„Get ready for Trump 2024“ Stillhalten, keine Demokraten aufscheuchen!

Quelle: n-tv.de

Von Roland Peters – 14. November 2021

„Get ready for Trump 2024“ Stillhalten, keine Demokraten aufscheuchen!

Wie kommen die Republikaner zurück an die Macht? Eine Milliardärin trifft sich zu dieser Frage in Las Vegas mit führenden Konservativen und möglichen Präsidentschaftskandidaten. Trump hält sich so weit wie nötig zurück, hat aber seine Finger bereits entscheidend im Spiel.

Seinen Wahlkampfspruch aus dem vergangenen Jahr, den könne er aber nicht mehr benutzen, sagt Donald Trump. „Keep America Great“, das funktioniere nicht: „Mit all den Dingen, die derzeit in diesem Land geschehen, ist Amerika momentan nicht great. Amerika ist unter Belagerung.“ Die Zuhörer bei einem Treffen in Mar-a-Lago in der vergangenen Woche, darunter einige Kongressmitglieder sowie ehemalige Minister, jubeln und applaudieren. Sein Slogan brauche vielmehr ein Update, er müsse „Make America Great Again, Again“ lauten. „Ihr denkt, ich mache Witze“, schiebt Trump nach, „aber das tue ich nicht. Das tue ich nicht.“

Offiziell ist noch nichts angekündigt, aber der Mann, der vom Weißen Haus aus vier Jahre lang die Welt in Atem hielt, kokettiert schon seit seiner Niederlage gegen Joe Biden immer wieder mit seiner Rückkehr. Der Ex-Präsident dürfte sich nicht alleine um die Kandidatur bewerben. Einflussreiche Köpfe im konservativen Universum rücken bereits ihre Spielsteine und wägen ab, wer die für die Partei die beste Wahl wäre. Irgendjemand soll schließlich die Demokraten aus dem Weißen Haus vertreiben. Dabei wird mindestens mittelfristig gedacht. Zwar stehen im kommenden Jahr zunächst die Kongresswahlen an. Die bestimmen mit, wie viel Macht ein möglicher republikanischer Wahlsieger 2024 hätte. Das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre komplett neu gewählt. Im Senat, so ist das in der US-Politik, werden die meisten entscheidenden Daumen für die Zukunft gesenkt oder gehoben.

Trump mischt in diesem Spiel auf breiter Front mit und wirft seinen Namen für andere in den Ring. Öffentlich unterstützt er bereits jetzt 14 Kandidaten für den Senat und 11 fürs Repräsentantenhaus, die alle 2022 antreten. Dazu kommen mehrere Verbündete, die Gouverneure von US-Bundesstaaten werden wollen. „Er wird nicht verschwinden“, wird Ned Ryun, ein Verbündeter Trumps, sowie Gründer und Chef von „American Majority“, eine konservative Trainingseinrichtung für Kandidaten und Aktivisten, in „The Hill“ zitiert: „Get ready for Trump 2024.“

Ex-Präsident und Präsident gleichauf

Warum Trump noch hinter dem Berg hält mit einer Entscheidung über seine eigene Kandidatur, dies hat laut „Washington Post“ mit seinen Beratern und Wegbegleitern zu tun. Die hätten ihm davon abgeraten, seine Kandidatur 2024 vor den Wahlen im kommenden Jahr zu erklären. Sie befürchten, eine verfrühte Ankündigung könnte unnötig zusätzliche Wähler der Demokraten mobilisieren, damit die Erfolgsaussichten republikanischer Kongresskandidaten gefährden und somit auch Mehrheiten für eine mögliche erneute Präsidentschaft.

Dämpfer für Biden Republikaner gewinnen Gouverneurswahl in Virginia

Das könnte natürlich auch bei der Präsidentschaftswahl geschehen – so wie 2020 im Duell mit Biden, der vor allem gewählt wurde, weil er nicht Trump war. Dessen mediales Dauerfeuer und extreme Polarisierung hatte sogar die mediengestählte US-Wählerschaft ermüdet, aber zugleich so viele Menschen zur Wahl bewegt wie nie zuvor in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Die meisten davon wollten ihn loswerden. Nun sind sich die registrierten Wähler nicht mehr so sicher: 45 Prozent würden für Trump stimmen, 43 Prozent für Biden und 11 Prozent für einen anderen Kandidaten, stellte zuletzt eine Umfrage des Emerson College fest. Die Fehlertoleranz sind 3 Prozentpunkte.

