„Als erste Kommune in Deutschland hatte Konstanz am 2. Mai 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Für die Stadt bedeutete das, alle Kräfte aus Politik und Bevölkerung zu bündeln, um gemeinsam sofortige und entschlossene Anstrengungen zum Klimaschutz zu leisten. Konstanz blieb damit nicht allein. Das Umweltbundesamt verweist auf eine Liste von 64 Kommunen in Deutschland, die bisher den Klimanotstand ausgerufen haben. Nach Angaben auf der Seite von Climate Emergency Declaration sind es weltweit fast 1.200 in 25 verschiedenen Ländern. …
Die Kampagne Climate Emergency Declaration formuliert auf ihrer Website als ein Ziel, dass Regierungen den Klimanotstand als öffentliches Signal ausrufen. Und dass sie damit zeigen, dass Regierungen und Gesellschaft in eine Art Notfallmodus versetzt werden. Auf der einen Seite ist das Ausrufen des Klimanotstandes ein Mittel der Kommunikation, auf der anderen mit dem Anspruch verbunden, ausreichend Maßnahmen zu ergreifen, die Klimakrise zu beenden.
Klimanotstand: Was heißt das konkret?
Lizzi Sieck vom Umweltbundesamt erläutert, Kern der Erklärungen zum Klimanotstand sei, dass zukünftig alle Beschlüsse, die in Gemeinderäten oder Stadträten beschlossen werden, einem Klimacheck unterworfen werden. „Dass man also prüft, welche Auswirkungen die Beschlüsse auf das Klima haben“, sagt. So auch in Konstanz: In Beschlussvorlagen muss die klimaschutzkonforme Variante als Option genannt sein. Dadurch werde gewährleistet, dass „politisch entschieden werden muss, ob im Einzelfall die klimaschutzkonforme Lösung, die Lösung mit den geringeren unmittelbar entstehenden Kosten oder – im Idealfall – die Lösung, die beides berücksichtigt – gewählt wird“, heißt es in einem Dokument der Stadt Konstanz. Der Klimanotstand führt also dazu, dass der Klimaschutz bei jeder Entscheidung berücksichtigt wird – es wird aber nicht unbedingt die Entscheidung präferiert, die besser für das Klima wäre. Alexander Handschuh vom Gemeindebund erläutert die Zwänge, unter denen Kommunen beim Klimaschutz stehen: „Es ist klar, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Gleichzeitig ist es für die Kommunen nicht möglich, dem Klimaschutz bei jeder Entscheidung höchste Priorität einzuräumen, es müssen meist verschiedene Ziele abgewogen werden.“ Quelle: ZEIT online 29.11.19 Katharina Mau „Klimanotstand, der neue Streitbegriff“
Kommunalparlament in der Bundesrepublik
Auf Wikipedia findet man eine Liste deutscher Orte und Gemeinden, die den Klimanotstand ausgerufen haben. Die Liste umfasst – in chronologischer Reihenfolge (unter Nennung des Bundeslandes, der Antragssteller und des Kurzinhaltes des Beschlusses) – allerdings nur einen Teil der deutschen Gemeinden und Städte, die den Klimanotstand ausgerufen haben. Eine weitere Quelle zum Status von Kommunen zum Thema Klimanotstand stellt das Klimabündnis Hamm bereit[1].
Äußerst interessant ist die Blick auf die Antragssteller/innen: neben Privatpersonen, kommunalen Fridays-for-Future-Initiativen, Jugendbeiräten, Jugendräten finden sich fast alle Parteien – außer der AfD. Oft gibt es auch Bündnisse mehrerer Parteien – hier findet man sogar die CDU, allein oder mit anderen. Häufig treten die GRÜNEN auf, aber auch die LINKE und die SPD findet man.
Auch SPD-Fraktionen in baden-württembergischen Kreisen und Kommunen stellen Klimanotstandsanträge – Beispiel Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald
„Die SPD-Fraktion im Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald hat den Antrag eingebracht, für den Landkreis den Klimanotstand zu erklären. Der Antrag geht auf zwei Initiativen zurück: Sowohl unsere Jusos, wie auch die Linke Liste haben unabhängig voneinander entsprechende Texte vorbereitet. Der jetzt eingereichte Antrag wurde dann aus diesen Dokumenten entwickelt.
