Impfskepsis: Wie überzeugt man Impfunwillige=

Von Jan Schweitzer November 2021 1.169 Kommentare

Aus der ZEIT Nr. 47/2021

Impfskepsis: Wie überzeugt man Impfunwillige?

Diese Frage stellen sich gerade viele Menschen. Ihre Wut auf die Skeptiker wächst. Eine Argumentationshilfe gegen die häufigsten Vorbehalte

 Übersicht:

„Es stecken sich lauter Geimpfte an – das spricht nicht gerade für die Spritze“

Bei den explodierenden Infektionszahlen könnte man das denken. Tatsächlich nimmt die Zahl der Impfdurchbrüche zu. Das aber war zu erwarten. Denn die Impfungen schützen mit der Zeit nicht mehr so gut vor einer Infektion. Der Impfstoff von BioNTech hat nach fünf Monaten noch eine Effektivität von etwa 50 Prozent, wie eine amerikanische Studie zeigte.

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Aber – und das ist entscheidend – die Impfungen schützen immer noch sehr effektiv davor, so schwer zu erkranken, dass man auf einer Intensivstation behandelt werden muss. Viele Kliniken berichten, dass sie ausschließlich ungeimpfte Corona-Patienten beatmen müssen.

Wer geimpft ist, tut etwas für sich selbst und gegen die Pandemie. Das sieht man auch am Beispiel besonders betroffener Bundesländer wie Sachsen: Die Sieben-Tage-Inzidenz der nicht (vollständig) Geimpften steigt dort rapide und liegt bei über 1700, die der vollständig Geimpften liegt bei etwa 60 – und sinkt seit Tagen. Das alles spricht eindeutig für die Spritze.

„Mein Immunsystem ist stark genug, um mit dem Virus klarzukommen“

Sich darauf zu verlassen ist riskant – egal, wie fit man ist. Immerhin befinden wir uns in einer Pandemie, in der ein neues Virus zirkuliert, von dem wir immer noch nicht genau wissen, was es im Körper alles anrichtet.

Außerdem haben wir die Möglichkeit, das Immunsystem noch fitter zu machen: durch die Impfung. Sie schärft die Abwehrkräfte gegen einen Feind, mit dem es zuvor noch keinen Kontakt hatte.

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Diese Unkenntnis unseres Körpers ist der Grund, warum das Virus so leichtes Spiel hat, warum es sich so gut ausbreiten kann, sogar unter jungen und gesunden Menschen. Selbst wenn bei ihnen das Risiko einer schweren Infektion gering ist – es ist nicht gleich null. Und auch langfristige Folgen einer Infektion können das Leben beeinträchtigen. Schwere Nebenwirkungen bei der Impfung hingegen sind äußerst selten. Warum also sollte man sich nicht vor einer Erkrankung schützen, die einen auf die Intensivstation bringen könnte?

„Über die Langzeit-Nebenwirkungen wissen wir ja noch gar nichts“

Doch, das Entscheidende wissen wir: Bislang ist bei keiner anderen Impfung – etwa gegen Masern, Mumps, Röteln und viele andere Krankheiten – nach längerer Zeit (also nach vielen Monaten oder Jahren) eine Nebenwirkung bekannt geworden. Es kann aber zu einem Missverständnis kommen: Wenn eine Nebenwirkung extrem selten ist, wird sie erst dann als solche erkannt, wenn eine hohe Anzahl an Menschen geimpft wurde. Das kann nach Monaten oder Jahren sein. Die Nebenwirkung ist also keine Langzeitfolge – sondern sie ist erst dann aufgefallen.

