Quelle : Netzwerk Friedenskooperative – Autorin: Ronja Liertz
„Das jährlich erscheinende Friedensgutachten wird herausgegeben von den deutschen Friedensforschungsinstituten
- BICC Bonn International Center for Conversion
- HSFK Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfl iktforschung
- IFSH Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
- INEF Institut für Entwicklung und Frieden
Es betrachtet herrschende Krisen und Gewaltkonflikte, analysiert Trends der internationalen Außen- Sicherheits- und Entwicklungspolitik und formuliert Empfehlungen für die Bundesregierung.
Dieses Jahr trägt es den Titel „Im Schatten der Pandemie: letzte Chancen für Europa“ – denn natürlich darf die Corona-Pandemie in der aktuellen Lage nicht unbenannt bleiben. Obwohl diese politische und gesellschaftliche Fragen von hoher friedens- und sicherheitspolitischer Relevanz aufwirft, werden gleichzeitig andere wichtige Themen verdrängt.
Besonders der Klimawandel, als Top-Thema aus 2019, wurde lange komplett überschattet. Die diesjährige Ausgabe greift dies auf und thematisiert im Fokus die Auswirkungen des Klimawandels auf die globale Friedensordnung und aktuelle Gewaltkonflikte. Der Appell des Friedensgutachten: den Klimaschutz weiterhin priorisieren.
Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Frieden, Sicherheit, Konflikte und Kriege?
Die Wissenschaft ist sich einig, dass die Folgen das Konfliktrisiko steigern und eine nachhaltige Friedenssicherung erschweren. Die Meinungen scheiden sich jedoch in der Frage, welche konkreten Risiken er für Sicherheit und Frieden birgt.
Auf der einen Seite stellt das erhöhte Auftreten von Umweltkatastrophen eine direkte Gefahr für Gesellschaften dar und kann so als Bedrohung für die persönliche Sicherheit interpretiert werden – was wiederrum zu Gewaltkonflikten führen kann. Auf der anderen Seite könnte mehr Kooperation zur Überwältigung der Krise in der Gesellschaft entstehen und Konflikte dadurch sogar abgebaut werden. Da viele Folgen des sich ändernden Klimas erst im Laufe der Zeit sichtbar werden, seien direkte Risiken auf Frieden und Sicherheit noch nicht abschätzbar.
Besonders in der Frage, wie die Klimakrise Gewalt und bewaffnete Konflikte beeinflusst, herrscht Uneinigkeit innerhalb der Wissenschaft. Genau diese Schwierigkeit, konkrete Vorhersagen zu treffen, stelle das Risiko des Klimawandels dar. Im Vergleich zu anderen Faktoren wie staatliche Kapazitäten oder soziale Ungleichheiten innerhalb der jeweiligen Gesellschaft, sei er jedoch wenig einflussreich. An Orten, in denen die Situation schon instabil, konfliktgefährdet, oder bereits ein bewaffneter Konflikt vorhanden ist, ist die Klimakrise jedoch ein weiterer Stressfaktor und erhöht so das Risiko einer Eskalation.
Wichtig sei es nun, die klimatischen Veränderungen konfliktsensitiv und gerecht zu gestalten. Traditionelle sicherheitspolitische Instrumente seien nicht die richtigen Maßnahmen für die Bewältigung der Krise und belasten zusätzlich die Umwelt.
Empfohlen wird eine Klimapolitik, die auf Emissionsvermeidung und Klimaanpassung baut. Kritisiert werden hingegen Methoden wie Geoengineering, die daran ansetzen, Effekte zu reduzieren. Das sei eine Abkehr von politischen Bemühungen, Ursachen zu bekämpfen und auch aus einer friedenspolitischen Perspektive schwierig: technische Instrumente weisen demokratische Mängel auf, da die Entscheidungsgewalt und Expertise überwiegend in den Händen von wenigen liegt.
Ein weiteres Problem: in Deutschland wird der Klimawandel oft als sicherheitspolitisches Problem wahrgenommen, so die Expert*innen. Dies befördere aber nur eine Militarisierung von Klimapolitik und könne dazu dienen, Aufrüstung zu legitimieren. In diesem Zusammenhang stehe auch der Irrtum von sogenannten „Klimakriegen“ sowie Migration als eine der größten Folgen des Klimawandels – diese sei noch sehr gering und oft unverhältnismäßig groß dargestellt.
Die direkten Auswirkungen auf Gewalt und Krieg im Zuge des sich verändernden Klimas bleiben umstritten. Sicher ist jedoch, dass diese Krise ein weiterer Stressfaktor auf globaler Ebene ist und in bereits konfliktträchtigen oder gefährdeten Regionen ein Katalysator mit unabsehbaren negativen Folgen. Oft wird die derzeitige Migration als unmittelbare Reaktion auf Wetterbedingungen eingeschätzt – und damit die Krise rein sicherheitspolitisch eingeordnet. Das ist fatal, da Militarisierung nur noch mehr Rückhalt bekommen würde. Wichtig ist es nun, die Verbindung zwischen Klimakrise und herrschenden Konflikten stärker zu thematisieren und in die Öffentlichkeit zu bringen. Die Wissenschaftler*innen empfehlen daher, dass Deutschland seine Position im VN-Sicherheitsrat nutzt, um die friedenspolitische Relevanz des Klimawandels auf die Tagesordnung zu setzen.“