Die Demokraten hatten bei ihrem Wahlsieg auch von Bidens bekanntem Gesicht und dessen Ankündigung profitiert, ohne Trump im Weißen Haus werde alles wieder so wie früher. Aber der öffentliche Ton ist rau geblieben, die Inflation frisst die Gehälter auf und die Pandemie ist weiterhin allgegenwärtig. Nach weniger als einem Jahr Präsidentschaft ist Biden nicht mehr besonders beliebt. Derzeit sind nur 42,8 Prozent der US-Amerikaner mit ihm zufrieden, schlechter als er schnitt historisch gesehen zum gleichen Zeitpunkt in einer ersten Amtszeit nur Trump ab.

Für die Demokraten ist das nur einer von vielen haarsträubenden Fingerzeigen auf die mögliche Zukunft. Spätestens seit den Gouverneurswahlen in den Bundesstaaten Virginia und New Jersey vor zwei Wochen schrillen bei der Regierung und anderswo sämtliche Alarmglocken. Die Republikaner haben die Kontrolle in Virginia übernommen, während sie in New Jersey, wo es kaum für möglich gehalten wurde, dem Gouverneursamt sehr nahekamen. Die Wahlen waren ein Stimmungstest für die Kongresswahlen 2022. Bei sämtlichen Entscheidungen schnitten die Republikaner besser ab als prognostiziert.

Strategische Treffen in Las Vegas

Eine verlässliche Liste über Bewerber auf die Präsidentschaftskandidatur 2024 gibt es selbstredend so lange vorher nicht. Aber es gibt Hinweise. So etwa von der „30-Milliarden-Dollar-Frau“ Miriam Adelson, wie „Politico“ die Witwe eines der wichtigsten republikanischen Unterstützer nennt. Mehr als eine halbe Milliarde Dollar flossen im vergangenen Jahrzehnt von „Königsmacher“ Sheldon Adelson an die Republikaner. Für Trumps Wahlkampf im vergangenen Jahr kam die größte Einzelspende vom Ehepaar aus Las Vegas.

Im Januar war der Kasinomogul gestorben, danach hatte sich die 75-jährige Witwe in Sachen Politik zurückgehalten. Doch Miriam Adelson will offenbar da weitermachen, wo sie und ihr Mann vor dessen Tod aufgehört hatten. Die Milliardärin traf sich vor Kurzem in ihrem Zuhause in Las Vegas mit Köpfen der republikanischen Partei. Sie beriet mit Kevin McCarthy, Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, sowie mit Senator Rick Scott, dem Chef des Wahlkampfkomitees für den Senat. Als mögliche Präsidentschaftskandidaten, die bei ihr aufwarteten, werden genannt: Ex-Außenminister Mike Pompeo, die frühere UN-Botschafterin Nikki Haley, Ex-Vizepräsident Mike Pence, Senator Ted Cruz aus Texas sowie Floridas Gouverneur Ron DeSantis.

Dies unterstreicht, dass Trump nicht die beste Wahl für die Republikaner sein muss. Der Ex-Präsident wird geliebt oder gehasst, dazwischen gibt es wenig. Tatsächlich behauptet er noch immer, die Wahl sei ihm gestohlen worden, was seine Anhänger elektrisiert. Es gibt weite Teile der US-Bevölkerung, die jubeln würden über eine erneute Kandidatur, die in Biden und den Demokraten die ultimative Bedrohung des amerikanischen Traums sehen und in Trump eine Möglichkeit, ihrer Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die nie existiert hat, irgendwie Ausdruck zu verleihen.

Trump ist als politische Kraft felsenfest etabliert und wäre damit wesentlich besser vorbereitet als 2016, als er mit einem Außenseiterteam und begrenzter Unterstützung die US-Politik aufrollte. Er hat unter anderem eine Denkfabrik mit dem fast schon unverwechselbaren Namen „America First Policy Institute“ hinter sich, dazu kommt die Wahlkampforganisation „Save America“, gegründet im vergangenen Monat. Laut dessen Angaben haben bereits fast eine Million Menschen der Organisation Geld überwiesen. Sie unterstützt Politiker, die „bewiesen haben, Kämpfer der MAGA-Bewegung und von Präsident Trumps vielen Errungenschaften zu sein“, schrieben die Gründer. MAGA, das steht für Trumps ersten Slogan, Make America Great Again.

