainern, ist nicht aufgegangen. Die russischen Truppen werden nicht mit Brot und Salz empfangen, sondern mit Sperrfeuer.

Die Menschen, gestern noch friedliche Bürger, greifen zu den Waffen, um ihr Land zu verteidigen, und die, die dazu nicht in der Lage sind, fliehen in den Westen der Ukraine oder in die Länder der Nato, lassen ihre manchmal von den „Befreiern“ niedergebrannten Häuser zurück und ziehen die Mühsal der Flucht der brüderlichen Umarmung vor. Die Zahl der aus der Ukraine nach Europa geflohenen Menschen geht auf drei Millionen zu und könnte bis auf sieben Millionen steigen – 18 bis 20 Prozent der Bevölkerung.

Aber so wie der finnische Staatspräsident Karl Gustav Emil Mannerheim 1939, hat auch Präsident Wolodymyr Selenskyj in dieser tragischen Stunde sein Land nicht verlassen. Er regiert weiter und spricht täglich mit den Staatsoberhäuptern der Welt, wendet sich an das ukrainische Volk und inspiriert dessen Widerstand. Dieser bescheidene und äußerst zivile Mensch verkörpert den unbeugsamen Mut seines Landes, das ihn in freien Wahlen zu seinem Präsidenten gekürt hat.

Nach Einschätzung von Experten der Nato sind die ukrainischen Truppen zäh und geschickt. Die Stabsoffiziere haben die Kontrolle behalten, die Einkreisung auch nur halbwegs bedeutender Truppeneinheiten der ukrainischen Armee ist bisher nicht gelungen. Ein Blitzkrieg, wie ihn die deutsche Wehrmacht im Sommer 1941 im westlichen Teil der UdSSR erfolgreich führte, gelang im Frühjahr 2022 auf demselben ukrainischen Boden nicht.

Russland treffen beispiellose Sanktionen

Militärexperten konstatieren erstaunt die geringe Kampfkraft der russischen Armee. Genauso war es auch 1939/40 im sowjetisch-finnischen Krieg. Wie sich zeigte, war die „Rote Armee“ bei weitem nicht „stärker als alle zwischen Taiga und Britischem Meer“, wie es in dem alten sowjetischen Kriegslied heißt, nicht einmal stärker als die kleine Armee des „bourgeois-kulakischen“ Finnland.

Und wie im Fall des sowjetisch-finnischen Kriegs wächst die Unterstützung der Ukraine permanent. Aber anders als die UdSSR, muss Russland heute seine Kämpfe ganz allein führen. Zudem wird sein Vorgehen von nahezu der gesamten Weltgemeinschaft verurteilt, wie die Abstimmung der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 2. März 2022 deutlich zeigte.

Russland treffen beispiellose Sanktionen, die sehr schnell zum Zusammenbrechen unseres Wirtschafts- und Finanzsystems führen und das Land in nächster Zukunft in die Zahlungsunfähigkeit treiben werden. Die Oberhäupter der Welt, Präsident Biden, Premierminister Johnson, Kanzler Scholz, klagen Putin persönlich an, diesen Krieg entfesselt zu haben, sie nennen sein Vorgehen in der Ukraine ein „vorsätzliches Verbrechen“.

Die Welt hat sich von Russland abgewandt, Hunderte ausländischer Unternehmen verlassen das Land, Hunderttausende, wenn nicht Millionen unserer Mitbürger verlieren ihre Arbeit. Die britischen Dockarbeiter weigern sich, unsere Tankschiffe zu entladen, sie wollen blutiges Öl nicht berühren, sagen sie.

Die machtnahe Elite hat es längst begriffen

Die westlichen Regierungen sind vorsichtiger als die Unternehmen, aber wie 1939/40 werden sie ihren Bürgern folgen müssen. Überall wetteifern die Regierungsparteien und die Opposition in antirussischer Rhetorik. Die öffentliche Meinung in den meisten Ländern der Welt ist für Russland auf viele Jahre verloren.

Das sind die Folgen von zwei Wochen Krieg. Das russische „tiefe Volk“ hat die Niederlage Russlands noch nicht erfasst. Noch schreibt man das „Z“ („za pobeda“ – für den Sieg) auf die Türen seiner ausländischen Automarken. Aber die Menschen spüren, „dass irgendetwas schiefläuft“.