Das Ziel dieses Antrags ist nicht etwa Alarmismus oder Symbolpolitik. Der Kern ist vielmehr, dass jede Planung oder Initiative im Kreis künftig auf seine Auswirkung auf das Klima geprüft und bewertet wird. Das Ergebnis dieser Prüfung wird dann Teil der Beratungsunterlagen und fließt so in die Entscheidungen des Kreistages ein. Dies gilt im Besonderen natürlich für die derzeitigen Planungen zum Neubau eines Landratsamtes. Weitere Ziele des Antrags sind die Unterstützung kommunaler und privater Initiativen zur umweltfreundlichen Energieerzeugung und des Kompetenzzentrums Regenerative Energien im Regierungspräsidium Freiburg. Darüber ist von der Landrätin jährlich Bericht zu erstatten.“ Quelle: Website SPD Titisee-Neustadt
Landesparlamente
Der Senat lehnte den Begrif „Klimanotstand“ allerdings ab, da dieser mit der Notstandsgesetzgebung in der Weimarer Republik und dem Entzug demokratischer Rechte verbunden werde.
Die Volksinitiative „Klimanotstand Berlin“ hatte dem Berliner Abgeordnetenhaus im August 43.364 Unterschriften für die Ausrufung des Klimanotstands überreicht. Anfang Oktober war klar, dass 36.458 davon gültig waren und auch das nötige Quorum erreicht wurde. Innerhalb der folgenden vier Monate hätte sich daraufhin das Abgeordnetenhaus mit der Initiative der Umweltschützer beschäftigen müssen. Dem kam Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) mit ihrem Vorschlag zuvor.
Bundestag
„Laut dem Antrag der Linksfraktion vom 16. Mai 2019 schreite die Klimakrise rasant voran. In der Menschheitsgeschichte sei noch nie so viel klimaschädliches CO2 in der Atmosphäre gewesen wie heute. Die Fraktion fordert die Anerkennung und Ausrufung des Klimanotstandes durch die Bundesregierung und orientiert sich damit an Ländern wie Großbritannien und Irland sowie an den Städten Konstanz und Heidelberg. Unterstützt würde diese Forderung durch weltweite Proteste aus breiten Schichten der Bevölkerung, die sich für die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens einsetzten.
Demnach solle die Bundesregierung umgehend einen Entwurf für ein nationales Klimaschutzgesetz vorlegen und Bemühungen dahingehend zu unternehmen, dass Deutschland seinen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele leiste. Darin ist unter anderem festgelegt, dass der Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden müsste, damit Risiken und Folgen des Klimawandels deutlich vermindern würden.
Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD sowie der AfD-Fraktion und der Mehrheit der FDP-Fraktion wurde der Antrag abgelehnt. Dafür stimmten die antragstellende Linksfraktion und die Fraktion Bündnis 90/Grüne und auch ungefähr ein Drittel der FDP-Abgeordneten. Von den FDP-Abgeordneten stimmten unter anderem Christian Lindner, Linda Teuteberg und Dr. Wieland Schinnenburg dem Antrag zu.“ (Quelle: Website abgeordnetenwatch
Europaparlament
„Das Europaparlament in Straßburg hat am 28.11.19 den „Klimanotstand“ für Europa ausgerufen. Die Abgeordneten stimmten mit großer Mehrheit für eine entsprechende Resolution. Die klare Mehrheit war eine Überraschung: 429 Parlamentarierinnen und Parlamentarier sprachen sich dafür aus, es gab 225 Gegenstimmen, 19 Abgeordnete enthielten sich. Die meisten Abgeordneten, die für die Resolution stimmten, gehören den Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken an.
Die Resolution ist ein symbolischer Akt, der aber Druck für konkrete Gesetzgebung aufbauen soll. Damit solle unterstrichen werden, dass wegen des Klimawandels dringend gehandelt werden müsse, erklärte das Parlament. Er sei stolz, eine Mehrheit im Europaparlament erreicht zu haben, um Europa zum ersten Kontinent zu machen, der den Klima- und Umweltnotstand ausruft, sagte der Vorsitzende des Umweltausschusses, Pascal Canfin, nach der Abstimmung. Damit werde die Erwartung der europäischen Bürgerinnen und Bürger erfüllt.
Die Abgeordneten forderten in der Resolution die EU-Kommission, die Mitgliedsstaaten und die globalen Akteure auf, umgehend konkrete Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Außerdem müsse die neue EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen ihre gesamte Arbeit auf Folgen für Klima und Umwelt abklopfen und sie mit dem Ziel abgleichen, die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad zu begrenzen. Auch die biologische Vielfalt müsse bei Entscheidungen der Kommission eine Rolle spielen.
Über den Text der Resolution hatte es zuvor einige Differenzen gegeben. Manche wollten etwa, dass anstelle eines „Notstands“ über einen „Notfall“ gesprochen werden sollte. Die Abgeordneten sprachen sich zudem erneut dafür aus, dem EU-Parlament nur einen Sitz zu geben, um umweltfreundlicher zu arbeiten. Derzeit fahren die Politiker, Mitarbeiter und Unterlagen fast jeden Monat für die Sitzungswoche von Brüssel nach Straßburg.“ (Quelle: ZEIT online, 28.11.19)
Weitere Informationen
Weitere Infos sind beim „Netzwerk Klimabündnis“ zu erhalten.