Glühender Trump-Verehrer QAnon-Anhänger bewirbt sich für Kongress

Trumps Führungsanspruch bleibt fast exklusiv, auch wenn er immer mal wieder versichert, es gehe um die Partei, nicht um ihn. Mit seinem „Für mich oder gegen mich“-Prinzip hat er die Republikaner ohnehin bereits gespalten: seine Unterstützer und solche, die mit Stil und Inhalten des Ex-Präsidenten hadern. Die das öffentlich tun, haben nicht viel zu lachen. Um sich trotz seines weitreichenden Einflusses weiterhin als Außenseiter zu präsentieren, der die einzige Option gegen den „Sumpf“ in Washington sei, attackiert Trump immer wieder den Fraktionsführer im Senat, Mitch McConnell – das verkörperte republikanische Establishment in der Hauptstadt, das sich von der Basis entfernt habe.

Da wären aber auch die zehn Republikaner im Repräsentantenhaus, die nach dem Sturm aufs Kapitol mit den Demokraten für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump gestimmt hatten. Die Abgeordnete Liz Cheney wurde auf Druck des Trump-Flügels von ihren Führungsposten entfernt. Adam Kinziger, ein gemäßigter Republikaner, votierte ebenfalls für das Verfahren. Der Veteran aus Illinois tritt nach zwölf Jahren nicht wieder an und begründete dies mit der extremen Polarisierung in der Politik: „Um zu bestehen oder zu überleben, muss man zum Stamm gehören.“ Auch Anthony Gonzalez aus Ohio stimmte für das Impeachment und tritt nicht wieder an. „Zwei weg, fehlen acht!“, kommentierte Trump.

Impfskepsis: Wie überzeugt man Impfunwillige=

Von Jan Schweitzer November 2021 1.169 Kommentare

Aus der ZEIT Nr. 47/2021

Impfskepsis: Wie überzeugt man Impfunwillige?

Diese Frage stellen sich gerade viele Menschen. Ihre Wut auf die Skeptiker wächst. Eine Argumentationshilfe gegen die häufigsten Vorbehalte

 Übersicht:

„Es stecken sich lauter Geimpfte an – das spricht nicht gerade für die Spritze“

Bei den explodierenden Infektionszahlen könnte man das denken. Tatsächlich nimmt die Zahl der Impfdurchbrüche zu. Das aber war zu erwarten. Denn die Impfungen schützen mit der Zeit nicht mehr so gut vor einer Infektion. Der Impfstoff von BioNTech hat nach fünf Monaten noch eine Effektivität von etwa 50 Prozent, wie eine amerikanische Studie zeigte.

Corona: Die Impfung

 Funktionsweise der Corona-Impfstoffe: So schützt die Impfung vor dem Coronavirus

Corona trotz Impfung: Die Angst vor dem Impfdurchbruch

Aber – und das ist entscheidend – die Impfungen schützen immer noch sehr effektiv davor, so schwer zu erkranken, dass man auf einer Intensivstation behandelt werden muss. Viele Kliniken berichten, dass sie ausschließlich ungeimpfte Corona-Patienten beatmen müssen.

Wer geimpft ist, tut etwas für sich selbst und gegen die Pandemie. Das sieht man auch am Beispiel besonders betroffener Bundesländer wie Sachsen: Die Sieben-Tage-Inzidenz der nicht (vollständig) Geimpften steigt dort rapide und liegt bei über 1700, die der vollständig Geimpften liegt bei etwa 60 – und sinkt seit Tagen. Das alles spricht eindeutig für die Spritze.

„Mein Immunsystem ist stark genug, um mit dem Virus klarzukommen“

Sich darauf zu verlassen ist riskant – egal, wie fit man ist. Immerhin befinden wir uns in einer Pandemie, in der ein neues Virus zirkuliert, von dem wir immer noch nicht genau wissen, was es im Körper alles anrichtet.

Außerdem haben wir die Möglichkeit, das Immunsystem noch fitter zu machen: durch die Impfung. Sie schärft die Abwehrkräfte gegen einen Feind, mit dem es zuvor noch keinen Kontakt hatte.

