Oberst a. D. Wolfgang Richter: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Vorbereitung – Kriegsverlauf – Ressourcen – Risiken – Folgerungen
Im Dezember 2023 hat Oberst a. D. Wolfgang Richter – publiziert von der Friedrich-Ebert-Stifung – einen Aufsatz mit dem Titel : Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine Vorbereitung – Kriegsverlauf – Ressourcen – Risiken – Folgerungen publiziert. Der lesenswerte Aufsatz kann kostenfrei auf der Website der FES heruntergeladen werden.
Im „abstract“ fasst Richter den Inhalt des Buches so zusammen:
„Am 24. Februar 2022 begann Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Sein Ende zeichnet sich auch zwei Jahre danach noch nicht ab, während die Verluste beider Seiten Ausmaße annehmen, die Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hat. Für die europäische und globale Sicherheitsordnung bedeutet der Krieg eine historische Zäsur. Die Bedingungen, unter denen der Krieg beendet wird, werden weitreichende Folgen für die künftige Sicherheit Europas haben. Auch wenn sie sich derzeit nicht eindeutig vorhersagen lassen, so müssen doch vorausschauend die grundlegenden Parameter analysiert werden, die auf den möglichen Kriegsausgang einwirken. Zu diesem Zweck werden die Motive und veränderlichen Kriegsziele beider Kriegsparteien und ihrer Unterstützer ebenso thematisiert wie der bisherige Kriegsverlauf, aber auch die verspielte Chance, den Krieg auf dem Verhandlungsweg schon im April 2022 zu beenden. Die russischen Gebietsannexionen vom September 2022 haben die Rückkehr zu Verhandlungen erheblich erschwert.
Nach dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive im Sommer 2023 und dem erneuten Übergang zum statischen Abnutzungskrieg ist jedoch zweifelhaft, dass maximale Kriegsziele auf dem Schlachtfeld erreicht werden können.
Im Abnutzungskrieg wird derjenige langfristig militärische Vorteile erzielen, der über die größere materielle und personelle Durchhaltefähigkeit verfügt. Während die Ukraine von westlicher materieller und finanzieller Unterstützung abhängt, hat sich die russische Rüstungsindustrie gegenüber westlichen Sanktionen als resilient erwiesen.
Zugleich treten die politischen und ökonomischen Risiken für die langfristige Aufrechterhaltung der westlichen Unterstützung deutlich zutage. Selbst wenn sie bewältigt werden könnten, so kann der Westen doch nicht die hohen personellen Verluste der Ukraine ersetzen. Denn er muss eine Eskalation vermeiden.
Eine verantwortliche Politik kann daher nicht nur auf ein „weiter so“ setzen, das weder eine realistische Aussicht auf einen „militärischen Sieg“ noch die Perspektive eines Verhandlungsfriedens bieten kann; denn dies geht ausschließlich zu Lasten der Ukrainer.
Vielmehr muss über eine Exitstrategie nachgedacht werden, welche die unterschiedlichen Konfliktebenen innerhalb der Ukraine, zwischen der Ukraine und Russland, und zwischen Russland und den NATO-Verbündeten berücksichtigt. Dies verlangt politisches Engagement, das über die materielle Unterstützung Kiews hinausgeht. Auch wenn Verhandlungen wie im März 2022 Kompromissbereitschaft erfordern, so bedeuten sie keineswegs Kapitulation. Vielmehr geht es darum, russische Sicherheitsinteressen ebenso in den Blick zu nehmen wie das Ziel, die Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine zu erhalten.“