LINKE und GRÜNE im Bundestag: Atomwaffenverbotsvertrag beitreten

Pressemitteilung Katja Keul, MdB Bündnis 90/Die Grünen, Sprecherin der Bundesfraktion für Abrüstungspolitik , 07.07.2020

Deutschland sollte den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen und sich für den Abzug der Atomwaffen einsetzen

Anlässlich des dritten Jahrestages des Atomwaffenverbotsvertrages erklärt Katja Keul, Sprecherin für Abrüstungspolitik:

Die Bundesregierung darf nicht länger tatenlos zusehen, während seit Jahren wieder atomar aufgerüstet statt abgerüstet wird. Dabei sind die Atomwaffenstaaten durch den Nichtverbreitungsvertrag eigentlich jetzt schon verpflichtet, kontinuierlich abzurüsten. Der Unmut über dieses Versagen der Atommächte hat dazu geführt, dass die UN-Generalversammlung vor drei Jahren einen Atomwaffenverbotsvertrag beschlossen hat. Während 122 Staaten sich geeinigt und dem Vertrag zugestimmt haben, hat sich Deutschland bis heute vollständig verweigert. Das ist unverantwortlich, denn die Gefahr einer nuklearen Katastrophe ist heute größer denn je. Es ist ein unerträglicher Zustand, dass inzwischen 9 Staaten insgesamt 13.400 atomare Sprengköpfe besitzen.  Davon befinden sich jeweils 1500 sofort einsatzbereite Waffen in den USA beziehungsweise Russland. Brave Appelle des Außenministers, die ohne Konsequenzen bleiben, reichen da nicht aus.

Der INF-Vertrag ist gekündigt, New Start läuft Anfang nächsten Jahres aus und das Iran Abkommen liegt ebenfalls am Boden. Während die internationalen Verträge nach und nach fallen, hält die Bundesregierung an dem überholten Modell der „nuklearen Teilhabe“ fest. Deutschland gehört zu den wenigen NATO-Ländern, die Atomwaffen auf ihrem Territorium stationiert haben. Andere hatten nie welche oder sind aus der sogenannten nuklearen Teilhabe ausgestiegen. Mit der Ausmusterung der Tornados, die als Trägersysteme vorgesehen sind, hätte Deutschland die Chance, endlich auszusteigen. Statt uns erneut für Jahre der nuklearen Abschreckungsstrategie zu verschreiben, sollten wir den Zeitpunkt nutzen, die Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Laut einer aktuellen Umfrage von Greenpeace befürworten 92 Prozent der Bundesbürger, dass die die Bundesregierung den Verbotsvertrag unterzeichnet.

Es wäre weder ein deutscher Sonderweg noch eine Aufkündigung der NATO – es könnte aber der Auftakt sein für neue multilaterale Verhandlungen. Atomwaffen gewähren keine Sicherheit – sie selbst sind das größte Risiko für uns, für Europa und letztlich für den ganzen Globus.

Atomwaffenverbotsvertrag: Abrüstung und Entspannung statt Kalter Krieg 2.0

27. Oktober 2020-

Der Atomwaffenverbotsvertrag hat mit dem Beitritt von Honduras 50 Ratifikationen erreicht. Nachdem der Vertrag im Juli 2017 von der UN-Generalversammlung mit den Stimmen von 122 Staaten verabschiedet wurde, tritt er nun ab dem 22. Januar 2021 in Kraft und ist von da an völkerrechtlich bindend. Er verbietet Staaten, Atomwaffen zu testen, zu entwickeln, zu produzieren, zu besitzen, sie weiterzugeben, zu lagern, einzusetzen oder mit ihnen zu drohen. Auch die Stationierung auf eigenem Boden ist verboten.

Das Verbot von Atomwaffen ist nicht nur ein Riesenerfolg für die internationale Friedensbewegung, sondern ein gigantischer Sprung nach vorne in den internationalen Abrüstungsbemühungen und ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in eine atomwaffenfreie Welt. 75 Jahre nach den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki ist der Verbotsvertrag Ausdruck der festen Überzeugung der internationalen Gemeinschaft, dass sich eine solche Tragödie niemals wiederholen darf.

Weltweit gibt es noch immer über 13.000 Atomwaffen, von denen fast 4.000 sofort einsatzbereit sind. Ihre Sprengkraft übersteigt die der Hiroshima-Bomben um ein Vielfaches. Diese hat vor 1945 innerhalb von vier Monaten 140.000 Menschen getötet und Unzählige zu langjährigen Leiden verurteilt.