Remaining Time -0:00

Corona-Impfung – Wie Impfmythen für uns alle zum Problem werden können Zu schnell entwickelt, ein Geschäft für Big Pharma, viel zu riskant: Solche Bedenken und Mythen sind Teil der Impfdebatte. Was ist da wirklich dran? Ein Erklärvideo

Diese Unkenntnis unseres Körpers ist der Grund, warum das Virus so leichtes Spiel hat, warum es sich so gut ausbreiten kann, sogar unter jungen und gesunden Menschen. Selbst wenn bei ihnen das Risiko einer schweren Infektion gering ist – es ist nicht gleich null. Und auch langfristige Folgen einer Infektion können das Leben beeinträchtigen. Schwere Nebenwirkungen bei der Impfung hingegen sind äußerst selten. Warum also sollte man sich nicht vor einer Erkrankung schützen, die einen auf die Intensivstation bringen könnte?

„Über die Langzeit-Nebenwirkungen wissen wir ja noch gar nichts“

Doch, das Entscheidende wissen wir: Bislang ist bei keiner anderen Impfung – etwa gegen Masern, Mumps, Röteln und viele andere Krankheiten – nach längerer Zeit (also nach vielen Monaten oder Jahren) eine Nebenwirkung bekannt geworden. Es kann aber zu einem Missverständnis kommen: Wenn eine Nebenwirkung extrem selten ist, wird sie erst dann als solche erkannt, wenn eine hohe Anzahl an Menschen geimpft wurde. Das kann nach Monaten oder Jahren sein. Die Nebenwirkung ist also keine Langzeitfolge – sondern sie ist erst dann aufgefallen.

Die wichtigsten Corona-Zahlen Aktualisiert heute, 19:20 Uhr

Quellen: Kreis- und Landesbehörden, Robert Koch-Institut, Divi Intensivregister, Johns-Hopkins-Universität, Our World in Data

Weitere Corona-Daten:

Gegen Corona sind inzwischen mehr als sieben Milliarden Impfdosen verabreicht worden und mehr als drei Milliarden Menschen sind vollständig geimpft. Bei dieser hohen Anzahl an Impflingen hätte man die allermeisten seltenen Nebenwirkungen längst bemerkt, zumal die Behörden alles sehr genau beobachten. Zwei solcher seltenen Nebenwirkungen sind auch schon entdeckt: Herzmuskelentzündungen vor allem bei jungen Männern und Thrombosen in den Hirnvenen insbesondere bei jüngeren Frauen.

„Dieses neue mRNA-Zeug ist mir suspekt. Wer weiß, was das im Körper anrichtet“

So neu ist die Technologie nicht. Und eine mRNA greift auch nicht ins Erbgut ein, wie viele meinen. Als Arzneimittel wird sie seit Jahren erprobt, etwa gegen Krebs. Und als Vakzine hat die mRNA einen großen Vorteil: Der Stoff kann derart rein hergestellt werden, dass in einer Impfdosis auch wirklich nur das drin ist, was reingehört. Manche Experten bezeichnen andere Impfstoffe im Vergleich dazu sogar als „Brühe“, obwohl diese seit Jahrzehnten angewandt werden und äußerst sicher sind.

Durch die Reinheit der mRNA-Impfstoffe kann man gewiss sein, dass sie nur eine einzige Aufgabe erfüllen: Sie sorgen dafür, dass die Zellen ein Protein in ihre Oberfläche einbauen, das charakteristisch für das Coronavirus ist. Darauf springt das Immunsystem an: Jetzt hat es seinen Feind kennengelernt und kann ihn vernichten. Und genau das tut es auch irgendwann mit den Zellen, die die mRNA enthalten und äußerlich dem Coronavirus ähneln – wenn die mRNA nicht ohnehin schon vorher von der Zelle abgebaut wurde.

„Die Impfung stört nicht nur den Zyklus, sie kann sogar unfruchtbar machen!“

Tatsächlich kann der Zyklus nach einer Impfung unregelmäßig sein, zumindest eine Zeit lang. Das zeigen vor allem Beobachtungen aus anderen Ländern. Man kennt dieses Phänomen schon von anderen Impfungen und auch von Infektionen: Wenn das Immunsystem aktiv wird, wirkt das auf den Körper wie eine Form von Stress. Dann kann die Menstruationsblutung schon mal ausfallen oder später einsetzen. Mit der Zeit normalisiert sich der Zyklus wieder. Hinweise darauf, dass Frauen durch die Impfung unfruchtbar wurden, gibt es dagegen bislang gar nicht.