Die wichtigsten Corona-Zahlen Aktualisiert heute, 19:20 Uhr

Quellen: Kreis- und Landesbehörden, Robert Koch-Institut, Divi Intensivregister, Johns-Hopkins-Universität, Our World in Data

Weitere Corona-Daten:

Gegen Corona sind inzwischen mehr als sieben Milliarden Impfdosen verabreicht worden und mehr als drei Milliarden Menschen sind vollständig geimpft. Bei dieser hohen Anzahl an Impflingen hätte man die allermeisten seltenen Nebenwirkungen längst bemerkt, zumal die Behörden alles sehr genau beobachten. Zwei solcher seltenen Nebenwirkungen sind auch schon entdeckt: Herzmuskelentzündungen vor allem bei jungen Männern und Thrombosen in den Hirnvenen insbesondere bei jüngeren Frauen.

„Dieses neue mRNA-Zeug ist mir suspekt. Wer weiß, was das im Körper anrichtet“

So neu ist die Technologie nicht. Und eine mRNA greift auch nicht ins Erbgut ein, wie viele meinen. Als Arzneimittel wird sie seit Jahren erprobt, etwa gegen Krebs. Und als Vakzine hat die mRNA einen großen Vorteil: Der Stoff kann derart rein hergestellt werden, dass in einer Impfdosis auch wirklich nur das drin ist, was reingehört. Manche Experten bezeichnen andere Impfstoffe im Vergleich dazu sogar als „Brühe“, obwohl diese seit Jahrzehnten angewandt werden und äußerst sicher sind.

Durch die Reinheit der mRNA-Impfstoffe kann man gewiss sein, dass sie nur eine einzige Aufgabe erfüllen: Sie sorgen dafür, dass die Zellen ein Protein in ihre Oberfläche einbauen, das charakteristisch für das Coronavirus ist. Darauf springt das Immunsystem an: Jetzt hat es seinen Feind kennengelernt und kann ihn vernichten. Und genau das tut es auch irgendwann mit den Zellen, die die mRNA enthalten und äußerlich dem Coronavirus ähneln – wenn die mRNA nicht ohnehin schon vorher von der Zelle abgebaut wurde.

„Die Impfung stört nicht nur den Zyklus, sie kann sogar unfruchtbar machen!“

Tatsächlich kann der Zyklus nach einer Impfung unregelmäßig sein, zumindest eine Zeit lang. Das zeigen vor allem Beobachtungen aus anderen Ländern. Man kennt dieses Phänomen schon von anderen Impfungen und auch von Infektionen: Wenn das Immunsystem aktiv wird, wirkt das auf den Körper wie eine Form von Stress. Dann kann die Menstruationsblutung schon mal ausfallen oder später einsetzen. Mit der Zeit normalisiert sich der Zyklus wieder. Hinweise darauf, dass Frauen durch die Impfung unfruchtbar wurden, gibt es dagegen bislang gar nicht.

„Es gibt Menschen, die nach ihrer Impfdosis gestorben sind“

In Deutschland sterben jeden Tag etwa 2500 Menschen, davon mehr als 500, die älter als 80 Jahre sind. Dass sich darunter auch Menschen befinden, die kurz zuvor geimpft wurden, ist statistisch zu erwarten. Wenn also dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) bis Ende September mehr als 1800 Todesfälle in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung gemeldet wurden (das PEI sammelt solche Meldungen und ordnet sie ein), lautet die entscheidende Frage: War die Impfung auch die Ursache für den Tod? Einfach zu beantworten ist sie, wenn jemand fünf Tage nach dem Piks bei einem Unfall ums Leben kommt. Schwerer wird es, wenn die Todesursache unklar ist: War es dann nur Zufall, dass der Tod auf die Impfung folgte? Zu klären ist das nur mit größerem Aufwand, statistischen Berechnungen etwa oder rechtsmedizinischen Untersuchungen. Zur Einordnung: Das PEI gibt an, dass bis Ende September weniger als 50 Menschen an einer Impfung gestorben sind – bei bis dahin über 50 Millionen geimpften Menschen. Das sind 0,0001 Prozent.

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10 Fragen zur Corona-Lage

Antworten aus Politik …

… und Wissenschaft

Wer mehr Informationen sucht, findet sie auf den Seiten des RKI, des PEI und auf zusammengegencorona.de
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