Sicherlich wird sich das Bewusstsein sehr bald einstellen, trotz der Anstrengungen der offiziellen Fernsehpropaganda. Übrigens verliert diese Propaganda immer mehr an Überzeugungskraft. Es ist deutlich zu sehen, dass die vor Kurzem noch so wackeren Fernsehmoderatoren von den Ereignissen überrumpelt wurden. Zumal auch sie die Sanktionen persönlich zu spüren bekommen.

Die gebildete Schicht und die machtnahe Elite haben es längst begriffen. Sie begreifen, dass dieser Krieg scheitern wird, viele begreifen auch, dass fast die gesamte lange Regierungszeit Putins gescheitert ist. Von seiner Äußerung über den Zerfall der UdSSR als größte geopolitische Tragödie des 20. Jahrhunderts aus dem Jahre 2004 bis zum Krieg in der Ukraine im März 2022 zieht sich ein roter Faden.

Nun droht dieser Faden jeden Moment zu zerreißen. Die Politik des „Sammelns russischer Erde“ und der Wiedergeburt von „Groß-Russland“ erleidet gerade auf den Feldern der Ukraine ihren totalen Zusammenbruch, ihren Bankrott.

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Ukraine-Krieg: Die Macht der Karten

Quelle: Übermedien

Gastbeitrag

Visualisierungen des Ukraine-Krieges 11. März 2022

Die Macht der Karten

von Mateusz Fafinski

Die Landkarten, die aktuell Russlands Einmarsch in der Ukraine abbilden, haben reale Konsequenzen. Neutrale Karten gibt es nicht, hinter jeder steckt immer eine Absicht. Sie sind Projektionen von Macht: die Macht, etwas zu zeigen oder wegzulassen. Die Macht, zugrunde liegende Daten nicht genau zu überprüfen.

Dabei vertrauen wir Karten instinktiv, wie nur wenigen anderen Darstellungen unserer Welt. Manchmal genügt es, sie umzudrehen, um diesen Instinkt in Frage zu stellen. Denn eine Karte zeigt immer nur eine Perspektive – und eine Auswahl von Informationen. Was wie abgebildet ist und was nicht, beruht auf subjektiven Entscheidungen. Ist eine Linie „eine Front“? Ist ein Gebiet „besetzt“? „Kontrolliert“? Oder nur ein „Aufmarschgebiet“? Obendrein zeigen diese Bilder immer nur eine Momentaufnahme – die tatsächliche Situation ist permanent in Bewegung.

Kontrolle, Besatzung, Vormarsch

Karten sind mächtig, damals wie heute. Wer sie erstellt, hat Verantwortung, gerade in einer komplizierten und komplexen Situation wie dem aktuellen Krieg in der Ukraine. Vor diesem Hintergrund haben Redaktionen derzeit eine äußerst schwierige Aufgabe: Sie müssen all das in Medien darstellen, die dafür nie perfekt geeignet sind.

Das Kartenmaterial, das deutschsprachige Medien bisher anfertigten, um den Krieg in der Ukraine zu erklären, ist von gemischter Qualität. Anfangs behandelten viele Redaktionen den Krieg im Wesentlichen wie einen typischen Konflikt des 20. Jahrhunderts: Auf vielen Karten war militärischer Vormarsch gleichbedeutend mit Besetzung, vor allem aber mit „Kontrollzonen“, also Gebieten, zu denen das ukrainische Militär keinen Zugang hat. Doch im Vergleich zu damaligen Kriegen ist dieser Angriff multilateraler und mobiler, es gibt keine klare Frontlinie, mehrere Akteure können ein Gebiet kontrolllieren, wie etwa in Cherson. Der Glaube, dass Kriege heute denen des 20. Jahrhunderts entsprechen, führt daher zu ziemlich miserablen Karten. Ein Blick in die Kulturgeschichte der Karten und in die Logik moderner Kriegsführung hätte diesen Ansatz schnell als unangemessen erscheinen lassen.

Einige haben zumindest ihre Beschriftungen und Kartenlegenden präzisiert, um zu zeigen, wie unsicher die Lage ist; nun ist etwa nicht mehr von „von Russland eingenommenen Gebiete“ die Rede, sondern richtigerweise von „russischen Vormarschgebieten“. Einige verwenden immer noch den Begriff „besetzt“ für Gebiete, bei denen nicht klar ist, wie stark die russische Präsenz und Kontrolle vor Ort ist.