„Es gibt Menschen, die nach ihrer Impfdosis gestorben sind“

In Deutschland sterben jeden Tag etwa 2500 Menschen, davon mehr als 500, die älter als 80 Jahre sind. Dass sich darunter auch Menschen befinden, die kurz zuvor geimpft wurden, ist statistisch zu erwarten. Wenn also dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bis Ende September mehr als 1800 Todesfälle in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet wurden (das PEI sammelt solche Meldungen und ordnet sie ein), lautet die entscheidende Frage: War die Impfung auch die Ursache für den Tod? Einfach zu beantworten ist sie, wenn jemand fünf Tage nach dem Piks bei einem Unfall ums Leben kommt. Schwerer wird es, wenn die Todesursache unklar ist: War es dann nur Zufall, dass der Tod auf die Impfung folgte? Zu klären ist das nur mit größerem Aufwand, statistischen Berechnungen etwa oder rechtsmedizinischen Untersuchungen. Zur Einordnung: Das PEI gibt an, dass bis Ende September weniger als 50 Menschen an einer Impfung gestorben sind – bei bis dahin über 50 Millionen geimpften Menschen. Das sind 0,0001 Prozent.

10 Fragen zur Corona-Lage Infobox

10 Fragen zur Corona-Lage

Antworten aus Politik …

… und Wissenschaft

Wer mehr Informationen sucht, findet sie auf den Seiten des RKI, des PEI und auf zusammengegencorona.de
Korrekturhinweis: In einer früheren Fassung dieses Textes steckte im letzten Punkt ein Rechenfehler. Dies haben wir korrigiert

Kurzfilmserie auf ARTE über Gewalt gegen Frauen: Zuschauen tut weh

Quelle: taz vom 12.11.2021

Kurzfilmserie über Gewalt gegen Frauen: Zuschauen tut weh

„H24“ beleuchtet Gewalt im Alltag von Frauen. Die Arte-Serie beruht auf wahren Geschichten. Vieles hat man so ähnlich schon gehört – oder erlebt.

24 Autorinnen, 24 Schauspielerinnen, 24 Kurzfilme: die ARTE-Dokumentarserie „H24“ führt in Episoden à vier Minuten durch Unterdrückung, Femizid, Rachepornos, sexistische Kleiderordnung und Vergewaltigung. Die Filme spielen jeweils zu einer anderen Uhrzeit und bilden so einen kompletten Tag ab – 24 Stunden im Leben einer Frau. Ein feministisches Manifest, das die vielen Formen der Gewalt beleuchtet, denen Frauen zu jeder Tages- und Nachtzeit potenziell ausgesetzt sind.

„Alles fing damit an, dass wir die Nase voll hatten von der allgegenwärtigen Gewalt gegen Frauen“, sagt Nathalie Masduraud. Zusammen mit Valérie Urrea hat sie die Kurzgeschichten kuratiert und bei der Verfilmung Regie geführt. Gezeigt werden 24 Mosaike, Einzelschicksale, die das Gesamtbild eines systematischen Übels zeigen. Über die ganze Bandbreite der Gewalt hinweg. 7 Uhr: die Frau, die früh am Morgen im Bus einschläft und von ihrem Sitznachbarn bedrängt wird. 15 Uhr: die Schülerin, die verstört nach Hause kommt und ihrer Mutter erzählt, ihre Klassenkameraden hätten sie „Schlampe“ genannt. 19 Uhr: die Studentin, die vor einem vollen Hörsaal von ihrem Professor gedemütigt wird. 0 Uhr: die Schwangere, die auf der Rückbank eines Polizeiautos sitzt. Sie wurde von ihrem Mann geschlagen, Nachbarn haben Hilfe gerufen.

Es sind Geschichten, von denen wir alle schon einmal gehört oder sie selbst erlebt haben – und gerade das macht ihr Erzählen so wichtig.

Die Szenen ergeben sich aus Fällen, über die medial viel berichtet wurde. Zum Beispiel die Geschichte einer jungen Migrantin. Sie erinnert sich an die beiden italienischen Richterinnen, die der Auffassung waren, sie sei zu maskulin, um vergewaltigt worden zu sein. Nicht hübsch genug – nicht glaubwürdig. Auch Frauen verinnerlichen die Regeln des Patriarchats. Andere Folgen beruhen auf Aussagen und Erlebnissen. Im Abspann jeder Episode erscheinen die Worte „inspiriert von wahren Gegebenheiten“ wie ein Mahnmal.