Triumph der Diplomatie

In einer Zeit, in der das Völkerrecht an Bedeutung zu verlieren scheint und Großmächte immer aggressiver ihre Interessen umsetzen, ist der Atomwaffenverbotsvertrag auch ein Triumph der Diplomatie und des zivilisierten Umgangs in der internationalen Politik. Es ist kaum verwunderlich, dass die Atomwaffenstaaten, die der überkommenen Abschreckungs-Doktrin verhaftet sind, das Verbot ablehnen.

Ist der Verbotsvertrag deshalb ein zahnloser Tiger? Keineswegs. Sein Inkrafttreten wird weitreichende politische Konsequenzen haben: Der Verbotsvertrag schafft eine völkerrechtliche Norm, die die Abrüstungsdebatte bereits jetzt verändert hat. Er stigmatisiert Atomwaffen und wird den Druck auf die Atomwaffenstaaten und deren Alliierte erhöhen, sich für Abrüstung einzusetzen.

Das 1999 in Kraft getretene Verbot von Landminen zeigt, welche Macht eine solche Norm hat: Die Produktion und der Einsatz von Landminen haben sich seitdem massiv verringert. Selbst Staaten, die dem Verbot nicht beigetreten sind, halten sich überwiegend daran. Außerdem wird das Atomwaffenverbot konkrete finanzielle und technische Auswirkungen haben, in dem es die Finanzierung und den Transport von Atomwaffen erschwert.

Und die Bundesregierung?

Die Bundesregierung boykottierte in vorauseilendem Gehorsam die UN-Verhandlungen vor drei Jahren, an deren Ende 122 Staaten für den Verbotsvertrag stimmten. Damit macht sie sich zum willfährigen Erfüllungsgehilfen der US-Interessen. Die fadenscheinige Begründung für den Boykott: Ein Beitritt zum Verbotsvertrag sei mit der NATO-Mitgliedschaft nicht vereinbar – eine billige Ausrede, der kürzlich sogar ehemalige NATO-Generalsekretäre öffentlich widersprochen haben.

Mit dem Beharren auf die nukleare Teilhabe Deutschlands im Rahmen der NATO widersetzt sich die Bundesregierung nicht nur einem Bundestagsbeschluss aus dem Jahr 2010, der den Abzug der etwa 20 US-Atomwaffen aus Büchel fordert, sondern ignoriert auch dreist die klare gesellschaftliche Mehrheit in Deutschland: 83 Prozent der Bevölkerung sind laut einer Umfrage im Juli für einen vollständigen Abzug der US-Atomwaffen und ganze 92 Prozent wünschen sich einen Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag. In ganz Deutschland wächst der politische Druck: 16 Landeshauptstädte fordern die Bundesregierung inzwischen auf, dem Verbotsvertrag beizutreten, insgesamt unterstützen sogar über 100 deutsche Städte den Appell.

Wir dürfen nicht vergessen: Die Drohung mit Atomwaffen ist letztlich die Drohung mit Massenmord. Anstatt den Kalten Krieg wieder aufleben zu lassen und die atomare Vernichtung Europas zu proben, sollte Deutschland in dieser Frage nicht auf der falschen Seite der Geschichte stehen, sondern sich für internationale Abrüstung und Entspannungspolitik einsetzen.

DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten. US-Atombomben raus aus Deutschland! Nein zur Anschaffung neuer Atombomber für die Bundeswehr!


Mit der Mehrheit von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der AfD hat der Bundestag am Donnerstag, 18. Oktober 2018, einen Antrag der Linksfraktion (19/98) mit der Forderung, Deutschland solle dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, abgelehnt.

Dazu hatte der Auswärtige Ausschuss eine Beschlussempfehlung (19/1734) vorgelegt.

In ihrem Antrag wirft die Linksfraktion der Bundesregierung vor, sich zwar außenpolitisch zu einer Welt ohne Atomwaffen zu bekennen, „jedoch während des gesamten Prozesses der Ausarbeitung des Vertrags keinerlei Anstrengungen“ unternommen zu haben, diesen zu unterstützen. „Sie hat die Vertragsverhandlungen boykottiert und in der entscheidenden Abstimmung in der UN-Vollversammlung dem Vertrag ihre Zustimmung verweigert“, kritisiert die Linksfraktion im Antrag.

Linke: Nukleare Teilhabe der Nato aufkündigen

Mit ihrer ablehnenden Haltung zum neuen Atomwaffenverbotsvertrag sende Deutschland ein „falsches Signal, schadet ihrer abrüstungspolitischen Glaubwürdigkeit und schwächt die Institution der Vereinten Nationen“, heißt es dort weiter.

Die Bundesregierung sollte daher aufgefordert werden, den Atomwaffenverbotsvertrag umgehend zu unterzeichnen. Außerdem sollte sie „unverzüglich die Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland an der nuklearen Teilhabe der Nato aufkündigen“ und Schritte zum Abzug der US-Atomwaffen vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland einleiten. (sas/ahe/hau/18.10.2018)