Dabei zeigt die Berichterstattung aus der Ukraine, dass die Realität vor Ort eher verschiedenen Graden von Herrschaftsausübung entspricht: Einige Gebiete befinden sich vollständig in der Hand des russischen Militärs, andere sind kaum mehr als Aufmarschgebiete – was zugleich nicht bedeutet, dass die Ukraine diese Gebiete kontrolliert. Die Situation ist nicht schwarz-weiß. Begriffe wie „Kontrolle“, „Besatzung“ oder sogar „Vormarsch“ stoßen daher an die Grenzen ihrer kartografischen Bedeutung.

Eine Stichprobe zeigt, wie unterschiedlich Redaktionen Informationen visualisieren – am Beispiel von Karten aus „Frankfurter Allgemeiner“, „Neuen Zürcher Zeitung“ und „Tagesspiegel“ vom 9. März.

Der Autor

Mateusz Fafinski ist Historiker und Digital Humanities-Forscher und schreibt darüber, wie die Vergangenheit unsere Gegenwart prägt. Er untersucht die Geschichte der schriftlichen Kommunikation, Städte und das Erbe von Imperien. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin und Forschungsassistent an der Stanford University. Er twittert unter @Calthalas.

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https://uebermedien.de/69336/die-macht-der-karten/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

Ukraine-Krieg: Reaktionen der russischen Bevölkerung

Putins verlorene Generation: Junge Russen verlassen ihr Land | auslandsjournal

105.740 Aufrufe – 12.03.2022 – ZDFheute Nachrichten – 

Wer zurzeit in Russland von Invasion oder Krieg spricht, muss mit härtesten Strafen rechnen. Die Willkür unter Putin nimmt immer weiter zu. Immer mehr jungen Russen reicht es. Gegen Putin auf die Straße zu gehen, kann als Straftat gelten. Slawo, Artiom und Alex tun es trotzdem: „Ich schäme mich für das, was in meinem Land passiert, in dem Land, das ich liebe, und ich schäme mich dafür, dass nun Ukrainer in Bomben-Bunkern Schutz suchen müssen“, so Alex, der wie die anderen beiden nach Georgien geflohen ist. Artiom hat nur noch das, was er am Leib trägt, er floh, weil vor seinem Haus Polizei wartete. Einschüchtern lassen will er sich nicht: „Wir reden nicht mehr über ein freies Russland. Es ist eine voll entwickelte Diktatur. Militär Zensur ist eingeführt, du darfst den Krieg nicht mehr ‚Krieg‘ nennen. Du darfst nicht mehr gegen diese Regierung sein.“ Auf seiner Website und auf Telegram zeigt er rund 50.000 Followern Unbequemes: Russische Bürger*innen, die abgeführt werden, weil sie für den Frieden demonstrieren, oder die grundlos geschlagen werden.


Ukrainer und Russen in Deutschland: Seite an Seite gegen den Krieg

31.445 Aufrufe – 13.03.2022 –ZDFheute Nachrichten – 

Im Verbündungshaus fforst in Frankfurt (Oder), einem Wohnprojekt mit internationalen Studierenden, gibt es das, wovon die ganze Welt derzeit träumt: ein friedliches Miteinander von Russen und Ukrainern. Das fforst-Projekt lebt von den Ideen seiner Bewohner und Besucher. In diesen Tagen dreht sich alles um die Hilfe für die Ukraine. Rita aus St. Petersburg hat Spenden gesammelt, um sie in die Ukraine zu schicken. „Es tut mir so leid, es tut mir so leid“, sagt Rita immer wieder und meint damit Putins Krieg. Rita studiert in Frankfurt/Oder – ihre Familie aber lebt in Russland.

„Es fehlen mir die Worte, das kann man nicht beschreiben – das ist so unmenschlich, was da passiert“. Für Wowa und Katja aus der Ukraine ist die Spendenaktion Hilfe und Ablenkung von den unfassbaren Ereignissen in ihrer Heimat. „Bis zum letzten Moment habe ich gedacht, dass es nicht zu einem Krieg kommt, weil wir waren immer Brüder und Schwestern. Russland und Ukraine hält immer zusammen und ich dachte es kommt zu keinem Krieg“, sagt Katja. Und Wowa denkt darüber nach, selbst in die Ukraine zu gehen , um dort zu kämpfen. Die Jungen Leute hoffen, dass sich die Protest gegen den Krieg in Russland ausweiten. Doch nicht alle wollen dort etwas davon wissen. Sasha aus dem russischen Kasan etwa erzählt von Telefonaten mit ihrer Mutter: „Sie hat ihr normales Leben gelebt, ohne irgendwie Hintergedanken zu haben, was jetzt überhaupt passiert. Ich will das nicht rechtfertigen, weil es genug Medien gibt, über die man sich informieren kann. Aber das Ding ist, die Menschen versuchen, das absichtlich auszublenden.“