„H24“ läuft in der ARTE-Mediathek.

Rassistisches Verbrechen: Die grausige Ermordung des 14-jährigen Emmett Till am 28. August 1955

Am 25. Juli 2018 wäre er 77 Jahre geworden – am 25. Juli 2021 hätte er seinen 80igsten Geburtstag gefeiert.  Doch in Mississippi fiel er 1955 einem grausigen Lynchmord zum Opfer. Emmett Till war erst 14, ein argloser, schwarzer Teenager. Die Bilder seiner Leiche waren die ersten, die das Leid der Afroamerikaner weltweit dokumentierten.

„Was in jenem Sommer 1955 geschah, bleibt umstritten. Emmett, der mit seiner alleinerziehenden Mutter Mamie Till in Chicago lebte, war zu Besuch bei seinem Onkel in Money, einem Dorf in Mississippi. Er war ein lebenslustiger Junge, zog sich gern gut an, vor allem liebte er feine Hüte und Anzüge.  Eines Abends ging Emmett mit seinen Cousins in einen Lebensmittelladen des Weißen Roy Bryant und seiner Gattin Carolyn, um Bonbons zu kaufen. Emmett soll beim Anblick der attraktiven Frau bewundernd gepfiffen haben – ein Verstoß gegen den ungeschriebenen Rassenkodex, der in den Südstaaten damals noch herrschte. Carolyn Bryant behauptete später außerdem, Emmett habe sie begrapscht.

Einige Tage darauf, am 28. August, verschleppten Roy Bryant, sein Halbbruder J.W. Milam und weitere Männer – angeblich schwarze Arbeiter – frühmorgens den Jungen, dessen Onkel und Tante das vergeblich zu verhindern versuchten. Die Täter folterten Emmett Till, schossen ihm eine Kugel in den Kopf, beschwerten seinen Körper mit Metall und Stacheldraht und warfen ihn, wohl schwerst verletzt und noch lebend, in einen Fluss.

Die Leiche trieb nach drei Tagen an. Zu erkennen war Emmett nicht mehr. Seine verzweifelte Mutter bestand bei der Beerdigung auf einen offenen Sarg und lud Pressefotografen ein: „Jeder soll wissen, was mit Emmett geschehen ist.“

Der Prozess gegen Bryant und Milam war eine Sensation. Aus dem ganzen Land reisten Reporter, Politiker und Schaulustige nach Mississippi. Trotz der Beweislast sprachen die Geschworenen – allesamt weiße Männer – die Angeklagten frei. Bryant und Milam gaben die Tat kurz darauf zwar in einem Interview zu, blieben aber wegen des in den USA geltenden Verbots doppelter Strafverfolgung unbehelligt.

Die Fotos der entstellten Leiche und der skandalöse Freispruch lösten eine Welle des Entsetzens aus. Die Rassentrennung mit täglicher Diskriminierung bis zu brutalen Misshandlungen prägte in den Fünfzigerjahren das Leben der Schwarzen vor allem in den Südstaaten. Emmetts wundes Antlitz wurde erst zum Symbol der rassistischen Unterdrückung – und dann zum Symbol des Widerstands dagegen.

Im September 1955 kamen seine Mörder in Mississippi straflos davon; im November wurden sie auch noch von der Anklage der Entführung, die sie selbst zugegeben hatten, freigesprochen. Am 1. Dezember dann weigerte sich die Bürgerrechtlerin Rosa Parks in Alabama, ihren Bussitzplatz für Weiße freizumachen – sie wurde verhaftet, verlor Job und Heim. Die Wut der Schwarzen wuchs und speiste das Erstarken der US-Bürgerrechtsbewegung. Viel später, im Jahr 2007, endeten erneute Ermittlungen zum Mordfall Emmett Till ergebnislos. Doch kürzlich erklärte das Justizministerium, aufgrund „neuer Informationen“ habe es die Sache „wieder aufgenommen“. Allerdings versteckte es die knappe Ankündigung in einem 32-seitigen Routinebericht an den Kongress, ohne weitere Angaben.

