Die Krise der Sorgearbeit überwinden (mit Frigga Haug und Julia Fritzsche) –Critical Theory in Berlin – 1.785 Aufrufe 15.12.2020 –
Kapitel 00:00 Einleitung und Vorstellung (Rahel Jaeggi) 05:38 Die lange Diskussion um die Sorgearbeit (Frigga Haug) 09:14 Ein anderes Frauenbild ist ein anderes Menschenbild (Julia Fritzsche) 17:26 Die Entwicklung der Vier-in-einem-Perspektive (Frigga Haug) 24:46 Gesellschaftsveränderung braucht Selbstveränderung (Frigga Haug) 30:01 Professionalisierung vs. Kommodifizierung von Sorgearbeit 44:35 Schätzt der Neoliberalismus nicht auch Sorge und lebendige Arbeit? 52:07 Geht gute Sorge nur im Sozialismus?
Die Krise der Sorgearbeit überwinden mit Frigga Haug und Julia Fritzsche (Moderation: Rahel Jaeggi)
Für einen kurzen Augenblick konnte es so scheinen, als habe die Corona-Pandemie endlich das breite gesellschaftliche Bewusstsein dafür geschaffen, wie wichtig Pflege und Sorge für uns alle sind. Zu wichtig, um genau zu sein, um sie weiter unter so schlechten Bedingungen wie gegenwärtig zu organisieren. Das Home-Schooling im Home-Office, der Pflegenotstand in Krankenhäusern und Altenheimen schienen endlich die nötige Aufmerksamkeit für die Belastungen und prekären Bedingungen alltäglicher Sorge zu erzeugen. Eine Tarifrunde und einen Kinderbonus später stellt sich Ernüchterung ein. Wir wollen deshalb mit Frigga Haug und Julia Fritzsche diskutieren. Beide sagen seit langem, dass mehr Pflegekräfte und eine höhere Bezahlung allein, die Krise der Sorgearbeit nicht überwinden werden. Gebraucht werde vielmehr ein neues Verständnis menschlicher Tätigkeit und gesellschaftlicher Arbeitsteilung. Aber wie soll sie konkret aussehen, die Sorge und Pflege in einer Gesellschaft, in der sie weder zur unbezahlten Domäne von Frauen privatisiert noch professionalisiert, aber dafür den Gesetzen der Ökonomisierung unterworfen werden?
Frigga Haug hat als marxistische Feministin den besonderen zeitlichen Charakter von Sorgearbeit herausgearbeitet und mit dem Vier-in-Einem-Konzept schon 2011 einen radikalen Vorschlag für ein neues Verständnis von Arbeit gemacht, in dem Sorge, Kultur und Politik auch einen Platz haben.
Julia Fritzsche plädiert in Tiefrot und radikal bunt (Nautilus 2019) für eine neue linke Erzählung, die den Wunsch nach anderen menschlichen Beziehungsweisen auch auf dem Gebiet der Sorgearbeit artikuliert und wirkmächtig werden lässt.