Führt ökonomische Ungleichheit zu verstärkter politischer Polarisierung?

Quelle: Makronom UNGLEICHHEIT GESELLSCHAFT (9.7.20)

Eine neue Studie  vonCHRISTIAN R. PROAÑOJUAN CARLOS PEÑATHOMAS SAALFELD * zeigt, dass harte „Brot-und-Butter“-Themen eine wichtige Rolle bei der Erklärung der jüngsten Popularität rechtsextremer Parteien in den westeuropäischen Demokratien spielen. Es handelt sich also zumindest bis zu einem gewissen Grad um ein hausgemachtes Problem.

Das Fazit der Zusammenfassung der Studie in einem Artikel der Wissenschaftler im online-Magazin Makronom lautet:

„Unsere Ergebnisse liefern eine Vielzahl interessanter Einsichten, die die bestehende Literatur über Ökonomie und Wahlverhalten ergänzen: Einerseits stützen unsere Analysen die allgemein anerkannte Sicht der Literatur über wirtschaftsbezogenes Wahlverhalten (economic voting) und zeigen, dass Regierungsparteien für schwache Wirtschaftsleistung bestraft werden. Darüber hinaus stützen unsere Ergebnisse Veröffentlichungen, die behaupten, dass linksextreme Parteien von Zeiten schwacher Wirtschaftsleistung profitiert haben, während Mainstream-Parteien (unabhängig von ihrem Regierungsstatus) bei den Wahlen bestraft wurden.

Über die Standarderklärungen hinausgehend stellen wir fest, dass die Einkommensungleichheit zu einem Hauptgrund für die wachsende Wahlunterstützung rechtsextremer Parteien geworden ist, während sie gleichzeitig mit Wahlverlusten für Mainstream-Parteien verbunden ist.

Anstatt uns auf eine “zweite”, kulturelle Dimension des politischen Konflikts zu konzentrieren (eine Behauptung, die in zahlreichen Analysen untersucht wurde), zeigen wir, dass harte „Brot-und-Butter“-Themen und soziale Ungleichheit eine wichtige Rolle bei der Erklärung der jüngsten Popularität rechtsextremer Parteien in den westeuropäischen Demokratien spielen. Wie bereits erwähnt, ist der Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und dem Wahlerfolg rechtsextremer Parteien eher auf den ärmeren Bevölkerungsanteil als auf die Top X Prozent zurückzuführen. Dies ist vor dem Hintergrund höherer Einkommensungleichheit, bedingt durch die relative Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen in den analysierten Ländern, zu interpretieren.

Unsere Ergebnisse zeigen nicht nur den zeit- und/oder regimebedingten Charakter des Wahlverhaltens, sondern auch das Zusammenspiel zwischen politischen Maßnahmen, makroökonomischen und sozialen Auswirkungen und Wahlentscheidungen.

Tatsächlich ist die Zunahme der Einkommensungleichheit kein natürliches Phänomen, sondern das Ergebnis einer aktiven Steuerpolitik, die den wohlhabenderen Gruppen in den westlichen Gesellschaften zugutekam. Diese Entwicklung ging allerdings zu Lasten der Gruppen am unteren Ende der Einkommensskala, weshalb der Aufstieg rechtsextremer Parteien zumindest bis zu einem gewissen Grad als ein hausgemachtes Problem betrachtet werden kann, das in naher Zukunft aktiv angegangen werden sollte.“

* Zu den Autoren:

Christian R. Proaño ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und Sprecher des von der Hans-Böckler Stiftung geförderten Promotionskollegs PK045 „Makroökonomik bei beschränkter Rationalität“.

Juan Carlos Peña ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Volkswirtschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Thomas Saalfeld ist Professor für Politikwissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und Direktor des Bamberg Graduate School for Social Sciences (BAGSS).


Verteilung der Nettovermögen in Deutschland weit ungleicher als bisher angenommen

Am 15.7.20 legt ein Wissenschaftler-Team um Markus Grabka, Carsten Schröder (DIW) und Johannes König eine Studie im Auftrag des Arbeitsministeriums vor. Die Studie liegt ZEIT ONLINE vor.

 In drei Jahren Recherche haben die Ökonominnen und Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) die Vermögensverhältnisse am oberen Rand der Bevölkerung zusammengetragen.

Es ist die erste Untersuchung der Vermögensmillionäre in Deutschland, die auf einer Zufallsstichprobe basiert – und nicht wie bisher auf Schätzungen oder journalistisch recherchierten Reichenlisten von Forbes oder dem manager magazin.

Das politisch relevanteste Ergebnis: Die Verteilung der Nettovermögen – also des Vermögens nach Abzug der Schulden – ist in Deutschland weit ungleicher als bisher angenommen. Den obersten zehn Prozent der Bevölkerung gehören nicht etwa wie bisher geschätzt 59 Prozent der Vermögen. Sie besitzen rund zwei Drittel. Im reichsten Prozent steigt der Anteil von bisher knapp 22 Prozent auf rund 35 Prozent.