Die mysteriösen „neuen Informationen“ könnten von einer zentralen Person des Falls stammen – Bryants Frau Carolyn.

Als inzwischen 72-Jährige räumte sie schon 2008 in einem Interview mit dem Historiker Timothy Tyson ein, ihre Vorwürfe gegen Emmett weitgehend erfunden zu haben. „Nichts, was dieser Junge getan hat, rechtfertigt das, was ihm zugestoßen ist“, zitierte Tyson sie in seinem Buch „The Blood of Emmett Till“, veröffentlicht im vergangenen Jahr. Tyson selbst bezweifelt jedoch, dass Bryants späte Reue die Hauptursache für die neuen Ermittlungen ist. „Keiner dachte je, dass sie die Wahrheit sagte, und schon damals wollten sie nicht gegen sie vorgehen“, sagte er auf CNN. Vielmehr hält er es für einen PR-Trick, mit der die Regierung von ihrer nach Tysons Ansicht rassistischen Politik ablenken wolle, etwa in den Kontroversen über die Einwanderung und die Bürgerrechte.“

(Quelle: SPIEGEL, 26.7.2018)

2004: The Murder of Emmett Till  (1.759.143 Aufrufe, 08.06.2020)

KILLING OF EMMETT TILL (2020) – a film by Denn Pietro (115.592 Aufrufe – 22.11.2020)

Vor fünf Jahren wurde in Washington D.C. das erste nationale Museum für afroamerikanische Geschichte eröffnet. Es dokumentiert Leid, Erfolge und Alltag schwarzer Menschen – auf schier überwältigende Weise. (Quelle SPIEGEL vom 24.9.2016). Hier ist auch der Lynchmord an Emmett Till dokumentiert.

„Fast hundert Jahre lang wurde über das Museum gestritten. Es wurde geplant, verworfen, seine Finanzierung diskutiert; als das Projekt 2003 nach zähem Kampf endlich auf den Weg gebracht wurde, suchten Historiker 40.000 Exponate überall in Amerika in Kleinarbeit zusammen, knapp ein Zehntel der Schätze wird ausgestellt.

Sklaverei, Rassentrennung, Bürgerbewegung sind in den beiden unterirdischen Plateaus des Gebäudes thematisiert, die Exponate so bedrückend, dass ein Psychologenteam bereitsteht, damit Besucher das Gesehene bei Bedarf mithilfe der Fachleute verarbeiten können.

Eisenblöcke sind ausgestellt, die auf den Sklavenschiffen das Gewicht der menschlichen Fracht ausbalancierten. Eisenketten werden gezeigt, für so kleine Gliedmaßen, dass sie offensichtlich Kindern angelegt wurden. Werbezettel für Sklavenauktionen sind zu sehen, „laufend im Angebot: Neger aller Art“.

Ku-Klux-Klan-Masken mit leeren Augenhöhlen starren den Betrachter an, auch der Sarg von Emmett Till gehört zu den Exponaten: Der 14-Jährige wurde 1955 in Mississippi gelyncht, weil er angeblich einer Weißen nahekam.

Der Hauptautor der amerikanischen Verfassung, Thomas Jefferson, den die US-Geschichtsschreibung als Vater der Freiheit feiert, wird im NMAAHC auf sehr elegante Weise dechiffriert: Hinter der Statue des Staatsmanns sind an einer Wand die Namen seiner mehr als 600 Sklaven aufgeführt, „Amy“ und „Sukey“ und „Stephen“ und so viele andere mehr.

Eil-Appell: Not an der polnisch-belarussischen Grenze – Jetzt Leben retten!

Appell an die Bundesregierung

Es gilt, jedes Leben zu respektieren. Punkt.“ – Marek Edelman

An der östlichen EU-Außengrenze entwickelt sich eine humanitäre Katastrophe: Seit Wochen sind Menschen zwischen Polen und Belarus eingekesselt. Sie drohen im Grenzgebiet zu erfrieren oder zu verhungern. Mindestens acht Menschen sind bereits gestorben. Dieses Elend muss ein Ende finden!

Seit Monaten instrumentalisiert der belarussische Machthaber Lukaschenko Menschen aus Krisengebieten und lenkt sie gezielt über Belarus in Richtung der Europäischen Union. Die EU und die Anrainerstaaten Litauen, Lettland und Polen reagieren darauf mit Abschottung und völkerrechtswidrigen Zurückweisungen. Mit Stacheldraht, Grenzschutz und Militär sollen die Menschen aufgehalten werden. Diese Politik verursacht enormes Leid: Männer und Frauen, Familien und Kinder irren in den Wäldern umher, hungern und frieren.

