Dr. Peter Clausing, Agrarwissenschaftler und Toxikologe beschreibt in der neuesten Ausgabe Dezember 2020 von „lunapark 21 – Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie“ unter der Überschrift „Die Grüne Revolution in Afrika – Projekt gescheitert Geld verbrannt“ das Scheitern der sog. Alliance for a Green Revolution in Africa, kurz AGRA.
AGRA wurde im Jahr 2006 von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und der Rockefeller-Stifung aufs Gleis gesetzt. Ziel des Milliardenprojektes war es, bis 2020 das Einkommen von 20 bis 30 Millionen kleinbäuerlicher Haushalt in den 13 subsaharischen Ländern Afrikas und die Hektarerträge bei wichtigen Anbaukulturen zu verdoppeln. Auf diese Weise sollte die Ernährungsunsicherheit halbiert werden. Im Juni 2020 seien diese Ziele von der Website der AGRA verschwunden.
Ein Grund könnte das Scheitern von AGRA sein. Clausing kritisiert, dass das Projekt bis dato keine öffentlich verfügbare Gesamtbewertung vorgelegt hat. Der von Fachleuten erbetene Zugang zu entsprechenden Daten sei verweigert worden. Deshalb hätte ein Team um Prof. Timothy Wise (Tufts University, Massachusetts, USA) auf der Grundlage nationaler Statistiken der AGRA-Zielländer (Äthiopien, Burkina Faso, Ghana, Kenia, Malawi, Mali, Mosambik, Niger, Nigeria, Ruanda, Sambia, Tansania und Uganda) eine eigene Analyse angefertigt.
Das Ergebnis dieser Analyse sei ernüchternd:
- Der Produktionszuwachs innerhalb von 12 Jahren um 87 Prozent bei der Vorzeigefrucht Mais sei zur Hälfte auf die Ausdehnung der Anbaufläche zurückzuführen. Die Hektareerträge seien lediglich um 29 Prozent gestiegen. Über alle Grundnahrungsmittel hinweg betrachtet, sei der Ertragsanstieg lt. FAO lediglich bei 18 Prozent stecken geblieben. Dieser Zuwachs von 1,5 Prozent pro Jahr sei identisch mit den Wachstumsraten vor der AGRA-Zeit.
- Erheblich gestiegen sei dagegen der Verkauf von Pestiziden, synthetischem Dünger und Hyrid-Saatgut. Genaue Zahlen würden nicht vorliegen.
- Die „Kollateralschäden“ des Projekts seien dagegen gravierend: Die Zahl der Menschen, die unter extremem Hunger in dieses Ländern leiden würden, sei um 30 Prozent – in absoluten Zahlen: 130 Millionen Menschen – gestiegen.
- Hinzu kämen: negative Umweltauswirkungen, fehlende ökonomische Nachhaltigkeit, verstärkte Abhängigkeit der kleinbäuerlichen Strukturen, Versauerung der Böden durch Monokulturen und synthetische Düngemittel. Kommerzielles Saatgut und chemische Inputs würden die Bäuerinnen und Bauern nach Wegfall der Subventionen direkt in die Schuldenfalle treiben.
- Nach kurzzeitigen Ertragssteigerungen führe all dies zu entsprechenden Einbußen und einer stärkeren Anfälligkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels.
- Die ländliche Bevölkerung verarme weiter, der Landbesitz konzentriere sich noch stärker.
Fazit von Dr. Clausing: Die Lösung liege in der Förderung agrarökologischer Anbausysteme, welche nach der Auffassung von Expert*innen in kritischen Regionen der Welt die Nahrungsmittelproduktion innerhalb von zehn Jahren verdoppeln könne. Diese hatte der Sonderbeauftragte der UN für das Recht auf Nahrung, Prof. Dr. Schutter bereits 2011 erklärt. Schon 2009 hatte der Weltagrarbericht den Startschuss für einen grundlegenden Wandel des Welternährungssystems gegeben. Über zehn Jahre sei – so Clausing – nichts in dieser Richtung geschehen. Die Trendwende müsse endlich eingeleitet werden.
Die massiven Investitionen der Gates-Stiftung, die oben diskutiert wurden, bedrohen und schwächen das Potential der traditionellen afrikanischen Landwirtschaft. Ihre Projekte verwerfen und unterminieren die vielen erfolgreichen afrikanischen Alternativen in der ökologischen und nachhaltigen Landwirtschaft, der Agrar- und Forstwirtschaft, der Weidewirtschaft, in der integrierten Schädlingsbekämpfung, in der von Bauern geführten Pflanzenzüchtung und bei vielen anderen agro-ökologischen Ansätzen.
Mariam Mayet, die Gründerin und Leiterin des African Centre for Biosafety, hatte in einem Aufsatz unter der Überschrift „Grüne Revolution in Afrika- Philanthropen fördern Agro-Gentechnik“ festgestellt: „Es ist tragisch, dass der Bericht des International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (IAASTD) aus dem Jahr 2008, der von 400 Wissenschaftlern über einen Zeitraum von fünf Jahren zusammengestellt wurde, im aktuellen Diskurs nach wie vor weitgehend ignoriert wird. Der Bericht weist darauf hin, dass Ernährungssicherheit, Souveränität und vernünftige Umweltpraktiken für heutige und zukünftige Generationen untrennbar mit ökologischer Landwirtschaft sowie mit traditionellen und lokalen Wissenssystemen verknüpft sind.“