Pia Eberhardt: “Konzernschutz vor Klimaschutz? Der Energiecharta-Vertrag (ECT)„ –Münchner Forum Nachhaltigkeit – 543 views Jun 18, 2021 –
Immer öfter verklagen Konzerne der fossilen Energiewirtschaft Staaten auf Schadensersatz, wenn die Regierungen berechtigte Klimaschutzmaßnahmen ergreifen. Die Grundlage für diese Klagen ist der 1998 abgeschlossene Energiecharta-Vertrag (ECT), dem bislang über 50 Staaten, darunter auch die Länder der EU, beigetreten sind.
Die im Vertrag enthaltenen Sonderklagerechte für Konzerne ermöglichen es Energiekonzernen und Investoren, Regierungen für klimafreundliche Gesetze abzustrafen. Allein 1,4 Milliarden Euro Schadenersatz verlangt etwa RWE für den von den Niederlanden beschlossenen Kohleausstieg. Auch in Deutschland hat der Energiecharta-Vertrag den anstehenden Kohleausstieg enorm verteuert. In vielen weiteren Ländern werden Pläne zum Ausstieg aus fossilen Energien allein schon durch Klageandrohungen bis zur Unbrauchbarkeit abgeschwächt, zurückgezogen oder erst gar nicht in Angriff genommen.
Doch inzwischen regt sich Widerstand. In ganz Europa fordern über 500 Klimawissenschaftler*innen, hunderte gemeinnützige Organisationen und mehr als 1 Million Menschen einen EU-Austritt aus dem Pakt. Mit dem Energiecharta-Vertrag stehen Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit eines globalen Klimaschutzes, zu dem sich die Staatengemeinschaft verpflichtet hat, auf dem Spiel.
Handelsexpertin Pia Eberhardt arbeitet als Campaignerin und Rechercheurin bei der Brüsseler NGO Corporate Europe Observatory (CEO). Sie setzte sich bereits gegen Handelsverträge TTIP und CETA ein und beschäftigt sich schon lange mit dem Energiecharta-Vertrag und den Gefahren einer Paralleljustiz für Konzerne.
Hier finden Sie die Powerpoint-Präsentation als gesonderte Datei: https://oekom-verein.de/wp-content/up…
13.06.2018
Eine neue Studie zeigt den beispiellosen Einfluss, den der Energiecharta-Vertrag Investoren in fast 50 Ländern verleiht – und enthüllt seine drohende Ausweitung auf zahlreiche Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika.
* Die Studie gibt es hier auf englisch * Die Zusammenfassung gibt es auch auf französisch, deutsch, spanisch und italienisch.
Zahlreiche Infographiken zu den wesentlichen Erkenntnissen finden sich (auf englisch) auf energy-charter-dirty-secrets.org.
Vor zwei Jahrzehnten trat ohne nennenswerte öffentliche Diskussion ein undurchsichtiges internationales Abkommen in Kraft: der Vertrag über die Energiecharta (Energy Charter Treaty, ECT). Dieses Abkommen wirkt wie der geheime, magische „Ring, sie alle zu knechten“ aus der Herr der Ringe Trilogie: Er verleiht Konzernen enorme Macht über unsere Energiewirtschaft, einschließlich der Möglichkeit, Staaten vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen und dadurch die Energiewende von klimaschädlichen fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien zu blockieren. Derzeit wird der Vertrag um neue Mitglieder erweitert und droht somit, noch mehr Länder auf konzernfreundliche Energiepolitiken zu verpflichten.
Heute gilt der ECT in fast 50 Staaten von Westeuropa über Zentralasien bis Japan. Der Kern des Vertrags sind weitreichende Rechte für ausländische Investoren im Energiesektor – auch bekannt unter dem berüchtigten Akronym ISDS (investor-state dispute settlement, Investor-Staat-Streitschlichtung).
Die ISDS-Klauseln des ECT geben Energiekonzernen weitreichende Rechte, Staaten vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen, bestehend aus drei privaten Jurist*innen, den Schiedsrichter*innen. Dabei können den Konzernen schwindelerregende Summen an Schadensersatz für angebliche Investitionseinbußen zugesprochen werden – und zwar infolge sogenannter „Enteignungen“ aber auch indirekter Schäden durch quasi jegliche Art der Regulierung. So hat der Energieriese Vattenfall Deutschland wegen Umweltauflagen für ein Kohlekraftwerk sowie wegen des Atomausstiegs verklagt. Das Öl- und Gas-Unternehmen Rockhopper verklagt Italien wegen eines Verbots von Offshore-Ölförderung. Und mehrere Stromversorger verklagen das ärmste Mitgliedsland der EU, Bulgarien, weil die bulgarische Regierung die enorm hohen Strompreise für die Verbraucher*innen gesenkt hatte.
Bisher haben der ECT und seine Profiteure kaum öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Während Konzernklagerechte bei anderen Handels- und Investitionsabkommen lautstarken öffentlichen Protest ausgelöst haben, ist es um den ECT erstaunlich still geblieben. Viele Konzernklagen auf Basis des Vertrags bleiben geheim. Über andere gibt es kaum öffentliche Informationen. In den Ländern, die sich gerade um einen Beitritt zum Vertrag bemühen, scheint kaum jemand je davon gehört, geschweige denn die politischen, rechtlichen und finanziellen Risiken des Abkommens gründlich untersucht zu haben. Diese Studie untersucht den „Einen Ring“ des ECT – ein Vertrag, der großen Einfluss auf die Zukunft unserer Energiesysteme haben wird – sowie die Konzerne und Anwält*innen, die bisher am meisten von ihm profitiert haben.