Schon 2014 hat sie wegen der Annexion der Krim mit ihrem Vater gebrochen – sie wollte unbedingt in die Ukraine zu einem studentischen Austauschprojekt: „Er hat versucht, auf mich Druck auszuüben, ich bin dahin gefahren, obwohl er das nicht wollte. Seitdem haben wir keinen Kontakt mehr.“ Ortswechsel nach Potsdam, in die die Alexandrowka, einer Siedlung aus Blockhäusern im russischen Stil, die vor vor 200 Jahren errichtet wurde. In einem russischen Restaurant arbeiten Russen und Ukrainer ganz selbstverständlich weiter friedlich zusammen. „Wir sind Freunde und Arbeitskollegen – wir haben nie Schwierigkeiten gehabt, nie!“ sagt Sergej Jentiakow, Mitarbeiter des Restaurants. Natürlich schäme er sich für den Krieg.

Sergej berichtet von pauschalen Vorwürfen: „Ich habe Bekannte, die mir leichte Vorwürfe machen, dass ich Russe bin – aber ich habe damit nichts zu tun. Ich lebe seit 30 Jahren in Deutschland.“ In dem Restaurant hoffen sie nun, dass nicht mehr länger alle Russen unter Generalverdacht gestellt werden – Sergej jedenfalls hat entschieden, sich auch in der Öffentlichkeit klar zur Solidarität mit der Ukraine zu bekennen.


#auslandsjournal #Russland #Ukraine – 

Widerstand in Russland gegen Putins Krieg gegen die Ukraine I auslandsjournal

100.477 Aufrufe – 03.03.2022 – ZDFheute Nachrichten – 

Anna protestiert zum ersten Mal in ihrem Leben – und das gegen den Krieg des Präsidenten. Offen auf der Straße riskiert sie damit harte Strafen. Die 18-Jährige träumt von einem Linguistik-Studium, wollte mit den Eltern in die USA auswandern.

Vor zwei Jahren haben sie eine Greencard gewonnen. Dann kam Corona, nun der Krieg. Ihre Eltern haben sie liberal erzogen, ihre Bisexualität kein Problem. Zuhause gibt es eine Regel: Kein Fernsehen, denn das sei alles Propaganda: „Ich liebe mein Land, die Menschen, die Kultur, aber ich verabscheue die Regierung. Was mich so sauer macht, ist, dass sie erzählen, es gäbe keinen Krieg, nur eine Militäroperation. Aber was soll der Unterschied sein?“

Annas Vater ist stolz auf seine Tochter, aber er hat auch Angst vor den Repressionen. Sein eigener Protest ist daher verdeckter: Er klebt nachts Plakate: „Dass Putin ein Bösewicht ist, ist uns schon lange klar. Doch das nun liegt außerhalb von Gut und Böse. In Putin ist der Teufel zum Vorschein gekommen und in Russland zum Präsidenten geworden.“ Anders sieht das der Leiter des russischen Schriftstellerverbandes, Nikolai Iwanow. Er übernimmt die Kreml-Propaganda und nennt den russischen Angriff gegen die Ukraine eine „Sonderoperation“. Von Krieg könne dort keine Rede sein. Und Denis Ganitsch von der „Nationalen Freiheitsbewegung“ stützt das Narrativ der „Denazifizierung“ der Ukraine. Die Bevölkerung werde von der russischen Armee „befreit“.


#Russland #Putin #Zensur

Krieg in der Ukraine: Weltweite Anerkennung für russische Journalistin | DW Nachrichten

2.140 Aufrufe – 15.03.2022 DW Deutsch – 

Sie wurde in wenigen Minuten zum Medienstar: Marina Owsjannikowa, 42 Jahre alt, Redakteurin beim staatlichen russischen Fernsehsender „Erster Kanal“. Am Montagabend sprengte sie die Nachrichtensendung zur Prime Time, als sie sich vor laufender Kamera hinter die prominente russische Moderatorin Ekaterina Andrejewa stellte und ein handgeschriebenen Plakat hochhielt auf dem auf Englisch und Russisch stand: „No War. Stoppt den Krieg. Glaubt nicht an Propaganda. Sie werden hier betrogen. Russen gegen den Krieg“. Der Auftritt einer bisher kaum bekannten Journalistin dauerte wenige Sekunden und löste vor allem im Westen ein mediales Erdbeben aus. Ausschnitte der Sendung wurden auf diversen YouTube-Kanälen innerhalb weniger Stunden hunderttausende Male aufgerufen.