Seit Wochen sind sie so im Grenzgebiet eingekesselt und stecken fest – denn auf der belarussischen Seite stehen auch bewaffnete Polizisten, die sie nicht zurück ins Land lassen. Mehrere Menschen starben bereits.

Journalist*innen und Hilfsorganisationen bekommen keinen Zugang zum Grenzgebiet, die Behörden nehmen den Tod der Menschen in Kauf. Diese Situation ist ein Skandal und zutiefst beschämend.

Auch für viele Belaruss*innen ist diese Situation fatal. In den vergangenen Monaten konnten Hunderte nur über die grüne Grenze der anhaltenden Verfolgung von Kritikern des Regimes aus dem Land entkommen – und fanden Aufnahme und Unterstützung in Litauen und Polen. Beide Länder zeigten, wie großzügig europäische Solidarität für Geflüchtete aussehen kann. Für alle, die jetzt noch in Belarus sind und fliehen müssen, wird mit den Zäunen aus messerscharfem Stacheldraht an der EU-Außengrenze ein wichtiger Fluchtweg abgeschnitten.

Das zeigt: Wer die Grenze zu Belarus abschottet, geht dem Diktator doppelt in die Falle. Dieses Kalkül Lukaschenkos darf nicht aufgehen. Man darf sich von einem unmenschlichen Regime nicht dazu bringen lassen, selbst die eigenen Werte zu unterlaufen. Auf Unrecht muss mit der Gewährung von Menschenrechten geantwortet werden. Humanität und Menschlichkeit kann nur Bestand haben, wenn sie für alle gilt: Die Menschenwürde ist unverhandelbar.

Wir appellieren daher:

1. Die Geflüchteten müssen sofort humanitäre Hilfe erhalten. Ärzt*innen und Hilfsorganisationen müssen unverzüglich und ungehindert ihre wichtige Arbeit vor Ort leisten können. Nur so können weitere Tote verhindert werden. Rechtsanwält*innen und Journalist*innen müssen ebenfalls Zugang erhalten. All dies fordert auch der Polnische Ombudsmann für Bürgerrechte.

2. Wir erwarten von der polnischen Regierung, wie von jeder Regierung in Europa, dass sie geltendes Recht einhält. Dazu gehören die Menschenrechte, insbesondere das Recht auf Leben und Unversehrtheit, sowie völkerrechtliche Tabus, wie das Verbot Menschen in Gefahr zurückzudrängen (“Push-Backs”) und das Verbot von Folter.

3. Das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Menschen, die Schutz innerhalb der EU suchen, haben ein Recht auf individuelle Prüfung ihres Asylgesuchs. Die deutsche Bundesregierung und andere EU-Länder sollten Polen und Litauen unterstützen, Flüchtlinge zu registrieren und ihnen Zugang zu einem fairen Asylverfahren zu gewähren.

4. Menschen dürfen in Europa niemals zum Spielball von Politik gemacht werden. In Polen und Litauen wiederholen sich Szenarien, wie an der griechisch-türkischen Grenze, in der Ägäis, der bosnisch-kroatischen Grenze und auf dem zentralen Mittelmeer. Die Europäische Union braucht Humanität und Rechtsstaatlichkeit in der Flüchtlingspolitik, nicht Härte und Abschottung. Wir erwarten deshalb, dass die deutsche Bundesregierung sich für eine faire und schnelle Aufnahme und Umverteilung der Geflüchteten in Europa einsetzt, beispielsweise auf die vielen aufnahmebereiten Städte und Kommunen (“Sichere Häfen”).

Wir stehen an der Seite derjenigen, die verfolgt werden. Sie alle brauchen Schutz und eine Zukunft!

Wir rufen auf, alle zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen, Kommunen und Kirchen in Polen zu unterstützen, die solidarisch sind, den Menschen in Not helfen und die Menschenrechte verteidigen. Wir dürfen sie nicht alleine lassen. Öffentlichkeit und Spenden sind gerade jetzt von unschätzbarem Wert – Europäische Solidarität jetzt! Europejska Solidarność teraz!