Peter Unfried und Harald Welzer haben Diana Kinnert interviewt.
Diana Kinnert, Jahrgang 1991, trat mit 17 in die CDU ein. Sie ist Unternehmerin, Politikerin, Publizistin, Beraterin, Gründerin und Geschäftsführerin Newsgreen GmbH. Zusammen mit Marc Bielefeld hat sie das Buch geschrieben: Die neue Einsamkeit. Und wie wir sie als Gesellschaft überwinden können. Hoffmann und Campe 2021. 448 Seiten, 22 Euro
Diana KinnertsThese lautet: Die Hauptbenachteiligten der Coronakrise seien Jungen. Welzer und Umfried halten dagegen: „Ältere sagen: Was soll das Problem sein, wenn man mal keinen Sex und keine Partys hat und nicht um die Welt reisen kann? Dann bleibt ihr halt mal mit eurem Arsch ein Jahr zu Hause. Wir haben damals aus Trümmern Deutschland wiederaufgebaut!“
Diana Kinnert antwortet darauf: „…Nach aktuellen Studien fühlen sich nun nach einem Jahr Lockdown über 60 Prozent der Jugendlichen einsam.
Dieses subjektive Gefühl reicht aus, um Depressionen, Angstzustände, Schizophrenie und abseits davon auch physische Erkrankungen auszulösen. Das Sterberisiko erhöht sich um 30 Prozent. Jedes fünfte Kind neigt zu selbstverletzendem Verhalten. Ich habe Briefe gelesen, in denen Kinder zugeben, sich für ihr prekäres Zuhause zu schämen, wenn im Online-Hintergrund eine viel zu kleine, nicht reinliche Wohnung zu sehen ist. Aggressives Gebrüll, verzweifeltes Geschrei inklusive. … . In Chats wird über Selbstmord fantasiert. …“
Über die Einsamkeit junger Menschen sagt Kinnert u.a.: „Junge Einsamkeit hat nichts mit der Anwesenheit oder Abwesenheit anderer zu tun, sondern gerade mit einer Unfähigkeit zur Intimität – einem sehr selbstbestimmten Rückzug vor Überforderung und dem Gefühl des Ausgeliefertseins. Das hat viele Gründe, das hat etwas mit abstrakteren Bedrohungen wie dem Klimawandel und Ungewissheiten zu tun. Es hat aber definitiv auch etwas mit ganz konkreter Lebenssituation zu tun. Natürlich muss ich da mein Konzept sozialer Marktwirtschaft reflektieren. Richard Sennett spricht von einem heutigen Flexibilitätsregime, Anpassung bis zur eigenen Unkenntlichkeit.
Mir fällt Einsamkeit als zerschlagene, zersplitterte Solidarität in Betrieben auf. Um die Lebenssituation der Jungen zu verbessern, sie in die Lage zu versetzen, Beziehungen führen zu können, braucht es keinen Kicker oder kostenloses Obst im Start-up, sondern neue Chancen für Arbeitnehmerrechteverhandlung. Der Trend ist anders: Gläserne Meetingpoints statt kolossale Eichenschreibtische, den Chef gerne duzen, aber bitte keinen Betriebsrat gründen. Dadurch wird aber die klassische ökonomische Abhängigkeit verschleiert.“
Der komplette Beitrag ist in taz FUTURZWEI N°17 nachzulesen.