Ukraine-Russland: Vermittlung durch Naftalie Bennett – Fragen

22.3.2024

Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE

Die Bundesregierung und die gescheiterten Friedensverhandlungen zwischen
Russland und der Ukraine im Frühjahr 2022

Der ehemalige israelische Premierminister Naftali Bennett hat in einem Videointerview Anfang Februar 2023 erstmals ausführlich über Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine im März 2022 unter seiner
Vermittlung gesprochen (www.youtube.com/watch?v=qK9tLDeWBzs).

Ihmzufolge habe es damals eine gute Chance auf einen Waffenstillstand gegeben,
wenn der Westen dies nicht verhindert hätte. Daran ändern auch seine späteren
Relativierungen nichts. Die diplomatische Initiative Israels erfolgte zeitgleich
zu den Friedensverhandlungen der ukrainischen und russischen Delegationen
im belarussischen Gomel und später im türkischen Istanbul ( www.tagesspiege
l.de/internationales/israels-ex-premier-befeuert-vorwurfe-wie-nah-kamen-kiewund-moskau-einer-friedenslosung-9326102.html ).

Dort sollen sich laut einem Bericht der US-amerikanischen Fachzeitschrift „Foreign Affairs“ unter Berufung auf Aussagen verschiedener ehemaliger USamerikanischer Beamter russische und ukrainische Unterhändler im April 2022
auf Grundzüge einer Verhandlungslösung zur Beendigung des Angriffskrieges
Russland gegen die Ukraine geeinigt haben ( www.foreignaffairs.com/russian-fe
deration/world-putin-wants-fiona-hill-angela-stent ).

Die Grundlage hierfür bildete das von der ukrainischen Seite vorgelegte „Istanbuler Kommuniqué“, das laut Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) nach Angaben von an den
Verhandlungen beteiligten Akteuren von den Konfliktparteien vorabgestimmt
worden war und zur Grundlage einer Verhandlungslösung hätte werden können.

In diesem Dokument wurden in zehn Punkten die Bedingungen für einen
Waffenstillstand, dauerhafte ukrainische Neutralität und internationale Sicherheitsgarantien skizziert. Die Einigung sah unter anderem vor, dass sich Russland auf seine Position vom 23. Februar 2022 zurückzöge, während die Ukraine
im Gegenzug zusicherte, keine NATO-Mitgliedschaft anzustreben. Um den Status der Krim zu klären, wurde ein Zeitraum von 15 Jahren vorgeschlagen
( SWP-Aktuell 2022/A 66, S. 3–4 ).

Der damalige Premierminister Israels, Naftali Bennett, bestätigt in dem Interview, beide Seiten seien bei den Verhandlungen wenige Wochen nach Beginn
des Kriegs zu erheblichen Zugeständnissen bereit und ein Waffenstillstand in
greifbarer Nähe gewesen. Bei seinem Besuch in Moskau am 5. März 2022 auf
Einladung des russischen Präsidenten Wladimir Putin habe dieser einige substanzielle Zugeständnisse gemacht und insbesondere von seinem ursprünglichen Kriegsziel einer Demilitarisierung der Ukraine abgesehen. Im Gegenzug habe sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bereit erklärt, auf einen NATO-Beitritt zu verzichten.

Im Rahmen der intensiven Gespräche auch über andere Themen wie die Zukunft des Donbas und der Krim sowie Sicherheitsgarantien für die Ukraine hatten laut Naftali Bennett „beide Seiten großes Interesse an einem Waffenstillstand“. Die diplomatischen Vermittlungsversuche zwischen den beiden Kriegsparteien waren laut Naftali Bennett „bis ins kleinste Detail mit den USA, Deutschland und Frankreich abgestimmt“. Jedoch hätten
insbesondere Großbritannien und die USA den Prozess beendet und auf eine
Fortsetzung des Krieges gesetzt. Auf die Frage, ob die westlichen Verbündeten
die Initiative letztlich blockiert hätten, antwortete Naftali Bennett: „Im Grunde
genommen, ja. Sie haben es blockiert, und ich dachte, sie hätten Unrecht“
(www.berliner-zeitung.de/open-source/naftali-bennett-wollte-den-frieden-zwisc
hen-ukraine-und-russland-wer-hat-blockiert-li.314871).

In diesem Sinne hatte die ukrainische Nachrichtenseite „Ukrainska Pravda“ bereits am 5. Mai 2022 unter Berufung auf Quellen aus dem engen Umkreis des
ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj berichtet, dass die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine infolge des Besuchs des damaligen
britischen Premierministers Boris Johnson am 9. April 2022 in Kiew zum Erliegen gekommen seien. Boris Johnson habe der ukrainischen Seite mitgeteilt,
dass Wladimir Putin unter Druck gesetzt werden solle, anstatt mit ihm zu verhandeln, und dass, selbst wenn die Ukraine zu einem Abkommen mit Wladimir
Putin bereit sei, der Westen dies nicht unterstützen werde.

Die westliche Absage habe die Fortführung von Verhandlungen mit Russland neben den Berichten über Kriegsverbrechen in Butscha maßgeblich verhindert (www.pravda.com.u
a/eng/news/2022/05/5/7344206/). Im Vorfeld seines Besuchs in Kiew soll Boris
Johnson Wolodymyr Selenskyj aufgefordert haben, „keine Zugeständnisse an
Wladimir Putin zu machen“ (www.theguardian.com/commentisfree/2022/apr/2
8/liz-truss-ukraine-war-russia-conservative-power).

Bei Stellungnahmen Ende April 2022 gaben sowohl die britische als auch die US-amerikanische Regierung einen militärischen Sieg der Ukraine über Russland als strategisches Ziel aus (www.gov.uk/government/speeches/foreign-secretarys-mansion-house-spee ch-at-the-lord-mayors-easter-banquet-the-return-of-geopolitics.de; www.defens e.gov/News/Speeches/Speech/Article/3010300/secretary-austins-opening-remar ks-at-the-ukraine-defense-consultative-group-ram/)