Auch Nachrichtensendungen haben mit diesem Thema aufgemacht. Der Hintergrund: Es war das erste Mal – nicht nur seit dem offenen Überfall Russlands auf die Ukraine, sondern seit Jahrzehnten – dass in streng staatlich kontrollierten russischen Medien ein Protest gegen den Kreml auf diese Weise sichtbar gemacht wurde. Viele haben das bis dahin für unmöglich gehalten. Owsjannikowa soll noch am Montagabend festgenommen worden sein, am Dienstag musste sich sich dann wegen der „Organisation einer nicht erlaubten öffentlichen Aktion“ vor Gericht verantworten.

Ein Gericht im Moskau hat sie am Dienstagabend zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 230 Euro verurteilt und vorerst auf freien Fuß gesetzt. Sie wurde zunächst nicht nach dem neuen russischen Mediengesetz angeklagt, das bis zu 15 Jahre Haft für die Verbreitung von „Falschnachrichten“ über das Militär vorsieht. Ihr Anwalt Daniil Berman hatte eine Anklage auf Grundlage des neuen Mediengesetzes befürchtet, wie er der Nachrichtenagentur AFP sagte. „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Behörden daran ein Exempel statuieren, um andere Protestierende zum Schweigen zu bringen.“ Er beklagte zudem, dass er zu seiner Mandantin keinen Zugang habe und nicht wisse, wo genau sie festgehalten wurde.

Ukraine-Krieg: Wirtschaftliche Sanktionen

Sanktionen gegen russische Oligarchen

Londongrad: Großbritanniens Jagd auf reiche Russen I auslandsjournal

. 142.436 Aufrufe –  12.03.2022 ZDFheute Nachrichten – 

Jahrelang haben russische Oligarchen in London ihr Geld geparkt. Mit den Sanktionen gegen Russland wird das jetzt schwerer. „Londongrad“ gerät ins Fadenkreuz britischer Ermittler.


Sanktionen gegen Russlands Oligarchen | DW Nachrichten

29.146 Aufrufe – 08.03.2022 –DW Deutsch – 

Die Sanktionen des Westens sollen auch die Oligarchen treffen. Die Machtmenschen, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Milliarden angehäuft haben – und von denen viele als Unterstützer Putins gelten. Nun heißt es für sie: Keine Luxustrips mehr an die Côte d’Azur oder in die Alpen: Die EU, Großbritannien und sogar die sonst so neutrale Schweiz haben Einreiseverbote für Kreml-treue Oligarchen verhängt und Vermögenswerte eingefroren. Auch die USA gehen ähnliche Schritte.


Sanktionen gegen Russland: Ex-Oligarch Michail Chodorkowski fordert mehr Härte | WDR Aktuelle Stunde

80.093 Aufrufe – 05.03.2022 – WDR aktuell – 

Michail Chodorkowski war einer der Putin-treuen Tycoons. Zeitweise war er der reichste Mann Russlands. Dann legte er sich mit dem russischen Präsidenten Putin an und ging dafür sogar ins Gefängnis. Mittlerweile gibt es eine transatlantische Task Force, die daran arbeitet, Vermögenswerte wie Immobilien, Privatjets oder Yachten der russischen Oligarchen einzufrieren. Deutschland beteiligt sich an der Arbeitsgruppe, steht aber noch ganz am Anfang. In Hamburg wurde die Super-Yacht eines Oligarchen festgesetzt. Ob sie aber tatsächlich beschlagnahmt werden kann, ist bisher noch nicht klar.

Chodorkowski kritisiert, dass die Sanktionen des Westens Russland nicht hart genug träfen. Man müsse das komplette Vermögen der Oligarchen einfrieren: „Den Krieg kann man nicht mit Beschlagnahmungen stoppen, sondern nur mit der totalen finanziellen Blockade. Bis der Krieg vorbei ist, müssen alle russischen Zahlungen gestoppt werden. Jegliche Geldbewegungen. Zu 100 Prozent.“