Studie: Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Importstopps russischer Energie auf Deutschland
„Wie würde die deutsche Wirtschaft einen plötzlichen Stopp der Energieimporte aus Russland verkraften, entweder ausgelöst durch eine weitere Verschärfung der Sanktionen oder nach einem Stopp der Energielieferungen durch Russland? In diesem Papier kombinieren wir die neuesten theoretischen Fortschritte in der multisektoralen Makroökonomie mit einem detaillierten Blick auf den deutschen Energieverbrauch und empirischen Schätzungen für die Substitutionselastizitäten, um die kurzfristigen Kosten zu schätzen. …
ZUSAMMENFASSUNG
Im Fall eines Importstopps können Öl und Kohle aus Russland durch Einfuhren aus anderen Ländern ersetzt werden, aber die Situation auf dem Gasmarkt ist komplizierter. Mehr Gasimporte aus anderen Ländern, der Einsatz von Kohle oder Kernenergie in der Stromerzeugung statt Gas sowie das Wiederauffüllender Gasspeicher über den Sommer können das Defizit in den nächsten zwölf Monaten nur auf etwa 30% des Gasverbrauchs oder 8% des deutschen Energieverbrauchs reduzieren.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines solchen Ausfalls von Gaslieferungen hängen entscheidend davon ab, wie Energieinputs zwischen den Sektoren ersetzt und verteilt werden. Um diese Auswirkungen zu quantifizieren, verwenden wir ein modernes multisektorales Modell der offenen Volkswirtschaft nach Baqaae und Farhi (2021), das die Substitutionselastizitäten und Reallokation zwischen verschiedenen Zwischenprodukten berücksichtigt. In einem zweiten Schritt wenden wir uns einem vereinfachten Modell zu, das uns hilft, plausible Grenzen für die wirtschaftlichen Auswirkungen unter Verwendung beobachteter Elastizitäten für Energieinputs abzuleiten.
Nachdem Baqaae Farhi Modell bleiben die Produktionskosten eines russischen Importstopps deutlich unter 1% des Bruttoinlandsprodukts bzw. zwischen 80 und 120 Euro pro Jahr und deutschem Bürger.
In einem pessimistischeren Szenario, in dem sich russisches Gas kurzfristig außerhalb des Elektrizitätssektors nur schwer ersetzen lässt, würden die wirtschaftlichen Kosten auf etwa 2–2,5% des BIP oder etwa 1 000 Euro pro Person über ein Jahr ansteigen. Dies kommt möglicherweise zu einem starken Anstieg der Energiepreise für Haushalte und Industrie hinzu, selbst wenn es keine Lieferengpässe bei Gas gibt. Natürlich sind die Auswirkungen in energieintensiven Sektoren stärker. Auch größere wirtschaftliche Einbrüche und Verwerfungen können allerdings nicht ausgeschlossen werden, da die Stärke des potenziellen Schocks hohe Unsicherheiten für die Modellierung mit sich bringt.
Die Daten aus der Income and Consumption Survey (EVS) zeigen, dass der Anteil der Energieausgaben je nach Einkommen variiert. Die Verteilungsfolgen eines Anstiegs der Energiepreise scheinen jedoch über schaubar zu sein. Eine gezielte Politik, die einkommensschwache Haushalte unterstützt, ohne die Anreize für Haushalte zum Energiesparen zu verringern, wäre ein kosteneffizienter Weg, um eine gerechte Verteilung der Lasten auf die Haushalte zu gewährleisten. Es ist wichtig, starke Anreize zur Reduzierung des Gasverbrauchs beizubehalten.
Die Wirtschaftspolitik sollte darauf abzielen, Anreize zur Substitution und Einsparung fossiler Energien strategisch so schnell wie möglich zu erhöhen. Falls ein aktives Embargo politisch gewollt ist, sollte es so früh wie möglich beginnen, damit die Wirtschaftsakteure den Sommer zur Anpassung nutzen können. Um die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern, sollte die Regierung sich dazu verpflichten, ein hohes Niveau der Preise für fossile Energieträger – insbesondere für Erdgas – für einen längeren Zeitraum sicherzustellen, um Anreize für Haushalte und Industrie zu schaffen, sich schnell anzupassen.
Autor*innen: Rüdiger Bachmann: University of Notre Dame, David Baqaee: University of California, Los Angeles; Christian Bayer: Universität Bonn; Moritz Kuhn: Universität Bonn und ECONtribute; Andreas Löschel: Ruhr University Bochum; Benjamin Moll: London School of Economics; Andreas Peichl: ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Universität München; Karen Pittel: ifo Institut für Wirtschaftsforschung, Universität München; Moritz Schularick: Sciences Po Paris, Universität Bonn und ECONtribute.